Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163279/2/Ki/Jo

Linz, 17.06.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des E S, A, R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, M, S, vom 28. Mai 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 15. Mai 2008, VerkR96-6167-2007, wegen einer Übertretung des FSG zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.              Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG;

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis vom 15. Mai 2008, VerkR96-6167-2007, wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 23.07.2007 gegen 22.30 Uhr auf dem Güterweg Raschhof in Andrichsfurt ca. 100 m nach der Kreuzung mit der L513 den nicht zum Verkehr zugelassenen PKW, Marke Audi 80 (Farbe schwarz) gelenkt, ohne im Besitz einer von der Behörde gültig erteilten Lenkberechtigung für die Klasse B zu sein, weil ihm sein Führerschein am 6. Juli 2007 um 22.10 Uhr von der Polizeiinspektion F-L vorläufig abgenommen worden war. Er habe dadurch § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.3 Z2, § 39 Abs.5 und § 7 Abs.3 Z6 lit.a Führerscheingesetz verletzt. Gemäß § 37 Abs.3 Z2 FSG wurde eine Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren verpflichtet.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber, rechtsfreundlich vertreten, mit Schriftsatz vom 28. Mai 2008 Berufung erhoben und beantragt, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge dieser Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis aufheben und das Verfahren einstellen.

 

In der Begründung stellt der Rechtsmittelwerber außer Streit, dass er am 6. Juli 2007 den gegenständlichen PKW gelenkt hat und ihm an diesem Tag im Zuge einer Amtshandlung der Führerschein vorläufig abgenommen wurde. Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 24. Juli 2007 sei ihm zunächst die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab dem Tag der vorläufigen Führerscheinabnahme, entzogen worden, dies mit der Begründung, er habe am 6. Juli 2007 um 21.57 Uhr den PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit 0,58 mg/l (Atemluftalkoholgehalt) gelenkt. Letztlich sei jedoch mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis am 21. Dezember 2007 das Lenkberechtigungsentzugsverfahren eingestellt worden.

 

Kernpunkt der nun zu lösenden Rechtsfrage sei, ob der Einstellung des Lenkberechtigungentzugsverfahrens ex nunc oder ex tunc–Wirkung zukomme. Der Rechtsmittelwerber vertritt die Auffassung, dies unter Zitierung entsprechender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich klar ergebe, dass der Einstellung des Lenkberechtigungentzugsverfahrens wegen des Vorfalles vom 6. Juli 2007 ex tunc-Wirkung zukomme, er sei somit berechtigt gewesen, am 23. Juli 2007 einen PKW zu lenken.

 

Darüber hinaus wird bemängelt, dass das Straferkenntnis zwei alternative Tatvorwürfe enthalte, nämlich das Lenken eines PKW ohne im Besitz einer von der Behörde gültig erteilten Lenkberechtigung zu sein, als auch das Lenken eines PKW trotz am 26. Juli 2007 um 22.10 Uhr von der PI F vorläufig abgenommenem Führerschein. Dies seien zwei verschiedene Tatvorwürfe, alternative Tatvorwürfe wären im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig.

 

Letztlich wird eine Verfassungswidrigkeit des § 52b VStG angesprochen.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 9. Juni 2008 vorgelegt und beantragt die Berufung abzuweisen.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z2 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 6. Juli 2007 einen dem Kennzeichen nach bezeichneten PKW auf einer öffentlichen Verkehrsfläche und es ergab ein um 21.57 bzw. 21.58 Uhr durchgeführter Alkotest einen Atemluftalkoholgehalt von 0,58 bzw. 0,60 mg/l. Der Führerschein wurde dem Berufungswerber vorläufig abgenommen.

Mit Mandatsbescheid vom 24. Juli 2007, VerkR21-62-2007, entzog ihm die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten mit der Begründung, dass er am 6. Juli 2007 um 21.57 Uhr den PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit 0,58 mg/l gelenkt hat.

 

Nach einer Vorstellung gegen diesen Mandatsbescheid wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Ried ein amtsärztliches Sachverständigengutachten eingeholt und es wurde in weiterer Folge das Lenkberechtigungentzugsverfahren eingestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hat die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis letztlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen, die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vertritt darin in der Begründung die Auffassung, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges zum Vorfallszeitpunkt in Anbetracht des vorläufig abgenommenen Führerscheines nicht zulässig gewesen wäre.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

3.1. Gemäß § 39 Abs.5 FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges, für das der Besitz einer Lenkberechtigung vorgeschrieben ist, vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines unzulässig.

