Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163192/2/Br/Ps

Linz, 19.05.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dr. jur. A T, geb., P, J, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 27.3.2008, Zl. VerkR96-990-2008, zu Recht:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 51 Abs.3 Z4 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG u. § 10 ZustellG, zuletzt geändert durch BGBl. I
Nr. 5/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem o.a. Bescheid vom 27.3.2008, Zl. VerkR96-990-2008, dem Rechtsmittelwerber aufgetragen, einen auf § 10 des Zustellgesetzes idgF (gemeint wohl: zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 5/2008), einen in Österreich wohnhaften Zustellbevollmächtigten bekannt zu geben.

Gleichzeitig wurde in diesem Bescheid als Grund eine Übertretung nach § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 genannt. Damit wurde gegen den Berufungswerber im Ergebnis auch eine Verfolgungshandlung gesetzt.

 

1.1. Dem Berufungswerber wurde unter Hinweis auf eine Anzeige der Polizeiinspektion Freistadt vom 10.3.2008, wegen eines vermeintlichen gefährlichen Überholvorganges, der im Zuge einer Nachfahrt des Polizeifahrzeuges festgestellt worden sein soll, aufgetragen, "binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens" einen Zustellbevollmächtigten mit Sitz oder Hauptwohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich "namhaft zu machen".

Rechtlich begründete die Behörde erster Instanz diese Anordnung im Ergebnis unter Wiedergabe des § 10 Zustellgesetz, weil sich der Berufungswerber nicht nur vorübergehend im Ausland (gemeint in der Republik Tschechien als EU-Mitgliedsstaat) aufhalte.

 

2. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der am 9.4.2008 erstellten und am 11.4.2008 der Post zur Beförderung übergebenen – und demnach fristgerecht erhobenen – Berufung mit inhaltlich folgender Ausführung:

            "Einerseits lege ich Berufung gegen den Spruch ein, mit dem ich einen Zustellungs-bevollmächtigten mit Sitz oder Hauptwohnsitz im Bundesgebiet der Republik Osterreich namhaft machen soll, weil ich als Bürger der Europäischen Union der Meinung bin, wenn die Anschrift meines ständigen Wohnsitzes bekannt ist, dem nichts entgegen steht, dass mir die Schriftstücke an diese Anschrift zugestellt werden, wenn es einwandfrei ist, dass mir Ihr Bescheid ordentlich und rechtzeitig zugestellt wurde. Die Namhaftung (gemeint wohl: Namhaftmachung) eines, Zustellungsbevollmächtigten stellt eine diskriminierende Angelegenheit dar, da mir keine Person im Bundesgebiet Österreich bekannt ist, an die die Schriftstücke zugestellt werden könnten. Ich betone noch einmal, wenn die Zustellung auf die Art, mit der mir der Bescheid zugestellt wurde, funktioniert, dann kann man auf diese Art auch die weitere Zustellung lösen. Für den Fall, dass meiner Berufung nicht nachgekommen wird, bin ich bereit, eine diesbezügliche Klage beim europäischen Gerichtsstand zu  erheben.

            Was die Sache selbst betrifft, möchte ich folgende unumstrittene Tatsachen vorbringen.

 

