Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102476/3/Br

Linz, 30.12.1994

VwSen -102476/3/Br Linz, am 30. Dezember 1994

DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn J R, L, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96/21967/1993, vom 6. September 1994, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird im Punkt 2) aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich nach § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Es entfällt jeglicher Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, hat mit dem obgenannten Straferkenntnis in dessen Punkt 2) über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 S und im Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 13.12.1993 um 23.16 Uhr den Sattelzug mit dem Kennzeichen und auf der A aus Richtung S vom km 225.800 bis 225.650 mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h gelenkt habe, obwohl für dieses Teilstück eine deutlich sichtbar gekennzeichnete Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h bestanden habe.

1.1. Begründend verweist die Erstbehörde zu diesem Punkt auf die diesbezügliche gesetzliche Bestimmung.

2. In der dagegen fristgerecht gegen den Punkt 2) dieses Straferkenntnisses erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber die damalige Existenz einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h. Darüber hinaus begehrt er Klärung des Umstandes hinsichtlich der Strafvollzugskosten nach § 54d VStG und vermeint darüber hinaus noch, daß er es nicht rechtens erachte zweimal wegen eines Deliktes bezahlen zu müssen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96/21967-1993. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

3.1. Zumal keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da sich bereits aus der Aktenlage ergab, daß dieses Verfahren im Punkt 2) aufzuheben ist, war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung betreffend nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber hat zur oben angeführten Zeit den angeführten Sattelzug wohl im genannten Bereich der A mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h gelenkt. Aus der Anzeige ist zu entnehmen, daß an dieser Stelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 52 Z10a StVO 1960 von "110 km/h" kundgemacht gewesen sein soll.

Festgestellt wird an dieser Stelle, daß die Berufung am 17. Oktober 1994 bei der Erstbehörde eingelangt ist. Die Vorlage erfolgte mit 27. Dezember 1994. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Mit dem Ladungsbescheid vom 3. August 1994 wurde - ohne Spruchformulierung - dem Berufungswerber mitgeteilt, daß es sich um den Vorfall vom 13.12.1993 bei Strkm 222.600 (Verwaltungsübertretung nach § 58(1)1a KDV handle. Mit Ausnahme der Strafverfügung vom 3.3.1994 ergibt sich kein Hinweis, daß es sich hier zu Punkt 2) um eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h gehandelt haben sollte. In der Strafverfügung lautet der Tatvorwurf jedoch auf "107 km/h", welcher im hier angefochtenen Straferkenntnis, aufgrund des unter Beiziehung eines Sachverständigen erhobenen Beweises, wiederum mit lediglich 100 km/h festgestellt worden ist.

5. Rechtlich war zu erwägen:

5.1. Eine Verfolgungshandlung ist, jede von der Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl., und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat (§ 32 Abs.2 VStG).

Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 VStG) vorgenommen wurde (§ 31 Abs.1 VStG). Eine derartige, dem § 44a Z1 VStG gerecht werdende Verfolgungshandlung liegt inhaltlich hier deshalb nicht vor, weil sich einerseits aus dem Akt nicht entnehmen läßt, welche Fahrgeschwindigkeit tatsächlich kundgemacht gewesen ist. Selbst würde man davon ausgehen, daß es sich um die in der Strafverfügung genannten verordnete erlaubten Höchstgeschwindigkeit gehandelt hat, so ist hier wiederum eine offenbar unrichtige Fahrgeschwindigkeit vorgeworfen worden. 5.2. Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt wohl im Hinblick auf die in § 44a Z1 bis Z5 VStG festgelegten Erfordernissen besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ergibt sich aus der hiezu entwickelten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erkenntnis des VwGH v. 13.6.1984 Slg. 11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Ferner ist es für die Befolgung der Vorschrift des § 44a Z1 VStG erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er a) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob eine auf den Tatvorwurf bezogene Verfolgungshandlung und der Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen läßt (siehe obzit.Judikat). Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt - siehe auch VwGH 14.12.1985, 85/02/0013 - sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen, zu messendes Erfordernis sein.

In der Summe der oben dargelegten Mängel wird der Tatvorwurf diesen gesetzlichen Intentionen nicht mehr gerecht und ist daher das Straferkenntnis in diesem Punkt aufzuheben.

5.3. Es kann daher letztlich dahingestellt bleiben, ob im gegenständlichen Fall - ausgehend von einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h - eine Bestrafung sowohl nach der StVO und (oder) der KDV iVmd KFG möglich gewesen wäre. Im gegenständlichen Fall wäre dies wohl zu bejahen gewesen, weil die Übertretung an zwei verschiedenen Orten unter jeweils verschiedenen Verwaltungsvorschriften (§ 20 Abs.2, § 52 Z10a StVO 1960 und § 58 Abs.1 lit.b KDV) erfolgt sind. Im Punkt 2) wäre angesichts der verschiedenen Schutzzwecke, nämlich einerseits einmal wegen der Überschreitung der den Straßenverhältnissen, andererseits wegen einer, den der Art und Beschaffenheit des Kraftfahrzeuges angepaßten Fahrgeschwindigkeit, möglich gewesen, zwei Strafen auszusprechen (siehe etwa VwGH v. 3.7.1991, Zl. 90/03/0205 sinngem.). Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum