Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230994/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 04.04.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des I B, vertreten durch RA Dr. G M, gegen das Straf­erkenntnis des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 28. Jänner 2008, Zl. Sich96-2287-2005-G, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbei­trag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Braunau vom 28. Jänner 2008, Zl. Sich96-2287-2005-G, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Stunden) verhängt, weil er es als gesetzlicher Vertreter seines minderjährigen Kindes zu verantworten habe, dass sich dieses seit dessen Geburt am …… bis zum …… als passpflichtiger Fremder, ohne gültigen Aufenthaltstitel und somit rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dadurch habe er eine Über­tretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 31 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. I 75/1997 (im Folgenden: FrG), zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I Nr. 151/2004, begangen, weshalb er nach § 107 Abs. 1 FrG  zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Beschwerde­führer angelastete Tat auf Grund einer fremdenpolizeilichen Anzeige und des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzu­sehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Erschwerungsgründe hervorge­­-      kom­men, während die bisherige Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers als mildernd zu werten gewesen sei. Seine Einkommens-, Vermögens- und Familien­verhältnisse seien von Amts wegen entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 11. Februar 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 25. Februar 2008 – und damit rechtzeitig – mittels Telefax eingebrachte Berufung.

Darin bringt sein Rechtsvertreter vor, dass den Vater kein Verschulden treffe, da zum damaligen Zeitpunkt noch das alle Familien­angehörige betreffende aufenthaltsrechtliche Verfahren anhängig gewesen sei. Nachdem das Asylver­fahren für den Vater negativ ausgegangen ist, sei versucht worden, für ihn einen humanitären Aufent­haltstitel zu erreichen. Für das Kind sei vorerst deshalb kein Asylantrag gestellt worden, weil dies in der Folge nur eine formale Angelegenheit gewesen wäre. Zudem wäre ein solcher auch deshalb aussichtslos gewesen, weil damals nur die vom Vater geschilderten Asylgründe heran­gezogen werden hätten können. Bei einer faktischen Rückkehr in den K wäre die Familie in eine extreme Armutssituation geraten, weshalb der (illegale) Aufenthalt aller Familienan­gehörigen im Bundesgebiet fortgesetzt worden sei. Die erforderlichen Verfahren seien noch immer anhängig, wobei derzeit von einem geduldeten Aufenthalt ausgegangen werden könne. Überdies sei die Strafe überhöht, weil der Rechtsmittelwerber nur über ein geringes Einkommen verfüge und für seine Ehefrau und seine drei Kinder sorgepflichtig sei.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Erteilung einer bloßen Ermahnung beantragt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Braunau zu Zl. Sich96-2287-2005-G; da mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 31 Abs. 1 Z. 2 FrG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu betrafen, der sich als Fremder ohne einen gültigen Aufenthaltstitel und somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

3.2.1. Wenn darüber hinaus § 44a Z. 2 VStG als einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungs­strafverfahrens anordnet, dass der Spruch des Straferkennt­nisses jene Verwal­tungsvorschrift zu bezeichnen hat, die durch die Tat verletzt worden ist, so wird dem das hier bekämpfte Straferkenntnis schon deshalb nicht gerecht, weil jeden­falls die Anordnung des § 107 Abs. 1 FrG dahin eng auszulegen ist, dass sie die Sanktionierung einer (gesetzlich grundsätzlich verantwort­lichen) Person, die konkret nicht dafür Sorge getragen hat, dass sich ihr minderjähriges Kind rechtmäßig im Bundes­gebiet aufhält, als unmittelbaren Täter nicht zu tragen vermag.

Aus dem FrG geht aber auch nicht hervor, dass für eine solche Übertretung durch einen Minderjährigen selbst die Eltern als dessen gesetzlich verantwortliche Vertreter herangezogen werden könnten. Zwar finden sich in den §§ 77, 79 und 95 FrG verschiedene Vorschriften für Minderjährige; aus diesen ergibt sich insge­samt, dass bis zur Vollendung eines bestimmten Lebensjahres die gesetzlichen Verantwortlichen (z.B. die Eltern) zuständig bzw. berechtigt sind, z.B. Anträge etc. zu stellen. Dem gegenüber enthält aber das FrG keine Regelung dahin, dass solche Personen dafür einzustehen hätten, dass sie es unterlassen haben, den Minderjährigen (hier: das Kind) in ihren Reisepass einzutragen: Wenn § 78 Abs. 1 FrG den Eltern nur ermöglicht, ihr Kind in ihren Reisepass eintragen zu lassen, § 107 FrG aber an eine dementsprechende Unter­lassung keine Sanktion knüpft , so ist damit im Ergebnis ein derartiges Verhalten eben nicht als strafbar erklärt.

(Anderes gilt hingegen z.B. für das Schul­pflichtgesetz oder das Oö. Jugendschutzgesetz, denn dort wird bei den Strafbestimmungen [vgl. § 24 des Schulpflichtgesetzes bzw. die §§ 12 und 13 des Oö. Jugendschutzgesetzes] dezidiert festgelegt, wann und für welche Tatanlastung der Minderjährige selbst einerseits oder der gesetzlich verantwortliche Erwachsene andererseits eine Verwaltungsübertretung begeht und somit strafbar ist.)

§ 107 Abs. 1 FrG  ermöglicht sohin nur eine Sanktion gegenüber einem Erwachsenen als unmittelbaren Täter, aber nicht gegenüber einem Erwachsenen bloß als gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen, weil dazu – wie zuvor dargetan – eine explizite Strafdrohung fehlt.

3.2.2. Sollte die belangte Behörde hingegen beabsichtigt haben, den Beschwerde­führer gemäß § 7 VStG (als Anstifter oder im Wege der Beihilfe) zu belangen, so hätte dies aber – abgesehen davon, dass hiefür der Nachweis eines entsprechenden Vorsatzes nötig gewesen wäre – bereits im Spruch des Straferkenntnisses ausdrücklich angeführt werden müssen (vgl. dazu z.B. VwGH v. 28. Jänner 1991, Zl. 90/19/0208). Selbst in diesem Fall wäre aber weiters Voraussetzung, dass der unmittelbare Täter selbst bereits strafmündig ist (was aber im vorliegenden Fall offenkundig nicht zutraf).

3.2.3. Selbst wenn die zuvor aufgezeigten Mängel nicht bestanden hätten, wäre der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses in Bezug auf § 44a Z. 2 VStG aber auch noch insofern mangelhaft geblieben, als dort jegliche formelle und inhaltliche Bezugnahme auf § 31 FrG fehlt.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich schon mehr­fach ausgesprochen, dass unter dem Aspekt des § 44a Abs. 1 VStG eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet nur dann in Betracht kommt, wenn im Spruch des Straferkenntnisses sämtliche der im § 31 Abs. 1 FrG  angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts nicht gegeben sind; im Spruch des Straferkenntnisses ist die als erwiesen angenom­mene Tat daher – um den Anforderungen des Konkretisierungsgebotes zu entsprechen – stets durch explizite Verneinung aller in § 31 Abs. 1 FrG genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Auf­enthalts zu umschreiben (vgl. in diesem Sinne z.B. VwGH vom 23. November 2004, Zl. 2003/21/0142, m.w.N.)

3.2.4. Im Ergebnis wurde daher dem Rechtsmittelwerber seitens der belangten Behörde ein Tatverhalten ange­lastet, das in dieser Form von Gesetzes wegen nicht strafbar ist.

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwal­tungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Grof

 

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