Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720192/3/WEI/Ga

Linz, 02.04.2008

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des W, deutscher Staatsange­höriger, vormals in Strafhaft in der Justizan­stalt Linz, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 28. November 2007, Zl. 1056543/FRB, be­treffend die Erlassung eines un­befristeten Aufenthaltsverbots zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als das Aufenthaltsverbot auf die Gültigkeitsdauer von sechs Jahren befristet wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtenen Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1 Z 1  Fremden­polizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl I Nr.4/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 28. November 2007, Zl. 1056543/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (Bw) auf der Grundlage des § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 iVm §§ 60 Abs. 6, 61, 66 und 86 Abs. 1 Fremdenpolizei­gesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Der Bescheidbegründung der belangte Behörde und der Aktenlage ist der folgende unbestrittene S a c h v e r h a l t  zu entnehmen:

 

Der derzeit 19-jährige Bw, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik D, wurde in Leipzig geboren und kam mit seiner Mutter im Jahr 1999 im Alter von 10 Jahren nach Österreich. Er absolvierte in Österreich 4 Jahre Hauptschule und den polytechnischen Lehrgang und begann danach eine Lehre als Kfz-Mechaniker, die er nach 1 1/2 Jahren abbrach. Seit Februar 2005 ist er beschäftigungslos. Er ist ledig, hat keine Sorgepflichten und hielt sich unangemeldet bei P N in L, auf. Nach der Festnahme seines Partners K hielt er sich zuletzt bis zu seiner Verhaftung am 21. Februar 2007 in der Wohnung seiner bekannten E G in L, versteckt (vgl Urteil des LG Linz vom 3.07.2007, Zl. 25 Hv 90/07h). Auf Grund von strafgerichtlich verhängten Frei­heitsstrafen befand er sich bis zum 21. Dezember 2007 in der Justizanstalt Linz in Strafhaft.

 

Der Bw wurde schon als Jugendlicher mehrfach straffällig und weist nach der erstbehördlich eingeholten Strafregisterauskunft bzw nach den beigeschafften Strafakten bisher folgende gerichtliche Vorstrafen auf:

 

1.1. Mit Urteil des Einzelrichters am Landesgerichts Linz vom 5. September 2006 (rk. 09.09.2006), Zl. 25 Hv 96/2006I, wurde der Bw als Jugendlicher wegen der Vergehen der versuchten und vollendeten Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, und 15 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB sowie wegen teils versuchter und vollendeter Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz –SMG (BGBl I Nr. 112/1997 idF BGBl I Nr. 134/2002), und zwar wegen der Vergehen nach den §§ 27 Abs. 1 3. Fall (Erzeugung) SMG und 15 StGB und des § 27 Abs. 1 1., 2. und 6. Fall (Erwerb, Besitz und Überlassen) SMG, unter Anwendung des § 28 StGB und des § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt auf drei Jahre, verurteilt.

 

Aus dem aktenkundigen Protokollsvermerk mit gekürzter Urteilsausfertigung er­gibt sich, dass der Bw am 19. März 2006 S H Faustschläge ins Gesicht versetzte und A N mit einem Butterfly-Messer eine oberflächliche Schnittwunde am linken Unterarm zufügte. Danach bedrohte er S H und J S gefährlich mit dem Butterfly-Messer und der Äußerung: "Kommt her, ich stech euch ab".

 

In der Zeit zwischen Juni 2005 bis 9. Februar 2006 hat er in L und W zahlreiche Suchtmittelvergehen nach § 27 Abs. 1 SMG begangen. Er versuchte 6 Cannabispflanzen aufzuziehen, kaufte zumindest 60 Ecstasy-Tabletten und
außerdem Amphetamine (sog. "Speed") in geringen Mengen überwiegend zum Eigenkonsum an, übernahm 3 LSD Trips und gab zwei weiter, kaufte in zahl­reichen Fällen Cannabiskraut und/oder Cannabisharz in geringen Mengen von wenigen Gramm überwiegend für Zwecke des Eigenkonsums an und gab es teil­weise auch an andere Personen weiter.

 

Mildernd waren die Unbescholtenheit und das Geständnis, erschwerend das Zu­sammentreffen von Vergehen und die Begehung von strafbaren Handlungen während des anhängigen Strafverfahrens. Bewährungshilfe wurde angeordnet.

 

1.2. Mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 30. Jänner 2007 (rk. 03.02.2007), Zl. 14 U 1/2007a, wurde der Bw wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen gemäß § 136 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15 Abs. 1, 127 StGB unter Anwendung der §§ 28 und 36 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à Euro 2 (insgesamt 200 Euro) und im Nichteinbringungsfall zu 50 Tagen Ersatz­freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB auf drei Jahre bedingt nachgesehen wurde.

 

Dem aktenkundigen Protokollsvermerk mit gekürzter Urteilsausfertigung ist zu entnehmen, dass der beschäftigungslose und von Notstandshilfe lebende Bw dem Schuldspruch zufolge am 30. September 2006 in L das Mofa des S P, Kz. L-V, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch nahm (Spruchpunkt 1) und am 8. November 2006 in L eine Playstation im Wert von 59,90 Euro dem Elektrohändler S mit dem Vorsatz wegzunehmen ver­suchte, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern (Spruchpunkt 2).

 

Mildernd waren Geständnis, Alter unter 21 Jahren und Versuch, erschwerend Zu­sammentreffen von Vergehen, rascher Rückfall, Tatbegehung während anhängigem Verfahren. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 25 Hv 96/2006I des Landesgerichts Linz wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert (§ 494a StPO).

