Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162968/10/Br/Ps

Linz, 28.03.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn S I, geb., B, G, vertreten durch RA Mag. T Ö, D, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 11.12.2007, Zl. VerkR96-6695-2007, nach der am 19.3.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.    Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis  der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen wegen der Übertretung nach § 102 Abs.3 5. Satz des KFG iVm § 134 Abs.3c KFG eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro und 13 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 30.5.2007 gegen 18.35 Uhr im Gemeindegebiet Marchtrenk, Bezirk Wels-Land, auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, nämlich der Straße B1 in Fahrtrichtung Wels das Kraftfahrzeug, P, mit dem Kennzeichen gelenkt und dabei auf Höhe der BP-Tankstelle in Marchtrenk während der Fahrt ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung im Sinne der Verordnung vom 11.5.1999, BGBl. Nr. II/152/1999 telefoniert habe. Dies sei bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt worden. Er habe die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert, obwohl ihm diese angeboten wurde.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Der im Spruch angeführte Sachverhalt wird durch die Anzeige der Polizei Inspektion Marchtrenk vom 02.06.2007, den unmittelbaren dienstlichen Wahrnehmungen der Polizeibeamten, Insp M P und Insp H H sowie als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen.

 

Auf Grund dieser Verwaltungsübertretung wurde über Sie mit Strafverfolgung, VerkR96-4355-2007, der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 05.06.2007 eine Geldstrafe von 40,- Euro, im Falle der Nichteinbringung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt.

 

Dagegen haben Sie mit Schreiben vom 20.06.2007 Einspruch erhoben und zusammenfassend im Wesentlichsten angeführt, dass Sie während der Fahrt nicht telefoniert hätten. Als Beweise sei die Einholung eines Einzelgesprächsnachweises als auch die Einvernahme des Herrn H I beantragt worden.

 

Die zwei Polizeibeamten, Herr Insp P und Herr Insp H, sagten zeugenschaftlich vor der Behörde im Wesentlichsten aus, dass von deren Standplatz aus eindeutig und zweifelsfrei wahrgenommen worden sei, wie Sie mit dem Handy während der Fahrt telefonierten. Nach der Anhaltung sei das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung von Ihnen bestritten worden. Die Bezahlung eines Organmandats sei von Ihnen abgelehnt worden.

 

Zum Ergebnis der Beweise führten Sie abermals aus, dass Sie nicht während der Fahrt telefoniert und auch die Bezahlung des Organmandats nicht verweigert hätten. Die bereits angeführten Beweisanträge (Einzelgesprächsnachweis und Einvernahme des Herrn H I) wurden wiederholt. Um eine vorgreifende Beweiswürdigung zu vermeiden, wäre dies zu einer objektiven Beweisführung erforderlich.

 

Rücksichtlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes/VwGH und des Unabhängigen Verwaltungssenates/UVS des Landes Oberösterreich - von deren Rechtsprechung abzuweichen für die Behörde kein Anlass vorliegt - steht für die Behörde nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens fest, dass Sie den Ihnen zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und Ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten haben.

 

Die Einholung weiterer Beweise war nicht notwendig, weil es nicht ausgeschlossen werden kann, dass Sie mit dem Handy Ihres Beifahrers H I telefoniert haben oder sogar mit einem anonymen Wertkartenhandy (und dieses dann schnell Ihrem Beifahrer gegeben haben) und es nicht darauf ankommt, ob tatsächlich telefoniert wurde. Strafbar ist jede Manipulation, die die Aufmerksamkeit des Lenkers beansprucht, wie zB das Abhören der Mailbox, SMS lesen oder versenden, das Handy überhaupt erst in Betrieb zu nehmen, ua.

 

Diesbezüglich wird auf die Rechtsprechung des VwGH und des UVS verwiesen, wonach sich der vom Beschwerdeführer gestellte Beweisantrag als irrelevant erweist, da es nicht darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer tatsächlich zum Tatzeitpunkt ein Telefongespräch geführt hat oder nicht. Im Übrigen war der diesbezügliche Beweisantrag auch deshalb untauglich, weil - was der Beschwerdeführer ohnedies auch erkennt - keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass ein Lenker über mehrere (etwa auch mit anonymen Wertkarten betriebene) Mobiltelefone (auch bei verschiedenen Netzbetreibern) verfügt. Es liegt daher auch insoweit keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor (vgl VwGH vom 14.07.2000, 2000/02/0154 und UVS vom 30.03.2005, VwSen-109504).

