Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163217/6/Br/Ps

Linz, 17.06.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J K, geb. am, S, L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. V und Dr. G, S, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 9.4.2008, AZ: S-4957/08 VP, wegen Übertretung der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Juni 2008, zu Recht:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Wider den Berufungswerber wurde von der Behörde erster Instanz wegen einer Übertretung nach § 4 Abs.2 StVO iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden verhängt, weil er in Puchenau, Golfplatzstraße 2, vor dem Spar-Markt Puchenau (Parkplatz), am 10.12.2007, 16:00 Uhr, als Lenker des Pkw mit dem Kz.: an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und folglich nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt habe.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Der dem Spruch zugrunde liegende Sachverhalt ist durch die Unfallanzeige vom 17.12.2007, sowie das durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei erwiesen. Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch ange­führte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Zur mündlichen Verhandlung am 08.04.2008 wurde Ihr ausgewiesener Rechtsvertreter geladen. Die Ladung wurde zu eigenen Händen zugestellt und am 19.03.2008 persönlich von einem Angestellten des berufsmä­ßigen Parteien Vertreters übernommen. Weiters enthielt die Ladung die Androhung, dass das Verwaltungsstrafverfahren ohne weitere Anhörung durchgeführt wird, falls dieser keine Folge geleistet wird. Da der La­dung unentschuldigt nicht nachgekommen wurde, musste das Verwaltungsstrafverfahren, wie bereits ange­droht, ohne weitere Anhörung durchgeführt werden.

 

Gemäß § 4 Abs. 2 StVO haben die im Absatz 1 genannten Personen Hilfe zu leisten, wenn bei einem Ver­kehrsunfall Personen verletzt worden sind; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben Sie nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Wenn bei einem Verkehrsunfall, an dem ein Schienenfahrzeug oder ein Omnibus des Kraftfahrlinienverkehrs, beteiligt ist, sich erst nach dem Wegfahren des Schienenfahrzeuges bzw. des Omnibusses nach dem Unfall eine verletzte Person meldet, kann auch das Unternehmen, dem das Schienenfahrzeug bzw. Omnibus ge­hört, die Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigen.

 

Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von € 36,00 bis € 2.180,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammen­hang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt; insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des zugrunde­liegenden Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser im Zuge des ordentlichen Ermittlungsverfahrens festge­stellt werden konnte und Ihrerseits Äußerungen dagegen unterblieben sind. Somit war für die erkennende Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung der Straßenverkehrsordnung schuldhaft verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefähr­dung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Be­hörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Als mildernd bei der Strafbemessung war das Fehlen verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen zu werten; erschwerende Umstände lagen keine vor.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben und ein Einkommen von ca. € 1000,00 monatlich bezie­hen.

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung mit folgenden Ausführungen:

"Gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 9.4.2008, GZ S-4957/08VP, erhebt der Berufungswerber in offener Frist die

 

BERUFUNG

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich.

Das Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten und wird dazu im Einzelnen wie folgt ausgeführt:

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Berufungswerber zur Last gelegt, am 10.12.2007, gegen 16.00 Uhr, mit dem Fahrzeug Kz. , einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht und diesen nicht sofort der nächsten Sicherheitsdienststelle gemeldet zu haben. Durch den Tatvorwurf habe er einen Verstoß nach § 4/2 StVO gesetzt. Von dem Berufungswerber wurde deshalb eine Geldstrafe von € 200,00 zuzüglich Verfahrenskosten verhängt.

 

In der Begründung wird ausgeführt, dass der Tatvorwurf aufgrund der Erhebungen erwiesen sei. Zum vorgesehenen Termin sei der Vertreter des Berufungswerbers nicht erschienen. Eine entsprechende Verantwortung liege daher nicht vor. Die verhängte Geldstrafe sei weiters angemessen.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass telefonisch um eine Terminverlegung ersucht wurde. Diese Terminverlegung ist offensichtlich nicht berücksichtigt worden und ist stattdessen umgehend darauf das gegenständliche Straferkenntnis erlassen worden.

