Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550409/3/Wim/Rd/Pe

Linz, 04.07.2008

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über den Antrag der Architekten L, ZT- Gesellschaft OEG, vertreten durch D S C Rechtsanwalts-Partnerschaft, W, W, vom 1. Juli 2008 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren "Geladener Architektenwettbewerb, Neubau einer gemeinsamen Volksschule samt Turnsaal" der Ausloberin/Auftraggeberin Marktgemeinde B, zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Ausloberin/Auftraggeberin  Marktgemeinde B die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis  1. September 2008, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 1.7.2008 hat die Architekten L ZT-Gesellschaft OEG (im Folgenden: Antragstellerin) nachstehende Anträge (Hauptantrag) gestellt:

1)      Der UVS möge die Entscheidung, die Verhandlungen mit der         Antragstellerin abzubrechen, für nichtig erklären;

2)      Der UVS möge die Entscheidung des Auftraggebers über die Nicht-         Zulassung der Antragstellerin zum Verhandlungsverfahren gemäß § 30 Abs.2 Z6 BVergG 2006 für nichtig erklären;

3)      Der UVS möge die allenfalls mit diesen Entscheidungen implizit      verbundene Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden, für nichtig erklären;

4)      Der UVS möge die Entscheidung des Auftraggebers hinsichtlich der         nachträglichen Zulassung des nunmehr an erster Stelle gereihten Architekten DI (FH) J P zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren gemäß § 30 Abs.2 Z6 BVergG 2006 für nichtig erklären;

6)      Der UVS möge die Entscheidung des Auftraggebers, ein      Verhandlungsverfahren gemäß § 30 Abs.2 Z6 BVergG mit dem Architekten          DI FH J P zur Vergabe des diesem Nachprüfungsantrag        zugrundeliegenden Dienstleistungsauftrages zu führen, für nichtig          erklären;

7)      Der UVS möge der Antragstellerin gemäß § 17 AVG umfassend    Akteneinsicht gewähren;

8)      Der UVS möge eine mündliche Verhandlung durchführen;

9)      Der UVS möge den Auftraggeber dazu verhalten, der Antragstellerin       die von ihr entrichteten Pauschalgebühren zu ersetzen und  hinsichtlich der          Erlassung einer einstweiligen Verfügung für die Dauer des      Nachprüfungsverfahrens nachstehende Verfügungen zu erlassen, in          welcher:

a)      das gegenständliche Vergabeverfahren ausgesetzt wird;

b)      in eventu dem Auftraggeber untersagt wird, das Verhandlungsverfahren       gemäß § 30 Abs.2 Z6 BVergG fortzusetzen, insbesondere den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren zu erteilen;

c)      in eventu die Frist zur Legung eines Angebotes im Verhandlungsverfahren    ausgesetzt wird und den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren          zu erteilen;

d)      dem Auftraggeber jedenfalls untersagt wird, den Zuschlag im    gegenständlichen Vergabeverfahren zu erteilen;

e)      der Auftraggeber jedenfalls verpflichtet wird, der Antragstellerin die für         den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichtete          Pauschalgebühr binnen 14 Tagen zu Handen der Rechtsvertreter der         Antragstellerin zu ersetzen. 

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass beide Entscheidungen der Auftraggeberin, zugegangen am 24.6.2008, und zwar die Ausscheidung und die Nicht-Zulassung der Antragstellerin zum Verhandlungsverfahren ohne vorige Bekanntmachung angefochten werden. Weiters werden gemeinsam mit den gesondert anfechtbaren Entscheidungen, die nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen der Auftraggeberin, die vom Preisgericht vorgenommene Reihung der Gewinner des Wettbewerbs aus eigenem abzuändern und selbst die Reihung der Gewinner festzulegen, die ebenfalls die Rechtswidrigkeit gesondert anfechtbarer Entscheidungen begründet, sowie die nicht gesondert anfechtbare Entscheidung, andere als im Wettbewerb ermittelten Gewinner zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren gemäß § 30 Abs.2 Z6 BVergG zuzulassen, angefochten. Ferner wird die Entscheidung der Auftraggeberin, das Verhandlungsverfahren gemäß § 30 Abs.2 Z6 BVergG mit dem nach vorgenommener Umreihung der Wettbewerbsgewinner nunmehr erstgereihten Architekten DI (FH) J P zu führen, als Direktvergabe unter falscher Wahl des Vergabeverfahrens, angefochten.

 

Die Antragstellerin führt im Sachverhalt im Wesentlichen aus, dass die G als vergebende Stelle für die Marktgemeinde B als Auftraggeberin/Ausloberin in einem geladenen Architektur­wettbewerb ohne vorherige Bekanntmachung den gegenständlichen Dienst­leistungsauftrag ausgeschrieben habe. Als Grundlage habe die Auslobungs- bzw Ausschreibungsunterlage vom 27.8.2007 gedient.

