Linz, 26.05.2008
E r k e n n t n i s
(Bescheid)
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn W N, geb. , B, L, vertreten durch Rechtsanwälte G – L – T & P, S, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 14.02.2008, Zl. S-41562/7 VP wegen Übertretungen der §§ 5 Abs.2 und 76 Abs.6 StVO, nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2008 einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat weder Geldstrafen, noch Verfahrenskosten zu bezahlen.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG
§ 66 Abs.1 VStG
Entscheidungsgründe:
Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:
" Tatort: Linz, Obere Donaulände 99
Tatzeit: 07.11.2007, 19:35 Uhr
1. Sie haben sich am 07.11.2007 um 20:04 Uhr – 20:40 Uhr in Linz, AKH, Unfallambulanz, Krankenhausstraße 9 geweigert, sich der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt (Alkomat) zu unterziehen, obwohl Sie von einem besonders geschulten und hiezu von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht dazu aufgefordert wurden, weil Sie verdächtig waren, durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholisierungssymptome: starker Alkoholgeruch aus dem Mund, gerötete Augenbindehäute), als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben.
2. Sie haben als Fußgänger die Fahrbahn im Ortsgebiet nicht an einer Kreuzung überquert, obwohl die Verkehrslage ein sicheres Überqueren an der von Ihnen gewählten Stelle nicht zweifellos zuließ.
Verwaltungsübertretungen nach §
1. § 5/2 StVO
2. § 76/6 Satz 2 StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von Euro falls diese uneinbringlich ist, Gemäß §
Ersatzfreiheitsstrafe von
1) 1200 14 Tage 99(1)b StVO
2) 50 25 Stunden 99(3)a StVO
Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen:
125 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/.....) beträgt daher 1375 Euro."
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 28.02.2008 eingebracht.
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:
Am 26.05.2008 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Bw, dessen Rechtsvertreter sowie die Zeugen Dr. S. Z., GI E. P. und Herr M. S. teilgenommen haben.
Zu Punkt 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses –
Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs. 1 lit.b StVO:
Zeugenaussage des Herrn Dr. S. Z.:
Bei der Durchführung des Alkotests war ich nicht unmittelbar anwesend – diese ist in einem Nebenraum der Unfallambulanz vorgenommen worden. Meiner Ansicht nach war der Berufungswerber – bedingt durch den Verkehrsunfall – nicht derartig beeinträchtigt, dass er das Blasvolumen sowie die Blaszeit nicht hätte erreichen können.
Eine Untersuchung des Bw betreffend die Lungenkapazität wurde nicht durch-geführt und war für die medizinische Heilbehandlung auch nicht erforderlich.
Die Polizeibeamten haben mir mitgeteilt, dass der Bw so derartig alkoholisiert ist, dass ein Alkotest nicht möglich sei.
Zeugenaussage des Herrn GI E. P.:
Nach der Verständigung vom Verkehrsunfall fuhren wir zuerst zur Unfallstelle, der Bw war nicht mehr anwesend. Wir fuhren anschließend in das AKH und haben den Bw dort angetroffen, er lag auf einer "Behandlungsliege".
Er klagte über starke Schmerzen und machte einen schläfrigen Eindruck.
Ich bin seit ca. 15 Jahren im Verkehrsüberwachungsdienst tätig und kann auf-grund meiner Erfahrung sagen, dass der Bw offenkundig stark alkoholisiert war.
Wir verfügen über einen transportablen Alkomaten, den wir in den Aufenthaltsraum mitgenommen haben.
Ich forderte den Bw zur Vornahme des Alkotests auf.
Trotz fünf Blasversuche hat der Bw kein brauchbares Ergebnis zustande gebracht. In jedem Fall war das Blasvolumen zu gering und die Blaszeit zu kurz.
Meiner Meinung nach war der Bw gesundheitlich nicht in der Lage, den Alkotest ordnungsgemäß durchzuführen.
Einem geschulten Organ der Straßenaufsicht muss zugemutet werden, an Ort und Stelle zu beurteilen,
- ob eine Person aus medizinischen Gründen in der Lage ist, eine Atemluftprobe durchzuführen (VwGH vom 27.01.2006, 2005/02/0321 uva)
- warum bei der Untersuchung der Atemluft kein brauchbares Ergebnis zustande gekommen ist (VwGH vom 31.7.2007, 2007/02/0120 uva)
Der amtshandelnde Polizeibeamte selbst hat bei der mVh ausgeführt, dass der Bw seiner Meinung nach gesundheitlich nicht in der Lage war, den Alkotest ordnungsgemäß durchzuführen.
