Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163208/2/Bi/Se

Linz, 23.05.2008

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn H P-H, R, vertreten durch RA Mag. M H, L, vom 13. Mai 2008 gegen das Straferkennt­nis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 24. April 2008, VerkR96-2792-4-2006, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

     Der Berufung wird  Folge gegeben und das angefochtene Strafer­kenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschrei­bung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.  

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 3 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 88 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von  30 Euro (6 Stunden EFS) verhängt, weil er am 5. Mai 2006 gegen 18.00 Uhr ein Fahrrad auf dem Güterweg H im Ortsgebiet A markteinwärts gelenkt habe und dabei einige Meter hinter seinem Bekannten J E nachgefahren sei, welcher ebenfalls mit einem Fahrrad in gleicher Richtung gefahren sei, auf Höhe des Hauses Sportplatz   sein Fahrrad überraschend stark abbremsen und nach links ausschwenken habe müssen, da ein Fußgänger überraschend in seine Fahr­linie getreten sei. Er sei aufgrund unzu­reichenden Sicherheitsabstandes gegen das Hinterrad des von Eder gelenkten Fahrrades gestoßen, wodurch er über Eder geschleudert worden und auf dem Asphalt aufgeschlagen sei, wobei er bei diesem Verkehrsunfall erheblich verletzt worden sei – dies obwohl der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich sei, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst werde.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 3 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz sei ohne Ermittlungs­verfahren von einem unzureichenden Nachfahrabstand ausgegangen, ohne auszuführen von welcher Geschwindigkeit und welchem Abstand sie ausge­gangen sei. Ein Auffahrunfall zwischen Radfahrern könne aber verschiedene Ursachen haben. Zu prüfen sei auch, ob überhaupt Strafwürdigkeit gegeben sei.

Beantragt wird die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw als Lenker eines Fahrrades am 5. Mai 2006 gegen 18.00 Uhr in Richtung Sportplatz   in A unterwegs war, wobei sich aus dem Akt kein Anhalts­punkt für eine Geschwindigkeit des Bw oder des vor ihm fahrenden Radfahrers oder einem Nachfahrabstand zwischen diesen beiden ergibt.

Zum Auffahrunfall kam es, weil der Fußgänger K W, dem die Ge­schwin­digkeit der von der anderen Seite kommenden Mopedfahrer ein Dorn im Auge war und der die Mopedfahrer mit geschwungenem Besen, mit dem er zuvor Rollsplitt gekehrt hatte, zur Verminderung ihrer Geschwindigkeit veranlassen wollte und dazu plötzlich auf die Straße lief, dabei die beiden von der anderen Seite kommenden Radfahrer übersah und der vor dem Bw fahrende J E zwar rechtzeitig stehenbleiben, aber wegen seiner im Pedal eingeklinkten Schuhe nicht mehr absteigen konnte und im Stehen zu Sturz kam. Der dahinter fahrende Bw fuhr auf das Fahrrad E auf, wurde über dieses geschleudert und kam auf der Fahrbahn zu liegen, wobei er leichte Verletzungen in Form Prellungen und Abschürfungen am ganzen Körper erlitt. J E wurde ebenfalls verletzt.

Laut Unfallerhebungsunterlagen gab J E an, er habe den Mann am rechten Straßenrand gesehen, wobei kein Grund bestanden habe, die Geschwin­dig­keit zu verringern, jedoch sei dieser, als er 5- 10 m vor ihm gewesen sei, völlig überraschend mit einem gegen einen herannahenden Mopedlenker erhobenen Besen in Richtung Fahrbahnmitte gegangen. Er habe eine Not­bremsung eingeleitet und sei auch noch unter leichter Berührung des Mannes stehengeblieben. Da er aber die Schuhe in den Pedalen eingeklipst gehabt habe, sei er im Stehen umgefallen. Als er aufgestanden sei, habe er den hinter ihm fahrenden Bw einige Meter hinter sich auf der Fahrbahn liegen gesehen.