 

1.3. Mit Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 3. Juli 2007, Zl. 25 Hv 90/07p, wurde der Bw im Spruchabschnitt A.) wegen der Ver­brechens nach § 28 Abs. 2 4. Fall, Abs. 3 Satz 1 1. Fall und Abs. 4 Z 3 SMG und im Spruchabschnitt B.) wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 1., 2. und 3. Fall SMG schuldig gesprochen und unter Anwendung der §§ 28 und 36 StGB nach dem Strafrahmen des § 28 Abs. 4 SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, wobei der Teil von 16 Monaten gemäß § 43a Abs. 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

 

Mit Beschluss gemäß § 494a Abs. 1 Z 4 StPO wurde die bedingte Strafnachsicht zu Zl. 25 Hv 96/2006I des Landesgerichts Linz widerrufen.

 

1.3.1. Nach dem aktenkundigen Schuldspruch hat der Bw in bewusstem und ge­wollten Zusammenwirken mit D K in Linz und andernorts den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer mehrfachen großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) an im einzelnen genannte oder unbekannte Abnehmer in Verkehr gesetzt, wobei die Tat in Beziehung auf ein Suchtgift begangen wurde, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (Abs. 6) ausmacht. Dabei hat der Bw nach Spruchabschnitt A.) im Jahr 2006 bis Februar 2007 zwei bis drei Kilogramm Cannabisharz, 1 bis 1,6 Kilogramm Cannabiskraut, 200 Gramm Speed (Amphetamin), 285 bis 315 Gramm und später dann noch einmal 200 Gramm Heroin, 40 Gramm Kokain, insgesamt 9964 bis 11464 Ecstasy-Tabletten erworben und teilweise in Verkehr gesetzt. Im Ein­zelnen wird dazu auf die Darstellung des Schuldspruchs im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde verwiesen. Der Bw wurde weiters im Spruchab­schnitt B.) verurteilt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift er­zeugt (Ende Dezember 2006 bis Februar 2007 40-50 Gramm Cannabiskraut durch Aufzucht von 4 Marihuanapflanzen) und im Zeitraum Februar 2006 bis zur Verhaftung am 21. Februar 2007 eine unbekannte Menge Cannabisprodukte, Ecstasy, Speed (Amphetamin), LSD, Kokain und Heroin erworben und besessen hatte.

 

1.3.2. Nach den Feststellungen des Strafurteils haben der Bw und sein Komplize D K gemeinsam einen schwungvollen Handel mit verschiedenen Suchtgiften aufgezogen und die Suchtgiftgeschäfte gemeinsam abgewickelt. Sie kauften gemeinsam ein und teilten den Verkaufserlös zu gleichen Teilen. Beim Verkauf in diversen L L (zB. in einschlägig bekannten Lokalen "T" oder "C-K") deckten sie sich gegenseitig, um nicht erwischt zu werden. Sie standen wechselseitig Schmiere und waren beide ein eingespiel­tes Team. Sie hatten keine Unterhändler, die für sie Suchtgift verkauften, sondern verkauften selbst, weil sie nach Einschätzung des Bw "darin einfach gut waren". Dementsprechend habe N K bestätigt, dass der Bw und sein Komplize "die schlimmsten von L sind, die alles im großen Stil verkaufen".

 

Die Vorbereitung der Suchtgiftgeschäfte wird im Urteil des Landesgerichts Linz wie folgt beschrieben:

 

        "Die Professionalität von W und K zeigte sich auch darin, dass bei den telefonischen Bestellungen der Abnehmer Codewörter verwendet wurden. Beispielsweise fielen Fragen wie 'Kannst du mir deinen braunen Pulli
leihen' (Heroin) bzw. "den blauen Versace-Pulli leihen' (blaue Ecstasy der Sorte Versace) oder es ging um 'etwas Gemütliches' (Cannabis; siehe V J I/193). Ab September 2006 zog W in der Wohnung Linz, M/5/13 beim dort unangemeldet aufhältigen P N ein. Diese Wohnung, aber auch der Raum oberhalb der Aufzugsabdeckung oder das Dach dienten W und K dabei als Suchtgiftbunker. Weiters wurde in die­ser Wohnung das Suchtgift von W und K verkaufsfertig abgepackt, telefonische Bestellungen entgegengenommen und teilweise auch das Suchtgift an die Käufer übergeben (N, I/237-241). Als Gegenleistung für die Zur-Verfügung-Stellung der Wohnung erhielt N kostenlos Suchtgift (vor allem Cannabisprodukte, aber auch Heroin) zum Eigenkonsum und drei Mal jeweils € 150,-- als Mietbeitrag, wobei W teilweise auch die nötigen Lebens­mittel kaufte (N, I/229). Den Vorschlag Ns, zu Dritt Geschäfte zu machen, lehnten W und K jedoch mit der Begründung ab, dass N keine Abnehmer hätte und es daher keinen Sinn mache, die Einnah­men durch drei zu teilen (N, I/227)."

 

1.3.3. Der Verkaufspreis für Ecstasy lag bei 10 Euro und für Heroin bei 80 Euro pro Gramm. Durch den Verkauf großer Suchtgiftmengen erzielten sie ent­sprechen hohe Gewinne. Mit dem Erlös finanzierten sie Heroin zum Eigenkonsum und verwendeten auch einen Großteil für ihre Lebensführung (Kleidung, Fortgehen, Partys). Die kriminaltechnische Untersuchung der sicherge­stellten Ecstasy der Sorte "blaue Rolex" ergab eine Reinsubstanz von 0,0365 Gramm pro Tablette, womit die große Menge von 30 Gramm MDMA bei 822 Stück erreicht wurde. Weitere untersuchte Ecstasy-Tabletten von fast gleicher Qualität enthielten O,0382 Gramm und 0,0378 Gramm MDMA, wobei die große Menge bei 785 bzw bei 793 Tabletten erreicht wird. Das Heroin enthielt an Reinsubstanz 14,2 % Heroinbase und 0,4 % Monoacetylmorphinbase. Die Grenzmenge (3 Gramm Heroinbase und 10 Gramm Morphin) war damit bei rund 21. Gramm Heroin erreicht.