 

Das gegenständliche Verfahren war weiters bis zur Entscheidung der Bundespolizeidirektion Linz bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung anhängig. Eine Überweisungsver­ständigung ist nicht erfolgt. Darüber hinaus ist im gegenständlichen Falle eine Überweisung gemäß § 27 VStG rechtlich nicht gedeckt. Zudem ist aufgrund der Aktunterlagen nicht erkennbar, welche Behörde nunmehr tatsächlich verantwortlich ist. Aus den Aktunterlagen ergeben sich diverse Überweisungen und Rücküberweisungen zwischen den beiden genannten Behörden.

 

Dem Akt kann weiters entnommen werden, dass das gegenständliche Verfahren laut Akten­vermerk vom 25.2.2008 bereits eingestellt wurde.

 

Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum es erneut zu einer Verfahrensfortsetzung seitens der Erstbehörde Bundespolizeidirektion Linz gekommen ist.

 

Es ist weiters aber auch davon auszugehen, dass der Berufungswerber das Vorfallsgeschehen nicht verschuldet hat.

 

Die Fußgängerin hat unberechtigterweise einen Fahrbahnbereich benützt. Sie hat weiters, wie auch die Zeugin angegeben hat, das Fahrmanöver des Berufungswerbers nicht entsprechend beobachtet.

 

Es sind weiters aber auch die Voraussetzungen nach § 4/2 StVO nicht gegeben.

 

Aufgrund des Vorfallsgeschehens war für den Berufungswerber nicht erkennbar, dass die Fußgängerin tatsächlich verletzt wurde. Es haben sich auch in der Richtung keine erkennbaren Anhaltspunkte ergeben. Es wurde weiters auch ausdrücklich erwähnt, dass im Falle einer ärztlichen Behandlung mit dem Berufungswerber Kontakt aufgenommen wird.

 

Aufgrund dieser Sachlage war jedenfalls die Beiziehung der Behörde bzw. die Meldung bei der nächsten Polizei- und Gendarmeriedienststelle nicht erforderlich.

 

Von der ärztlichen Behandlung wurde der Berufungswerber dann auch nicht verständigt.

Im Übrigen war ab diesem Zeitpunkt auch eine Beiziehung der Polizei- und Gendarmeriedienststelle nicht mehr erforderlich.

 

Es ist weiters davon auszugehen, dass der Tatzeitpunkt nicht ordnungsgemäß definiert ist.

 

Zum Zeitpunkt 16.00 Uhr hat sich der Berufungswerber im Geschäft aufgehalten und hat er kein Fahrzeug gelenkt.

 

Es ist vveiters auch das Straferkenntnis in Bezug auf die Übertretung nicht ordnungsgemäß definiert. Es fehlt insbesondere die Verbindung mit der Bestimmung des § 99 StVO.

 

Es ist weiters auch die Unfallsörtlichkeit nicht entsprechend festgelegt.

Das Vorfallsgeschehen hat sich im Bereich der Golfplatzstraße abgespielt und nicht im Park­platzbereich.

 

Es ist vveiters aufgrund des gegenständlichen Sachverhaltes davon auszugehen, dass die verhängte Geldstrafe bei weitem überhöht ist.

 

Der Berufungswerber ist unbescholten. Er hat kein Einkommen von € 1.000,00. Weiters hat er noch Sorgepflichten. Er ist zudem unbescholten und ist im gegenständlichen Falle von einer äußerst geringen Schuld - wenn überhaupt - auszugehen.

 

Der Tatvorwurf ist daher nicht berechtigt und ist die verhängte Geldstrafe überhöht.

 

Es wird daher beantragt, in Stattgebung der Berufung das Straferkenntnis aufzuheben und das anhängige Verfahren einzustellen.

 

L, den 25.04.08 Dr. V/N                                                                    J K"

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG durchzuführen.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Anlässlich der Berufungsverhandlung wurden als Zeuginnen die Unfallbeteiligte und deren Begleiterin sowie der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ohne Bekanntgabe von Gründen nicht teil.