            Am 7.3.2008 bin ich mit meinem PKW und meiner Familie auf der Reise von B in meinen Wohnsitz in D gewesen. Nach der Stadt Freistadt hat sich das Fahrzeug der österreichischen Polizei meinem Wagen angeschlossen und ist bis in die Gemeinde Sandl hinter mir gefahren. Während dieser Fahrt habe ich zuerst einen PKW überholt. Nachfolgend habe ich mich einem Lastwagen angenähert, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 30-40 Stundenkilometern gefahren ist. Also habe ich eine Stelle, an der die Mittellinie der Straße strichliert war und es eine gute Sicht zur Überholung des Lastwagens gab, abgewartet. Diesen Lastwagen (es handelte sich um einen Lastwagen mit einer Plane) habe ich also überholt und bin weiter in Richtung Gmünd gefahren. Im Seiten- und im Rückspiegel habe ich gesehen, wie ein Polizeifahrzeug beide Fahrzeuge vor sich auf eine hochriskante Art überholte und vor meinem Wagen angelangt war. Erst knapp vor der Polizeistation in der Gemeinde Sandl hat das Polizeifahrzeug die Blinkanlage eingeschaltet und ich habe dies als eine Aufforderung zum Stehenbleiben begriffen. Ich bin aus dem Wagen gestiegen und habe alle Belege dem Polizeibeamten (der in diesem Fahrzeug allein war) vorgelegt. Der Polizist hat mir mitgeteilt, dass ich eine Straftat begangen habe, da ich einen Lastwagen (wie er behauptet hat, mit einer Holzladung) an einer unübersichtlichen Stelle überholt habe. Als ich ihm mitgeteilt habe, dass diese Stelle übersichtlich war und mit einer strichlierten Mittellinie versehen war, hat er mich aufgefordert, mit ihm auf die Polizeistation zu gehen. Dorthin habe ich mich mit meiner Ehefrau, R T, begeben und habe hier erwartet, dass mit mir ein Protokoll abgefasst wird und ich eventuell eine vernünftige Erklärung bekomme. Zu meiner Verwunderung hat der Polizist meine Angaben nur mit einem Kugelschreiber auf ein Papier notiert, auf dem keine näheren Angaben über den Lastwagen, den wir überholt hatten, waren. Er und sein Kollege, der auf der Station anwesend war, haben mir gegenüber behauptet, dass ich einen Lastwagen nicht überholen darf. Da ich abgelehnt habe, die Strafe zu bezahlen, wollten sie, dass ich eine Kaution von 36- Euro hinterlege. Diese Kaution habe ich hintergelegt, was ich in der Beilage dieser Zuschrift belege.

            Von Anfang der Begegnung mit dem Polizeifahrzeug an hatte ich das Gefühl, dass nur ein Vorwand für meine Bestrafung gesucht wird. Auf den ersten Blick wäre der Betrag von 36,- Euro im Falle einer Übertretung ein annehmbarer Betrag, aber ich hatte im Wissen, dass ich ein Polizeifahrzeug im Rücken habe, alle Vorschriften ängstlich eingehalten, denn so benimmt sich natürlich jeder Verkehrsteilnehmer, der sich in der Sicht eines Polizeifahrzeuges befindet. Die Vorgangsweise dieses Polizisten, der mir keinen einzigen glaubhaften Beweis für die Verletzung meiner Pflicht vorgelegt hat, scheint mir eigenartig zu sein. Eigenartig ist übrigens auch das, dass ich nicht in der Lage bin, aus diesem Dokument, das er mir ausgestellt hat, festzustellen, um wen es sich handelt, was für eine Funktion er hat etc.

            Da ich mich in dieser Angelegenheit unschuldig fühle und der Vorgang der österreichischen Polizei mir als diskriminierend vorkommt (denn eine dar ersten Fragen lautete, ob ich tschechischer Nationalität bin), ersuche ich um eine Überprüfung dieser Angelegenheit und ich will, dass Ihr Amt entscheidet.

            In dem gegenständlichen Bescheid vermisse ich, um welches Fahrzeug es sich handelt, das ich überholt habe und ob die Stelle, an der ich es überholt habe, tatsächlich unübersichtlich war und als solche markiert war. Weiters ersuche ich, dass mir Beweise über meine Schuld vorgelegt werden, wobei ich annehme, mit Rücksicht auf das österreichische Strafrecht, dass das Prinzip der Unschuldsvermutung geachtet wird.

            In dieser Sache fühle ich mich unschuldig und bin bereit, mich zu verteidigen, und zwar um jeden Preis, denn ich will in dem gegeben Fall, dass die Gerechtigkeit und das Recht siegen."

 

2.1. Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu!

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den o.a. Verwaltungsakt der BH Freistadt; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt und gegenständlich bloß ein verfahrensrechtlicher Bescheid angefochten sowie von den Parteien ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.3 Z4 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Nach § 10 ZustG kann die Behörde einer Partei, die sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhält, auftragen, für ein bestimmtes Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen; wird diesem Auftrag nicht entsprochen, so wird die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen.

 

4.2. Schon der Wortlaut des Gesetzes (arg. "kann") lässt erkennen, dass der Behörde dadurch Ermessen eingeräumt ist. Richtschnur ist dabei, ob zur ordnungsgemäßen und raschen Zustellung ein Zustellbevollmächtigter benötigt wird (vgl. Walter - Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Wien 1983, S. 56, Anm. 3).

