Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281022/18/Kl/Sta

Linz, 09.04.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung der Frau Dr. I H, B, L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. L P, Dr. P L, Dr. A P, G, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 11.6.2007, GZ. 0010922/2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 3. April 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II.     Die Berufungswerberin hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 200 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 11.6.2007, GZ. 0010922/2006, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden, wegen einer Verwaltungs­übertretung gemäß §§ 130 Abs.5 Z1, 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.2 BauV verhängt, weil sie als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche handelsrechtliche Geschäftsführerin der L Beteiligungsgesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in L, B, welche persönlich haftende Gesellschafterin der Ing. A L GmbH & Co KG (Sitz L, B) ist, zu vertreten hat:

Am 21.3.2006 war auf der von der Ing. A L GmbH & Co KG betriebenen Baustelle "Eibesbrunnergasse Ecke Gutheil-Schoder-Gasse" in 1100 Wien ein Arbeitnehmer der Ing. A L GmbH & Co KG, Herr J E (geb. am 5.9.1982), mit Arbeiten auf der ungesicherten Dachfläche des Flachdaches beschäftigt. Obwohl Absturzgefahr vom Dach (Absturzhöhe ca. 12 m) bestand, waren keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden. Der Arbeitnehmer war auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (Sicherheitsgeschirr) sicher angeseilt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten.    

 

Es wurde Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht, indem der von ihr bestellte Sicherheitskoordinator nicht einvernommen worden sei, welcher bestätigen könne, dass er für die Überprüfung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zuständig sei und dies auch regelmäßig überprüfe und den auf der Baustelle arbeitenden Personen entsprechende Anweisungen gebe. Auch sei der für die Baustelle zuständige Techniker Herr S damit beauftragt gewesen, die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu überwachen. Es sei daher von der Beschuldigten alles unternommen worden, um die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzgesetzes sicherzustellen. Hingegen sei es einem Geschäftsführer eines Unternehmens nicht zumutbar, persönlich zu jedem Zeitpunkt jeden Arbeitsplatz aller Monteure zu überwachen.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3. April 2008, zu welcher der Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates und eine Vertreterin der belangten Behörde erschienen sind und teilgenommen haben. Weiters wurden die Zeugen H S, Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien, Ing. C S, J E, G O und K A geladen und einvernommen.

Vom Arbeitsinspektorat wurden anlässlich der Kontrolle am 21.3.2006 angefertigte Fotos vorgelegt. Diese wurden von den einvernommenen Personen bestätigt. Weiters wurde von der Berufungswerberin ein Baustellenordner mit Sicherheitsanweisungen sowie Nachweise von Unterweisungen am 7.6.1999 und vom 3.4.2000 vorgelegt.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass am 21.3.2006 auf der Baustelle Wien, Eibesbrunner Gasse Ecke Gutheil-Schoder Gasse, der Arbeitnehmer J E, welcher als Obermonteur der Ing. A L GmbH & Co KG beschäftigt ist, Schweißarbeiten auf dem Flachdach bei einer Absturzhöhe von ca. 12 m durchgeführt hat, ohne dass Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren und ohne dass der Arbeitnehmer mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz sicher angeseilt war. Die Schweißarbeiten wurden in einer Entfernung von etwa 3 bis 5 m von der Absturzkante entfernt durchgeführt. An der Absturzkante befand sich eine etwa 25 cm hohe und 44 cm breite Attika. Die Lüftungsanlage war bereits montiert, die konkreten Schweißarbeiten waren lediglich Nacharbeiten, nämlich die Ausbesserung einer undichten Schweißnaht. Diese Arbeit nahm nach Angaben des einvernommenen Arbeitnehmers ca. 1 Stunde in Anspruch.

Die Berufungswerberin ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der L Beteiligungsgesellschaft mbH, welche persönlich haftende Gesellschafterin der Ing. A L GmbH & Co KG mit dem Sitz in Linz ist.

