Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163025/3/Br/Ps

Linz, 25.03.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn C K, geb., L, T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3.3.2008, Zl. VerkR96-13960-1-2007/Her, zu Recht:

 

I.            Der Berufung wird in Bestätigung des Schuldspruches mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen wird.

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

zu II.: § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 100 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe am 7.11.2007 um 09.05 Uhr das Sattelkraftfahrzeug, Sattelzugfahrzeug auf der A 25, Welser Autobahn in Fahrtrichtung Linz gelenkt, wobei er auf Höhe von km 7,0 im Gemeindegebiet von Weißkirchen/Traun als Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längenabmessungen nach einem ebensolchen Fahrzeug auf einer Autobahn einen Abstand von mindestens 50 m nicht eingehalten habe, da er nur einen Abstand von 20 m eingehalten habe. Die Unterschreitung des gesetzlich erforderlichen Abstandes sei mittels geeichtem Abstandsmessgerät festgestellt worden.

 

1.1. Begründend stützte die Behörde erster Instanz den Schuldspruch auf das mittels dem VKS 3.0 festgestellte Ergebnis des Nachfahrabstandes. Es wurde auf die bildliche Dokumentation und den Abzug der erforderlichen Messtoleranzen hingewiesen.

In der Übertretung selbst erblickte die Behörde erster Instanz eine mit diesem Verhalten verbundene erhebliche Schädigung von Interessen der Sicherheit im Straßenverkehr. Damit wurde die Strafbemessung begründet, wobei beim Berufungswerber von einem durchschnittlichen Einkommen und keinem Vermögen ausgegangen wurde.

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht dagegen erhobenen Berufung. Darin verweist er auf den Beginn bzw. einen unmittelbar bevorstehenden Überholvorgang, welchen er wegen des Nachfolgverkehrs noch nicht einleiten habe können.

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit wurde die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt. Ferner wurde sowohl dem Berufungswerber als auch dem Vertreter der Behörde erster Instanz die Sicht der Sachlage seitens der Berufungsbehörde zur Kenntnis gebracht.

 

4. Zur Person:

Der Berufungswerber ist Berufskraftfahrer für die Firma G KG. Er trat den von der Behörde erster Instanz grundgelegten allseitigen Verhältnissen nicht entgegen. Im Hinblick auf sein Berufungsvorbringen und die unbestritten bleibende objektiv rechtswidrige Verkürzung des 50-m-Abstandes wurde er im Rahmen des Berufungsverfahrens nochmals in Kenntnis gesetzt. Eine Berufungs­verhandlung wurde nicht gesondert beantragt, wobei der Berufungswerber einem Schuldspruch auch nicht im Rahmen des Parteiengehörs entgegen trat.

 

4.1. Zur Sache:

Von der Videodokumentation findet sich die Zeitspanne von 09:05.17 Uhr (Bild 08)  bis 09:05.21 Uhr (Bild 21) durch zwei Fotoausdrucke im Akt dokumentiert.

Es herrschte zu diesem Zeitpunkt auf dem genannten Autobahnabschnitt ein wohl starkes Verkehrsaufkommen. Laut Bild 1 finden sich im Sichtbereich auf der linken Fahrspur sieben Pkw´s. Drei von diesen Pkw´s bewegen sich etwa auf Höhe des vom Berufungswerber gelenkten Lkw, während sich die anderen, etwa im gleichen Abstand fahrend, noch hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers befinden. Am zweiten Foto sind drei Fahrzeuge unmittelbar im Begriff, das Fahrzeug des Berufungswerbers links zu überholen. Die Situation stellt sich als typisches Abwarten einer Überholmöglichkeit eines mit nur etwas geringerer Geschwindigkeit vorausfahrenden Lkw´s dar.

Demnach kann dem Berufungswerber in seiner Darstellung durchaus gefolgt werden, dass er den 50-m-Abstand offenbar nur angesichts des unmittelbar bevorstehenden Überholvorganges, für dessen Einleitung es nur noch das Vorbeifahren des auf der Überholspur herannahenden PKw´s abzuwarten galt, verkürzte.