Dies scheint in diesem Verfahren offenkundig der Fall, beurteilt man die Zustellung an den Berufungswerber und dessen Rücklangen seiner Berufung an die Behörde erster Instanz objektiv und sachgerecht. Dem Berufungswerber können offenkundig die entsprechenden das Verfahren bestimmenden Schriftstücke an dessen Wohnadresse in Tschechien (das zwischenzeitig seit mehreren Jahren Mitglied der EU ist) zugestellt werden. Kein sachlich begründeter Anhaltspunkt besteht ferner für eine allenfalls fehlende Mitwirkungsbereitschaft bzw. Zustellungen an ihn nicht gelten zu lassen.

 

4.2.1. Warum die Behörde erster Instanz auch in diesem Verfahren dem Berufungswerber in offenkundiger Kenntnis der Rechtsauffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oö. nach inhaltlicher Prüfung des Tatvorwurfes nicht sogleich einen Strafbescheid zustellt, bleibt mit Blick auf das Gebot und das öffentliche Bekenntnis des Landes Oberösterreich zu einer wirkungsorientierten Verwaltungsführung einmal mehr bemerkenswert (Hinweis auf h. Erk. 1.12.2005, VwSen-160988/2/Br/Sta).

Gilt es doch als Ziel zur Weiterentwicklung der Verwaltung und Verwaltungsführung, diese vom aufgabenerledigenden Verwaltungsapparat hin zum wirkungs- und bürgerorientierten Dienstleistungsunternehmen zu gestalten. Konkret sie (die Verwaltung) gezielter (wirksamer) rascher, billiger (effizienter) und bewusster zu machen.

Dass hier dem Berufungswerber mit einem an seinen Wohnsitz zugestellten Bescheid ein Zustellbevollmächtigter in Österreich aufgetragen wird, anstatt ihm für ein an sich geringfügiges Delikt, deren Vollstreckbarkeit sogar mit Sicherheitsleistung abgesichert scheint, allenfalls – sollte sich der Tatvorwurf tatsächlich als stichhaltig erweisen – eine Strafverfügung zuzustellen und damit die Sache bereits erledigt zu haben, sei kritisch angemerkt. Kein Zweifel dürfte auch daran bestehen, dass mit dieser Anordnung dem Berufungswerber dieses Verfahren schlechthin seiner Disposition entzogen würde und damit aus der Sicht des Betroffenen wohl ganz und gar nicht als bürgernah zu bezeichnen wäre. Dies ist insbesondere ob der juristischen Ausbildung des Berufungswerbers hervorzuheben.

Zu dieser Feststellung sieht sich der Unabhängige Verwaltungssenat unter Hinweis auf Art. 129a B-VG veranlasst, wonach dieser – neben dem Verwaltungsgerichtshof in Wien – zur Kontrolle der gesamten Verwaltung berufen ist. Dies wohl auch mit Blick auf eine wirtschaftliche und effiziente Verwaltungsführung.

Dem Berufungswerber wird an dieser Stelle jedoch auch empfohlen, sich konkret zum Tatvorwurf zu äußern, um dadurch einer möglichst raschen inhaltlichen Sacherledigung nicht im Wege zu stehen. Offenbar bestreitet er das ihm zur Last gelegte Faktum ja nicht.

 

4.3. Die Zustellung ins Ausland verlief auch hier offenkundig reibungslos und der Berufungswerber ist offenbar bereit, sich dem Verfahren zu stellen, wobei er offenkundig, wie sich aus dem Schriftsatz nur unschwer nachvollziehen lässt, auch der deutschen Sprache vollumfänglich mächtig ist. Es bedarf daher hier nicht der Erteilung eines Auftrages gemäß § 10 ZustG.

Da die belangte Behörde somit das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen zweckwidrig ausgeübt hat, war der vorliegenden Berufung gemäß 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

4.4. Auf das inhaltliche Vorbringen zum Tatvorwurf an sich war in diesem Verfahren nicht einzugehen.

 

5. Eine Kostenentscheidung war – weil gegenständlich keine Sacherledigung erging – nicht zu treffen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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