Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105551/2/Br

Linz, 12.06.1998

VwSen -105551/2/Br Linz, am 12. Juni 1998

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn J gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 18. Mai 1998, AZ. VerkR96-5237-1997-OJ/KB, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird in Punkt 1) mit der Maßgabe Folge gegeben, daß gemäß § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird;

in Punkt 2) u. 3) wird das angefochtene Straferkenntnis in diesen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm §  21, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge;

Rechtsgrundlage:

§ 65 und § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem o.a. Straferkenntnis unter detaillierten Tatumschreibungen über den Berufungswerber 1) wegen der Übertretung nach § 14 Abs.1 FSG iVm § 37 Abs.1 FSG, 2) wegen Übertretung nach § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 3) wegen der Übertretung nach 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 Geldstrafen von je 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall je 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil der Berufungswerber am 5.11.1997 um 10.47 Uhr den LKW mit dem Kennzeichen Kreuzung Wiener Straße gelenkt habe und

1) den Führerschein nicht mitgeführt und diesen daher dem Organ der Straßenaufsicht auf dessen Verlangen nicht ausgehändigt habe,

2) einen Verkehrsunfall verursacht habe und den von ihm gelenkten LKW nicht sofort angehalten habe,

3) dabei eine Verkehrsleiteinrichtung (VZ Vorrang geben) beschädigt habe und hievon nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter verständigt habe.

1.1. Begründend meinte die Erstbehörde unter Zitierung der Rechtsvorschriften, daß der Berufungswerber zu Punkt 1) die Übertretung nicht bestritten habe und die Strafe für das Nichtmitführen des Führerscheines durchaus tatschuldangemessen sei, da sich der Geldstrafrahmen immerhin von 500 S bis 30.000 S erstrecke.

Zu Punkt 2) und 3) vermeinte die Erstbehörde sinngemäß, daß dem Berufungswerber alleine schon das knappe heranfahren an das Verkehrszeichen auffallen hätte müssen und ihm letztlich die Beschädigung des Verkehrszeichens durch einen Blick in den Außenspiegel möglich gewesen sein müßte. Er hätte daher unverzüglich anzuhalten gehabt und sofort eruieren müssen woher das als Verrücken des Ladegutes gedeutete Geräusch zu verifizieren sei. Betreffend den Punkt 3) vermißte die Erstbehörde schließlich eine vorfallsbezogene Verständigung der Gendarmerie oder des Straßenerhalters ohne unnötigen Aufschub.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ag. Rechtsvertreter zu Punkt 1) aus, daß auch mit der Verhängung der Mindeststrafe von 500 S das Auslangen gefunden werden hätte können.

Zu den Punkten 2) und 3) bringt er inhaltlich im Ergebnis vor, daß ihm ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden dürfe. Dabei weist er die Sicht der Erstbehörde, er hätte mit einem Blick in den Spiegel vom Kontakt mit dem Verkehrszeichen Kenntnis erlangen können, zurück, weil die Erstbehörde nicht dargelegt hätte, warum ihm dies mit diesem Blick in den Spiegel möglich gewesen sein solle. Tatsächlich lägen überhaupt keine Beweisergebnisse vor, die einen Hinweis auf eine Wahrnehmbarkeit des Kontaktes mit dem Verkehrszeichen zuließen. Der Berufungswerber weist auf sein Ladegut hin, welches aus Scheibtruhen und Werkzeug bestanden habe, wobei er das wahrgenommene Geräusch auf die Beschaffenheit des Ladegutes und der darin gelegenen Verursachung dieses Geräusches zurückführte.

Weiter rügt der Berufungswerber noch Verfahrensmängel und zum Teil eine unrichtige rechtliche Beurteilung.

Er beantragt abschließend die Herabsetzung der Geldstrafe in Punkt 1) auf das Mindestausmaß und im übrigen die Verfahrenseinstellung in eventu ergänzende Beweisaufnahmen durch Vernehmung eines Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt, welcher im Ergebnis unbestritten ist.

4. Es kann hier dahingestellt bleiben ob - wie sich aus der Anzeige ergibt - die Verkehrslichtsignalanlage (Verkehrsampel) oder wie im Punkt 3) des Straferkenntnisses vorgeworfen, ein Verkehrszeichen "Vorrang geben" beschädigt wurde.

Erwiesen ist, daß der Berufungswerber diese Verkehrsleiteinrichtung mit seinem LKW beim Rechtsabbiegen beschädigte. Dabei nahm er ein Geräusch wahr, welches er der Beschaffenheit seines Ladegutes, welches aus Werkzeugen und Scheibtruhen bestand, zuordnete. Bei der nächsten Entladung beim Volksheim E stellte der Berufungswerber fest, daß kein Ladegut verrutscht war und daher das beim Abbiegen wahrgenommene Geräusch einen anderen Grund gehabt haben mußte. Er fuhr daraufhin sogleich zur besagten Kreuzung zurück, wo er um 11.15 Uhr eintraf und stellte den Schaden an der Verkehrsleiteinrichtung fest, bei welcher Gelegenheit er den Unfall den dort offenbar schon anwesenden Polizeiorganen meldete (siehe Anzeigedaten).

Der unabhängige Verwaltungssenat vermag sich daher vollinhaltlich der Verantwortung des Berufungswerbers anzuschließen.

