Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281011/16/Kl/Sta

Linz, 08.04.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herr Ing. W B, vertreten durch K W Rechtsanwälte GmbH, W, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 4. Juni 2007, Ge96, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 3. April 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Rechtsvorschrift im Sinn des § 44a Abs.1 Z2 VStG "§ 48 Abs.2 und 7 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994, idF BGBl. Nr. II Nr. 22/2006 iVm §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 159/2001" und die Strafnorm im Sinn des § 44a Abs.1 Z3 VStG
"§ 130 Abs.5 Einleitungssatz ASchG" zu lauten hat.

 

II.     Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängte Geldstrafe, das sind 200 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 4. Juni 2007, Ge96, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.000 Euro wegen einer  Verwaltungsübertretung gemäß § 48 Abs.7 Bauarbeiter­schutzverordnung verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der G B und M G.M.B.H., W, P, der Arbeitgeberin zu verantworten hat, dass wie durch ein Organ des Arbeitsinspektorates St. Pölten am 08.05.2006 auf der Baustelle in W, Kreisbach "Dingelberg" festgestellt wurde, der Arbeitnehmer J B eine ca. 25 m lange, ca. 2,5 m breite und verlaufend von ca. 1,5 m bis 3,5 m tiefe Künette betreten hat, obwohl keine Sicherungsmaßnahmen gemäß § 48 Abs.2 der Bauarbeiterschutzverordnung getroffen bzw. vorhanden waren.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde dargelegt, dass zwar unbestritten sei, dass es am 8.5.2006 auf der Baustelle in W, Kreisbach "Dingelberg" zu einem Unfall gekommen sei, wobei eine Kurzschlusshandlung des verletzten Arbeitnehmers J B, der eigenmächtig und entgegen den Anweisungen des Poliers plötzlich in die Künette gestiegen sei, um eine Eisenstange aus dieser herauszuholen, verantwortlich sei. Für die Handlung des verletzten Arbeitnehmers habe es keine Notwendigkeit gegeben. Es sei auch unbestritten, dass die Künette im Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer in diese hinein stieg, nicht entsprechend § 48 Abs.2 BauV geschützt gewesen sei. Dies deshalb, weil an dieser Künette Grabungsarbeiten mittels Hydraulikbagger durchgeführt worden seien und das Betreten der ungesicherten Künette durch einen Dienstnehmer für die Durchführung der Grabarbeiten nicht erforderlich gewesen sei. § 48 Abs.7 BauV sei für den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. § 48 Abs.7 BauV richte sich lediglich an die einzelnen Bauarbeiter, eine Verpflichtung für das Unternehmen ist aus dieser Bestimmung nicht abzuleiten. Eine Aufsichtspflicht ist in § 48 Abs.7 BauV nicht normiert. Außerdem handle es sich um ein bloßes Ungehorsamsdelikt, welches – anders als ein Erfolgsdelikt – nicht durch Unterlassen begangen werden könne, wenn das Unterlassen nicht ausdrücklich im Tatbild umschrieben ist. Selbst unter Zugrundelegung einer Tatbestandsmäßigkeit liege ein Verschulden nicht vor, weil es dem Beschuldigten nicht möglich gewesen sei, mit zumutbaren Mitteln den ausschließlich auf Eigenverschulden begründeten Unfall zu verhindern. Der Polier habe die Dienstnehmer angewiesen, die Künette zu verlassen und in der Zwischenzeit im bereits wieder teilverfüllten Bereich mit der Verlegung der Wasserleitung fortzufahren. Diese Tätigkeit erfolgte ca. 15 m von der offenen Künette entfernt. Eigenmächtig entgegen der Anweisung des Poliers habe sich der verunfallte Dienstnehmer in die ungeschützte Künette begeben. Dieser sei nachweislich ausreichend geschult und auf Grund seiner Ausbildung als Facharbeiter geeignet gewesen. Auf Grund der kurzen Dauer des Besteigens habe auch der Polier nicht reagieren können. Auch eine Sonderevaluierung nach diesem Unfall brachte keinen Verbesserungsvorschlag. Das gegen den Polier eingeleitete Verfahren bei der Staatsanwaltschaft wurde beendet, weil eindeutig ausschließlich ein Fehlverhalten des verunfallten Dienstnehmers vorlag. Bei einem arbeitsteiligen Zusammenwirken mehrerer Personen, etwa gerade auf dem Bau, gilt ein Vertrauensprinzip. Sohin darf sich eine Aufsichtsperson am Bau darauf verlassen, dass sich ausreichend geschulte Baufacharbeiter an die Anweisungen und Ausbildungsinhalte halten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3. April 2008, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter, sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates erschienen sind. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen J B, S G und Ing. T P geladen und einvernommen. Der weiters geladene Arbeitsinspektor P S ist wegen Krankheit entschuldigt und kann nicht einvernommen werden.