Gegenstand des Wettbewerbs sei die Erlangung von Vorentwürfen für den Neubau einer gemeinsamen Volksschule samt Turnsaal. Gemäß Pkt A.4.1 der Ausschreibung seien sechs Architekten zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen worden, darunter neben der Antragstellerin, die Architekten DI FH J P, Ing. Mag. J K und DI A M. Die Ausschreibung habe eine Fragebeantwortungsrunde sowie ein Hearing vor Abgabe der Wettbewerbsarbeiten vorgesehen. Die Wettbewerbsarbeiten seien bis 29.10.2007, 17.00 Uhr, hinsichtlich der Pläne sowie bis 5.11.2007, 17.00 Uhr, hinsichtlich des Modells bei der G einzureichen gewesen. Die Ausschreibung habe neben den Angaben über die Zusammensetzung des Preisgerichts auch Bestimmungen über den weiteren Verfahrenslauf beinhaltet.

 

Von der Antragstellerin, DI P und DI M sowie zwei weiteren geladenen Architekten seien Wettbewerbsarbeiten zeitgerecht eingereicht worden. Das Preisgericht sei am 22.11.2007 zusammengetreten und habe dieses in Wahrung der Anonymität die Beurteilung in insgesamt drei Wertungsvorgängen vorgenommen. Im ersten Wertungsdurchgang sei das Projekt Nr. 12, im zweiten Wertungsdurchgang das Projekt Nr.13, jeweils einstimmig, aus der Wertung genommen worden. Im dritten Wertungsdurchgang sei zwischen den beiden verbleibenden Projekten Nr. 14 und 15 mit 6:3 Stimmen das Projekt Nr. 14 als Sieger gekürt worden. Daran anschließend seien vom Vorsitzenden des Preisgerichts die Verfasserbriefe der Wettbewerbsarbeiten geöffnet und die Projekte den zur Teilnahme am Wettbewerb geladenen Architekten zugeordnet worden, wobei das Projekt Nr. 14 – jenes der Antragstellerin als erstgereihtes – und das zweitgereihte bzw als Nachrücker gereihte Projekt Nr. 15 – jenes von Ing. K – hervorgegangen sei. Es seien nur die Projekte Nr. 14 und Nr. 15 gereiht worden. Das Projekt Nr. 12 sei nicht gereiht worden, zumal dieses bereits im ersten Wertungsdurchgang einstimmig aus der Wertung genommen worden sei.

Das Preisgericht habe der Ausloberin einstimmig empfohlen, den Verfasser des ersten Preises (Antragstellerin Projekt Nr. 14) mit den weiteren Planungsarbeiten unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Preisgerichtes zu beauftragen.

 

Mit Schreiben vom 13.12.2007 sei die Antragstellerin von der G unter Hinweis auf § 155 Abs.10 BVergG davon verständigt worden, dass sie als Gewinnerin des Wettbewerbs zum Verhandlungsverfahren zugelassen und für 18.12.2007 in das Marktgemeindeamt B zur Verhandlung und zur Vergabe des Dienstleistungsauftrages für das gegenständliche Projekt eingeladen werde. Weiters sei die Antragstellerin ersucht worden, bis 17.12.2008 ein schriftliches Honoraranbot auf Basis des "Mustervertrages für Architektenleistungen für Hochbauvorhaben der Gemeinden für Oberösterreich" an die Auftraggeberin zu richten.

Am 18.12.2007 habe ein Verhandlungsgespräch auf Basis des von der Antragstellerin gelegten schriftlichen Honoraranbots stattgefunden und seien sämtliche für den Vertragsabschluss notwendigen Details erörtert und zwischen den Parteien einvernehmlich vereinbart worden. Am Ende des Verhandlungsgesprächs habe die Auftraggeberin den Abschluss des Verhandlungsverfahrens bekanntgegeben; dies sei in einer Niederschrift festgehalten worden.

 

Am 14.12.2007 sei vom Zweitgereihten Ing. K ein Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung über seine Nichtzulassung zur Teilnahme am gegenständlichen Verhandlungsverfahren beim Oö. Verwaltungssenat eingebracht worden. Mit Schreiben vom 11.1.2008 habe die Auftraggeberin die Antragstellerin davon in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Erteilung des Zuschlages im gegenständlichen Verfahren bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren untersagt worden sei. Mit Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 29.2.2008 sei der Antrag des Ing. K zurückgewiesen worden und habe daher die Entscheidung der Auftraggeberin über die Nichtzulassung sämtlicher anderer Teilnehmer Bestandskraft erlangt.