Da der gerade noch dem Mindestsicherheitsabstand gerecht werdende Tiefenabstand von 20 m hier gut nachvollziehbar auf den unmittelbar bevorstehenden Überholvorgang zurückgeführt werden kann, vermag in dieser Abstandsverkürzung keine nachteilige Auswirkung für Interessen der Verkehrssicherheit erblickt werden.

Wie unten noch auszuführen ist, ist das Gegenteil vielmehr der Fall. Hier wurde offenbar der gebotene Nachfahrabstand an Lkw´s von zumindest 50 m unter Berücksichtigung fahrdynamischer Gebote, insbesondere der Erreichung eines möglichst kurz zu haltenden Überholverlaufes, nicht korrigiert. Dies scheint durchaus plausibel.

Wenn der Berufungswerber persönlich diesbezüglich auf die Praxisrealität hinwies, ist ihm darin durchaus zu folgen, zumal etwa in einem vergleichbaren Verfahren der Sachverständige sowohl rechnerisch als auch durch seine Ausführungen eindrucksvoll darlegte, dass durch die Unterschreitung des 50-m-Abstandes auf der Autobahn in der Regel keinerlei nachteilige Folgen für die Verkehrssicherheit einhergehen. Der Sachverständige legte etwa  nicht nur die sich gravierend unterschiedlich gestaltenden Überholprofile aus einem 50-m-Abstand heraus und einem Umspuren auf den rechten Fahrstreifen erst nach Erreichen eines Tiefenabstandes von 50 m zum Vorderfahrzeug insofern dar, weil dies in der Praxis zu einer um 43 Sekunden längeren Benützungsdauer (Blockierung) der Überholspur führen würde.

Zusätzlich wurde damals verdeutlicht, dass ein Einordnen in eine "50-m-Lücke" durch einen in aller Regel doch erheblich schneller fahrenden Pkw einerseits kaum realistisch wäre, anderseits wohl unweigerlich eine Bremsreaktion bei einem von einem solchen Überholvorgang unmittelbar betroffenen Fahrzeug (dem derart Überholten) auslösen würde. Von einem solchen Manöver könnte laut Sachverständigen eine nicht unbedeutende Unfallspotenz für den Nachfolgeverkehr ausgehen.

Diesen Ausführungen muss bei logischer Betrachtung daher gefolgt werden, wobei sich letztlich schlussfolgern lässt, dass dem vom Berufungswerber gesetzten Verhalten hier keine nachteiligen Tatfolgen zugeordnet werden können.

Somit kann dem Berufungswerber auch hier in seiner Verantwortung umfassend gefolgt werden.

Seine Darstellungen entsprechen nämlich durchaus der nahezu permanent anzutreffenden Sache, wonach Lkw´s aus einem Abstand von weniger als 50 m heraus ihre Überholvorgänge einleiten, um dadurch den an sich schon längeren Überholvorgang an Lkw´s erträglich kurz zu halten, um dadurch die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu unterstützen.

Wie vorher schon ausgeführt, wäre das rechtmäßige Alternativverhalten nur darin zu erblicken, dass der Lenker des überholten Lastkraftwagenzuges entweder seine Fahrgeschwindigkeit zu verringern hätte, um möglichst rasch den 50-m-Abstand zu erreichen oder, was die Praxis klar widerlegt, hätte der Überholende so lange links zu bleiben, bis er über den Rückspiegel einen Sicherheitsabstand von 50 m zum Überholten erreicht zu haben glaubt.

Die zusätzlich von der Berufungsbehörde durchgeführten Berechnungen ergaben, dass sich bei einer Geschwindigkeitsdifferenz eines mit 85 km/h überholenden Lkw-Zuges (Länge 18,7 m) aus einem Tiefenabstand von 50 m zum Vorderfahrzeug, sich dieses Manöver bis zum Wiedereinordnen mit einem ebensolchen Abstand zu einem mit 80 km/h fahrenden überholten gleichartigen Fahrzeug, über eine Strecke von 2.339 m erstreckt, während dieser bei Tiefenabständen von jeweils nur 20 m nur mehr bei 1.319 m liegt (Berechnung mit Analyzer Pro). Daraus ergibt sich eine um immerhin 43 Sekunden kürzere Blockierung des linken Fahrstreifens der Autobahn (vgl. h. Erk. v. 8.11.2007, VwSen-162640/4/Br/Ps, 28.1.2008, VwSen-162846/3/Br/Ps und Erk. v. 21.3.2006, VwSen-161156/6/Br mit Hinweis auf die darin von einem Amtsachverständigen dazu vertretene Fachmeinung).