 

1.3.4. Zur subjektiven Tatseite hat das Strafgericht festgestellt, dass die Ange­klagten billigend in Kauf nahmen, dass die gehandelten Suchtgiftmengen mehr­fach die große Menge und sogar die Übermenge erreichten und überschritten. Sie führten den Handel von großen Mengen Suchtgift in der Absicht durch, sich da­durch fortlaufend eine Einnahmequelle zu verschaffen.

 

Die Strafen orientieren sich am Strafrahmen von einem bis 15 Jahre Freiheits­strafe nach dem § 28 Abs. 4 SMG idF vor der SMG-Novelle 2007 (BGBl I. Nr. 110/2007), wobei die Mindeststrafe gemäß § 36 StGB (Personen unter 21 Jahren) nur mit 6 Monaten anzusetzen war. Mildernd wertete das Gericht, dass die Angeklagten teilweise noch jugendlich waren und sich geständig verantworteten. Erschwerend waren beim Bw zwei einschlägige Vorstrafen, die Tatbegehung während anhängiger Verfahren und der rasche Rückfall nach den Verurteilungen am 5. September 2006 und 30. Jänner 2007, der lange Tatzeit­raum und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen.

 

1.4. Neben diesen gerichtlichen Vorstrafen hat die belangte Behörde insgesamt 10 verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen des Bw aus der relativ kurzen Zeit von August 2005 bis Februar 2007 aufgelistet. Dabei scheinen insgesamt 6 Übertretungen wegen "Schwarzfahrens" in einem öffentlichen Verkehrsmittel nach Art IX Abs. 1 Z 2 EGVG, eine Übertretung nach § 82 Abs. 1 SPG (aggressives Verhaltens gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht), zwei Übertretun­gen nach § 5 Abs. 1 StVO (Lenken eines Fahrzeuges in durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigtem Zustand) und eine Übertretung nach § 1 Abs. 6 Z 2 FSG (Lenken eines Motorfahrrades ohne Lenkberechtigung) auf.

 

1.5. Bereits am 29. März 2007 wurde der Bw von der belangten Behörde in der Justizanstalt Linz fremdenpolizeilich einvernommen. Damals gab er an, dass er seit dem 10. Lebensjahr in Österreich lebe, die Hauptschule und den polytech­-
ni­schen Lehrgang absolviert und eine Lehre als Kfz-Mechaniker nach 1 1/2 Jah­ren abgebrochen habe. Nach seiner Haftentlassung könnte er in L Unter­kunft bei seiner Freundin E G in der L oder bei P N in M nehmen. Bei seiner gemeldeten Adresse K handle es sich nur um eine Postadresse. Nach Haftentlassung hätte er Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe. Zu seiner Mutter und zur Tante, welche in Österreich lebten, hätte er keinen Kontakt mehr und er wüsste nicht einmal, wo sie wohnen. Ansonsten habe er keine Ver­wandten in Österreich. Sein Vater, den er nicht kenne, soll in Leipzig leben. Sein Lebensmittelpunkt liege in Österreich.

 

1.6. Mit Schreiben vom 11. September 2007 teilte die Erstbehörde dem Bw unter Hinweis auf die strafgerichtlichen Verurteilungen die Absicht mit, gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen. In der Stellungnahme vom 14. September 2007 bringt er vor, dass er seine abgebrochene Lehre wegen einer Borreliose nicht fortsetzen hätte können. Seine Mutter hätte damals große finan­zielle Schwierigkeiten gehabt und die Miete nicht mehr zahlen können. Sie sei schließlich im Herbst 2006 nach Kärnten übersiedelt, weil sie dort im erlernten Beruf als Krankenschwester arbeiten konnte. Sie hätte den Bw allein in Oberösterreich zurückgelassen. Da er keine Kontakte zu seinen Verwandten in Deutschland habe, sei er zu einem Freund nach Linz gezogen. Zu seinem "Stief­vater", dem Lebensgefährten seiner Mutter in Leipzig, habe er auch keinen Kontakt. In Linz habe er "die falschen Freunde" kennen gelernt und sei so leider auf die schiefe Bahn geraten. Durch die Haft sei dem Bw klar geworden, dass er sein Leben wieder in den Griff bekommen müsse. Er wolle entweder eine Lehr­stelle für den Abschluss als Kfz-Mechaniker finden oder als Hilfsarbeiter zu arbeiten beginnen, um ein geregeltes Leben führen zu können. Nach der Haft könne er sich vorstellen, in eine Neustart-Wohngemeinschaft zu ziehen. Inzwischen habe er auch wieder Kontakt zu seiner Mutter, die nach Oberösterreich zurückgekehrt wäre.

 

2.1. In ihrer rechtlichen Begründung hat die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hinsichtlich der teilbedingten Verurteilung des Bw zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten als erfüllt angesehen und im Hinblick auf § 86 FPG (Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger) die Ansicht vertreten, dass die öffentliche Ordnung bei Verbleib des Bw im Bundesgebiet nachhaltig und maß­geblich gefährdet wäre.

