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VwSen-720209/2/Gf/Mu/Se

Linz, 06.06.2008

sen., gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 10. März 2008, Zl. Sich40-15943, wegen der Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der am .... in Leipzig geborene deutsche Beschwerdeführer lebte bis zur Scheidung seiner Eltern im Jahr 1985 in Leipzig, wo er zwei Klassen der Volksschule besucht hat. Danach hat er in Ungarn die Pflichtschule absolviert und erfolgreich eine dreijährige Tischlerlehre abgeschlossen. In der Folge rückte er am 2. Februar 1997 in die ungarische Armee ein. Am 1. Mai 1997 wurde er wegen Schizophrenie − wobei er in dieser Zeit auch einen Selbstmordversuch unternommen hat – wieder aus der Armee entlassen. Sein Vater, der seit dem Jahr 2002 zu seinem Sachwalter bestellt wurde, holte ihn dann ca. im August 1997 nach Österreich. Dann ist er zwar für ein halbes Jahr wieder nach Ungarn gegangen, aber nach seiner Rückkehr war er von 1998 bis August 2000 in verschiedenen Unternehmen beschäftigt. In der Folge hat er in Deutschland im Zuge einer Psychose seine Schwägerin und ihr Kind mit dem Umbringen bedroht, weshalb er bereits dort stationär psychiatrisch behandelt wurde. Nach der Entlassung verschlechterte sich jedoch sein Gesundheitszustand, sodass er – wieder in Österreich aufhältig – zunächst von 2003 bis Ende April 2007 stationär und in der Folge ambulant behandelt werden musste.

1.2. Mit Urteil des LG Ried im Innkreis vom 24. Jänner 2008, Zl. 7Hv115/05k, wurde über den Rechtsmittelwerber gemäß 21 Abs. 1 StGB die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Er wurde für schuldig erkannt, dass er am 7. Juni 2007 versucht habe, seinen Vater durch Versetzen von Schlägen mit einem Hammer gegen den Kopf zu töten, er jedoch zum Tatzeitpunkt auf Grund seines Krankheitsbildes nicht zurechnungsfähig gewesen ist, weshalb er nicht für das Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15 und 75 StGB verurteilt worden ist.

1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 10. März 2008, Zl. Sich40-15943, wurde gegen den Rechtsmittelwerber ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass eine inländische gerichtliche Verurteilung vorliege. Im Rahmen des Parteiengehörs sei der Vater als Sachwalter zur Erlassung des beabsichtigten Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit eingeräumt worden, dazu Stellung zu nehmen. Darauf hin habe dieser angegeben, dass neben seinem Sohn noch ein Bruder im Bundesgebiet lebt und jener zu seiner leiblichen Mutter, die in Deutschland wohnt, keinen intensiven Kontakt habe, weshalb es für den Vater wichtig wäre, wenn er bei seinem Bruder und ihm in Österreich leben könnte, was auch aus ärztlicher Sicht zu befürworten wäre.

1.4. Gegen diesen dem Sachwalter am 22. April 2008 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 2. Mai 2008 – und damit rechtzeitig – persönlich bei der belangten Behörde abgegebene Berufung.

Darin bringt der Vater als Sachwalter vor, dass sein Sohn derzeit in Haft und auch in medizinischer Behandlung sei, weshalb sich die Nachteile für seinen Sohn im Falle einer sofortigen Abschiebung vergrößern würden, weil sich dadurch auch sein Gesundheitszustand wieder verschlechtern könnte.

Es wird daher – erschließbar – beantragt, das unbefristete Aufenthaltsverbot aufzuheben und die Zuerkennung eines Durchsetzungsaufschubes bis zur Haftentlassung des Sohnes zu gewähren.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn zu Zl. Sich40-15943; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 60 Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

Als bestimmte Tatsache in diesem Sinne gilt nach § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG u.a., wenn der Fremde von einem inländischen Gericht – oder von einem ausländischen Gericht, wenn die Tat auch nach österreichischen Recht gerichtlich strafbar ist und die Verurteilung in einem Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen ist (vgl. § 60 Abs. 3 iVm § 73 StGB) – zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe bzw. zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist.

Ein Aufenthaltsverbot kann im Fall des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG unbefristet, sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden (§ 63 Abs. 1 FPG).

Gemäß § 60 Abs. 4 FPG ist einer Verurteilung nach § 60 Abs. 2 Z. 1 eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.

Nach § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei dieses persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

3.2.1. Im gegenständlichen Fall liegt – auch vom Sachwalter unbestritten – eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung vor, mit der über den Rechtsmittelwerber gemäß 21 Abs. 1 StGB die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet wurde; dies stellt ex lege eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs. 4 FPG dar (s.o., 1.2.), die die Fremdenpolizeibehörde nach § 63 Abs. 1 FPG dazu ermächtigt, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu verhängen.

Angesichts des gerichtlich festgestellten gravierenden Fehlverhaltens bedeutet ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet daher eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die das Grundinteresse der Gesellschaft durch dessen Krankheitszustandes berührt. Dies ergibt sich insbesondere aus dem der Erstbehörde vorgelegten Gutachten der Forensische Neuropsychiatrie vom 3. August 2007, Zl. 319/07 Gr/Klo, mit dem ein signifikanter Behandlungserfolg verneint wurde, sodass keine positive Zukunftsprognose gestellt werden kann. Darüber hinaus ist der seit dem Ende des Fehlverhaltens (7. Juni 2007) verstrichene Zeitraum jedenfalls zu kurz, um die vom Rechtsmittelbewerber ausgehende Gefahr der Begehung gleichartiger Delikte bereits als weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert ansehen zu können. Außerdem befindet sicher der Beschwerdeführer gegenwärtig noch in Haft, sodass keinerlei Erfahrung über seinen tatsächlichen zwischenmenschlichen Umgang in normaler Gesellschaft und Umgebung besteht und daher eine dementsprechende Prognose derzeit überhaupt unmöglich ist.

Selbst wenn durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes tatsächlich iSd § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG insofern in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird, als der Sachwalter vorbringt, dass die Nachteile durch eine sofortige Abschiebung für seinen Sohn größere wären, weil sich somit sein Gesundheitszustand wieder verschlechtern könnte, ist dessen Erlassung aus den genannten spezialpräventiven Gründen, aber auch aus generalpräventiven Gründen, nämlich zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Wege der Hintanhaltung von gravierenden Kriminalverbrechen (Mord), unverzichtbar.

Davon abgesehen bleibt es dem Rechtsmittelwerber ohnehin unbenommen, nach § 65 Abs. 1 FPG jederzeit wieder einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu stellen, wenn (er subjektiv der Meinung ist, dass) die Gründe, die zu dessen Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

3.3. Die gegenständliche Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro entstanden, ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. Grof

 

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