Der angetroffene Arbeitnehmer J E war als Obermonteur beschäftigt, ist über Sicherheitseinrichtungen bzw. Sicherheitsmaßnahmen geschult und unterwiesen und war auch in Kenntnis, dass bei Arbeiten auf Dächern eine Absturzsicherung erforderlich ist bzw. dass Sicherheitsgeschirr als persönliche Schutzausrüstung zu verwenden ist. Da die Arbeiten aber nur kurze Zeit in Anspruch nahmen, hat er die persönliche Schutzausrüstung, welche grundsätzlich nach seinen Angaben auf der Baustelle vorhanden gewesen ist, nicht verwendet. Unmittelbarer Vorgesetzter des Obermonteurs ist der Bauleiter Ing. C S, welcher am Kontrolltag auch auf der Baustelle, aber in einem anderen Bereich, anwesend war. Dieser kam dann auf das Dach und wurde auch im unmittelbaren Attikabereich des Daches vom Kontrollorgan wahrgenommen. Der Bauleiter kommt ein- bis zweimal in der Woche auf die Baustelle, jedenfalls zur wöchentlichen Baubesprechung. Dabei kontrolliert er auch die Baustelle und die Sicherheitsvorkehrungen. Auf der Baustelle gibt es auch einen Baustellenordner über Sicherheitsvorschriften, wobei der Arbeitnehmer angibt, dass der Inhalt dieses Ordners auf jeder Baustelle grundsätzlich gleichlautend ist. Ca. einmal im Jahr gibt es auch eine Unterweisung in der Firma. Für Sicherheit in der Firma ist Herr A K zuständig, der auch regelmäßig auf die Baustelle kommt und kontrolliert. Dieser war auch zu Beginn der Arbeiten auf der Baustelle, allerdings stand dort erst ein Geschoss und war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass Arbeiten auf dem Dach stattfinden sollen. Die Baustelle dauerte ca. 1 Jahr. Weiters kam er in Abständen von ca. 5 oder 6 Wochen auf die Baustelle, um die Vermessung für die Bauabrechnung vorzunehmen. Dieser führte an, dass sich Arbeitnehmer in der Nähe der Absturzkante anhängen sollen, wenn sie weiter weg sind, werden sie sich nicht anhängen. Sicherheitsfachkraft ist Herr G O. Dieser macht jährlich Schulungen und auch bei Neueintritt eines Arbeitnehmers. Auf der gegenständlichen Baustelle war er nicht und kennt er daher diese Baustelle nicht. Bei der jährlichen Schulung nehmen die Bauleiter und Obermonteure teil. Arbeiten auf Dächern sind im Heizungs- und Lüftungsbereich eher selten. Die Absturzsicherungen sind bei den Schulungen ein Thema, wobei bei kurzfristigen Arbeiten Sicherheitsgurte verwendet werden müssen, bei längeren Arbeiten muss ein Geländer vorhanden sein. In der Regel sollen Absturzsicherungen vom Bauherrn bzw. Baukoordinator festgelegt sein. Der zuständige Bauleiter macht hingegen keine Schulungen. Er kontrolliert wöchentlich die Baustelle und führt die Baustellenbesprechungen durch. Die zum Kontrollzeitpunkt durchgeführten Arbeiten waren Abschlussarbeiten. Der Bauleiter arbeitet in der Firma selbstständig. Er arbeitet bereits 11 Jahre in der Firma. Die Beschuldigte hat er auf der Baustelle nie gesehen. Zu Baustellenbesprechungen kommt sie nur, wenn es Schwierigkeiten gibt. Dies kommt ca. einmal im Jahr vor. Auch ist dem Bauleiter bekannt, dass vor der Absturzkante ein Geländer vorhanden sein sollte, dieses hätte die Baufirma aufstellen müssen. Sonstige Sicherungsmaßnahmen nach der BauV für Arbeiten auf Flachdächern sind ihm nicht bekannt.

Das Unternehmen hat ca. 100 bis 120 Mitarbeiter und betreut im Schnitt 14 bis 15 Baustellen. Arbeiten auf Dächern sind sehr selten. Absturzsicherungen werden vom Unternehmen nicht gebaut, sondern sollen diese zur Verfügung gestellt werden.