 

Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, ins­besondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger Integration des Fremden dringend geboten, weil das öffentliche Interesse an der Verhinderung solcher strafbaren Handlungen unver­hältnismäßig schwerer wiege als das private Interesse des Fremden. Ein rigoroses Vorgehen sei geboten, da der Konsum von Suchtgiften zu verheeren­den Schäden und Folgen in der Gesellschaft führe. Die Suchtgiftkriminalität nehme Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen. Der EuGH bezeichne Suchtgifte auch als "Geisel der Menschheit". Die Suchtgiftkriminalität ufere mit besorgniserregenden Wachs­tumsraten immer mehr zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor aus.

 

Dass die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend Anlass zur konsequenten Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten bieten, bedürfe ebenso wenig einer weiteren Erörterung wie die Abhängigkeit der präventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktion vom Gewicht ihrer Täterbelastung und ihrem Bekanntheitsgrad in Täterkreisen. Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und der Jugendlichen, die diesen Gefahren auf Grund mangelnder Reife vermehrt ausgesetzt sind, sei eine derartige Maßnahme dringend erforderlich.

 

Es können daher keinem Zweifel unterliegen, dass das kriminelle Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung und Bekämpfung der be­sonders gefährlichen Suchtgiftkriminalität berühre.

 

Der mit Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verbundene wesentliche Eingriff ins Privat- und Familienleben des Bw werde dadurch relativiert, dass es nicht einmal der Mutter gelungen war, den Bw abzuhalten, schwerwiegend gegen die österrei­chische Rechtsordnung zu verstoßen. Er führte in seine Stellungnahme selbst an, dass sie ihn alleine in Oberösterreich zurückgelassen habe und er in der Folge durch falsche Freunde auf die schiefe Bahn geraten sei. Eine Integration in sozialer Hinsicht sei dem Bw trotz der Dauer seines Aufenthalts in Österreich noch nicht gelungen. Durch sein Gesamtverhalten habe er gezeigt, dass er nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu respektieren und einzuhalten. Die ersten beiden gerichtlichen Verurteilungen hätten ihn nicht abhalten können, in äußerst schwerwiegender Form straffällig zu werden.

 

Die belangte Behörde hielt die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf Grund die­ser Umstände zur Erreichung der Ziele des Art 8 Abs. 2 EMRK für dringend geboten. Zum Vorbringen des Bw, nach der Haftzeit ein geregeltes Leben führen zu wollen, sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß eine große Wieder­holungs­gefahr innewohne. Der im Gerichtsurteil angeführte rasche Rückfall und der lange Tatzeitraum lasse die Zukunftsprognose für den Bw keinesfalls positiv ausfallen. Der von der Bewährungshelferin ins Treffen geführten "günstigen Zu­kunftsprognose" sei zu entgegnen, dass die Frage eines Aufenthaltsverbots von Fremdenbehörden - unabhängig von der bedingten Strafnachsicht und den be­gründenden gerichtlichen Erwägungen - ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen ist (Hinweis auf VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0180 mwN). Auf Grund des Gesamtfehlverhaltens des Bw stelle sein weiterer Aufenthalt in Österreich eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, insbesondere auch für die Volksgesundheit dar. Schon deshalb stehe auch § 56 FPG der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

 

Zum Ausschlussgrund für ein Aufenthaltsverbot nach § 61 Z 3 FPG (mögliche Verleihung der Staatsbürgerschaft "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sach­verhaltes") führt die belangte Behörde an, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Wendung die Zeit vor Eintritt der für das Auf­enthaltsverbot maßgeblichen Umstände in ihrer Gesamtheit zu verstehen sei (Hinweis auf VwGH 31.03.2004, Zl. 99/18/0462). Der Bw sei aber schon für den Tatzeitraum von Juni 2004 bis Juni 2005 verurteilt worden, weil er Suchtgift er­worben, besessen und anderen überlassen hatte. Bis zu diesem Zeitraum hatte er sich noch nicht ununterbrochen seit mindestens zehn Jahren seinen Haupt­wohnsitz ununterbrochen in Österreich aufgehalten, weswegen ihm auch nicht die Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 hätte verliehen werden können.

 

Die Anwendung des § 61 Z 4 FPG scheide schon deshalb aus, weil der Bw erst im Alter von 10 Jahren nach Österreich gekommen sei. Nach ständiger Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofs gelte eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich kam, noch nicht als "von klein auf im Inland aufgewachsen" (Hinweis auf VwGH 13.09.2006, Zl. 2003/18/0332).

 

Zur Gültigkeitsdauer meinte die belangte Behörde, dass in Anbetracht der be­sonders verwerflichen Straftaten des Bw nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbots wieder wegfallen werden. Das Aufenthaltsverbot sei daher unbefristet zu erlassen.

 

2.2. Die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich hat mit Schreiben vom 12. De­zember 2007, eingelangt am 17. Dezember 2007, die Berufung und den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt der Erstbehörde an den Oö. Verwaltungs­senat zur Berufungsentscheidung zuständigkeitshalber weitergeleitet.

 

Die Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid vom 28. November 2007, dem Bw in der Justizanstalt Linz eigenhändig zugestellt am 30. November 2007, wurde am 10. Dezember 2007 und damit rechtzeitig zur Post gegeben. Ihr Inhalt lautet wie folgt:

 

"Ich bin noch bis 21.12.2007 in der Justizanstalt Linz zu Recht wegen Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz inhaftiert.

