Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281020/30/Kl/Sta

Linz, 29.04.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Mag. A D, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. H & P, K,  L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz  vom 8. Juni 2007, GZ. 163/2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 27. März und 16. April 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 8.6.2007, GZ. 163/2006, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden, wegen einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 130 Abs.1 Einleitungssatz ASchG iVm § 45 Abs.10 AM-VO verhängt, weil er  als handelsrechtlicher Geschäftsführer der v S GmbH mit dem Sitz in L zu vertreten hat:

"In der von der v S GmbH betriebenen Arbeitsstätte in L, V, Halle 4, war am 16.12.2005 ein Arbeitnehmer der oben angeführten Gesellschaft, Herr T, im Bereich der Stützen D9/10 beim Gegenschlagschmiedehammer G40 beschäftigt. Obwohl bei diesem, wie aus der Vergangenheit bekannt war, beim Betrieb durch den Arbeitsvorgang Teile wegfliegen und dadurch Gefahren für die Arbeitnehmer entstehen können, war dieses Arbeitsmittel nicht durch Verdeckungen, Verkleidungen und Umwehrungen oder sonstigen Einrichtungen zum Schutz vor wegfliegenden Teilen ausgestattet. Technische Gründe für das Fehlen derartiger Schutzeinrichtungen waren nicht gegeben."

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und Verfahrensmängel sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Begründend wurde ausgeführt, dass nach der Grundsatzbestimmung des § 45 Abs.1 AM-VO Gefahrenstellen soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt, abzusichern sind. Es wird auf die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates hingewiesen, wonach der Chargierkran nicht aus dem Gefahrenbereich bewegt worden sei, keine schriftliche Unterweisung für die Bediener vorliege, ein genauerer Standort des Chargierkranes hätte definiert werden müssen, sodass der konkrete Unfall verhindert hätte werden können. Der Lenker des Chargierkranes habe sich außerhalb des Bereiches befunden, welchen ein mit den Geräten vertrauter Beschäftigter als Gefahrenbereich ansehen würde. Die im Schmiedehammer verwendeten Bolzen seien nachweislich einer Rissprüfung zugeführt worden. Es sei daher eine Absplitterung oder ein Bruch nicht vorhersehbar gewesen. Dabei sei es zu einem nicht genau rekonstruierbaren Schleudervorgang gekommen und der Unfall durch einen Querschläger ausgelöst worden. Dies sei nicht vorhersehbar gewesen. Die Festlegung eines Gefahrenbereiches, welcher von Querschlägern betroffen sein kann, sei nicht möglich. Es sei daher eine wirksame Umwehrung oder räumliche Trennung der Arbeitsmittel technisch nicht möglich. Eine vollkommene Abschottung des Schmiedehammers sei nicht möglich, weil nach Befüllung mit Schmiedegut immer eine Öffnung verbleibt. Zur Befüllung des Schmiedehammers sei es aber notwendig, dass der Chargierkran innerhalb der Umwehrungen sich bewegt. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass Ende Juni 2006 die Schmiede geschlossen wird. Hinsichtlich der Strafbemessung wurde auf die verstrichene Zeit hingewiesen.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. März 2008 sowie einer Fortsetzungsverhandlung am
16. April 2008, zu welcher der Berufungswerber geladen wurde. Der Berufungswerber ist persönlich nicht erschienen und hat durch den Rechtsvertreter an der Verhandlung teilgenommen. Weiters haben die belangte Behörde und das Arbeitsinspektorat durch ihre Vertreter teilgenommen. Die geladenen Zeugen Ing. H G, AI Linz, sowie DI K H sind erschienen und wurden einvernommen. Der Arbeitnehmer R T ist in der Zwischenzeit verstorben und konnte daher nicht einvernommen werden.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass am 16.12.2005 in der Arbeitsstätte der v S GmbH in L, V, Halle 4, der Arbeitnehmer R T im Bereich der Stützen D9/10 beim Gegenschlagschmiedehammer G40 beschäftigt war. Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der v S GmbH. Der Gegenschlagschmiedehammer wird durch einen Arbeitnehmer mit dem Manipulator (mittels Kran) beschickt, der die glühenden Teile in den Hammer legt. Auf der Rückseite befinden sich 1 bis 2 Arbeitsplätze, nämlich Partieführer und Hammerführer. Sowohl diese Beschickungsöffnung als auch die rückseitigen Öffnungen sind nicht verschlossen, um auf den Vorgang von den Arbeitsplätzen einsehen zu können. Es handelt sich um eine Gesenkschmiede. Im Gesenke ist eine Gravur eingearbeitet, die die endgültige Form ergibt. Die beiden Gesenke werden zusammengeschlagen. Beim unteren Gesenk gibt es drei Führungsbolzen, sodass die beiden Gesenke immer an der selben Stelle zusammentreffen. Die Bolzen sind beim unteren Gesenk fix montiert. Die Gesenke werden gewechselt, um unterschiedliche Werkstücke erzeugen zu können. Bevor ein Gesenk eingebaut wird, wird es im kalten Zustand einer Ultraschalluntersuchung unterzogen und auf Risse überprüft. So auch das gegenständliche Gesenk. Durch den Bediener werden dann die Schläge einzeln ausgelöst. Der Bediener kann durch die Öffnung auf das Werkstück und das Gesenk sehen. Es ist bekannt, dass ein Führungsbolzen abbrechen kann. Es ist daher auch eine Prallwand hinter dem Chargierkran vorhanden gewesen. Nach dem Unfall wurden über Anraten auch im Bereich der Bediener und weiterer Chargierkräne Prallwände aufgestellt. Im Bereich des gegenständlichen Schmiedehammers muss aber der Kranfahrer immer innerhalb der Prallwand die Beschickung vornehmen.