 

4.2. Diese Feststellungen sind einerseits durch die Fotos und andererseits durch die Aussagen der einvernommenen Zeugen erwiesen. Die Zeugen traten glaubwürdig auf und verwickelten sich in keine Widersprüche. Es konnten daher diese Aussagen der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Sowohl hinsichtlich des Tatherganges als auch hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen, Festlegungen und Schulungen ergaben sich keine Widersprüche.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 159/2001 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem
9. Abschnitt  geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl.  II Nr. 22/2006, müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

Gemäß §§ 7 bis 10 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen. Gemäß § 7 Abs.4 BauV kann die Anbringung von Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein.

 

Da weder technische Absturzsicherungen zum Kontrollzeitpunkt vorhanden waren noch der Arbeitnehmer sicher angeseilt war, war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Es lag eine Absturzhöhe von ca. 12 m vor. Die Entfernung von der Absturzkante ist auf Grund der zitierten Bestimmungen unerheblich.

 

Hinsichtlich der nach § 87 BauV anzulastenden Dachneigung ist nach der ständigen Rechtsprechung der Vorwurf "Flachdach" ausreichend und müssen konkrete Sicherheitsmaßnahmen weder Spruchbestandteil noch Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung sein (VwGH vom 11.5.2004, 2003/02/0248 sowie vom 26.1.2007, 2006/02/0096).

 

Die Berufungswerberin ist als handelsrechtliche Geschäftsführerin auch verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Verantwortung zu ziehen.

 

5.2. Die Beschuldigte hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten. Wenn mangelndes Verschulden geltend gemacht wird, weil Betriebsanweisungen vorliegen, regelmäßige Schulungen durchgeführt werden und der Obermonteur auch persönlich unterwiesen ist, so sind diese Einwendungen nicht geeignet, eine Entlastung des Beschuldigten herbeizuführen. Auch der Umstand, dass die Beschuldigte nicht ständig sämtliche Arbeitnehmer kontrollieren könne, stellt keine Entschuldigung dar.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt nämlich, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten und ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern von der Berufungswerberin kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungswerberin initiativ alles darzulegen, was für ihre Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg Judikatur vorhanden war." (vgl. auch VwGH vom 30.3.2007, 2006/02/0034). Auch weist der VwGH darauf hin, dass für Absturzsicherungen auch dann Sorge zu tragen ist, wenn zwar an der Absturzstelle gerade nicht gearbeitet wird, aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeiten im Bereich der Absturzstelle durchgeführt werden, wobei das Kontrollsystem auch in Fällen "kurzfristiger" Arbeiten funktionieren muss (VwGH vom 23.7.2004, 2004/02/0002). Die in der BauV geforderten Schutzvorrichtungen müssen während der gesamten Arbeitszeit angebracht sein. Was vom Auftraggeber gewünscht oder bezahlt wird oder dass die Anbringung von Schutzeinrichtungen unwirtschaftlich sei, ist aus Sicht des § 87 BauV unbeachtlich und hat auf das Verschulden des Arbeitgebers an der Unterlassung der Anbringung von Schutzeinrichtungen keinen Einfluss (VwGH vom 23.7.2004, 2004/02/0199 sowie vom 31.7.2007, 2006/02/0237).