 

Vor meiner Inhaftierung am 22.2.2007 habe ich die falschen Freunde kennen gelernt und bin so leider auf die schiefe Bahn geraten, was letztendlich in der Hauptverhandlung am 3.7.2007 zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, 16 da­von bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren geführt hat. Da nach der Hauptverhandlung die vorher laufende Bewährungshilfe nicht mehr angeordnet worden ist, ich aber weiß, dass ich während der Haft und noch mehr nach der Haft weiterhin die Unterstützung meiner Bewährungshelferin dringend benötige, um nicht mehr rückfällig zu werden, habe ich das Landesgericht Linz um neuerliche Anordnung von Bewährungshilfe ersucht, was mir auch gewährt worden ist.

 

Sowohl während der Untersuchungshaft im Landesgericht Linz als auch in der Justizanstalt Asten hatte bzw. habe ich genügend Zeit gehabt über mein Leben nachzudenken. Ich weiß, dass ich zu recht verurteilt worden bin  und die Haft ist die entsprechende Konsequenz dafür. Durch den Haftalltag ist mir klar geworden, dass ich nach der Freilassung im Dezember mein Leben mein Leben wieder in den Griff bekommen muss und werde versuchen entweder eine Lehrstelle zu finden um einen Abschluss als KFZ-Mechaniker machen zu können oder als Hilfsarbeiter zu arbeiten beginnen, um mir ein geregeltes Leben, eine Wohnung etc. leisten zu können.

Nach der Entlassung aus der Haft kann ich vorübergehend bei der Mutter eines Freundes wohnen, bis ich mir genügend Eigenmittel für Erbringung einer Kaution erarbeitet habe und dann eine eigene kleine Wohnung mieten kann. Außerdem stehe auf der Warteliste für eine Neustart-Wohngemeindschaft.

 

Ich möchte sie aber höflichst darum ersuchen, kein Aufenthaltsverbot über mich zu erlassen oder das unbefristete Aufenthaltsverbot in ein befristetes Aufent­haltsverbot unter Einhaltung bestimmter Forderungen / Auflagen umzuwandeln. Wie ich schon in der Hauptverhandlung im Sommer angeführt habe, bin ich zu einer ambulanten Therapie in der Suchtberatungsstelle Point und regelmäßigen Kontrollen bereit. Darüber hinaus würde ich weitere Auflagen Ihrerseits gerne erfüllen, wenn ich dadurch nur in Österreich bleiben kann, da ich Deutschland keinerlei Kontakte und Anlaufstellen hätte und wieder ganz von vorne anfangen müsste.

 

Abschließend bitte ich Sie höflichst, mir die Chance zu geben, gemeinsam mit meiner Bewährungshelferin. Meiner Mutter und meiner Freundin, die mich während der Haftzeit regelmäßig besucht hat und nach wie vor zu mir steht, mich in Österreich dauerhaft zu integrieren und ein geregeltes Leben zu führen."

 

3. Der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt der belangten Behörde. Daraus ergab sich in Verbindung mit der Berufung der unter Punkt 1 geschilderte im Wesentlichen unstrittige Sachverhalt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsver­bot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Nach § 60 Abs. 2 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder

 

1.     von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Mona­ten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.     ...

 

Nach § 60 Abs. 3 FPG liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereist getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unter Anderem im Fall des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jah­ren erlassen werden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer ist auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen ( § 63 Abs. 2 FPG).

 

4.2. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Dritt­staatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffent­liche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei können strafrechtliche Ver­urteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Ein­zel­fall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Bei einem EWR-Bürger sind auch die Anforderungen des § 86 Abs. 1 FPG zu be­achten. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162, zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 48 Abs. 2 FrG 1997 ausgesprochen, dass zu prüfen sei, ob sich aus dem Ge­samtverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei sei anders als beim Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG 1997 (entspricht nunmehr § 60 Abs. 2 Z 1 FPG) nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen. Bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, kommt dem Katalog des § 36 Abs. 2 FrG 1997 (nunmehr § 60 Abs. 2 FPG) dabei die Bedeutung eines Orientierungsmaßstabs zu (vgl VwGH 20.2.2001, Zl. 2000/18/0162; VwGH 4.10.2006, Zl. 2006/18/0306).

 

4.3. Im gegenständlichen Fall liegt durch das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 3. Juli 2007, Zl. 25 Hv 90/07h, mit der teilbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren wegen Verbrechen und Vergehen nach dem Sucht­mittelgesetz eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs. 2 Z 1 2. Fall FPG vor. Damit war die belangte Behörde gemäß § 63 Abs. 1 FPG grundsätzlich auch zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots ermächtigt.

 

Nach den strafgerichtlichen Feststellungen des vorliegenden Falles hat der Bw gemeinsam mit seinem Komplizen einen schwunghaften Suchtgifthandel betrie­ben und dabei in Bezug auf verschiedene Suchtgifte mehrfach die Grenzmenge iSd § 28 Abs. 6 SMG aF (nunmehr § 28b SMG) übertroffen und sogar die Über­menge erreicht und übertroffen.

 

Die Verurteilung beschränkt sich daher nicht auf den gewerbsmäßigen Handel mit einer großen Menge Suchtgiftes (§ 28 Abs. 3 SMG aF), sondern erfolgte aus­drücklich gemäß § 28 Abs. 4 Z 3 SMG aF mit Beziehung auf Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs. 6) ausmacht. Die übergroße Menge der Qualifikation des § 28 Abs. 4 Z 3 SMG wurde dabei mehr­fach bzw. hinsichtlich verschiedener Suchtgifte erfüllt. Der nach § 28 Abs. 4 SMG aF vorgesehene hohe Strafrahmen für diese Deliktsqualifikation bewegt sich zwischen einem und fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe.