 

§ 102 (Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers) Abs 3 KFG lautet:

"Der Lenker muss die Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtung des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges kennen. Ist er mit ihrer Handhabung und Wirksamkeit noch nicht vertraut, so darf er das Fahrzeug nur mit besonderer Vorsicht lenken. Er muß die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten und muß beim Lenken Auflagen, unter denen ihm die Lenkerberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Er hat sich im Verkehr der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend zu verhalten. Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung die näheren Vorschriften bezüglich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen festzulegen. Freisprecheinrichtungen müssen den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Freisprecheinrichtungen entsprechen."

 

§ 134 Abs 3c KFG lautet:

"Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs.3 fünfter Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 25 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen."

 

Der Unrechtsgehalt dieser Verwaltungsübertretung ist hoch, wurde die diesbezügliche gesetzliche Bestimmung doch nur geschaffen - zum Zwecke das erhöhte Unfallrisiko beim Telefonieren während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung zu vermindern. Das Handy nimmt die Konzentration in hohem Maße, so das Kuratorium für Verkehrssicherheit. Visuelle oder akustische Reize der Umwelt müssen schon um mehr als die Hälfte stärker ausgeprägt sein, damit ein telefonierender Lenker diese überhaupt wahrnimmt. Das Handy verlangsamt die Reaktion, überfordert den Lenker, verursacht Fehleinschätzungen, Fahrfehler, Hektik, Rücksichtslosigkeit, usw.

Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch/StGB sinngemäß anzuwenden.

Dir Verschulden wird, da ein Schuldausschließungsgrund nicht vorliegt, als grob fahrlässig qualifiziert, ist doch hinlänglich jedem Autofahrer bekannt (aus immer wiederkehrenden Zeitungs- und Medienberichten) - während der Fahrt mit einem Handy ohne Freisprecheinrichtung nicht telefonieren zu dürfen. Mangelnde Sorgfalt macht das Verschulden keinesfalls geringfügig. Zudem kann bei derart gravierenden Verstößen gegen die kraftfahrrechtlichen Bestimmungen, die dem Schütze und Wohle aller Verkehrsteilnehmer dienen, von einem geringfügigen Verschulden nicht ausgegangen werden. Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Ist eines der beiden in § 21 Abs 1 erster Satz VStG genannten Kriterien nicht erfüllt, so kommt eine Anwendung dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht (vgl. VwGH vom 30.04.1993, ZI. 93/17/0088, uva.). Da - wie oben ausgeführt - Ihr Verschulden nicht geringfügig als auch die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, konnte mit einer Ermahnung nicht vorgegangen werden.

Die   behördlich   vorgenommene   Einkommensschätzung   (1.200,-   Euro   monatlich   netto,   keine Sorgepflichten und kein Vermögen) wurde der Strafbemessung zugrunde gelegt. Gegenteiliges wurde von Ihnen nicht vorgebracht. Mildernde Umstände liegen keine vor. Als erschwerend war zu werten, dass mehrere Verwaltungsvormerkungen über Sie aufscheinen. Zur Schätzung Ihrer Familienverhältnisse im Bezug auf Einkommen, Vermögen und Sorgepflichten darf  in diesem Zusammenhang daraufhingewiesen werden, dass Sie bei der Einschätzung dieser Verhältnisse es sich Ihrer unterlassenen Mitwirkungspflicht zuzuschreiben haben, sollte die Behörde bei dieser Einschätzung zu Ihrem Nachteil Umstände unberücksichtigt gelassen haben, die ohne Ihre Mitwirkung dem hs. Amt nicht zur Kenntnis gelangen konnte (VwGH 14.01.1981, Zahl: 3033/80).

Sorgfaltsverletzungen in diesem Bereich müssen ganz konkret aus spezialpräventiven, und grundsätzlich auch aus generalpräventiven Überlegungen mit merkbaren Maßnahmen geahndet werden.