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht es daher nicht aus, dass die Berufungswerberin geltend macht, dass ein geeigneter Obermonteur und Bauleiter eingesetzt war, welche auch geschult und unterwiesen sind. Auch reicht nicht aus, dass entsprechende Bauanleitungen auf der Baustelle vorhanden sind. Vielmehr hätte es eines weiteren Beweises bedurft, wie die Berufungswerberin Kontrollen durchführt, wie oft sie diese Kontrollen durchführt und welche konkreten Maßnahmen sie getroffen hat, um unter den vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gewährleisten zu können. Wie aber das Beweisverfahren gezeigt hat, war die Berufungswerberin nicht auf der Baustelle oder bestenfalls nur gelegentlich auf der Baustelle. Der Bauleiter wird seinerseits von der Berufungswerberin nicht kontrolliert. Auch hat das Beweisverfahren gezeigt, dass der für Sicherheitsvorkehrungen zuständige Herr A K über Arbeiten auf dem Dach nicht Bescheid wusste und daher keine entsprechenden Sicherheitsanweisungen gab. Auch kommt er nur alle fünf bis sechs Wochen auf die Baustelle. Auch die Sicherheitsfachkraft des Unternehmens, welche die jährlichen Schulungen durchführt, kennt die konkrete Baustelle nicht. Vielmehr hat das Beweisverfahren ergeben, dass Arbeiten auf Dächern durch das Unternehmen sehr selten durchgeführt werden und zutreffendenfalls die Sicherungsmaßnahmen durch den Bauherrn oder Baukoordinator durchgeführt bzw. bereitgestellt werden sollten. Auch ist der zuständige Bauleiter seinerseits nicht immer auf der Baustelle. Es konnte daher ein lückenloses Kontrollnetz nicht dargelegt und unter Beweis gestellt werden. Dass die persönliche Schutzausrüstung auf der Baustelle grundsätzlich vorhanden war, stellt keine Entlastung dar, wenn sie nicht ordnungsgemäß verwendet wird. Vielmehr hat auch das Beweisverfahren gezeigt, dass der Obermonteur selbstständig tätig war und selbstständig entschieden hat, für diese kurzzeitigen Arbeiten keine Schutzausrüstung zu verwenden. Gerade aber für solche eigenmächtigen Handlungen von Arbeitnehmern soll das eingerichtete Kontrollsystem nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Platz greifen. Es konnte daher ein Entlastungsnachweis durch die Berufungswerberin nicht erbracht werden und ist daher jedenfalls von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

Anweisungen allein hingegen, sei es mündlich auf der Baustelle, sei es die schriftliche Anweisung im Baustellenordner, sind aber nach der VwGH-Judikatur nicht ausreichend, sondern sind deren Einhaltung zu kontrollieren. Es fehlt aber ein Vorbringen, dass konkret die vom Obermonteur durchgeführten Arbeiten durch den Bauleiter oder die Berufungswerberin kontrolliert wurden, allein die Anweisung, dass auf Dächern ein Angurten vorzunehmen ist, reicht hingegen nicht aus. Eine konkrete Kontrolle des Obermonteurs wird aber nicht einmal behauptet.

Wenn sich die Berufungswerberin aber dahingehend verteidigt, dass eine ständige Kontrolle nicht zumutbar sei, ist entgegen zu halten, dass gerade eine solche Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen vom Verwaltungsgerichtshof verlangt wird, um sich vom gesetzlich vermuteten Verschulden zu entlasten. Das Kontrollsystem dient genau dazu, dass eigenmächtige Vorgehensweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen setzen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen.

 

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat die Unbescholtenheit der Berufungswerberin als mildernd gewertet und bei den persönlichen Verhältnissen eine Schätzung von einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 Euro und keine Sorgepflichten zu Grunde gelegt. Auch in der Berufung wurde diesen Umständen nichts entgegengesetzt. Diese konnten daher weiterhin zu Grunde gelegt werden. Hinsichtlich des Unrechtsgehaltes der Tat aber ist die Berufungswerberin auf die erhebliche Absturzhöhe von 12 m und daher die erhebliche Gefährdung von Gesundheit und Leben des Arbeitnehmers hinzuweisen. Dadurch wurde genau jener Schutzzweck der Norm verletzt, die dem Schutz des Rechtsgutes von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer dient. Strafmildernd war die Unbescholtenheit zu Grunde zu legen. Erschwerungsgründe hat die belangte Behörde nicht erwogen und kamen auch im Berufungsverfahren nicht hervor. In Anbetracht des gesetzlichen Strafrahmens war daher die festgelegte Geldstrafe nicht überhöht, macht sie jedoch lediglich ein Siebtel des Strafausmaßes des Höchstmaßes aus. Sie ist auch tat- und schuldangemessen und den persönlichen Verhältnissen der Berufungswerberin angepasst. Auch ist sie erforderlich, um die Berufungswerberin zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu lenken und sie von einer weiteren gleichartigen Tatbegehung abzuhalten. Entsprechend ist auch die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG zu bestätigen.

 

Mangels der Voraussetzungen war nicht gemäß §§ 20 und 21 VStG vorzugehen, weil kein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe und kein geringfügiges Verschulden vorlag.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem; Konkretisierung

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde als unbegründet abgewiesen.

VwGH vom 05.08.2009, Zl.: 2008/02/0128-5

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum