Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162981/8/Ki/Jo

Linz, 20.05.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Mag. M S, W, P, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. L S, W, M, vom 20. Februar 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 5. Februar 2008, VerkR96-115-2007 Ga, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 15. Mai 2008 zu Recht erkannt:

 

I.                  Bezüglich der Punkte 1 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses wird die Berufung als unbegründet abgewiesen, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

Bezüglich der Punkte 2 und 4 des angefochtenen Straferkenntnisses wird der Berufung Folge gegeben, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.              Bezüglich der Punkte 1 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses hat die Berufungswerberin zusätzlich zu den Verfahrenskosten I. Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von insgesamt 74 Euro, das sind jeweils 20 % der verhängten Geldstrafen, zu entrichten.

 

Bezüglich der Fakten 2 und 4 des angefochtenen Straferkenntnisses entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 19, 24, 45 Abs.1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2, 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat unter VerkR96-115-2007 Ga vom 5. Februar 2008 gegen die Berufungswerberin nachstehendes Straferkenntnis erlassen:

 

"Sie haben am 27.12.2006 das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen (D) um ca. 09.30 Uhr auf der A 1 im Gemeindegebiet von Sattledt in Fahrtrichtung Salzburg gelenkt, wobei Sie

1.      bei Km. 193,000 die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten (Gefahrene Geschwindigkeit 182 km/h),

2.      bei Km. 193,500 keinen solchen Abstand zu dem vor Ihnen fahrenden Fahrzeug einhielten, dass Ihnen jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, und zwar auch dann wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

3.      bei km 195,000 die durch das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten (Gefahrene Geschwindigkeit 119 km/h) und

4.      während der gesamte Strecke von km. 193,000 bis 195,000 haben Sie als Lenker Ihre Fahrtgeschwindigkeit nicht den gegebenen insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepasst. Dieses Fahrmanöver haben Sie unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gesetzt, da Sie trotz dichtem Nebel Geschwindigkeiten von 124 bis 185 km/h fuhren.

 

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:

1.      § 20 Abs. 2 StVO 1960 iVm § 99 Abs. 2c Z. 9 StVO 1960

2.      § 18 Abs. 1 StVO iVm. § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960

3.      § 52 lit. a Z.10a StVO 1960 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960

4.      § 20 Abs. 1 StVO iVm. § 99 Abs. 2 lit) c StVO 1960

 

Daher wird über Sie folgende Strafe verhängte:

300 Euro gem. § 99 Abs. 2c Z. 9 StVO 1960; Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage

200 Euro gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960; Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage

  70 Euro gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960; Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tage

400 Euro gem. §§ 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960; Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetztes 1991 (VStG) zu entrichten:

97 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, da sind 10 % der Strafe

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 1.067,00 Euro."

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Rechtsmittelwerberin mit Schriftsatz vom 20. Februar 2008 Berufung erhoben, es wird die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Anwendung des § 21 VStG bzw. ein Herabsetzen der Strafe auf das gesetzliche Mindestmaß angestrebt.

 

Als Berufungsgründe werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie eine unrichtige Strafzumessung moniert und es wird insbesondere auch die Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die der Berufungswerberin zukommenden Messtoleranzen in keiner Weise ausreichend berücksichtigt wurden und zum anderen, dass die bisherigen Messergebnisse in Folge einer in keiner Weise objektivierten konstanten Nachfahrt aus technischer Sicht unhaltbar sind, beantragt.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 3. März 2008 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, insbesondere auch in das aufgenommene Video sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 15. Mai 2008. An dieser Verhandlung nahm die Berufungswerberin im Beisein eines Rechtsvertreters teil, die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Als Zeuge wurde der Meldungsleger, GI. K S von der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich, einvernommen. Als verkehrstechnischer Amtssachverständiger fungierte Ing. J L vom Amt der Oö. Landesregierung.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt bzw. als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Der im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren zu beurteilende Sachverhalt wurde der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land durch eine Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich vom 29. Dezember 2006 zur Kenntnis gebracht. Der im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung als Zeuge einvernommene Polizeibeamte stellte die in der Anzeige dargelegten Fakten durch Nachfahrt mit einem Dienstfahrzeug bzw. Messung mittels einer Provida-Anlage fest. Die Nachfahrt wurde mittels Video aufgezeichnet und es stand eine entsprechende CD dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich für die Berufungsverhandlung zur Verfügung. Dieses Video wurde im Beisein des verkehrstechnischen Amtssachverständigen im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung ausführlich erörtert.

