Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105660/2/BR

Linz, 28.07.1998

 VwSen-105660/2/BR Linz, am 28. Juli 1998

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 30. Juni 1998, Zl. VerkR96-556-1998, wegen der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht:

Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der angefochtene Bescheid vom 30. Juni 1998 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wird;

Der Antrag des Berufungswerbers vom 22. Mai 1998 auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4, § 69 Abs.1 und Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.471/1995 iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Gegen den Berufungswerber wurde von der Bezirkshauptmannschaft Perg eine mit 2. März 1998 datierte Strafverfügung, Zl.: VerkR96-556-1998, wegen der Übertretungen nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 erlassen und damit eine Geldstrafe in der Höhe von 700 S und im Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen.

1.1. Diese Strafverfügung wurde für den Berufungswerber ab 4. März 1998 beim Postamt S zur Abholung bereitgehalten.

Das Schriftstück wurde in der Folge vom Postamt offenbar nicht behoben, sondern der Behörde an unbekanntem Datum rückgeleitet. Es findet sich mit dem Rückschein im Akt.

Eine Verständigung der Hinterlegung mit dem gegenständlichen Aktenzeichen der Bezirkshauptmannschaft Perg wurde offenbar (auch) noch vier Wochen später im Hausbrieffach eingelegt, wobei diese mit 3. April 1998 datiert ist. Es findet sich schließlich (auch) das Datum 4. April 1998 auf dem Verständigungsschreiben, welches offenbar mit der Paraphe des Zustellers versehen ist. Die Ziffer "4" ist auf diesem Schreiben jedoch durchgestrichen und dieser Ziffer die "3" vorgesetzt.

1.2. Der Berufungswerber hat offenbar in der Folge auf Grund dieses Vorganges (der vermeintlichen Zustellung der Strafverfügung) eine Zahlungsaufforderung der Bezirkshauptmannschaft Perg erhalten. Auf dieses hat er mit dem Schreiben seines Rechtsvertreters vom 22. Mai 1998 reagiert und schon darin u.a. vorgebracht, daß ihm die Sendung nicht zugekommen sei. Er habe die Sendung auf Grund der Verständigung am 8. April 1998 beim Postamt S abholen wollen. Diese sei jedoch an diesem Tag dort nicht auffindbar gewesen. Dieser Umstand wurde handschriftlich (offenbar vom Berufungswerber) am Rückschein mit dem Zusatz vermerkt, daß er dies um 15.00 Uhr des 8.4.1998 seinem Rechtsvertreter telefonisch mitgeteilt habe. Ebenfalls wies der Berufungswerber in diesem Schreiben auf die Datumsänderung auf dem Verständigungsschreiben hinsichtlich der Hinterlegung eines Schriftstückes bei der Post vom 4. April 1998 auf den 3. April 1998 hin.

Abschließend beantragte er in diesem Schreiben "die Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. die Zustellung dieses Bescheides (gemeint wohl die Strafverfügung) an seinen Vertreter".

2. Die Bezirkshauptmannschaft Perg veranlaßte daraufhin im Wege der Rechtshilfe durch die Bundespolizeidirektion Linz dem Rechtsvertreter des Berufungswerber Akteneinsicht zu gewähren. Dies geschah schließlich am 10. Juni 1998 durch den Rechtsvertreter, wobei diesem eine Frist von vier Wochen zur Stellungnahme eröffnet wurde.

Mit Schreiben vom 24. Juni 1998 wurde einerseits der sich aus der Strafverfügung ergebende Tatvorwurf bestritten, indem vermeint wurde, daß mit einem noch in Zukunft liegendem Datum, nämlich den "17.11.1998" die Tat nicht begangen worden sein könne und er dafür nicht bestraft werden dürfe.

Abschließend beantrage er die Einstellung dieses Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihn.

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg erließ daraufhin den hier angefochtenen Bescheid und wies den Antrag vom 22. Mai 1998 auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Über den weiteren Antrag vom 22. Mai 1998, nämlich auf Zustellung wurde nicht abgesprochen!

In ihrer Begründung ging die Behörde von der Zustellung der Strafverfügung an den Berufungswerber am 4. März 1998 durch Hinterlegung aus.