Es gibt die Anweisung, das Werkstück in heißem Zustand einzulegen, sich anschließend aus dem Gefahrenbereich zu entfernen, das heißt, mit dem Kran seitlich zu verfahren. Die Bediener dürfen mit dem Schmieden erst beginnen, wenn der Kranfahrer aus dem Gefahrenbereich ist. Diese Anweisung und Unterweisung wird vom Meister durchgeführt. Ein Gefahrenbereich ist nicht definiert.

Der Führungsbolzen ist ein Werkzeug, nämlich ein Teil des Arbeitsmittels bzw. Arbeitsmittel.

Durch den Arbeitsvorgang werden Schmiedestücke erzeugt, wobei von diesen Werkstücken Funken und Späne wegfliegen können, allerdings keine größeren Stücke, sondern nur Zunderstaub oder kleine Partikel.

 

Die Schmiede ist seit Juni 2006 geschlossen.

 

4.2. Diese Feststellungen ergeben sich aus den im Akt befindlichen Fotos, der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Skizze sowie den Aussagen des Zeugen DI K H sowie Ing. H G. In den wesentlichen Teilen widersprachen sich diese Aussagen nicht. Sie decken sich auch mit den Ausführungen des Berufungswerbers. Die Zeugen wirkten glaubwürdig und bestand keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Aussagen zu zweifeln.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 159/2001 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 2 Arbeitsmittelverordnung – AM-VO, BGBl. II Nr. 164/2000 idF BGBl. II Nr. 309/2004, sind Arbeitsmittel im Sinne dieser Verordnung alle Maschinen, Apparate, Werkzeuge, Geräte und Anlagen, die zur Benutzung durch ArbeitnehmerInnen vorgesehen sind (Abs.1). Benutzung im Sinne dieser Verordnung umfasst alle ein Arbeitsmittel betreffende Tätigkeiten wie In- und Außerbetriebnahme, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung, Wartung und Reinigung (Abs.2).

Gemäß § 41 Abs.1 AM-VO müssen Gefahrenstellen an Arbeitsmitteln durch Schutzeinrichtungen so gesichert sein, dass ein möglichst wirksamer Schutz der Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen erreicht wird.