 

4.1. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass bei der Kontrolle am 8.5.2006 auf der Baustelle W, Kreisbach "Dingelberg" der Arbeitnehmer J B der G B und M GmbH, P, eine ca. 25 m lange, ca. 2,5 m breite und verlaufend ca. 1,5 m bis 3,5 m tiefe Künette betreten hat. Sicherungsmaßnahmen waren nicht vorhanden. Handelsrechtlicher Geschäftsführer der G B und M GmbH mit Sitz in P ist der Berufungswerber. Nach interner Geschäftsaufteilung ist er für die Abwicklung der Baustellen, Disposition und Abwicklung der Geräte zuständig. Er ist den Bauleitern unmittelbar vorgesetzt. Einmal bis zweimal jährlich finden Führungskräftebesprechungen im Unternehmen statt, woran auch die Vorarbeiter, Techniker, Bauleiter und Poliere teilnehmen und wo es um Baustellensicherheit und Sicherheitsfragen geht. Alle fünf bis sechs Wochen findet ein Jourfix mit den Technikern, der externen Sicherheitsfachkraft und dem Arbeitsmediziner statt und werden aktuelle Sicherheitsthemen, Arbeitsunfälle und aktuelle Erkenntnisse diskutiert. Bei Baubeginn wird eine Baustellenevaluierung vor Ort, an der alle Mitarbeiter teilnehmen, durchgeführt und wird dies mit Unterschrift der Arbeitnehmer bestätigt. Ergänzungen werden vorgenommen, wenn Leute später zur Baustelle dazukommen. Auch gibt es die Mappe der AUVA und Einweisungen und Schulungen auf der Baustelle. Der Bauleiter und der Polier bestimmen auf Grund der Evaluierung die Sicherheitsmaßnahmen auf der Baustelle. Auf der konkreten Baustellen befanden sich ca. 2 bis 3 Stück Verbau. Es sollten am Tag des Unfalls zwei Kanalrohre und ein Wasserleitungsrohr verlegt werden. Üblicherweise wird in die ausgebaggerte Künette ein Verbau gelegt und dann erst die Künette bestiegen. Weil ein Rohr nicht gepasst hat, musste der Verbau entfernt werden und die Künette neu ausgegraben werden. Der Arbeitnehmer B hat eine Eisenstange, die er zum Zusammenstecken der Wasserrohre benötigte, in der Künette vergessen und daher, weil er sie bei den anderen Arbeiten brauchte, aus der ungesicherten Künette geholt. Er hatte vor Ort eine Unterweisung durch den Polier vor Beginn der Baustelle. Er wusste über die Sicherheitsbestimmungen Bescheid, nämlich, dass eine Künette von mehr als 1,5 m Tiefe nicht betreten werden darf, wenn sie nicht gesichert ist. Da er aber das vergessene Werkzeug dringend brauchte, hat er nicht überlegt und ist in die ungesicherte Künette gestiegen. Zum Unfallszeitpunkt ist der dem Arbeitnehmer vorgesetzte Polier G zwar auf der Baustelle gewesen, allerdings 100 m weit entfernt von der Unfallstelle. Meist ist er bei den Arbeitnehmern und kontrolliert die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen. Er ist für die Baustelle verantwortlich und macht auch je Baustelle die Unterweisung zusammen mit dem Bauleiter. Diese Unterweisung (für den verunfallten Arbeitnehmer am 5.9.2005 und 24.4.2006) enthält auch, dass die Künette nur gesichert betreten werden darf und wie eine Absicherung zu erfolgen hat. Weil ein Rohr nicht gepasst hat, hat der Polier angeordnet, den Verbau herauszunehmen und neuerlich auszubaggern. Darüber wussten auch die Arbeitnehmer Bescheid. Dem Polier vorgesetzt ist der Bauleiter Ing. T P. Dieser kommt ein- bis zweimal wöchentlich auf die Baustelle und kontrolliert hinsichtlich Sicherheit und Baufortschritt. Zum Unfallszeit war er nicht auf der Baustelle. Er war seit Beginn der Baustelle im Jahr 2005 mit der Baustellenleitung betraut und kommt nach seinen Angaben einmal wöchentlich zu Besprechungen auf die Baustelle. Wenn es notwendig ist, kommt er ein weiteres Mal auf die Baustelle. Er unterweist den baustellenverantwortlichen Polier auch hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen und werden die Besonderheiten der Baustelle besprochen. Die Sicherungsmittel werden wöchentlich oder im Bedarfsfall in Absprache mit dem Polier bestimmt. Dem Baustellenleiter vorgesetzt ist der Berufungswerber. Dieser war vor Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2005 auf der Baustelle, ansonsten kommt der Berufungswerber fallweise auf die Baustelle. Der Polier und der Arbeitnehmer können aber nicht angeben, den Berufungswerber einmal auf der Baustelle gesehen zu haben.