Zu Punkt 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses –
Verwaltungsübertretung nach § 76 Abs.6 StVO:
Zeugenaussage des Herrn M. S. – wobei im Folgenden der Name des Bw durch die Wendung "Bw", in der jeweils grammatikalisch richtigen Form, ersetzt wird:
Am 07.11.2007 um ca. 19.30 Uhr fuhr ich von Wilhering kommend auf der Oberen Donaulände in Richtung Römerbergtunnel.
Meine Fahrgeschwindigkeit betrug ca. 50 km/h, es war dunkel und es regnete stark (den Scheibenwischer hatte ich auf Stufe 2 eingestellt).
Auf Höhe des Hauses Obere Donaulände Nr. (in Fahrtrichtung stadteinwärts gesehen befindet sich links eine Bushaltestelle) überquerte der Bw – aus meiner Fahrtrichtung gesehen – die Fahrbahn von links nach rechts.
Ich habe den Bw erst wahrgenommen als dieser sich ca. in Fahrbahnmitte befand. Ich bremste, lenkte mein Fahrzeug nach rechts, konnte jedoch – da der Bw auf mein ankommendes Fahrzeug offensichtlich nicht reagierte, sondern weiterging – einen Zusammenstoß nicht mehr verhindern.
Ich blieb stehen, stieg aus meinem Fahrzeug aus und ging zum am Boden liegenden Bw hin.
Ein weiterer Verkehrsteilnehmer blieb stehen und hat mir geholfen.
Ich verständigte umgehend Rettung und Polizei.
Ich kenne die Örtlichkeit sehr gut, da ich relativ oft dort gefahren bin.
Richtung stadtauswärts befindet sich rechts die – bereits oben erwähnte – Bushaltestelle, jedoch kein Gehsteig oder Gehweg.
Auf der linken Seite befindet sich ein Gehsteig, durchgehend bis St. Margarethen.
Meiner Ansicht nach hat eine Person, welche auf der stadtauswärts gelegenen Bushaltestelle aus dem Bus steigt, nur die Möglichkeit an dieser Stelle die Fahrbahn zu überqueren.
§ 76 Abs.6 StVO lautet:
Sind Schutzwege oder für Fußgänger bestimmte Unter- oder Überführungen vorhanden, so haben Fußgänger diese Einrichtungen zu benützen.
Ist jedoch keine dieser Einrichtungen vorhanden oder mehr als 25 m entfernt, so dürfen Fußgänger im Ortsgebiet die Fahrbahn nur an Kreuzungen überqueren, es sei denn, dass die Verkehrslage ein sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an anderen Stellen zweifellos zulässt.
Bei der mVh wurde an der Unfallstelle (Obere Donaulände ggü. Haus Nr. 99) ein Lokalaugenschein durchgeführt.
Dort befindet sich in Fahrtrichtung stadtauswärts auf der rechten Seite eine Bushaltestelle (Busbucht mit einem wenige Meter langen Gehsteig).
Im Anschluss daran befindet sich – in beiden Richtungen – weder ein Gehsteig noch ein Gehweg.
Auf der linken Fahrbahnseite – stadtauswärts gesehen – befindet sich vom Römerbergtunnel bis St. Margarethen durchgehend ein Gehsteig.
Personen, welche an der "stadtauswärts gelegenen" Bushaltestelle aus dem Bus aussteigen, verbleibt realistischerweise nur die Möglichkeit, an dieser Stelle – unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs – die Fahrbahn zu überqueren.
Der Bw hat somit durch das Überqueren der Fahrbahn bei der Bushaltestelle nicht eine Verwaltungsübertretung nach § 76 Abs.6 StVO, sondern allenfalls eine nach § 76 Abs.1 StVO (".... überraschend die Fahrbahn betreten ...") begangen.
Eine allfällige Verwaltungsübertretung nach § 76 Abs.6 StVO ist jedoch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Straferkenntnisses – obendrein ist die Frist für die Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs.2 VStG) bereits verstrichen.
Betreffend die Punkte 1. und 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnis –
Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs.2 sowie § 76 Abs.6 StVO war daher
- der Berufung stattzugeben
- das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben
- das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen
- auszusprechen, dass der Bw weder eine Geldstrafe,
noch Verfahrenskosten zu bezahlen hat und
- spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.
Mag. Josef Kofler