Insbesondere vermag der Erstbehörde nicht darin gefolgt werden, wenn diese offenbar nicht gelten lassen wollte, daß diese Streifung nicht bemerkt worden sein mußte. Der Vorhalt, daß dies mit einem Blick in den Rückspiegel möglich gewesen sein müßte, beweist einerseits keinesfalls, daß eine Sicht auf die Plane durch den rechten Außenspiegel überhaupt gegeben gewesen wäre. Sollte dies der Fall sein, darf bei realitätsnaher Betrachtung nicht übersehen werden, daß bei dem Einbiegevorgang mit einem Lastkraftwagen eine Fülle von Kontrollblicke erforderlich sind, wobei insbesondere das Hauptaugenmerk nach vorne gerichtet zu sein hat. Die erstbehördliche Argumentation vermag ferner darin nicht zu überzeugen, weil jedes Verkehrsgeschehen eine Fehlerneigung in sich birgt, wobei mindergradige Fehler durchaus auch ohne strafrechtlicher relevanter Schuld jedem Rechtssystem auch praktisch besehen offen zu bleiben haben. Die hier nicht sofort realisierte Streifung ist wohl ein solcher Fall, wobei die Situation für die Nichterkennung noch dadurch verschärft sein konnte, da - wie aus Seite zwei der Anzeige ersichtlich ist - die Beschaffenheit der Kreuzung durch Bauarbeiten und wegen fehlender Bodenmarkierungen und aufgestellter Haberkornhütchen atypisch gestaltet war und daher für den Lenker noch mehr Aufmerksamkeit unmittelbar auf die Fahrbahn zu richten war. Jedenfalls bei Wahrnehmung des Geräusches kann der Blick in den Rückspiegel wohl kaum mehr dessen Ursache erkennen lassen, da Streifungen zwischen fahrenden Fahrzeugen und Gegenständen auf der Straße sich in aller Regel nach physikalischer Logik nur im Zeitrahmen von Sekundenbruchteilen zutragen. Die Fehlzuordnung des Streifgeräusches scheint hier daher durchaus plausibel.

Der Berufungswerber ist somit im Recht, wenn er im Ergebnis vermeint, daß ihm mit der Argumentation der Erstbehörde der Tatvorwurf nicht nachgewiesen wurde. Vielmehr läßt der Umstand, daß der Berufungswerber sofort nach Feststellung seiner Fehleinschätzung des wahrgenommenen Geräusches offenkundig unverzüglich zur Vorfallstelle zurückkehrte, einerseits den geradezu zwingenden Schluß auf die Glaubwürdigkeit seiner Verantwortung, andererseits auf ein hohes Ausmaß an Verantwortungsbewußtsein des Berufungswerbers zu.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Die Anhaltepflicht (u. die Meldepflicht) tritt wohl grundsätzlich schon dann ein, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen waren. Von derartigen Umständen konnte hier zum Zeitpunkt des durch die Streifung ausgelösten Geräusches jedoch nicht - keinesfalls in einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit - ausgegangen werden. Aus der Sicht der Praxis kann es beim Lenken von Lastkraftfahrzeugen sehr wohl zu Situationen kommen, welche auch bei Einhaltung der objektiv zu erwartenden und subjektiv zumutbaren Sorgfalt einen so geringfügigen Fahrzeugkontakt (Streifung am Aufbau) nicht richtig zuordnen lassen. Dies lag hier in der Beschaffenheit des Ladegutes begründet.

Gänzlich unnachvollziehbar bleibt, daß die Erstbehörde bereits in der Meldung nach einer halben Stunde bereits eine Verletzung nach § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 (gemeint wohl iVm § 31 Abs.2 StVO 1960) zu erblicken können vermeint.

Der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" ist wohl auf den Einzelfall bezogen zu beurteilen, wobei etwa die Zeit von über vier Stunden keinesfalls als noch dieser Vorschrift entsprechend erachtet wurde (vgl. VwGH 23.2.1990, 85/18/0185 mit weiteren Judikaturhinweisen). Es kommt dabei nicht vordergründig auf die objektive Dauer bis zur Meldung, sondern die Nutzung der Zeit bis zur Meldung an (VwGH 24.2.1993, 92/02/0292). Der Berufungswerber ließ durch seine unverzügliche Rückkehr zum Vorfallsort vielmehr hier keine unnötige Zeit verstreichen um den gesetzlichen Voraussetzungen gerecht zu werden!

Inhalt dieser Pflicht ist einerseits die Ermöglichung der Sachverhaltsfeststellung und der späteren Durchsetzungsmöglichkeit der zivilrechtlichen Ansprüche. Eine vollständige, ihren Zweck erfüllende Meldung bildet hier augenscheinlich die unter Mitwirkung des Berufungswerbers gelegte Anzeige, welche die Personalien des Beschädigers (des am Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Beteiligten), die genauen Angaben über Unfallort, Unfallzeit, beschädigendes sowie beschädigtes Objekt und die Unfallursache enthält.

5.2. Schließlich vermag auch kein Grund für die Notwendigkeit einer Bestrafung in der Höhe von 1.000 S wegen des auf der Dienststelle vergessenen Führerscheines gesehen werden.

Nach § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde auch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Unter den in Abs.1 angeführten Voraussetzungen können die Organe der öffentlichen Aufsicht von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen.

Der unabhängige Verwaltungssenat sieht auf Grund des hier zu beurteilenden Verhaltens des Berufungswerbers mit seinen in jeder Richtung hin glaubwürdig erscheinenden Angaben auch zur subjektiven Tatseite keine Veranlassung, selbst wenn dies vom Berufungswerber nicht in diesem Ausmaß beantragt wurde, von der mildesten gesetzlichen Form der verwaltungsstrafrechtlichen Ahndung eines objektiven Fehlverhaltens (des Vergessens des Führerscheines auf der Dienststelle) nicht Gebrauch zu machen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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