 

Ausdrücklich wurde in der Anzeige auch angeführt, dass zum Zeitpunkt der Übertretung dichter Nebel herrschte, die Sichtweite habe ca. 50 bis 100 m betragen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land erließ gegen Frau Mag. S zunächst eine Strafverfügung, in welcher ihr die in der Anzeige festgestellten Fakten zur Last gelegt wurden. Nach einem Einspruch gegen diese Strafverfügung hat die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land das Ermittlungsverfahren eingeleitet und in der Folge auch befunden, dass Frau Mag. S im Bereich zwischen km 193,000 und 195,000 der A1 Fahrtrichtung Salzburg eine nicht angepasste Geschwindigkeit iSd § 20 Abs.1 StVO 1960 eingehalten hat, dies unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.

 

Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte der Meldungsleger im Wesentlichen den in der Anzeige festgelegten Sachverhalt, die Berufungswerberin bestritt, im Bereich km 193,000 tatsächlich die festgestellte erhöhte Geschwindigkeit eingehalten zu haben. Hinsichtlich km 195,000 gestand sie letztlich die angezeigte Geschwindigkeitsüberschreitung zu. Die Berufungswerberin bestätigte dem Grunde nach, dass es etwas nebelig gewesen sei, allerdings habe keine akute Sichtbeeinträchtigung bestanden, ferner führte sie aus, sie sei alleine unterwegs gewesen bzw. hinter dem Polizeifahrzeug nachgefahren.

 

Nach Ansicht des vorliegenden Videos musste zunächst festgestellt werden, dass der Sachverständige, welcher bereits im erstinstanzlichen Verfahren eine Stellungnahme abgegeben hat, im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes (Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses) lediglich auf die Angaben des Meldungslegers zurückgegriffen hat. Im Zuge der Betrachtung des Videos hat sich jedoch ergeben, dass dieses Fahrmanöver der Berufungswerberin bereits vor der ersten Messung, welche sich auf die Geschwindigkeitsüberschreitung bei km 193,000 bezogen hat, durchgeführt wurde, woraus resultiert, dass sich dieser Vorfall bereits vor km 193,000, keinesfalls aber im Bereich 193,500 zugetragen haben kann. Eine entsprechende Verhaltensweise im Bereich des diesbezüglich vorgeworfenen Tatortes (Faktum 2) konnte auf dem Video nicht festgestellt werden.

 

Was jedoch die Geschwindigkeitsüberschreitungen anbelangt, so hat der verkehrstechnische Amtssachverständige den zur Last gelegten Sachverhalt im Wesentlichen verifiziert. Diesbezüglich führte er (hinsichtlich Faktum 1) aus, es liege eine Geschwindigkeitsüberschreitung über eine zeitliche Strecke von 26,51 sec und eine Wegstrecke von 1.413 m vor, wobei eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 191,88 km/h ermittelt wurde. Nach Abzug der entsprechenden Messtoleranz von 5 % komme man damit auf eine Geschwindigkeit von ca. 182 km/h. Es sei im Messbereich in einem Bereich von ca. 450 m immer eine Geschwindigkeit zwischen 192 und 195 km/h gefahren worden, dies sei aus dem Video deutlich erkennbar. Wohl sei in diesem Bereich eine kurzfristige Aufholphase bzw. größere Entfernung des Beamtenfahrzeuges zu erkennen, aber zwischen dem Bereich von 450 m sei der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug jedenfalls gleichgeblieben.

 

Darüber hinaus verwies der Sachverständige, dass Messungen mit einem eigenen Auswertegerät vorgenommen wurden und dass dort letztlich, bezogen auf das Fahrzeug der Berufungswerberin, in Detailbereichen Geschwindigkeiten bis zu 195 km/h herausgemessen wurden.

 

Im Zusammenhang mit der Messtoleranz erklärte der Sachverständige, dass diese in Ordnung sei.

 

Aus der Videoaufzeichnung ist auch klar erkennbar, dass tatsächlich eine entsprechende Sichtbeeinträchtigung durch Nebel gegeben war.

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen bzw. als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 15. Mai 2008. Festgestellt wird, dass die Auswertungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen schlüssig sind und nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen stehen. Der Verhandlungsleiter konnte sich anhand der zur Verfügung stehenden Videoaufzeichnung vom Sachverhalt überzeugen, der verkehrstechnische Amtssachverständige hat einerseits durch eine eigene Auswertung und darüber hinaus durch Berechnung eines entsprechenden Weg-Zeit-Diagrammes die zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung hinsichtlich Faktum 1 bestätigt, hinsichtlich Faktum 3 wurde diese im Zuge der Berufungsverhandlung ohnedies zugestanden.

 

Auch die Angaben des Meldungslegers entsprechen in Übereinstimmung mit der Videoaufzeichnung dem Grunde nach den Tatsachen, was die Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes anbelangt, hat er sich offensichtlich hinsichtlich der km-Angabe geirrt.