Der verhängte Strafbetrag liegt im mittleren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens (bis zu 72,- Euro); ist unter den vorstehend genannten Prämissen aber auch um den Schutzzweck der ggst. Rechtsnorm im Zusammenhang mit dem konkreten Sachverhalt Rechnung zu tragen als schuld- und tatangemessen zu betrachten und stellt das erforderliche und notwendige Maß dessen dar, um Sie in Zukunft von ähnlichen oder gleichartigen Übertretungen abzuhalten. Die Korrektur der Ersatzfreiheitsstrafe war aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen. Die Strafe erscheint im Hinblick auf den gesetzlich festgelegten Strafrahmen geboten, um Ihnen im Besonderen die Verwerflichkeit Ihres Verhaltens vor Augen zu führen.

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens stützt sich auf den Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen."

 

2. In der dagegen fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung tritt der Berufungswerber dem Schuldspruch mit folgenden Ausführungen entgegen:

"I.  Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes der Bezirkshauptmannschaft Gries-kirchen vom 11.12.2007, AZ VerkR96-6695-2007, wird dem Berufungswerber vor­geworfen, er habe am 30.05.2007 gegen 18.35 Uhr im Gemeindegebiet Marchtrenk, Bezirk Wels-Land, auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, nämlich der Straße B1 in Fahrtrichtung Wels das Kraftfahrzeug P, mit dem Kennzeichen gelenkt und dabei auf Höhe der BP-Tankstelle in Marchtrenk während der Fahrt ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung im Sinne der Verordnung vom 11, Mai 1999, BGBI Nr U/152/1999 telefoniert. Dies sei bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO festgestellt worden. Der Berufungswerber habe die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert, obwohl ihm dies angeboten worden sei.

Hiedurch hätte er eine Übertretung des § 102 Abs 3 5. Satz KFG zu verantworten und wäre daher eine Geldstrafe von EUR 40,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 13 Stunden, sowie EUR 4,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu verhängen.

II.  Gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 11.12.2007, AZ VerkR96-6695-2007, zugestellt am 23.01.2008, wird binnen offener Frist das Rechtsmittel der

 

BERUFUNG

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben, das obgenannte Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten und ergehen nachstehende

 

ANTRÄGE:

 

der Unabhängige Verwaltungssenat für das Bundesland Oberösterreich möge

1.   das angefochtene Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes der Bezirkshaupt­mannschaft Grieskirchen vom 11.12.2007, AZ VerkR96-6695-2007, ersatzlos aufhe­ben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen,

2.  in eventu das angefochtene Straferkenntnis aufheben und die Sache zur neuerli­chen Verhandlung an die erstinstanzliche Behörde verweisen,

3. in eventu die Strafhöhe herabsetzen.

 

III. Obige Anträge werden im Einzelnen begründet wie folgt:

 

1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Unzuständigkeit der Behörde Unzulässige Anwendung des § 29a VStG

 

Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist zur Untersuchung und Bestrafung von Verwaltungsüber­tretungen, deren Ahndung nicht anderen Verwaltungsbehörden oder den Gerichten zugewiesen sind, die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertre­tung begangen wurde, wobei nach § 29a VStG die zuständige Behörde das Strafver­fahren an die sachlich zuständige Behörde übertragen kann, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird.

 

Die Übertragung des Strafverfahrens nach § 29a VStG ist somit eine Verfahrens­anordnung, durch die eine Änderung in der örtlichen Zuständigkeit der Behörde her­beigeführt wird. Jedoch ist dann von einer unwirksamen, also ener absolut nichtigen Übertragung auszugehen, wenn der Übertragungsakt nicht aktenkundig" ist (VwGH 18.6.1999, ZI 90/19/0216).

 

Ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, bestimmt sich nach den Verhält­nissen im Zeitpunkt der Delegierung. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine er­folgte Delegierung dem Gesetz entsprach, ist somit nicht der der Delegierung nach­folgende tatsächliche Verfahrensverlauf, sondern ausschließlich die auf die Akten­grundlagen im Zeitpunkt der Delegierung gestützte Erwartung des Eintrittes einer wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens (VwGH 11.7.2001, ZI 97/03/0230).