 

4. Zum Sachverhalt:

 

4.1. Der Berufungswerber lenkte an der im Spruch genannten Zeit u. Örtlichkeit sein Fahrzeug im Retourgang aus einer Parklücke. Offenbar bemerkte er dabei  die kurz vorher am Fahrzeugheck vorbeigegangenen Zeuginnen nicht. Die Fußgängerinnen waren wegen der Verparkung des Gehsteiges verhalten, die Fahrbahn zu benützen und hinter den dort etwa im rechten Winkel zur Fahrbahn abgestellten Fahrzeugen vorbeizugehen. Während die Fußgängerin G. H dem zurückschiebenden Fahrzeug gerade noch ausweichen konnte, geriet Frau S an deren linken Körperseite mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers in Kontakt. Gemäß der vom Berufungswerber vorgelegten von den Zeugen bei der Berufungs­verhandlung illustrierten Hand­skizze dürfte sich der Vorfall jedoch nicht auf Höhe des Hauses Nr., sondern eher wohl auf Höhe der Nr. ereignet haben (siehe Bild aus dem System DORIS des Landes Oö). Dies kann hier aber ebenfalls auf sich bewenden wie die exakte Tatortbezeichnung, ob Parkplatz oder Straße.

Dem Berufungswerber, welcher der Zweitbeteiligten S als ehemaliger Postzusteller persönlich bekannt war, wurde der stattgefundene Anstoß am linken Unterarm unmittelbar nach dem Vorfall verbal zur Kenntnis gebracht, wobei seitens der Zeugin im Ergebnis vermeint wurde, sie hoffe die sogleich vorhandenen Schmerzen durch Auflegen von Eisbeuteln wieder los zu bekommen. Eine Verletzung am Arm und die nachfolgend offenbar auch am Fuß festgestellten angeblich unfallbedingten Verletzungen wurden gegenüber dem Berufungswerber nicht unverzüglich artikuliert. Auch von der Beiziehung der Polizei war vor Ort nicht die Rede. Dies wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung auch von der Zeugin G. H bestätigt.

Die polizeiliche Meldung seitens des Berufungswerbers unterblieb demnach vor dem Hintergrund dieses Informationsstandes, mit welchem sich die Unfallbeteiligten voneinander treten.

Erst tags darauf erfolgte über einen Arztbesuch der Zeugin S die Anzeigeerstattung.

Das gerichtliche Verfahren wurde zurückgelegt, wobei seitens der Zeugin auch gegen diese Verfügung der Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel ergriffen wurde.

Mit Blick darauf konnte der Verantwortung des Berufungswerbers dahingehend gefolgt werden, dass er sich im guten Glauben befunden hat, dass eine unverzügliche polizeiliche Meldung nicht notwendig wäre.

Kein Zweifel besteht jedoch an der Zuordnung der genannten Verkehrsfläche iSd § 1 StVO.

Festzustellen gilt es zuletzt, dass die Bundespolizeidirektion Linz am 20.2.2008 das Verfahren (den Akt) nach § 27 VStG an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgegbung mit dem Hinweis übermittelte, dass ein Verfahren gg. den Berufungswerber unter Hinweis auf § 42 StGB nach § 99 Abs.6 lit.c StVO nicht mehr durchzuführen sei. 

Dieses Schreiben findet sich aus unerfindlichen Gründen nicht im vorgelegten Behördenakt. Dieses wurde anlässlich der Berufungsverhandlung vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers vorglegt.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn hiebei Personen verletzt worden sind, die nächste Polizeidienststelle sofort zu verständigen.

 

Da hier – wie im Rahmen der obigen Feststellungen ausführlich würdigend dargelegt – der Berufungswerber mit der Fußgängerin nachweislich Kontakt aufgenommen hatte und diese eine Verletzung gerade nicht behauptete, sondern eine solche vielmehr de facto nicht bestätigte, kann es dem Berufungswerber letztlich nicht zum Vorwurf gereichen, nicht dennoch eine Meldung bei der Polizei gemacht zu haben.