 

Der Suchtgifthandel wurde in der Absicht durchgeführt, sich fortlaufend eine Ein­nahmequelle zu verschaffen, um den eigenen Lebensunterhalt und den Eigen­konsum zu finanzieren. Im Spruchzeitraum wurde zumindest ein Gewinn von 5.000 bis 10.000 Euro gemacht.

 

Bei der Strafzumessung waren die Jugendlichkeit (teilweise) und das Geständnis des Bw mildernd. Erschwerend waren zwei einschlägige Vorstrafen, die Tatbege­hung während anhängiger Verfahren, der rasche Rückfall und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen.

 

Der Bw wurde schon am 5. September 2006 vom Landesgericht Linz zu Zl. 25 Hv 96/06i wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 1., 2., 3. und 6. Fall SMG aF (Er­werb, Besitz, Erzeugung und Überlassen von Suchtgift an andere) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt. Diese bedingte Strafnachsicht wurde anlässlich der neuerlichen Verurteilung vom 3. Juli 2007 widerrufen. Den eigenen Suchtgiftkonsum setzte der Bw demnach ungeachtet dieser Vorverurteilung bis zu seiner Verhaftung am 21. Februar 2007 fort.

 

4.4. Auf der Grundlage der im abgeschlossenen strafgerichtlichen Verfahren dar­gelegten Umstände und unter Berücksichtigung des Vorlebens des Bw ist auf das von ihm ausgehende Gefahrenpotential für die öffentlichen Interessen zu schließen. Dieses erscheint angesichts der bisher gezeigten kriminellen Energie des Bw nicht unerheblich.

 

Die von der belangten Behörde angenommene hohe Rückfallsgefahr beim Bw er­gibt sich teilweise auch aus seinem Vorleben. Er hat keinen erlernten Beruf und kann bestenfalls als Hilfsarbeiter Geld verdienen, falls er überhaupt einen Job bekommt. Da er offenbar auch selbst suchtkrank ist – er hat sogar schon Heroin und viele andere Suchtgifte konsumiert - und in seinem sozialen Umfeld schon milieubedingt wenig Halt finden kann, wird er möglicherweise wieder rückfällig werden, um seinen Lebensunterhalt bestreiten und seine Sucht befriedigen zu können. In der Berufung wird nichts vorgebracht, was andere Annahmen recht­fertigen könnte. Es sind noch keine wirklich positiven Änderungen im Leben des Bw, der nach eigenen Angaben auch kein normales Verhältnis zu seiner Mutter hat, ersichtlich.

 

Durch die schon erwähnte erste Verurteilung durch das Landesgericht Linz vom 5. September 2006 und die weitere durch das Bezirksgericht Linz vom 30. Jänner 2007 (wegen §§ 15, 136 Abs. 1 und 127 StGB) wurde der Bw offenbar noch nicht geläutert. Vielmehr beging er ungeachtet dieser anhängigen Strafverfahren noch wesentlich schwerwiegendere Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz, die schließlich zur Verurteilung vom 3. Juli 2007 führten. Seine gleichgültige Einstel­lung der österreichischen Rechtsordnung gegenüber zeigt sich nicht zuletzt auch in 10 Vormerkungen wegen Verwaltungsübertretungen, die in der kurzen Zeit zwischen 25. August 2005 bis 16. Februar 2007 mit Strafbescheiden geahndet wurden. Dabei sind auch zwei sehr schwerwiegende Verwaltungsübertretungen nach dem § 5 Abs. 1 StVO wegen Lenkens eines Fahrzeuges im durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand.

 

Es muss daher damit gerechnet werden, dass der labile Bw auch in Zukunft wieder schwerwiegende Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz begehen könnte.

 

4.5. Auf Grund der dargelegten Umstände pflichtet der Oö. Verwaltungssenat der Auffassung der belangten Behörde bei, dass der weitere Aufenthalt des Bw in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 60 Abs. 1 Z 1 FPG gefähr­den würde und dass sein bisheriges Gesamtfehlverhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die das besondere Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung von Suchtgift- und ihrer Begleitkriminalität und der Wahrung der Volksgesundheit berührt. Dabei ist das Tatbestandsmerk­mal "gegenwärtig" in sinnvoller Weise auf den Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft (Gerichtshaft) zu beziehen und zu fragen, ob das prognostizierte Ver­halten des Fremden für diesen Fall eine Gefahr iSd § 86 Abs. 1 FPG darstellen würde (vgl bereits VwSen-720109 vom 7.8.2006). Nach ständiger Recht­sprechung des Verwaltungsgerichthofs sind nämlich in Haft verbrachte Zeiten bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Wohlverhaltens auch nicht zu berücksichtigen (vgl mwN VwGH 30.11.2005, Zl. 2005/18/0591).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Falle des Suchtgifthandels mit Ecstasytablet­ten in einer "großen Menge" iSd § 28 Abs. 6 SMG, die als solche geeignet ist, eine große Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, erst vor kurzem wieder betont, dass ein Beschwerdeführer gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität mit erfahrungsgemäß innewohnender Wiederholungsgefahr handle, verstoßen hat (vgl VwGH 27.6.2006, Zl. 2006/18/0092).

 

Im vorliegenden Fall beging der Bw gewerbsmäßig das Verbrechen des § 28 Abs. 2 SMG nicht bloß in Bezug auf eine große Menge Suchtgift, sondern auf eine übergroße Menge iSd § 28 Abs. 6 SMG aF (zumindest 25-fache der Grenzmenge) nach § 28 Abs. 4 Z 3 SMG aF, die er ebenfalls noch überschritt.

