Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150637/11/Lg/Hue

Linz, 15.04.2008

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder nach der am 3. April 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Be­rufung des K W, R, A, vertreten durch Rechtsanwälte H & K & D, K, O, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 8. Jänner 2008, Zl. BauR96, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.    

II.              Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.  

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24, 45 Abs. 1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 26 Stunden verhängt, weil er als Lenker des Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen am 30. Mai 2006, 12.05 Uhr, die mautpflichtige Bundesstraße A1 bei km 171,500, Raststation Ansfelden, Fahrtrichtung Wien, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß durch Anbringen einer Mautvignette entrichtet zu haben.

 

2. In der Berufung wird vorgebracht, dass dem Meldungsleger nicht unterstellt werde, bewusst und vorsätzlich wahrheitswidrige Angaben zu Lasten des Bw gemacht zu haben. Behauptet werde jedoch ein Irrtum: entweder liege eine Verwechslung des Kfz vor oder es habe das Mautaufsichtsorgan nicht ausreichend nachgesehen. Beispielsweise könne der Meldungsleger eine Reflexion oder einen Lufteinschluss als Hinweis für eine Folie angesehen haben. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass sich das ASFINAG-Organ nicht mehr an den Vorfall erinnern habe können, wie er in seiner Stellungnahme vom 27. November 2006 eingestanden habe. Weiters habe der Meldungsleger angegeben, dass bei "Problemfällen" immer zwei Mautaufsichtsorgane kontrollieren würden. Eine zweite Person scheine im gesamten Akt aber nie auf. Der Anzeige sei lediglich zu entnehmen, dass die Vignette nicht mit dem Originalkleber angebracht gewesen sei. Eine Aufklärung darüber, wie exakt technisch die Anbringung sonst erfolgt sei, fehle bis heute. Das Mautaufsichtsorgan habe angegeben, dass ein Beweisfoto nicht existiere, da Folienmanipulationen darauf nicht ersichtlich seien,  Fotos erst seit 2007 angefertigt würden und die Manipulation nur ersichtlich sei, wenn man die Vignette von der Seite begutachte, da sie dann höher von der Scheibe "wegstehe". Dennoch habe die ASFINAG ein "Beispiel-Foto" aus dem Jahr 2006 vorgelegt, auf dem das Aufbringen einer Vignette mittels Folie ("Tixo")  gut erkennbar sei. Dies stelle Widersprüche zu den Aussagen des Meldungslegers dar, zumal unter "Anbringung mit einer Folie" einmal das Ankleben mittels "Tixo" und ein anderes Mal eine Anbringungsart, welche nur bei Begutachtung von der Seite erkennen könne, verstanden werde. Für die Behauptung, die gegenständliche Vignette sei manipuliert worden, liege nicht zuletzt wegen der oben angeführten Widersprüche kein Beweis und auch kein aussagekräftiges Beweisergebnis vor.    

 

Beantragt wird die Aufhebung der angefochtenen Strafverfügung (sic!) und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.      

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 21. Juli 2006 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz eine Mautvignette nicht mit dem Originalkleber angebracht gewesen, wodurch der Selbstzerstörungseffekt bei Ablösen der Vignette verhindert werde.

 

Nach Strafverfügung vom 29. August 2006 rechtfertigte sich der Bw dahingehend, dass er die Vignette ordnungsgemäß Anfang des Jahres auf den rechten oberen Bereich der Windschutzscheibe aufgeklebt habe. Diese Windschutzscheibe habe im oberen Bereich eine grünliche Tönung. Die Vignette sei dennoch gut sichtbar und außerhalb des Wischerbereiches aufgeklebt worden, wie dies üblich und vorgeschrieben sei. Daneben befinde sich eine abgelaufene Vignette aus dem Jahr 2004, was zeige, dass der Bw, welcher beruflich einmal wöchentlich nach Wien fahren müsse, jährlich seine Vignetten aufklebe. Zwischenzeitlich sei die Scheibe von der Fa. H ausgetauscht worden, das entsprechende Windschutzscheibenteil mit der gegenständlichen Vignette sei aber gesichert worden. Die nähere Adresse der Fa. H werde noch bekanntgegeben. Der Bw verfüge über keinen Zweitwagen. Als der Bw den "Strafzettel" (gemeint wohl: das Ersatzmautangebot) vorgefunden habe, sei er unverzüglich zur Polizeidienststelle Traun gefahren, um die Telefonnummer und Kontaktadresse der ASFINAG ausfindig zu machen. Bei dieser Gelegenheit sei die Vignette auch vom Beamten D kontrolliert und für ordnungsgemäß angebracht befunden worden, weshalb dessen Zeugeneinvernahme beantragt wurde.

 

Zusätzlichen Stellungnahmen der ASFINAG vom 9. Oktober und 27. November 2006 sind die Angaben in der Anzeige und rechtliche Bestimmungen zu entnehmen. Gem. § 19 Abs. 3 BStMG sei am Kfz ein Ersatzmautangebot hinterlassen worden. Weiters wurde vorgebracht, dass es natürlich möglich sei, dass der Lenker nach der Betretung (gemeint wohl: Beanstandung) die Vignette ordnungsgemäß angebracht habe und sich dies nachträglich bestätigen habe lassen. Als Beilage wurde ein "Beispiel-Foto" vorgelegt und darauf hingewiesen, dass darauf sehr leicht eine Anbringung der Vignette mittels Folie ("Tixo") erkennbar sei.   

 

Dazu brachte der Bw vor, dass nicht verständlich gemacht sei, was unter dem Wortlaut "mittels Folie angebracht" zu verstehen sei. Der Bw könne sich darunter nichts vorstellen. Schon aus dieser Begrifflichkeit liege kein ausreichend substantiierter Tatvorwurf vor. Beim von der ASFINAG vorgelegten Lichtbild handle es sich nicht um die gegenständliche Vignette und sei deshalb irrelevant.

 

Der Meldungsleger sagte anlässlich seiner Zeugeneinvernahme am 7. Februar 2007 aus, dass er mit Sicherheit sagen könne, dass die Vignette manipuliert gewesen sei, da sie ansonsten von ihm nicht beanstandet worden wäre. Die Beanstandung werde auch immer vom zweiten diensthabenden Kollegen bestätigt. Dezidiert könne sich der Zeuge nicht mehr an das Kfz erinnern. Unter dem Vorwurf "mittels Folie angebracht" sei zu verstehen, dass die Vignette nicht von der Trägerfolie abgezogen wurde und die Vignette mittels einer anderen Folie angebracht wurde, um den Selbstzerstörungseffekt zu verhindern.  

 

In seiner Zeugeneinvernahme am 20. März 2007 sagte Inspektor M D aus, dass er sich an den Vorfall erinnern könne. Seines Erachtens sei die Vignette ordnungsgemäß angebracht gewesen, als der Bw zur Polizeiinspektion Traun gekommen sei. Ob die Vignette allerdings nach der Beanstandung und vor der Begutachtung durch den Zeugen in irgendeiner Weise verändert bzw. nachträglich ordnungsgemäß angebracht worden sei, könne nicht gesagt werden. Auffällig seien ganz leichte Lufteinschlüsse gewesen, was Inspektor D aber schon bei vielen Vignetten gesehen habe, was er aber nicht als "nicht ordnungsgemäß" werten würde.

 

In einer weiteren Stellungnahme legte die ASFINAG am 26. Jänner 2007 dar, dass aufgrund der Tatsache, dass sich der Bw beim Vorwurf "mittels Folie angebracht" nicht vorstellen habe können, das "Beispiel-Foto" vorgelegt worden sei. Eine Manipulation der Vignette sei dort mit freiem Auge erkennbar.

 

Dazu äußerte sich der Bw dahingehend, dass auch ihm leichte Lufteinschlüsse aufgefallen seien, welche aber bei Vignetten häufig anzutreffen seien. Es sei deshalb denkbar, dass der Meldungsleger solche Lufteinschlüsse als Manipulation erachtet habe. Nach wie vor fehle eine konkrete Angabe, wie genau die angebliche Manipulation ausgesehen habe. Eine weitere Einvernahme des Meldungslegers sei nicht notwendig, da sich dieser nicht mehr an den gegenständlichen Vorfall erinnern könne.

Aufgrund folgender Punkte liege kein einziges positives Beweisergebnis vor, das für eine Bestrafung des Bw ausreichen würde:

         a) der Name des Meldungslegers sei nicht bekannt,

         b) der Name des zweiten Mautaufsichtsorgans sei unbekannt,

         c) ein Beweisfoto sei nicht vorhanden, obwohl dies bei anderen Fällen sehr

             wohl der Fall sei,

         d) es sei nicht ausgeführt, wie die Vignette genau rechtswidrig angebracht

             worden sein solle, noch, wie genau dies festgestellt worden sei,

         e) der Meldungsleger habe selbst angegeben, sich an den Vorfall nicht              erinnern zu können,

         f) der Polizeibeamte habe bestätigt, dass die Vignette ordnungsgemäß

            angebracht gewesen sei.

 

Anlässlich einer weiteren Zeugeneinvernahme am 31. Mai 2007 kündigte der Meldungsleger an, den Namen des zweiten Mautaufsichtsorgans erheben und zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben zu wollen. Ein Lichtbild sei zur gegenständlichen Tatzeit nicht angefertigt worden, da Beweisfotos routinemäßig erst seit Anfang März hergestellt würden. Allerdings sei beim gegenständlichen Fall eine Fotoaufnahme nicht dienlich, da eine Manipulation durch die Wölbung der Windschutzscheibe nicht ersichtlich wäre. Die Manipulation sei nur bei Begutachtung der Vignette von der Seite möglich, da diese "höher von der Scheibe wegstehe".  

 

Dazu äußerte sich der Bw im Wesentlichen wie bisher bzw. wie in der später eingebrachten Berufung.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung. 