2.2. In der dagegen erhobenen Berufung wendet der Berufungswerber im h. entscheidungsrelevanten Umfang ein, daß eine wirksame Zustellung nicht erfolgt sei. Er verweist zutreffend auf die sich aus dem Akt ergebenden Widersprüchlichkeiten im Zustellvorgang. Insbesondere den Umstand der Hinterlegunganzeige vier Wochen nach der Hinterlegung bei der Post ab 4. März 1998 und die Datumsänderung auf dieser Hinterlegungsanzeige. Zutreffend verweist der Berufungswerber daher auf die Pflicht der Behörde sich mit seinem Vorbringen zumindest auseinanderzusetzen, was sie aber unterließ.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ist somit gegeben. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich angesichts des schlüssigen Vorbringens des Berufungswerbers in Verbindung mit der Aktenlage als nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und der mit der Berufung vorgelegten Kopie der Hinterlegungsanzeige mit dem darauf befindlichen handschriftlichen Vermerk im Hinblick auf das bei der Post am 8. April 1998 nicht aufgefundene Schriftstück.

Aus den umfangreichen Schriftsatz des Berufungswerbers geht auch hervor, daß er den Antrag auf Wiederaufnahme nur als Eventualantrag verstanden wissen wollte, falls â€" was er bestreite â€" von einer wirksamen Zustellung ausgegangen würde.

3.2. Wie sich bereits aus der Aktenlage ergibt kann hier von einer erfolgten Zustellung nicht ausgegangen werden. Dies behauptete der Berufungswerber bereits zum Zeitpunkt seiner Mitteilung mit Schreiben von 22. Mai 1998 an die Bezirkshauptmannschaft Perg. Endgültig glaubhaft gemacht wird dies letztlich mit der vorgelegten Hinterlegungsanzeige und den darauf angebrachten Vermerk. Schließlich ist dem Berufungswerber die Strafverfügung auch tatsächlich nicht zugekommen. Dies ist vor allem aus dem unlösbaren Widerspruch der Datierung des Rückscheines (Beginn der Abholfrist 4.3.1998) und der Ankündigung der Hinterlegung dieses Schriftstückes mit "3.4.1998" anzunehmen.

Es ist daher unerfindlich, daß sich die Tätigkeit der Behörde im Rahmen eines inhaltsleeren Rechtshilfeersuchens erschöpfte und nicht zumindest dieses Rechtshilfeersuchen als Gelegenheit für die bereits am 22. Mai 1998 beantragte Zustellung genutzt wurde, wo bereits damals die von der Post wieder an die Behörde rückgeleitete Strafverfügung im Akt gewesen sein dürfte. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, daß man sich mit dem durchaus substanziellen Vorbringen im Hinblick auf die offenkundigen Ungereimtheiten bei der Zustellung und den bereits darin zu vermutenden Zustellmangel in keiner Weise auseinandersetzte und letztlich nur über den Eventualantrag entschied, ohne zu prüfen ob überhaupt ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vorlag, was offenkundig nicht der Fall war.

4. Nach § 69 Abs.1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und .......

Da hier mangels Zustellung eines Bescheides ein abgeschlossenes (in Rechtskraft erwachsenes) Verfahren nicht vorlag, konnte einerseits weder ein Rechtsmittel erhoben werden noch war eine Sachentscheidung hinsichtlich des Eventualantrages der Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig (vgl. VwGH 10.10.1950, Slg. 1678A). Der abweisende sacherledigende Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg war daher inhaltlich rechtswidrig und war folglich aufzuheben.

Gleichzeitig war aber nach Prüfung der Vorfrage â€" welche das Vorliegen eines rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren nicht ergeben hat â€" der diesbezügliche Antrag in vollständiger Erledigung der Anträge im Rahmen des Berufungsverfahrens zurückzuweisen.

Die Erstbehörde wird daher über den noch "offenen" Antrag der Zustellung des Bescheides zu befinden haben. Die Berufungsbehörde sieht sich in diesem Zusammenhang nicht befugt über den noch offenen Antrag (der Zustellung) selbst abzusprechen, da damit für den Berufungswerber die Sachentscheidung der I. Instanz verloren ginge.

Aus prozeßökonomischen Gründen wird bereits an dieser Stelle auf das Erfordernis des § 44a Z1 VStG hingewiesen, wonach für eine taugliche Verfolgungshandlung einer so präzisen Umschreibung der Tat im Hinblick auf Tatort und Tatzeit bedarf, daß ein Beschuldigter sich in jeder Richtung hin verteidigen kann. Ob dies bei einem in Zukunft liegenden Datum der Fall ist, hat hier dahingestellt zu bleiben (vgl. jedoch etwa VwGH 10. Juni 1992, Zl. 92/04/0062).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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