§ 44 Abs.3 AM-VO bestimmt, dass an bewegten Teilen von Arbeitsmitteln Stellschrauben, Bolzen, Keile, Schmiereinrichtungen oder ähnlich vorstehende Teile verkleidet oder verdeckt sein müssen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 AM-VO müssen bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder Zuführung von Stoffen oder Werkstücken dienen, wie Werkzeuge, sowie bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden, durch Verdeckungen, Verkleidungen oder Umwehrungen gegen gefahrbringendes Berühren gesichert sein, soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt.

Gemäß § 45 Abs.10 AM-VO müssen die Arbeitsmittel soweit als möglich mit Verdeckungen, Verkleidungen und Umwehrungen oder sonstigen Schutzeinrichtungen, wie Schutzhauben, Schutzfenstern, Absauganlagen oder Rückschlagsicherungen ausgestattet sein, wenn beim Betrieb von Arbeitsmitteln durch den Arbeitsvorgang entstehende Späne, Splitter oder ähnliche Teile wegfliegen und dadurch Gefahren für die ArbeitnehmerInnen entstehen. Wenn bei der Bearbeitung von Werkstücken Teile weggeschleudert werden, die zu einer Gefährdung von ArbeitnehmerInnen führen können und Verdeckungen und Verkleidungen aus technischen Gründen nicht möglich sind, sind andere Maßnahmen wie Umwehrungen oder räumliche Trennung zu treffen.

 

5.2. Der Führungsbolzen ist ein Werkzeug und sohin ein Arbeitsmittel sowie auch der Gesenkschmiedehammer ein Arbeitsmittel § 2 Abs.1 AM-VO ist. Dieses Arbeitsmittel wird auch betrieben. § 45 Abs.1 AM-VO sieht aber Schutzmaßnahmen "gegen Berühren" für bewegte Teile von Arbeitsmitteln wie Werkzeuge sowie bewegte Werkstücke vor. Beim gegenständlichen Arbeitsmittel geht es aber nicht um gefahrbringendes Berühren. Hinsichtlich weiterer Gefahren sieht § 45 Abs.10 AM-VO Schutzvorkehrungen, wie Verdeckungen, Verkleidungen und Umwehrungen vor für "durch den Arbeitsvorgang entstehende Späne, Splitter oder ähnliche Teile". Dass beim Bearbeitungsvorgang ein Führungsbolzen bricht und somit Teile des Arbeitsmittels selbst wegfliegen, ist durch diese Gesetzesstelle nicht erfasst. Vielmehr handelt es sich um Späne, Splitter oder ähnliche Teile, die von Werkstücken beim Arbeitsvorgang entstehen. Dies ergibt sich auch in Zusammenschau mit dem zweiten Satz des § 45 Abs.10 AM-VO, der eine Ausnahmeregelung darstellt, nämlich dass, wenn "bei der Bearbeitung von Werkstücken Teile weggeschleudert" werden und Verdeckungen und Verkleidungen (wie im Satz 1 gefordert) nicht möglich sind, andere Maßnahmen wie Umwehrungen oder räumliche Trennung zu treffen sind.

So hat das Beweisverfahren selbst gezeigt, dass durch den Arbeitsvorgang von den Schmiedestücken zwar Funken und Späne wegfliegen können, sogenannter Zunderstaub oder kleine Partikel, größere Teile entstehen aber nicht und fliegen nicht weg. Es entstehen daher diese Bolzenteile nicht durch den Arbeitsvorgang am Werkstück, sondern während des Betriebs des Arbeitsmittels an sich. Eine diesbezügliche Festlegung enthält § 45 Abs.10 AM-VO aber nicht. Vielmehr wäre auf die entsprechende Bestimmung des § 44 Abs.3 AM-VO hinzuweisen, wonach zB Bolzen verkleidet oder verdeckt sein müssen.

 

Es hat daher der Berufungswerber nicht das ihm als Verwaltungsübertretung angelastete Verhalten gesetzt. Der Berufungswerber hat die ihm angelastete Tat nicht begangen, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Die Unterlassung allfälliger anderer gesetzlicher Anordnungen – wie die Festlegung des Gefahrenbereiches und der daraus sich ergebenden Maßnahmen (§ 14 ASchG) - wurde dem Berufungswerber aber innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist nicht vorgeworfen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung:

wegfliegende Teile des Arbeitsmittels

 

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