 

Auch nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats stellt der missbräuchliche Umgang mit Rauschgift eine enorme Gefahr für die Volksgesundheit und die innere Sicherheit dar. Da es sich bei der gefährdeten Zielgruppe häufig um junge Menschen und Minderjährige handelt, denen eine wichtige Rolle in einem geord­neten Gemeinwesen zukommt, muss der Staat alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Allgemeinheit vor den Folgen des Suchtgiftmissbrauches und der Begleitkriminalität zu schützen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ge­gen straffällige Fremde nach dem Suchtmittelgesetz ist eine solche Maßnahme. Die schwerwiegenden sozialen, psychischen und körperlichen Folgen des Kon­sums von Rauschgiften sind oft nicht mehr abzusehen.

 

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Bw erscheint somit im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Volksgesundheit und der Rechte anderer) dringend ge­boten.

 

4.6. Zur Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm 66 Abs. 2 FPG hat die be­langte Behörde zutreffend festgestellt, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff ins Privat- und Familienleben des Bw dadurch relativiert wird, dass das Verhältnis zu seiner Mutter offenbar nicht gut ist, hat ihn diese doch nach seiner eigenen Stellungnahme vom 14. September 2007 im Herbst 2006 wegen finanzieller Probleme in Oberösterreich zurückgelassen und ist nach Kärnten übersiedelt, um dort in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester zu arbeiten. Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 29. März 2007 gab der Bw sogar an, dass er zu seiner in Österreich lebenden Mutter und zu seiner Tante keinen Kontakt hätte und nicht einmal wüsste, wo die beiden wohnen. Inzwischen sei seine Mutter wieder von Kärnten zurückgekehrt und wohne in der Nähe von Linz. Er hoffe, dass sie ihn nach Haftentlassung unterstützen und er vielleicht sogar bei ihr wohnen könne (Schreiben des Bw vom 14.09.2007). Bereits in der Berufung vom 10. Dezember 2007 wird diese Hoffnung nicht aufrecht erhalten, zumal von Unterstützungen durch die Mutter keine Rede mehr ist. Vielmehr wollte der Bw nunmehr nach Haftentlassung bei der Mutter eines Freundes wohnen bis er die notwendigen Mittel für eine eigene Wohnung erar­beitet habe. Außerdem stehe er auf der Warteliste einer Neustart-Wohn­ge­mein­schaft.

 

Die Integration des im Jahr 1999 nach Österreich gekommenen Bw ist in sozialer Hinsicht nicht gelungen. Er hat zwar die Pflichtschule in Österreich abgeschlos­sen, danach aber nur eine Lehre als Kfz-Mechaniker begonnen und nach 1 1/2 Jahren wieder abgebrochen. Seit Februar 2005 war er arbeitslos und hatte er da­nach weder ein legales Einkommen gehabt, noch sonst Vermögen erworben (vgl Urteilsfeststellungen vom 3.07.2007). Mangels eines Anspruchs auf Unterhalt ist der Bw mittlerweile auf freiwillige Zuwendungen durch Freunde und Verwandte oder auf Sozialhilfe angewiesen, solange er nicht einem eigenen legalen Erwerb nachgehen kann. Diese Möglichkeit erscheint nach den gegebenen Umständen aber eher gering.

 

Durch sein rechtsfeindliches Gesamtverhalten, vor allem aber durch den schwunghaften Suchtgifthandel während eines längeren Zeitraumes, hat der Bw bewiesen, dass er seinen Lebensunterhalt auf gemeinschädliche Weise und nicht durch legale Arbeit bestreiten wollte. Dazu kommt noch die eigene Suchtkrank­heit mit allen ihren negativen Auswirkungen auf Antrieb und die Persönlichkeit des Betroffenen. Die beiden ersten gerichtlichen Verurteilungen haben den Bw in keiner Weise beeindruckt. Vielmehr setzte er die Suchtgiftdelinquenz unbeirrt und in qualifizierter Weise fort.

 

Der erkennende Verwaltungssenat kann angesichts all dieser Fakten der Interes­senabwägung der belangten Behörde nicht entgegentreten, wonach die öffent­lichen Interessen an der Außerlandesschaffung des Bw bedeutend schwerer wiegen als seine privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesge­biet. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erscheint dringend geboten, um das Ziel gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen die Volksgesundheit zu erreichen.

 

Soweit der Bw mit seinem Vorbringen in der Stellungnahme vom 14. September 2007 und in der Berufung intensivere Bindungen und private Interessen ins Treffen führen möchte, vermögen diese allenfalls für seinen Verbleib in Öster­reich sprechenden persönlichen Interessen jedenfalls das durch sein gravieren­des Gesamtfehlverhalten nachhaltig beeinträchtigte Allgemeininteresse iSd Art 8 Abs. 2 EMRK nicht zu überwiegen (vgl idS zB VwGH 27.06.2006, Zl. 2006/18/0092). Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiegen wesentlich schwerer als die Auswirkungen auf die persönliche Lebenssituation des Bw.

 

Die belangte Behörde hat auch zutreffend dargestellt, warum keine Gründe für die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach dem § 61 FPG in Betracht kommen.

 

4.7. Bei Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist nach § 63 Abs. 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit dem Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

Zur Festsetzung der unbefristeten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde nur an, dass in Anbetracht der "besonders verwerf­lichen Straftaten" nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegfallen werden.