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten hat die Strafanzeige gegen den Polier wegen
§ 88 Abs.1 und 4 erster Fall StGB zu 20 BAZ 924/06b am 14. Juni 2006 zurückgelegt.

Neben den angegebenen Unterweisungen hat auch einige Tage vor dem Unfall eine Sicherheitsprüfung der Baustelle in Anwesenheit der Sicherheitsfachkraft und des Arbeitsmediziners stattgefunden.

Der Berufungswerber führt Sorgepflichten für 4 Kinder und ein Einkommen von monatlich netto zwischen 5.000 und 6.000 Euro an.

 

4.2. Dieser Sachverhalt gründet sich auf die glaubwürdigen und widerspruchsfreien Aussagen der einvernommenen Zeugen. Auch wurde der Unfallshergang und die Tatumstände sowie dass die Künette ungesichert war, vom Berufungswerber bestätigt. Auch decken sich die Aussagen der Zeugen hinsichtlich Organisation und Kontrolle im Unternehmen sowie hinsichtlich der Schulungen. Die Sicherheitsvorkehrungen werden vom Bauleiter mit dem Polier vor Ort besprochen und festgelegt. Auch gibt der Berufungswerber keine regelmäßigen Besuche der Baustelle an.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 159/2001, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 48 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 22/2006 ist beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der nachfolgenden Maßnahmen durchzuführen, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können.

Gemäß § 48 Abs.7 BauV dürfen Baugruben, Gräben oder Künetten nur betreten werden, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach Abs.2 durchgeführt sind.

Gemäß § 155 Abs.1 BauV hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass den Vorschriften des I., II. und III. Hauptstückes dieser Verordnung sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Unterhaltung und Führung der Baustelle entsprochen wird. Der Arbeitgeber darf ein den im Abs.1 angeführten Vorschriften  widersprechendes Verhalten gemäß § 155 Abs.3 letzter Satz BauV nicht dulden.

 

Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes wurde daher der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung erfüllt, indem der Arbeitnehmer J B ohne die erforderlichen Schutzmaßnahmen die Künette betreten hat. Entgegen der Berufungsbehauptung richtet sich das Verbot des § 48 Abs.7 BauV an jedermann, also auch an den Arbeitgeber, wobei gemäß der allgemeinen Arbeitgeberpflicht nach § 155 Abs.1 und 3 BauV der Arbeitgeber stets Sorge zu tragen hat, dass eben auch der Arbeitnehmer der Bestimmung des § 48 Abs.7 BauV entspricht. Es hat daher der Berufungswerber entgegen den ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften nicht ausreichend Sorge getragen und daher eine Pflichtverletzung begangen. Der Berufungswerber ist auch für Baustellen zuständiger handelsrechtlicher Geschäftsführer und hat daher gemäß
§ 9 Abs.1 VStG die Tat verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

5.2. Entgegen den Berufungsausführungen liegt aber auch in subjektiver Hinsicht Verschulden des Berufungswerbers vor.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt nämlich, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten und ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber dabei initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Ein solcher Entlastungsnachweis ist dem Berufungswerber aber nicht gelungen.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der dazu ergangenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Berufungswerber nicht ausreichend nachgekommen. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177 sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinne der hg Judikatur vorhanden war." Auch in der neueren Judikatur bestätigt der VwGH (VwGH 30.3.2007, 2006/02/0034 sowie vom 9.9.2005, 2005/02/0008) dass das vom Arbeitgeber einzurichtende (wirksame) Kontrollsystem gerade im Fall eigenmächtiger Handlungen vom Arbeitnehmer gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat.