 

Die Berufungswerberin selbst konnte sich in jede Richtung verteidigen, dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin gegen sie gewertet werden, im gegenständlichen Falle ist es ihr jedoch nicht gelungen, den zur Last gelegten Sachverhalt zu widerlegen. Letztlich hat sie Geschwindigkeitsüberschreitungen eingestanden und es mag aus ihrer subjektiven Sicht durchaus zutreffen, dass sie die zur Last gelegte Geschwindigkeit nicht als solche wahrgenommen hat. Jedenfalls entsprechen ihre Angaben, sie sei alleine unterwegs gewesen bzw. sie sei hinter dem Polizeifahrzeug während der Messung nachgefahren, nicht den Tatsachen.

 

Insbesondere unter Berücksichtigung der Feststellungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen bestehen keine Bedenken, den dargelegten Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde zu legen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 99 Abs.2c Z9 StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschreitet.

 

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

 

3.1.2. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verfahren nicht nach den Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 zeigt das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

3.1.3. Unbestritten handelt es sich im Bereich des km 193,000 der A1 um einen Bereich, in welchen keine geringere Höchstgeschwindigkeit oder höhere Geschwindigkeit iSd § 43 StVO 1960 erlassen bzw. erlaubt war. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug demnach in diesem Bereich 130 km/h.

 

Ebenso unbestritten bleibt, dass im Bereich des km 195,000 der A1 eine entsprechende Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet war.

 

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat in beiden Fällen ergeben, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung aus objektiver Sicht verwirklicht wurde und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche die Berufungswerberin im Bereich der subjektiven Tatseite (§ 5 VStG) entlasten würden. Insbesondere könnte eine allenfalls subjektive Nichteinschätzung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit im vorliegenden Falle nicht zur Entlastung führen, zumal von einer Person, welche auf einer Autobahn unterwegs ist, eine entsprechende Konzentration auf das Gesamtverkehrsgeschehen zu erwarten ist. Die Schuldsprüche in den Punkten 1 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses sind daher zu Recht erfolgt.

 

3.1.4. Zur Straffestsetzung (§ 19 VStG) wird diesbezüglich festgestellt, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen immer wieder Ursache für Verkehrsunfälle mit schweren Folgen ist. Im Interesse des Schutzes der Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind daher zur Wahrung der Verkehrssicherheit entsprechend strenge Strafen geboten, dies insbesondere auch um die Allgemeinheit entsprechend zu sensibilisieren bzw. die betroffene Person vor der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

 

Im vorliegenden Falle ist überdies zu berücksichtigen, dass, wie im Berufungsverfahren verifiziert werden konnte, zur Vorfallszeit starker Nebel herrschte, welcher allenfalls eine Anwendung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 durchaus gerechtfertigt hätte, wie letztlich die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land unter Punkt 4 des Straferkenntnisses dargelegt hat. Hinsichtlich der Punkte 1 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses wurde ein derartiges Verhalten jedoch nicht zur Last gelegt, sodass eine Ausweitung im Berufungsverfahren nicht mehr zulässig ist.

 

Jedenfalls vertritt aber der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Auffassung, dass unter den gegebenen Umständen auch bei Nichtanwendung der qualifizierten Strafbemessung iSd § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 die festgelegten Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen durchaus angemessen sind. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Berufungswerberin wurden im Berufungsverfahren berücksichtigt, ebenso der Milderungsgrund der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit.

 

Insbesondere im Anbetracht der dargelegten spezialpräventiven und auch generalpräventiven Gründe erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass bei dem vorgesehenen Strafrahmen in beiden Punkten eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe nicht vertretbar ist, weshalb auch die Strafhöhe zu bestätigen war.

 

Zum Vorbringen der Berufungswerberin hinsichtlich Anwendung des § 21 VStG wird darauf hingewiesen, dass diese Rechtswohltat nur dann in Frage kommt, wenn einerseits das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. In Anbetracht der Gesamtumstände erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass konkret von einem geringen Verschulden nicht gesprochen werden kann, eine Anwendung des § 21 VStG ist daher nicht zulässig.

 

3.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Beschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen bzw. sich rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Demnach ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die vorgeworfene Tat in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale exakt beschrieben wird und die Identität der Tat auch nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht. Dies bedeutet, dass der Tatort ein wesentliches Tatbestandsmerkmal darstellt.