 

Dieser pauschalen Sichtweise kann sich der Oö. Verwaltungssenat nicht anschließen. Zum Einen kann zwar von für die innere Sicherheit gefährlichen, aber nicht von "besonders verwerflichen Straftaten" des Bw gesprochen werden. Denn eine besonders verwerfliche Schuld des Bw, die das deliktstypische Unrecht der begangenen Suchtgiftdelikte weit übertreffen würde, hat das Strafgericht in keiner Weise zum Ausdruck gebracht. Zum Anderen sind der Strafausspruch und die strafgerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung insofern von Bedeutung, als damit das Gewicht der begangenen Tat und die Höhe der Schuld zum Aus­druck kommt. Dabei handelt es sich um für die Erlassung des Aufenthalts­ver­botes maßgebliche Umstände iSd § 63 Abs. 2 FPG. Auch wenn nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs das Ob eines Aufenthaltsverbotes un­abhängig von der gewährten bedingten Strafnachsicht aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen ist, können die präventiven Erwägungen des Straf­gerichts zur Begründung der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes herangezogen werden.

 

Im Verfahren 25 Hv 90/07h hatte das Landesgericht Linz als Jugendschöffenge­richt die Strafe innerhalb des hohen Strafrahmens von 6 Monaten (vgl § 36 StGB) bis 15 Jahre zu bemessen. Die Umstände, dass der Bw bei der Tatbege­hung teilweise noch jugendlich war und frühzeitig ein umfassendes Geständnis ablegte, wertete das Strafgericht offensichtlich als gewichtige Milderungsgründe. Die mit 2 Jahren festgesetzte Freiheitsstrafe entspricht nämlich nur etwas mehr als 13 % der Höchststrafe. Demnach ging das Jugendschöffengericht trotz der vorliegenden Erschwerungsgründe von einem nur unterdurchschnittlichen Un­rechts- und Schuldgehalt aus. Außerdem erachtete das Gericht eine teilbedingte Freiheitsstrafe gemäß § 43a Abs. 3 StGB für sinnvoll und verhängte 2/3 der Frei­heitsstrafe von 16 Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren. Es ging gemäß § 43a Abs. 3 iVm § 43 Abs. 1 StGB davon aus, dass die bloße Androhung der Vollziehung eines Teils der Strafe in Verbindung mit dem unbedingten Teil der Strafe von 8 Monaten und dem Widerruf der bedingten Vor­strafe von 2 Monaten zu 25 Hv 96/06i genügen werde, um den Bw von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

 

Die in der Berufung vorgeschlagenen Auflagen (zBsp. ambulante Therapie in Suchtberatungsstelle und regelmäßige Kontrollen) sind im Fremdenrecht nicht vorgesehen. Auch die Bereitschaft des Bw zur Einhaltung solcher Auflagen ver­mag nichts am grundsätzlichen Befund zu ändern, wonach ein Aufenthaltsverbot jedenfalls erforderlich erscheint (vgl dazu oben Punkte 4.5. und 4.6.) Allerdings vertritt der Oö. Verwaltungssenat die Ansicht, dass die Strafzumessungskriterien des Gerichts auch für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes eine gewisse Rolle spielen müssen. Der bei Tatbegehung teilweise noch jugendliche Bw hatte erstmals im Zusammenhang mit der maßgeblichen letzten Verurteilung vom 3. Juli 2007 das Haftübel durch Untersuchungs- und Strafhaft verspürt. Er hat nach Darstellung seiner Bewährungshelferin (Beilage zur Stellungnahme vom 14.09.2007) selbst um die Anordnung weiterer Bewährungshilfe ersucht und will sein Leben in geordnete Bahnen lenken. Es kann ihm nicht von vornherein abge­sprochen werden, dass er nunmehr durch seine Hafterfahrung nicht doch geläutert worden sein könnte.

 

Auch wenn gerade bei Suchtgifttätern eine hohe Rückfallsquote bekannt ist, er­achtet es das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenats auf Grund der Umstände des Falles und der von der Bewährungshilfe mitgeteilten Bereitschaft des Bw, sich zu bessern und ein geordnetes Leben anzustreben, für vertretbar, eine Befristung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes vorzu­nehmen. Da er in seinem Herkunftsland keine familiären Bindungen hat, soll er die Aussicht haben, nach Ablauf der Frist nach Österreich zurückkehren zu kön­nen. Dabei hält der Oö. Verwaltungssenat eine Frist von sechs Jahren dem Ge­samtverhalten des Bw für angemessen und auch ausreichend, um ihm die Gele­genheit zu geben, sich in seinem Heimatland zu bewähren. Soziale Einrichtungen und Hilfestellungen, die ihn in seinem Bemühen, ein geordnetes Leben zu führen, unterstützen können, gibt es auch in der Bundesrepublik Deutschland.

 

Die von der belangten Behörde ohne nähere Begründung vorgesehene unbefris­tete Dauer des Aufenthaltsverbots erscheint dem Oö. Veraltungssenat nicht nur im Verhältnis zur Art und Schwere der strafgerichtlichen Verurteilung übertrie­ben. Die belangte Behörde hat damit auch der noch jugendlichen Persönlichkeit des Bw in keiner Weise Rechnung getragen. Eine unbefristete Verhängung wäre wohl auch wenig geeignet, um den Bw zu motivieren, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken.

 

5. Im Ergebnis war das angefochtene Aufenthaltsverbot dem Grunde nach zu bestätigen und eine Befristung der Gültigkeitsdauer von sechs Jahren auszu­sprechen. Diese Frist beginnt gemäß § 63 Abs. 2 FPG ab dem Eintritt der Durch­setzbarkeit des Aufenthaltsverbotes zu laufen. Dieser Zeitpunkt tritt mit Ablauf des gemäß § 86 Abs. 3 FPG gewährten einmonatigen Durchsetzungsauf­schubes nach Zustellung dieser Berufungsentscheidung ein.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.  Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwal­tungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.  Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabengebühren in Höhe von 13,20 Euro für die Berufung angefallen.

 

     Beilagen

Dr. W e i ß

 

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