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht es daher nicht aus, dass der Berufungswerber nur gelegentlich auf die Baustelle kommt, insbesondere bei Vertragsdiskussionen bzw. wenn der Bauleiter Probleme hat, dass ansonsten die Sicherheitsvorkehrungen vom Bauleiter mit dem Polier selbstständig besprochen werden, der Bauleiter auch nur ein- bis zweimal wöchentlich auf der Baustelle ist und eine Kontrolle seinerseits durch den Berufungswerber nicht wahrgenommen hat. Es ist daher keine lückenlose Kontrolle des Arbeitnehmers nachgewiesen. Insbesondere aber zeigt schon vor Ort das Vorgehen, dass auch der Polier zum Zeitpunkt des Unfallherganges nicht an der Arbeitsstelle des Arbeitnehmers anwesend war und daher auch nicht die Einhaltung der Unterweisungen und Sicherheitsvorschriften kontrollierte. Es fehlt daher ein ausreichendes lückenloses Kontrollnetz und war daher von einer Sorgfaltsverletzung und daher vom Verschulden des Berufungswerbers auszugehen. Dass jährliche Unterweisungen sowie auch Unterweisungen vor Ort für die Baustelle stattfanden und eine Mappe über Sicherheitsvorschriften sich an der Baustelle befindet, genügt allerdings für eine Entlastung nicht. Weisungen und Schulungen sind nach der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreichend. Vielmehr hat der Berufungswerber sämtliche Maßnahmen darzulegen und unter Beweis zu stellen, die geeignet sind, unter vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu gewährleisten. Welche konkreten Maßnahmen getroffen wurden, um ein solches eigenmächtiges Verhalten von Arbeitnehmern aber hintanzuhalten, wurden vom Berufungswerber nicht vorgebracht.

 

Es ist daher von schuldhaftem Verhalten, nämlich von Fahrlässigkeit des Berufungswerber auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat keine Strafmilderungsgründe angeführt und straferschwerend die Gefährdung der Gesundheit und des Lebens von Menschen herangezogen. Strafmilderungsgründe wurden auch im Berufungsverfahren nicht vorgebracht. Im Sinne des Unrechtsgehaltes der Tat war besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass durch die fehlende Sicherung der Schutzzweck der Norm, nämlich Arbeitnehmer vor Gefährdung des Lebens und der Gesundheit zu schützen, massiv verletzt wurde. Auch sind durch den Arbeitsunfall nachteilige Folgen eingetreten. Im Sinne des hohen Unrechtsgehaltes der Tat war daher schon in dieser Hinsicht die verhängte Geldstrafe, die ein Siebtel des Höchstrahmens ausmacht, gerechtfertigt. Wird die erhebliche Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Arbeitnehmers schon im Rahmen des Unrechtsgehaltes berücksichtigt, so darf dies nicht im Sinne einer Doppelverwertung nochmals als Straferschwerungsgrund herangezogen werden. Allerdings liegen auch keine Strafmilderungsgründe vor und brachte der Berufungswerber keine Milderungsgründe vor. Weil persönliche Verhältnisse dem angefochtenen Straferkenntnis nicht zu entnehmen sind, kann nicht beurteilt werden, ob die Angaben, die im Berufungsverfahren gemacht wurden, auch der Entscheidung I. Instanz zu Grunde lagen. Jedenfalls war bei der Strafbemessung das überdurchschnittlich hohe Einkommen des Berufungswerbers zu berücksichtigen, sodass auch bei den angegebenen Sorgepflichten für 4 Kinder die ausgesprochene Geldstrafe nicht unangemessen hoch erscheint. Die Strafe ist tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerber angepasst. Sie ist auch erforderlich, den Berufungswerber von einer weiteren gleichartigen Tatbegehung abzuhalten. Weil Milderungsgründe nicht vorlagen, war daher auch nicht von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG auszugehen. Auch lag kein geringfügiges Verschulden vor, sodass § 21 VStG nicht in Betracht kommt. Geringfügigkeit des Verschuldens liegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nur dann vor, wenn das Verhalten des Beschuldigten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt. Es war daher auch die verhängte Geldstrafe zu bestätigen. Entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung hat die belangte Behörde eine Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gemäß § 16 VStG nicht ausgesprochen. Weil im Berufungsverfahren das Verschlechterungsverbot gilt, konnte dieser Mangel nicht berichtigt werden.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 200 Euro,  festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, Künette, Verpflichtung des Arbeitgebers

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 05.08.2009, Zl.: 2008/02/0127-9

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