Diesen weiterführenden Feststellungen bedurfte es, um hier den Schuld- und Unwertgehalt der Schutznormverletzung darzutun.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 18 Abs.4 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse und dgl.) auf Freilandstraßen (dazu zählen auch Autobahnen) nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten (s. UVS-Steiermark v. 23.9.2004, 30.18-20/2004).

Das Schutzziel des § 18 Abs.4 StVO ist primär in der Überholmöglichkeit von Fahrzeugen mit größeren Längsabmessungen zu erblicken. Die gesetzliche Bestimmung des § 18 Abs.4 StVO soll gewährleisten, dass eine Kolonnenbildung durch mehrere hintereinanderfahrende Fahrzeuge mit größeren Längsabmessungen, insbesondere von Lkw-Kolonnen, verhindert wird, die auf Freilandstraßen ein erhebliches Hindernis durch andere Fahrzeuge bilden können. Dies trifft jedoch – wie vorhin rechnerisch dargestellt – für das Gebot möglichst kurz zu haltender Überholvorgänge auf Autobahnen gerade nicht zu. Daher kann aus empirischer Sicht mit dem kurzzeitigen Unterschreiten des 50-m-Abstandes im Zusammenhang eines gegenseitigen Überholens von Lastkraftwagen mit größeren Längsabmessungen, zumindest das in der Erleichterung des Überholens definierte Schutzziel der genannten Bestimmung wohl kaum als geschädigt erachtet werden. Dies belegt vor allem die auf Autobahnen tausendfach festzustellende Realität, die sich dahingehend gestaltet, dass sich – abgesehen von Ausfahrten und beim Umspurbedarf durch  Hochgeschwindigkeitslenker – das Einreihen zwischen zwei hintereinander fahrender Lkw´s eher selten als geboten erweist.

Es liegt aber nicht im Ermessen der Vollziehung dies zu kritisieren. Nur dem Gesetzgeber wäre es anheim gestellt im Lichte der gepflogenen Praxis und der Praxisauswirkungen den "50-m-Abstand" für Autobahnen angesichts des dort offenbar nicht erreichbaren Regelungsziels außer Kraft zu setzen.

 

6. Zum Strafausspruch:

 

6.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hinsichtlich des Schutzzweckes auf die obigen Ausführungen verwiesen. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) ferner die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Hier gelangen bei der Beurteilung des Sanktionsbedarfs ausschließlich mildernde Umstände zur Wertung.

Diesem auf der Autobahn unmittelbar mit dem Überholen verwirklichten Tatbild liegt – entgegen der teilweise auch in der Judikatur vertretenen Auffassung – kein vom Schutzziel des § 18 Abs.4 StVO intendierter Unwertgehalt inne; vielmehr wird durch ein aus der Fahrdynamik resultierendes vorübergehendes Verkürzen dieses Abstandes (im Gegensatz zum Sicherheits­abstand iSd § 18 Abs.1 StVO) die Überholmöglichkeit für schnellere Fahrzeuge nachhaltig erleichtert. Das in der StVO ebenfalls definierte Schutzziel der "Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs" würde in dem auf den Wortlaut reduzierten Inhalt der Bestimmung geradezu eine Wirkungsumkehr erfahren.

Der Unabhängige Verwaltungssenat übersieht aber nicht, dass dem Wortlaut dieser gesetzlichen Bestimmung entsprechend jedwede Unterschreitung des 50-m-Abstandes als rechtswidrig zu qualifizieren ist.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde jedoch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn neben dem geringfügigen Verschulden des Beschuldigten auch die Folgen der Übertretung unbedeutsam sind. Davon ist hier auszugehen gewesen, weil in einem fahrdynamisch relevanten Zusammenhang ein Überholvorgang unverzüglich aus dem hier angelasteten Tiefenabstand ausgeführt wurde, wobei der hier angelastete Abstand zum Vorderfahrzeug durchaus noch dem § 18 Abs.1 StVO (Sicherheitsabstand) entsprochen hat.

Demnach liegen hier die für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG erforderlichen Voraussetzungen vor.

 

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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