Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105739/16/Br

Linz, 20.10.1998

VwSen-105739/16/Br Linz, am 20. Oktober 1998
DVR. 0690392


E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding, vom 15. Juli 1998, AZ. VerkR96-1493-1997-Mg/Atz, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach den am 22. September 1998 und 20. Oktober 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen und der Verkündung am 20. Oktober 1998 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG in allen Punkten eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 19, § 24,§ 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 15. Juli 1998 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 17 Abs.1 iVm § 99 Abs.3 lit.a, nach § 4 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.2 lit. a und nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 drei Geldstrafen (500 S, 3.000 S und 2.500 S) und Ersatzfreiheitsstrafen (17, 101 u. 84 Stunden) verhängt und wider ihn folgende Tatvorwürfe erhoben:

"Sie haben am 30.6.1997 um 07.59 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen in Linz auf der J nächst dem Objekt F 4a in Richtung W gelenkt und haben 1. beim Vorbeifahren an dem gegenüber in Höhe J abgestellten Fahrzeug keinen der Verkehrssicherheit bzw. der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand eingehalten, so daß Sie das parkende Fahrzeug streiften und beschädigten. Sie haben es am 30.6.1997 um 07.59 Uhr in Linz auf der J nächst dem Objekt F als in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall stehende Person unterlassen 2. sofort anzuhalten und 3. den Unfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle zu melden." 1.1. Die Erstbehörde führte in ihrer umfangreichen und weitgehend den erstbehördlichen Verfahrensablauf wiedergebenden Begründung im Ergebnis aus, daß der Zeuge H die Streifung des abgestellten Fahrzeuges eindeutig wahrgenommen habe und dieser Zeuge zum Zeitpunkt des Vorbeifahrens einen lauten Knall wahrgenommen habe.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ag. Rechtsvertreter folgendes aus: "Gegen das Straferkenntnis der BH Eferding vom 15.7.1998, VerkR 96-1493-1997-Mg/Atz, wird innerhalb offener Frist nachstehende BERUFUNG erhoben:

1/ Das Straferkenntnis wird in sämtlichen Punkten angefochten.

2/ Begründung :

a) Zunächst ist davon auszugehen, daß bei der Anzeige bezüglich des Verkehrsunfalles mit Sachschaden zunächst die Behauptung seitens des angeblich Geschädigten, M, aufgestellt wurde, daß der Beschuldigte, E, folgende Beschädigungen offensichtlich verursacht bzw. verschuldet habe (siehe Anzeige):

Halterung des Außenspiegels aus Verankerung gerissen und nach vorne gebogen Glas des Außenspiegels zersprungen Kotflügel abgekratzt (Höhe ca. 50 cm, Länge ca. 40 cm) Zierleiste des Kotflügels gelockert (Höhe ca. 70 cm) Plastikstoßstange gelockert und abgekratzt (Höhe ca. 70 cm, Länge ca. 10 cm) Blinkerglas gelockert Ausdrücklich führte der als Zeuge vernommene M dann bei der Polizei an, daß alle diese Beschädigungen zum Zeitpunkt des Abstellens des Kombi noch nicht vorhanden gewesen wären. In der Folge kam es dann in Gegenwart des Anwaltes, Dr. R, zu einem Nebeneinanderstellen der Fahrzeuge und wurde schon zum damaligen Zeitpunkt zunächst einmal die Behauptung aufgestellt, daß durch E der rechte Außenspiegel des Mazda 626 beschädigt worden wäre. Es wurde in diesem Zusammenhang auch ein beschädigter rechter Außenspiegel vorgewiesen. Erst auf Vorhalt, daß die Sache aber sich so nicht zugetragen haben könne, selbst nach den Behauptungen des angeblich Geschädigten, wurde dann die Sache umgedreht und darauf hingewiesen, daß es anders gewesen wäre und sind dann die Fahrzeuge tatsächlich so abgestellt worden, wie sie sich aus den Lichtbildern ergeben. Aus diesem Grunde wurde daher auch ausdrücklich verlangt, daß festgehalten wird, daß der rechte Außenspiegel ebenfalls beschädigt ist.

b) Weiters konnte allerdings vor Ort dann nicht geklärt werden, wie sämtliche Beschädigungen, die angeblich P verursacht und verschuldet hat, zustande gekommen sind und hat die Polizei selbst festgehalten, daß bestenfalls ein Schaden am linken Außenspiegel verursacht worden sein konnte, aber alles andere auf keinen Fall stimmt. Mit dieser Unsicherheit ging man also in das gegenständliche Verfahren hinein.