Der Bw gab am 10. Mai 2006 bei der PI A an, er sei "einige Meter" hinter Eder gefahren und habe den Schotter kehrenden Mann gesehen. Eder habe plötzlich abgebremst und sei nach links ausgeschwenkt. Er habe nicht so schnell reagieren können, sei gegen das Hinterrad geprallt, über Eder geschleudert worden und auf dem Asphalt aufgeschlagen.

K W gab am 10. Mai 2006 bei der PI A an, er habe mit einem Straßenbesen Rollsplitt von der Straße gekehrt. Zwei Mopedlenker seien seiner Einschätzung nach mit zu hoher Geschwindigkeit, ca 70 bis 80 km/h, daher­gekommen und hätten auf seiner Höhe überholt, wobei es sich um eine unübersichtliche Straßenstelle handle. Er habe weiter­gekehrt, als die Moped­lenker Richtung ortsauswärts zurückgekommen seien und die Mopeds "voll auf­ge­zogen" hätten. Daraufhin habe er seinen Besen gehoben und zum ersten Lenker hin gedeutet, er solle langsamer werden; dabei sei er einen Schritt in Richtung Straßenmitte gegan­gen, habe aber die beiden in die Gegenrichtung fahrenden Radfahrer über­sehen. Der erste habe ihn am Unterschenkel gestreift und sei nicht zu Sturz gekommen; der zweite dürfte die Bremsung des Vorder­mannes übersehen haben, sei förmlich an ihm vorbeigeflogen und auf die Straße geschleudert worden. Der erste Mopedlenker sei ohne Reaktion vorbeigefahren, der zweite sei vor ihm und dem gestürzten Radfahrer stehengeblieben.

 

Gegen die Strafverfügung der Erstinstanz vom 29. Juni 2006 wegen Übertretung gemäß § 18 Abs.1 StVO  hat der Bw fristgerecht Einspruch erhoben.

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Ried/I. vom 13. Dezember 2006, 14 BAZ 735/06 h, wurde laut Divisionsentscheidung vom 4. Juli 2006 gegen den Fuß­gänger K.W. wegen des Verdachts des Vergehens der fahrlässigen Körperver­letzung nach § 88 Abs.1 StGB, begangen dadurch, dass er infolge Unachtsamkeit beim Überqueren der Fahrbahn die Radfahrer J. E. und H P.-H. übersah, wodurch diese in weiterer Folge zu Sturz kamen und sich verletzten, Strafanzeige er­stattet. Die Durchführung eines Strafverfahrens unter­bleibe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig gegen Bezahlung eines Verfahrenskostenbeitrages.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 18 Abs.1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Der Nachfahrabstand ist abhängig von der gefahrenen Geschwindigkeit und liegt in einer Größenordnung mindestens des Reaktionsweges (vgl VwGH 18.12.1997, 96/11/0035; ua). 

Voraussetzung für einen Tatvorwurf der Nichteinhaltung eines Mindestnach­fahrabstandes ist daher die Kenntnis oder zumindest Nachvollzieh­barkeit der gefahrenen Geschwindigkeit anhand objektiver Feststellungen, die im ggst Fall nicht gegeben ist. Allein die Schilderung des Bw selbst, er sei "einige Meter" hinter dem Rad seines Bekannten nachgefahren, ermöglicht dazu keine für die Beur­teilung des Vor­liegens eines Verwaltungsstraftatbestandes objektiv verläss­liche Aussage. Richtig ist, dass ein Auffahrunfall auch auf andere Ursachen zurück­zuführen sein kann, zB verspätete Reaktion des Bw aufgrund von Ablenkung jeglicher Art, falsche Einschätzung der Verkehrslage oder (noch) ungenügende Sicht auf die Gefahren­stelle und daher verspäteter Bremsbeginn.

Eine Aussage darüber, welchen Nachfahrabstand der Bw zum maßgeblichen Zeitpunkt eingehalten hat und insbesondere, ob dieser ungenügend war, ist nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahrens erforderlichen Sicherheit möglich, weshalb im Zweifel – naturgemäß ohne Kostenvorschreibung – spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1. Juli 2008 220 Euro) zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Nachfahrabstand nicht objektivierbar -> Einstellung

 

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