 

Der Rechtsmittelwerber vertritt in seiner Berufung die Auffassung, dass, nachdem letztlich das Lenkberechtigungsentzugsverfahren im konkreten Falle gegen den Berufungswerber eingestellt wurde, auch das Lenken während der Zeit, in der der Führerschein vorläufig abgenommen war, zulässig gewesen wäre. Der Einstellung komme eine ex tunc-Wirkung zu. Und er verweist diesbezüglich auf die entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

 

In einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 2004, 2004/02/0320, verweist dieser auf eine Entscheidung vom 21. April 1999, 98/03/0336. In diesem letztgenannten Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass dann, wenn durch eine Berufungsentscheidung einer Berufung (im Zusammenhang mit dem Entzug der Lenkberechtigung) Folge gegeben und der in unterer Instanz ergangene Bescheid behoben wird, dies im Sinne des § 66 Abs.4 AVG iVm der der Behörde obliegenden Rechtskontrolle heißt, dass der in unterer Instanz ergangene Bescheid für die Zukunft, soweit sich aber die in ihm verfügten behördlichen Anordnungen oder Maßnahmen auf den Zeitraum des Berufungsverfahrens beziehen, auch für die betreffende aus der Sicht des Berufungsbescheides in der Vergangenheit liegende Zeit beseitigt wird. Im Sinne dieser Beseitigungswirkung gehört mit dem Ergehen des in der Hauptsache die Aufhebung des unterinstanzlichen Bescheides aussprechenden Berufungsbescheides auch ein allfälliger Ausspruch nach § 64 Abs.2 AVG nicht mehr der Rechtsordnung an.

 

Daraus ist grundsätzlich abzuleiten, dass ein zunächst ergangener Bescheid betreffend Entzug der Lenkberechtigung nach dessen Behebung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört und in einem allenfalls später durchgeführten Verwaltungsstrafverfahren wegen Lenken eines Kraftfahrzeuges vor dem Zeitpunkt der Aufhebung des Lenkberechtigungsentzugsbescheides dieser Umstand zu berücksichtigen bzw. eine Bestrafung in diesem Falle unzulässig ist.

 

Im konkreten Falle handelt es sich zwar nicht um das Lenken eines Kraftfahrzeuges obwohl die Lenkberechtigung entzogen wurde, sondern, es gehörte zum Lenkzeitpunkt der Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis noch nicht dem Rechtsbestand an, um das Lenken eines Kraftfahrzeuges trotz vorläufig abgenommenem Führerschein. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl der Führerschein vorläufig abgenommen wurde, stellt, wie im Berufungsschriftsatz zurecht darauf hingewiesen wurde, einen anderen Tatbestand dar und es stellt sich die Frage, ob auch in diesen Fällen entsprechend der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden werden könnte.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt dazu die Auffassung, dass in verfassungskonformer Interpretation der relevanten Bestimmung (§ 39 Abs.5 FSG) zur Wahrung des Sachlichkeitsgebotes keine andere Betrachtungsweise vorgenommen werden kann, zumal es nicht sachlich wäre, einerseits im Falle des Wegfalls eines Lenkberechtigungsentzugsbescheides nachträglich eine Sanktionslosigkeit des Lenkens anzunehmen, während im Falle einer bloß vorläufigen Abnahme des Führerscheines ein derartiges Verhaltens zu sanktionieren wäre. Konsequenterweise muss daher auch in diesen Fällen eine ex tunc-Wirkung angenommen werden.

 

3.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Nachdem, wie unter Punkt 3.1. dargelegt wurde, im Falle einer Situation, dass sich nachträglich herausstellt, dass der Führerscheinentzug bzw. die vorläufige Abnahme des Führerscheines, nicht begründet war, das Lenken eines Kraftfahrzeuges trotz zunächst entzogener Lenkberechtigung bzw. vorläufig abgenommenem Führerschein nicht zu sanktionieren ist, hat der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen und es konnte daher der Berufung Folge gegeben bzw. das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden.

 

3.3. Was die Ausführungen betreffend Verfassungswidrigkeit des § 52b VStG anbelangt, so erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass es sich diesbezüglich lediglich um einen Hinweis handelt, ein entsprechender Antrag wurde in diesem Zusammenhang nicht gestellt. Der Ordnung halber wird jedoch unter Hinweis auf die bisher ergangenen Entscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (vgl. u.a. Zl. VwSen-600078/2/Ki/Jo vom 2. Juni 2008) festgestellt, dass eine Rechtsverletzung des Berufungswerbers nicht erkannt wird.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

Beschlagwortung:

Wenn die vorläufige Abnahme des Führerscheins sich im Nachhinein als unzulässig herausstellt, ist ein Lenken iSd § 39 Abs.5 FSG nicht zu sanktionieren.

 

 

 

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