 

Im gegenständlichen Fall wurden die Polizeibeamten Insp P und Insp H noch von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land einvernommen und wurde offen­sichtlich das Strafverfahren erst in der Folge - dem Rechtsvertreter ist der genaue Zeitpunkt nicht bekannt - an die BH Grieskirchen übertragen. Also zu einem Zeit­punkt als keine Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens mehr zu erwar­ten war, schon gar nicht eine wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung. Im Gegenteil, zum Zeitpunkt der Delegierung war der Antrag des Berufunqswerbers auf Durchführung eines Lokalauqenscheines noch unerledigt. Es war daher davon aus­zugehen, dass noch ein Lokalaugenschein durchgeführt wird. Die Übertragung der Zuständigkeit an die BH Grieskirchen hat hier also mit Sicherheit zu keiner wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens geführt und war dies be­reits im Zeitpunkt der Delegierung erkennbar.

 

Die Übertragung gemäß § 29a VStG erfolgte zu Unrecht und kann überdies diese Verfahrensanordnung aus den dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers vorlie­genden Aktenstücken nicht nachvollzogen werden.

 

Die Übertragung der Zuständigkeit ist daher nichtig und wirkungslos. Das Strafer­kenntnis wurde von einer unzuständigen Behörde erlassen.

 

2. Verletzung des Grundsatzes der Offizialmaxime

 

Da die erkennende Behörde nach § 39 Abs 2 AVG den Sachverhalt von Amts we­gen, sohin den wirklichen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen hat, wäre es notwendig gewesen, nicht nur an Hand der Zeugenaussagen der Polizeibe­amten zu entscheiden, sondern auch den Beschuldigten und den beantragten Zeu­gen H I einzuvernehmen sowie einen Ortsaugenschein durchzuführen und einen Einzelgesprächsnachweis einzuholen. Die Behörde hat die entsprechen­den Beweisanträge des Berufungswerbers nicht beachtet.

Dem angefochtenen Straferkenntnis haftet daher jedenfalls auch diesbezüglich ein wesentlicher Verfahrensverstoß an.

 

3. Unrichtige Beweiswürdigung

 

Die Behörde hat sich mit wesentlichen Beweisanboten und Argumenten des Beru­fungswerbers überhaupt nicht oder nur mangelhaft auseinander gesetzt.

 

Wie bereits im Einspruch vom 20.06.2007 ausgeführt, stellte sich im Zuge der Anhal­tung heraus, dass der Berufungswerber kein Pannendreieck, keinen Erste-Hilfe-Koffer sowie keine Warnweste im Fahrzeug hatte. Diese Verwaltungsübertretungen wurden jeweils mit einer Organstrafverfügung mit einer Geldstrafe von jeweils EUR 14,00 geahndet. Der Berufungswerber hat den Betrag von insgesamt EUR 42,00 sofort anstandslos bezahlt.

 

Der diensthabende Beamte warf dem Berufungswerber weiters vor, mit dem Handy telefoniert zu haben. Da jedoch der Berufungswerber nicht telefoniert hatte, lehnte erdiesen Vorwurf ab. Eine Organstrafverfügung wurde überdies nicht angeboten.

 

Hätte der Berufungswerber tatsächlich mit dem Handy telefoniert, hätte er die Ver­waltungsübertretung wie die anderen drei mit Organstrafverfügung geahndeten Ver­waltungsübertretungen zugegeben und die Geldstrafe bezahlt. Der Berufungswerber zeigte dem Beamten sein Handy und ersuchte diesen, die Anrufliste zu prüfen. Hätte er tatsächlich telefoniert, wäre das Telefonat auf der Anruffiste ersichtlich gewesen. Der Beamte verweigerte jedoch die Überprüfung des Handys. Der damalige Beifah­rer Herr H I kann bezeugen, dass der Berufungswerber nicht telefoniert hat. Der Berufungswerber hat mit dem Handy auch nicht auf irgendeine andere Wei­se manipuliert. Er hat gar kein Handy in der Hand gehabt.

Die Begründung der Behörde, warum die Einholung weiterer Beweise nicht notwen­dig gewesen sei, ist nicht stichhaltig. Die Behörde ist offenbar vorgreifend davon ausgegangen, dass der Berufungswerber und der Zeuge I lügen werden. Sie wurden nicht einmal einvernommen. Der Berufungswerber wurde nicht einmal ge­fragt, ob er - wie nun anscheinend vermutet wird - mit einem anderen Handy telefo­niert hat bzw. ohne zu telefonieren, in einer anderen Weise ein Handy in der Hand hatte.

 

Die Behörde hat von Amts wegen die diensthabenden Beamten einvernommen, je­doch keine der vom Beschuldigten beantragten Beweise aufgenommen. Das Verwal­tungsstrafverfahren kann nicht einseitig lediglich durch Einholung der belastenden Beweise geführt werden. Die Behörde hätte jedenfalls die beantragten Beweise ein­zuholen gehabt. Es ist von einer vorgreifenden Beweiswürdigung auszugehen. Vor allem die Einholung des Einzelgesprächsnachweises bei der T GmbH hätte als objektiver Beweis die Richtigkeit der Angaben des Beschuldigten unter Be­weis gestellt.

 

W, 06.02.2008                                                                                       S I"

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Der mit anwesende Polizeibeamte Insp. H und der Beifahrer im Fahrzeug des Berufungswerbers, I H, wurden im Rahmen der Berufungsverhandlung zeugenschaftlich einvernommen. Vom zwischenzeitig in der Steiermark Dienst versehenden Meldungsleger RevInsp. P wurde einvernehmlich eine ergänzende schriftliche Stellungnahme eingefordert. Ebenfalls wurde eine Anfrage bei T über eine Rufdatenerfassung auf den Vorfallszeitpunkt gestellt. Ferner wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung der persönlich erschienene Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ebenfalls teil.

Das ergänzende Beweisergebnis wurde den Parteien dann noch auf schriftlichem Weg mit der Einladung, hierzu nochmals Stellung zu nehmen, übermittelt.

Die ebenfalls beantragte Rufdatenauswertung war wegen der verstrichenen Zeit nicht mehr möglich (AV v. 19.3.2008, ON 5).

 

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war hier trotz der 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe zwecks unmittelbarer Darstellung und entsprechender Würdigung des Berufungsvorbringens in Wahrung eines fairen Verfahrens iSd Art. 6 EMRK geboten.

 

4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

Übereinstimmung besteht in den Aussagen, dass der Berufungswerber etwa zehn Meter links vom Standort der Funkstreifenbesatzung (P u. H) im Bereich einer Tankstelle vorbeifuhr. Dabei soll laut Anzeige eindeutig ein Telefonieren seitens des Berufungswerbers  erkannt worden sein. Während der Lenker im Anschluss an die in kurzer Distanz später erfolgten Anhaltung auf einem Parkplatz wegen diverser KFG-Übertretungen (fehlendes Verbandszeug und Warndreieck) drei OM bezahlte, bestritt er schon damals den Vorwurf telefoniert zu haben.

Dies bestätigt im Zuge der Berufungsverhandlung auch dessen Bruder in seiner Zeugenaussage, welche trotz eindringlichem Hinweis auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage und Belehrung über das Entschlagungsrecht aufrecht erhalten wurde.

Der Zeuge Insp. H relativierte schließlich ebenfalls die empirische Wahrnehmung eines Telefons am Ohr, weil die linke Gesichtsseite, wo er die Hand am Ohr hatte, von seinem Standort abgewandt war. Nach der Anhaltung habe sich jedoch ein Handy in der Mittelkonsole befunden. Dem gegenüber dem Meldungsleger P angeblich gemachten Hinweis, er solle doch das zuletzt geführte Gespräch vom Handy abrufen, sei dieser nicht bereit gewesen durchzuführen. Diesbezüglich vermochte der Zeuge Insp. H keine Angaben zu machen, jedoch vermeinte dieser im Zuge der Berufungsverhandlung, der Berufungswerber habe vorerst das Telefonieren zugegeben. Dies stellte er jedoch im Rahmen seiner Aussage vor der Behörde erster Instanz gegensätzlich dar.