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.2 2. Satz StVO 1960 haben die im Abs.1 genannten Personen – das sind alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht – die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind bzw. mit einer Verletzung gerechnet werden muss. Wird eine Verletzung von der betreffenden Person jedoch im Ergebnis verneint, kann eine solche Verpflichtung wohl nicht bestehen (vgl. VwGH 13.12.2000, 2000/03/0270 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. VwGH 15.12.1999, 99/03/0406) ist wohl aus § 4 Abs. 2 StVO 1960 für die im Abs.1 dieser Gesetzesstelle genannten Personen die Verpflichtung abzuleiten, sich bei einem Verkehrsunfall, der zwar keine äußerlich feststellbaren Verletzungen zur Folge hat, dessen Verlauf aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Eintritt äußerlich nicht erkennbarer Verletzungen erwarten lässt, durch Befragung der in Betracht kommenden Personen nach einer allfälligen Verletzung eine diesbezügliche Gewissheit zu verschaffen. Sind keine Verletzungen erkennbar oder entfernt sich die nach einer Verletzung befragte Person von der "Unfallstelle" bzw. beantwortet sie die Frage nach einer Verletzung verneinend, so besteht keine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs.2 StVO 1960, sofern die Frage nicht an Personen gerichtet wird, von denen schon nach dem äußeren Anschein angenommen werden muss, dass sie nicht in der Lage sind, den Inhalt oder die Tragweite ihrer Erklärung zu erkennen (z.B. Betrunkene oder Kinder; Hinweis auf VwGH 11.5.1984, 83/02/0515, VwSlg 11432 A/1984, 20.9.1989, 89/03/0021).

 

Mit Blick auf die Erklärung des Berufungswerbers hätte sich jedoch auch jede andere Person in der damaligen Lage des Berufungswerbers nicht anders zu verhalten vermocht (vgl. h. Erk. 11.4.2007, VwSen-162107/9/Br/Ps).

Ungeachtet der offenbar seitens der Behörde erster Instanz vertretenen Auffassung des iSd § 99 Abs.6 lit.c StVO einzustellenden Verfahrens, ist unter Hinweis auf das nach Art. 4 des 7. ZPEMRK verankerte Doppelbestrafungsverbot zu bemerken, dass dem eine gesetzliche Strafdrohung nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 5.12.1996, G9/96 und andere) dann nicht widerspricht, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ("aspect") eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde unterworfen wurde. Im Falle des Berufungswerbers bezog sich die letztlich eingestellte strafgerichtliche Verfolgung auf die fahrlässige Körperverletzung ebenfalls auf § 88 Abs.1 StGB; dem gegenüber betrifft der gerichtliche Tatbestand jenen der dem Berufungswerber hier im Verwaltungsstrafverfahren angelasteten Übertretung, die Verletzung der Verpflichtung zur sofortigen Verständigung der nächsten Polizeidienststelle im Zusammenhang mit der Sperrwirkung "nebis in idem" nicht.

Dieser Straftatbestand bildet kein Element des strafgerichtlich zu ahndenden Straftatbestandes und unterliegt daher auch nicht dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK (VwGH 13.12.2000, 2000/03/0270).

 

Dennoch kommt der Berufung jedoch Berechtigung unter Hinweis auf das eingangs unter 5.2. Ausgeführte zu!

 

5.2. Auch der Verfassungsgerichtshof geht unter Hinweis auf eine verfassungskonforme Interpretation von Rechtsnormen davon aus, dass der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Demnach hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Das Gesetz befreit die Behörde in Anbetracht der regelmäßigen Sachlage nur insoweit von weiteren Nachforschungen über die subjektive Tatseite (insbesondere einen Irrtum über den Sachverhalt oder die allfällige Unmöglichkeit, das Verbot zu beachten), als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens nicht glaubhaft ist.

Angesichts des hier unstrittigen Sachverhaltes kann jedenfalls von einem erwiesenen Fehlverhalten des Berufungswerbers iSd § 4 Abs.2 StVO 1960 nicht ausgegangen werden. Daher war das angefochtene Straferkenntnis nach § 45 Abs.1 Z1 VStG zu beheben und das Verfahren einzustellen (Hinweis auf  VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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