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung brachte der Bw vor, dass er nach Rückkunft zu seinem Kfz das Ersatzmautangebot vorgefunden habe. Zur Klärung der Angelegenheit habe sich der Bw anschließend von einem Polizisten bestätigen lassen, dass die aufgeklebte Vignette in Ordnung ist. Eine Vignette sei nachträglich weder gekauft noch aufgeklebt worden. Er sei beruflich sehr viel auf Autobahnen unterwegs und erhalte die Vignette von seinem Arbeitgeber bezahlt. In der Familie sei kein Zweitauto vorhanden.

 

Zum Akt genommen wurde ein Fragment der Windschutzscheibe, auf dem eine Jahresvignette für das Jahr 2006 aufgeklebt ist.

 

Der zeugenschaftlich einvernommene Meldungsleger, M G, sagt aus, dass er sich an den gegenständlichen Vorfall nicht mehr erinnern könne. Die Formulierung "mit Folie angebracht" verwende der Zeuge entweder dann, wenn die Vignette mit "Tixo" angeklebt wird oder, wenn die Trägerfolie am oberen und unteren Rand ein wenig gekürzt wird, sodass schmale (selbstklebende) Streifen der Vignette übrigbleiben und dadurch die Sicherheitsmerkmale nicht zum Vorschein treten.

Eine Manipulation sei auch aus der Seitenansicht der Vignette, aufgrund der größeren Dicke, erkennbar.

 

Zur Frage, ob auf dem vorliegenden Windschutzscheibenfragment eine oben erwähnte Manipulation ersichtlich sei, stellte der Amtssachverständige fest, dass die Vignette original aufgeklebt worden sei und Manipulationen nicht ersichtlich seien.

Trägerfolien hätten eine Dicke von vielleicht zwei Zehntel Millimeter. Eine augenscheinliche Erkennbarkeit (bei Frontalansicht) sei nur dann gegeben, wenn ein Überstand der Folie die Folie erkennbar werde. Von der Seitenansicht sei eine dünne Folie an der Dicke nicht erkennbar. Eine Folie sei nur aus der Frontalansicht oder von hinten erkennbar, nicht von der Seite her.

 

Das zweite Mautaufsichtsorgan, M U, sagte als Zeugin aus, dass sie sich nicht mehr an den konkreten Vorfall erinnern könne und üblicherweise das "Vier-Augen-Prinzip" gelte.

 

Der Zeuge M D sagte aus, dass er sich daran erinnern könne, dass der Bw an ihn herangetreten sei, um den Zustand der Vignette begutachten zu lassen. Nach dem Eindruck des Zeugen sei die Vignette in Ordnung und ein Mangel nicht erkennbar gewesen. Er sei aber kein Experte. Die genaue Positionierung der Vignette und ob sich mehrere Vignetten auf der Windschutzscheibe befunden haben, sei nicht mehr erinnerlich. 

 

Der Bw beantragte die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens. Insbesondere werde darauf hingewiesen, dass laut Auskunft des Amtssachverständigen eine Feststellung einer Manipulation aus der Seitenansicht nicht möglich sei. Ein Beweisfoto existiere nicht. Die Angabe des Meldungslegers "mit Folie angebracht" sei mehrdeutig und lasse daher keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Zustand der Vignette zu. Außerdem würden die geschilderten Lebensumstände des Bw eine Vignettenmanipulation als völlig unangebracht erscheinen lassen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Der Meldungsleger sagte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung aus, dass er dem Anzeigentext entnommen habe, dass die Vignette "mit Folie" angebracht gewesen ist. Weiters gehe er immer nach dem "Vier-Augen-Prinzip" vor, könne sich aber nicht mehr an Details des Erscheinungsbildes, insbesondere nicht mehr an die konkrete Art der Befestigung der Vignette mit Zwischenfolie (mit oder ohne Trägerfolie, Verwendung von Doppelklebeband, Fettmittel etc.) erinnern.  

Im Hinblick darauf, dass weder durch die Angaben in der Anzeige noch durch zeugenschaftliche Einvernahme der beteiligten Mautaufsichtsorgane geklärt werden konnte, welchen konkreten Mangel bzw. welches konkretes Erscheinungsbild die Vignette aufgewiesen hat und auch weitere Beweismittel (z.B. Fotoaufnahme) nicht vorhanden sind, kann ein Irrtum des Meldungslegers nicht gänzlich ausgeschlossen und somit die Deliktsverwirklichung durch den Bw nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, weshalb – im Zweifel – das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war. Dies, zumal es aus rechtstaatlichen Gründen erforderlich erscheint, dass seitens der Kontrollorgane auf irgendeine Weise dokumentiert wird, worauf der Ungültigkeitsvorwurf konkret beruht.

Sowohl das vorgelegte Windschutzscheibenfragment als auch die Aussagen des Zeugen D über seine Feststellungen zur Anbringung der Vignette lassen keine zwingenden Rückschlüsse auf den Zustand der Mautvignette zum Zeitpunkt der Beanstandung zu, weshalb sie als (Entlastungs-)Beweismittel nicht verwertbar waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

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