RevInsp. P teilte in seiner Stellungnahme im Berufungsverfahren (E-Mail vom 23.3.2008, 08:06 Uhr) mit, dass er nicht mehr sagen könne, ob links oder rechts das Handy gehalten wurde. Der Lenker habe aber mit Sicherheit im Vorbeifahren telefoniert. Was bisher noch nie ins Treffen geführt wurde, soll lt. P nach der Anhaltung noch das Display des in der Mittelkonsole liegenden Handys geleuchtet haben.

Eine Vorweisung des Handys zwecks Feststellung des zuletzt geführten Telefonates stellt RevInsp. P wiederum in Abrede. An die Ausstellung von drei Organmandaten konnte sich der Meldungsleger P andererseits wieder nicht erinnern.

Da letztlich sowohl der Berufungswerber als auch dessen Bruder durchaus nicht unglaubwürdig wirkten und die eingeschränkte Wahrnehmungsmöglichkeit eines Handys am linken Ohr von der rechten Fahrbahnseite aus im Vorbeifahren nicht unbedingt als "zweifelsfrei"  möglich erscheint, wird letztlich der Verantwortung des Berufungswerbers gefolgt.

Die Darstellungen der Polizeibeamten sind ferner nicht gänzlich widerspruchsfrei, wobei nicht überzeugt, dass P sich erstmals jetzt an das leuchtende Display, nicht jedoch an die von ihm offenkundig ausgestellten OM erinnert.

Nicht unlogisch scheint ferner die Darstellung des Berufungswerbers, dass er angesichts der Bezahlung dreier OM im Falle des Verstoßes gegen das Telefonierverbot am Steuer auch noch ein viertes OM bezahlt hätte. In diesem Zusammenhang kommt dem Faktum, dass er sich eines wohl mit deutlich höheren Kosten verbundenen Rechtsbeistandes wohl nicht bedienen würde, wäre er nicht von seiner Unschuld überzeugt. So begründete dies der Berufungswerber nicht gerade unlogisch gegenüber dem Verhandlungsleiter.

Da letztlich auch seinem Bruder nicht zugesonnen werden vermag, dass dieser sich mit einer falschen Beweisaussage einer strafrechtliche Anzeige auszusetzen geneigt wäre, vermag letztlich der Darstellung des Beifahrers und des Berufungswerbers geglaubt werden. Wenn der Berufungswerber zuletzt vermeinte, er stützte bei diesem Fahrzeug seinen linken Arm oft am Fensterrahmen ab und halte dabei die Hand an die linke Gesichtshälfte ist das auch nicht gerade lebensfremd.

Daraus folgt, dass die Polizeibeamten wohl durchaus über das vermeintliche Telefonieren am Steuer überzeugt gewesen sein mögen. Ein Irrtum über diese vermeintliche Tatsache ist im Lichte des Ergebnisses des Beweisverfahrens aber nicht auszuschließen. Die dazu mehrfach abgegebenen Darstellungen der Polizeibeamten weichen doch nicht unwesentlich voneinander ab. Letztlich können sie nicht als für einen Schuldspruch ausreichend beweissicher erachtet werden.

Ein Handy in der Hand des Berufungswerbers konnte zumindest der Zeuge Insp. H bei der Berufungsverhandlung ebenfalls nicht bestätigen.

Daher war dem Berufungswerber mit seinem Berufungsvorbringen in seiner Verantwortung jedenfalls im Zweifel zu folgen gewesen.

 

5. Rechtlich folgt im Lichte der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur freien Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG in Verbindung mit einem fairen Verfahren, dass an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen ist (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Da hier nach Durchführung aller Beweise und deren Würdigung begründete Zweifel an der Zurechenbarkeit der Tatbegehung verbleiben, kann der Tatbeweis als nicht erbracht gelten. Daher war gegen den Berufungswerber das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG jedenfalls nach dem Grundsatz in dubio pro reo einzustellen (VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 u.a. mit Hinweis auf ZfVB 1991/3/1122 sowie VwGH 15.5.1990, Zl. 89/02/0082).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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