 

Mit Beschluss des Gemeinderats der Marktgemeinde B vom 14.4.2008, sei mit 13:12 Stimmen, abweichend von der Entscheidung des Preisgerichts vom 22.11.2007, das Projekt Nr. 12, also jenes, das bereits im ersten Wertungsdurchgang einstimmig aus der Wertung genommen worden sei, zum Siegerprojekt zu erklären und das Projekt der Antragstellerin auf den zweiten Platz zu reihen, gefasst worden. Nachdem der Bürgermeister der Marktgemeinde B den Beschluss vom 14.4.2008 sistiert hatte, habe der Gemeinderat in seiner Sitzung am 28.4.2008 wiederum mit 13:12 Stimmen einen Beharrungsbeschluss gefasst. Bemerkenswert an diesen knappen Mehrheitsbeschlüssen des Gemeinderats sei, dass an der Mehrheitsbildung (SPÖ und FPÖ-Fraktion) auch Gemeinderäte mitgewirkt haben, die zuvor als Sachpreisrichter in der Jurysitzung des Preisgerichts (gemeinsam mit allen anderen Preisrichtern) dafür gestimmt haben, das Projekt Nr. 12 bereits im ersten Wertungsdurchgang aus der Wertung zu nehmen. Die Beurteilung der Projekte durch diese Preisrichter habe sich also nach Aufhebung der Anonymität gravierend geändert.

 

Am 24.6.2008 habe die G mitgeteilt, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 14.4.2008 und 28.4.2008 mit Stimmenmehrheit den Beschluss gefasst habe, dass die Gewinner des Wettbewerbs wie folgt festgelegt werden:

1. Platz: Architekt DI FH J P

2. Platz: Architekten L

3. Platz: Architekt DI A M.

Weiters wurde bekannt gegeben, dass nunmehr mit DI FH J P als Erstgereihtem ein Verhandlungsverfahren durchgeführt und die übrigen Teilnehmer des Wettbewerbs nicht zum Verhandlungsverfahren zur Vergabe des Dienstleistungsauftrages zugelassen werden. Überdies sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass das Verhandlungsverfahren mit ihr abgebrochen werde.

 

Die Zulässigkeit der eingangs angeführten Anträge wurde von der Antragstellerin ausführlich dargelegt.

Überdies erachtet sich die Antragstellerin in ihren Rechten auf

-         Teilnahme an einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren,

-         Nichtausscheiden ihres Angebots;

-         eine zu ihren Gunsten lautende Zuschlagsentscheidung mit nachfolgender Zuschlagserteilung bzw eine zu ihren Gunsten erfolgende Zuschlagserteilung (ohne vorherige Bekanntgabe einer zu ihren Gunsten lautenden Zuschlagsentscheidung),

-         Durchführung eines transparenten Vergabeverfahrens;

-         Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung;

-         ordnungsgemäße und rechtskonforme Durchführung, Fortsetzung und Beendigung des Vergabeverfahrens;

-         Teilnahme an einem vergaberechtskonform abgehaltenen geladenen Wettbewerb;

-         vergaberechtskonforme Beurteilung und Reihung der Wettbewerbsarbeiten vor Aufhebung der Anonymität der Verfasser der Arbeiten;

-         vergaberechtskonforme Entscheidung des Auftraggebers zur Zulassung zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren;

-         Nichtzulassung von Teilnehmern zum Verhandlungsverfahren, deren Wettbewerbsarbeiten im Wettbewerb vom Preisgericht weder einer Wertung unterzogen noch zu Gewinnern erklärt wurden;

-         ordnungsgemäße Wahl des Vergabeverfahrens;

-         Widerruf des gegenständlichen Vergabeverfahrens

als verletzt.

 

Zum Schaden wurde ausgeführt, dass durch den Abbruch der Verhandlungen und der Nichtzulassung zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren ein unwiederbringlicher Schaden durch den Entgang des gebührenden Auftrages und damit der Verlust des Verdienstes in Höhe von ca. 23.000 Euro drohe. Darüber hinaus seien bereits Aufwendungen von ca. 30.000 Euro getätigt worden und drohen diese nunmehr frustriert zu werden. Zudem drohe der Verlust eines Referenzprojektes. Weiters wurde von der Antragstellerin ihr Interesse dargelegt.

 

Von der Antragstellerin wurde im Antrag weiters ausführlich die Rechtswidrigkeit des Abbruchs des Verhandlungsverfahrens sowie die Nichtzulassung an der Teilnahme am Verhandlungsverfahren dargelegt.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf die Ausführungen zum Hauptantrag und führt den ihr bei nicht Erlassung der einstweiligen Verfügung  drohenden Schaden näher aus. Im Übrigen bringt die Antragstellerin vor, dass der Erlassung keine schwerer wiegenden möglicherweise geschädigten Interessen des anderen Bieters und der Auftraggeberin sowie kein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens entgegenstehen würden. Im Gegenteil: Das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Abhaltung des vorliegenden Vergabeverfahrens bekomme aufgrund der Geschehnisse rund um dieses Vergabeverfahren, insbesondere die Vorgangsweise der Auftraggeberin im Rahmen der Gemeinderatssitzungen, besonderes Interesse. Auch bestehe keine Gefahr für Leib und Leben. Es überwiege daher das Interesse der Antragstellerin auf Überprüfung des rechtswidrigen Vorgehens der Auftraggeberin bei weitem.

  

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Marktgemeinde B als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die Marktgemeinde B ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Von der Auftraggeberin wurde keine fristgerechte Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgegeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer 

 

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