c) Interessant ist nun aber, daß sich diese ursprüngliche Behauptung, daß der rechte Außenspiegel des PKW des angeblich Geschädigten durch E beschädigt worden ist, auch noch in der Aussage des C, die dieser am 5.11.1997 getätigt hat, fortsetzt, wo dieser wörtlich ausdrücklich ausfährt: "Als der Beschuldigte vorbeigefahren war, sah ich, daß beim Mazda 626 der rechte Außenspiegel herunterhing." Weiters spricht der Zeuge dann noch von einem lauten Geräusch. Erst später hat der Genannte dann seine Aussage wieder verändert und eben auf einen Irrtum seinerseits hingewiesen.

d) Nicht erklärlich ist, weshalb eine ganz leichte Gummiabriebspur am linken Rückspiegel des Beschuldigten - übrigens am rechten Rückspiegel ist eine solche ebenfalls vorhanden, ursächlich für die Beschädigung des Rückspiegels des angeblich Geschädigten sein soll, wo es zu einem Abriß des Spiegels und insbesondere zu einer Zersplitterung des Glases gekommen ist. Diesbezüglich hätten zumindest Kratzspuren vorhanden sein müssen. Im übrigen sind beide Spiegel am Fahrzeug des Geschädigten total beschädigt und ist dieses Fahrzeug überhaupt rundherum beschädigt gewesen, wobei im speziellen weitere Schäden auf der linken Seite dem Beschuldigten ursprünglich angehängt werden sollten.

e) Merkwürdig im gegenständlichen Verfahren ist auch der behauptete laute Knall, der allerdings durch ein derartig behauptetes Streifen nie verursacht werden konnte. Da unmittelbar neben der Abstellfläche die Westbahn vorbeigeht, läßt sich irgendein Knall von dieser Richtung schon alleine damit entsprechend erklären. Ein Knall wäre wohl dann richtig gewesen, wenn die Beschädigungen am Fahrzeug, die oben aufgezeigt wurden, durch den Beschuldigten tatsächlich hervorgerufen worden wären, nur müßten dann eben entsprechende, korrespondierende Schäden am Fahrzeug des Beschuldigten vorhanden sein.

f) Es darf damit zusammenfassend gesagt werden, daß all das oben angeführte, eine schwerste Unsicherheit in das gegenständliche Verfahren gebracht hat und daß aber in keiner Weise dem Beschuldigten nachzuweisen war, daß dieser das Fahrzeug des angeblich Geschädigten gestreift hat oder auch nur den Spiegel. Den Streifvorgang selbst hat ja nichteinmal der Zeuge bestätigt, sondern hat dieser nur einen herabhängenden Spiegel gesehen, einen beschädigten Spiegel hätte der Genannte allerdings auch auf der rechten Seite jenes Fahrzeuges sehen können, wie auch durch die Polizei letztendlich festgestellt worden ist.

Zur Überprüfung vor allem der Frage, was der Zeuge wirklich sehen konnte und auch eines allfälligen Knalls etc., wurde jedenfalls ein Lokalaugenschein beantragt und ist durch die Nichtdurchführung eines Lokalaugenscheines jedenfalls das Verfahren mangelhaft geblieben.

g) Aber auch die Begründung der ersten Instanz bzw. der BH Eferding für einen Schuldspruch ist als nicht ausreichend zu betrachten.

Wenn vom Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen in der Entscheidung gesprochen wird, so ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, daß der Wahrheitsgehalt der Aussage des angeblich Geschädigten schon durch die Polizei selbst teilweise widerlegt ist, da dieser angegeben hat, daß die diversen Beschädigungen, die nichteinmal vom Beschuldigten nur annähernd stammen konnten, diesem angehängt werden sollten. Was dies für einen Wahrheitsgehalt bedeutet, ist nicht ganz erkennbar. Der weitere Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen H ist aber ebenfalls in Zweifel zu ziehen, da dieser, wie schon beim Zusammenstellen der Fahrzeuge und auch später immer wieder von einem ganz anderen Rückspiegel spricht.

Wenn nun die BH Eferding wörtlich folgende Feststellung trifft: "Festgestellt wird weiters, daß am von ihnen gelenkten Fahrzeug entsprechende Abriebspuren am Außenspiegel auf der Beifahrerseite vorhanden sind, die durchaus von diesem Streifschaden stammen können", dann ist damit nichts darüber ausgesagt, daß es tatsächlich dazu gekommen ist, sondern ist nur in Möglichkeitsform ausgesprochen, daß es so gewesen sein könnte. Dies reicht aber nicht für eine Verurteilung, dabei müßte allerdings gar kein Gegenbeweis erbracht werden, da nach der eigenen Feststellung der Behörde auch nicht der Beweis erbracht ist, daß es so war. Es ist mithin alles möglich. Eine Verurteilung und eine Strafe darf jedoch nur dann erfolgen, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und dies wurde aber nicht festgestellt, eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist. Aber auch die Tatsache, daß allenfalls versehentlich eine Versicherung irgendeinen Schaden abdeckt, kann wohl für die Strafbehörde nicht bindend sein. Ansonsten könnte man es ja den Versicherungen überlassen, Entscheidungen darüber zu treffen, ob jemand an einen Unfall schuldtragend ist oder nicht.