 

Das durchgeführte Berufungsverfahren hat, insbesondere nach Ansicht des vorliegenden Videos, ergeben, dass die Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes (Punkt 2 des Straferkenntnisses) jedenfalls vor dem ersten Messbereich und damit vor km 193,000 der A1 allenfalls verwirklicht wurde. Tatsächlich wurde der Berufungswerberin jedoch vorgeworfen, sie habe dies Verwaltungsübertretung bei km 193,500 der A1 begangen. Aus den Videoaufzeichnungen geht hervor, dass hier zwischen dem vorgeworfenen Tatort und dem Ort der möglichen Begehung eine Differenz von mehr als 600 m gegeben ist und es erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass damit im vorliegenden konkreten Falle die Möglichkeit einer allfälligen Doppelbestrafung nicht ausgeschlossen werden kann. Es liegt somit ein qualifizierter Spruchmangel in Bezug auf den Tatort vor und es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in Anbetracht der mittlerweile eingetretenen Verfolgungsverjährung (§ 31 VStG) verwehrt, eine entsprechende Korrektur vorzunehmen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Da im vorliegenden Falle, wie bereits dargelegt wurde, hinsichtlich des möglicherweise tatsächlichen Tatortes Verfolgungsverjährung eingetreten ist, die Berufungswerberin die vorgeworfene Verwaltungsübertretung am im Straferkenntnis festgestellten Tatort jedoch nicht begangen hat, war diesbezüglich der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

3.3. Gemäß § 20 Abs.1 StVO 1960 (erster Fall) hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesonders den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

Auf den ersten Blick erscheint dieser Tatbestand lediglich subsidiär dann anzuwenden zu sein, wenn nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs.2 StVO 1960 (siehe oben) gegeben sind, d.h., wenn zwar grundsätzlich die zu beurteilende Geschwindigkeit erlaubt wäre, die konkreten Verhältnisse jedoch eine entsprechende Anpassung der Geschwindigkeit erfordern würden.

Andererseits hat jedoch der VwGH bisher stets judiziert (zuletzt VwGH 90/18/0137 vom 20. November 1990), dass eine Bestrafung wegen einer Übertretung nach Abs.1 (erster Fall) und eine solche nach § 52 lit.a Z10a einander nicht ausschließen, zumal diese Bestimmungen verschiedenen Schutzzwecken dienen würden.

Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass der EGMR mittlerweile eine Reihe von Entscheidungen im Zusammenhang mit dem - im Verfassungsrang stehenden – Art.4 7. ZPMRK getroffen hat. Nach Art.4 7. ZPMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Es ist allgemein anerkannt, dass dieses "Doppelbestrafungsverbot" auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist.

Eine Verletzung des Art.4 Abs.1 7.ZPMRK liegt nach der Rechtsprechung des EGMR etwa dann vor, wenn sich der zu beurteilende Lebenssachverhalt in wesentlichen Punkten überschneidet.

Es wird nicht in Frage gestellt, dass grundsätzlich durch Verwirklichung eines Sachverhaltes mehrere Übertretungen begangen werden können, unter Berücksichtigung der EGMR-Judikatur wird jedoch im jeweiligen konkreten Fall zu beurteilen sein, inwieweit das Verhalten tatsächlich eine mehrfache Bestrafung zulässt.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Kriterien bzw. in verfassungskonformer Interpretation erachtet das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes , dass, wie bereits oben angedeutet wurde, eine Verletzung des § 20 Abs.1 StVO 1960 (erster Fall) nur dann vorliegen kann, wenn der Fall gegeben ist, dass eine ansonsten gesetzlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten wird, die konkreten Umstände jedoch eine geringere, nämlich der Situation angepasste Geschwindigkeit gebieten. Für diese Auslegung spricht auch, dass grundsätzlich besonders gefährliche Verhältnisse oder besondere Rücksichtslosigkeit im Zusammenhang mit der Verletzung von Vorschriften der StVO 1960 von einem höheren Strafrahmen erfasst sind (§ 99 Abs.2 lit.c StVO 1960).

Es steht außer Frage, dass im vorliegenden Fall von der Berufungswerberin eine bei weitem nicht angepasste Geschwindigkeit eingehalten wurde, welche unter Berücksichtigung der Verhältnisse (starker Nebel) durchaus eine Bestrafung nach § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 gerechtfertigt hätte, diese Verhältnisse wären jedoch bereits in den Punkten 1 und 3 des Straferkenntnisses zu berücksichtigen gewesen. Eine entsprechende Änderung der Tatvorwürfe ist jedoch im Berufungsverfahren nicht zulässig.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Bestrafung nach Punkt 4, eine unzulässige Doppelbestrafung im Sinne der Judikatur des EGMR darstellen würde, war auch in diesem Punkt der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

 

 

Beschlagwortung:

Kumulative Bestrafung hinsichtlich § 20 (1) und § 20 (2) StVO widerspricht Art. 4 Abs.1 7.ZPMRK.

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 5. September 2008, Zl.: 2008/02/0220-3

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