3/ Es wird daher der Berufungsantrag gestellt, der gegenständlichen Berufung Folge zu geben und in der Sache selbst dahingehend zu entscheiden, daß das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird. Allenfalls wäre ein Lokalaugenschein durchzuführen.

L, am 06. August 1998 E" 3. Da keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Weil der Tatvorwurf zur Gänze bestritten wurde, war insbesondere in Wahrung der gemäß Art.6 MRK intendierten Rechte eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Eferding und dessen auszugsweisen Erörterung in den h. Verhandlungen. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen H, des Zeugen M und der gutachterlichen Äußerungen des TOAR Ing. S anläßlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, an welcher jeweils auch ein Vertreter der Erstbehörde teilnahm. Der Zeuge H wurde bereits anläßlich der Verhandlung am 22. September 1998 befragt.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit seinen Pkw an der angeführten Örtlichkeit. Beim Vorbeifahren am abgestellten Fahrzeug kam es zu einer kollisionsähnlichen Geräuschentwicklung, welche der Zeuge H aus dem Gebäude einer etwa zwölf Meter entfernt liegenden Tankstelle wahrnehmen konnte. Eine Besichtigung des oben bezeichneten Fahrzeuges durch den Zeugen ergab, daß u.a. auch der Spiegel beschädigt war. Er war aus der Halterung gerissen. Daher brachte der Zeuge einen Verständigungszettel hinsichtlich seiner Wahrnehmung am abgestellten Fahrzeug an.

Eine im Verlaufe des erstbehördlichen Verfahrens erfolgte Gegenüberstellung der Fahrzeuge bestätigte die theoretisch mögliche Berührung dieser Fahrzeuge in der beschriebenen Situation. Der Inhaber des geschädigten Fahrzeuges ordnete offenbar auch noch andere Schäden diesem Ereignis zu und sprach anläßlich seiner Vernehmung davon, daß sich laut seiner Information das Schädigerfahrzeug vor seinem Fahrzeug eingeparkt haben sollte und dabei auch noch vorne gegen sein Fahrzeug gestoßen worden wäre. Diese Schilderung läßt sich jedoch mit dem bisherigen Verfahrensergebnis, insbesondere den Angaben des Zeugen H, nicht in Einklang bringen. Dieser sprach lediglich von einer Vorbeifahrt an diesem Fahrzeug, wobei er sich nach dem von ihm wahrgenommenen Knall gerade noch das Kennzeichen von diesem Fahrzeug habe merken können. 4.2. Das oben dargelegte Beweisergebnis läßt daher zumindest erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Schadenszuordnung bzw. die Kausalität der vom Zeugen H gemachten akustischen Wahrnehmung und der Zuordnung des Schadensbildes am Spiegel des Fahrzeuges aufkommen. Diese Zweifel ergaben sich insbesondere in der Schilderung des Zeugen M, welcher ausführte, daß ihm laut einer Mitteilung der Angestellten von der Tankstelle, "ein vorbeifahrendes aber sodann vor ihm einparkendes Fahrzeug" den Schaden zugefügt hätte. Dies steht jedoch in eindeutigem Widerspruch zu den Angaben des Zeugen H, welcher nur von einem Vorbeifahren spricht und dieser Zeuge auch nicht ausschließen konnte, daß er das als "Spiegelstreifung" gedeutete Geräusch von einem möglichen Überfahren eines Gegenstandes hergerührt hat. Das schlagendste Element für zumindest erhebliche Zweifel an der Tatbegehung ist, daß laut Angabe des Sachverständigen zumindest es als höchst wahrscheinlich erachtet werden muß, daß im Falle der Zuordnung des Abriebes am Spiegel des Fahrzeuges des Berufungswerbers, zum Schaden am Spiegel des Mazda , auch eine Streifung an der Karosserie der beiden Pkw's einhergehen hätte müssen. Eine solche ist aber weder aktenkundig und wird vom Berufungswerber auch in Abrede gestellt.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. In der Summe konnte daher das Beweisergebnis, welches sich im Ergebnis auf die akustische Wahrnehmung eines Zeugen stützt und ein Spiegel eine Beschädigung, der andere eine Kontaktspur aufweist, hier für einen Schuldspruch nicht ausreichend erachtet werden. Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und ist die Einstellung zu verfügen (VwGH 12.3.1986, Zl. 86/83/0251 u.a.; ZfVB 1991/3/1122). Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r Beschlagwortung: akustische Wahrnehmung, Zuordnung

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