Linz, 05.06.2008
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau M P, S, vertreten durch RA Dr. J P, M, vom 2. April 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 13. März 2008, VerkR96-14-2008-Kb, wegen Übertretungen des KFG 1967, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Schuldspruch im Punkt 2) zu lauten hat: "... Es wurde festgestellt, dass der Bremskraftregler funktionslos war. .. ".
II. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 20 Euro, 2) 10 Euro und 3) 10 Euro, ds jeweils 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.
Rechtsgrundlage:
zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 VStG
zu II.: § 64 VStG
Entscheidungsgründe:
Zu I.:
1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über die Beschuldigte wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1), 2) und 3) je §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 6 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 100 Euro (20 Stunden EFS), 2) und 3) je 50 Euro (10 Stunden EFS) verhängt, weil anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle am 18. Oktober 2007 um 9.15 Uhr beim Lkw im Gemeindegebiet Kematen am Innbach auf der A8 bei Strkm 24.900 festgestellt worden sei, dass sie als Zulassungsbesitzerin des angeführten Kfz nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Zustand des genannten Kfz den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprochen habe. Das Fahrzeug sei zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von R P gelenkt worden, wobei festgestellt worden sei, dass beim Lkw die Bremsanlage nicht den Vorschriften des § 6 KFG entsprochen habe, obwohl Bremsanlagen so beschaffen und eingebaut sein müssten, dass mit ihnen bei betriebsüblicher Beanspruchung und ordnungsgemäßer Wartung trotz Erschütterung, Alterung, Abnützung und Korrosion die vorgeschriebene Wirksamkeit erreicht werde. Es sei festgestellt worden,
1) dass die Betriebsbremse der 1. Achse einen schweren Mangel aufgewiesen habe (Bremskraft stark ungleich, Unterschied mehr als 20%)
2) dass die Betriebsbremse der 2. und 3. Achse folgenden Mangel aufgewiesen habe: der Bremskraftregler sei funktionslos gewesen
3) dass die Wirksamkeit der Feststellbremse einen schweren Mangel aufgewiesen habe (Bremskraft stark ungleich, Unterschied mehr als 50%).
Gleichzeitig wurden ihr Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 20 Euro auferlegt.
2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).
3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, über sie seien drei, über den Lenker zwei Strafen verhängt worden, obwohl es bei allen drei Delikten um die Beschaffenheit der Bremsanlage gegangen sei, was in Wahrheit bloß eine Übertretung darstelle. Laut Teiluntersuchung gemäß § 58 KFG des Amtes der Oö. Landesregierung vom 18. Oktober 2007 habe die Betriebsbremse auf der 1. Achse die in der KDV genannte mittlere Verzögerung verwirklicht und bei der 2. und 3. Achse seien die Werte deutlich darüber gelegen. Dass der Bremskraftregler funktionslos gewesen sei, sei technisch nicht richtig; er sei nur ausgehängt gewesen, was aber nicht zu seiner Funktionslosigkeit führe, sondern dazu, dass er voll einsteuere. Der Lenker habe nach dem Einhängen bei der Anhaltung weiterfahren dürfen. Die Verkehrssicherheit sei demnach dadurch nicht beeinträchtigt gewesen.
Da dem Lenker gegen Erstattung einer Anzeige die Weiterfahrt gestattet worden sei, habe diese Weiterfahrt keinen ernsthaften Eingriff in von der österreichischen Rechtsordnung geschützte Werte bilden können. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermahnung seien demnach gegeben. Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.
Daraus geht hervor, dass der Lenker des genannten Lkw, dessen Zulassungsbesitzerin die Bw ist, zur angeführten Zeit bei der Kontrollstelle Kematen am Innbach auf der A8 vom Meldungsleger AI H angehalten wurde. Im Protokoll über die Teiluntersuchung gemäß § 58 KFG 1967 hielt der technische AmtsSV Ing L fest, dass beim Lkw über 12t, Erstzulassung 6/1985, der Bremskraftregler ausgehängt und damit "ohne Funktion" war (schwerer Mangel), die Wirkung der Betriebsbremse auf der 1. Achse ungleich stark war (li 12.00, re 4.00 kN – Gefahr im Verzug) und die Wirkung der Feststellbremse auf der 1. Achse stark ungleich war (li 10.00, re 2.00 kN – schwerer Mangel).
Bremskraftregler bezwecken eine bessere Bremskraftverteilung beim Abbremsen eines Kfz, um zu verhindern, dass die Hinterräder beim Verlegen des Fahrzeuggewichts beim Abbremsen von der Hinter- auf die Vorderachse blockieren und das Fahrzeug dadurch ins Schleudern gerät (s. Wikipedia). Ein ausgehängter Bremskraftregler bewirkt naturgemäß gar nichts und ist daher, bezogen auf seinen Zweck, funktionslos.
Eine ungleiche Bremswirkung auf die Räder einer Achse kann bewirken, dass bei einem Bremsmanöver das Fahrzeug von seiner Linie abweicht, selbst wenn die schwächste Bremsleistung noch im Bereich der Norm liegt. Das Argument, die erforderliche Wirkung sei ohnehin erreicht worden, geht damit ins Leere.
Beim genannten Lkw wurde eine besondere Überprüfung gemäß § 56 KFG veranlasst.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 103 Abs. 1 Z1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.
Gemäß § 6 Abs.1 KFG 1967 müssen Kraftfahrzeuge, außer den (hier nicht zutreffenden) im Abs. 2 angeführten, mindestens zwei Bremsanlagen aufweisen, von denen jede aus einer Betätigungseinrichtung, einer Übertragungseinrichtung und den auf Räder wirkenden Bremsen besteht. Jede Bremsanlage muss vom Lenkerplatz aus betätigt werden können. Die Bremsanlagen müssen so beschaffen und eingebaut sein, dass mit ihnen bei betriebsüblicher Beanspruchung und ordnungsgemäßer Wartung trotz Erschütterung, Alterung, Abnützung und Korrosion die vorgeschriebene Wirksamkeit erreicht wird.
Im Hinblick auf Punkt 2) des Straferkenntnisses ist zu sagen, dass der Bremskraftregler an sich technisch in Ordnung gewesen wäre, wenn ihn der Lenker nicht aus Versehen bzw Schlamperei vor Fahrtantritt nicht eingehängt hätte - bei der Anhaltung war somit ein schwerer Mangel gegeben.
Der im Punkt 1) genannte Mangel der Betriebsbremse ist im Zusammenhang mit dem nicht eingehängten Bremskraftregler zu sehen, zumal der Lenker selbst behauptet hat, die Bremse bei der Anhaltung nachgestellt zu haben. Der im Punkt 3) angeführte Mangel dahingehend, dass die Wirkung der Feststellbremse an der 1. Achse ungleich war, wurde dem Lenker bei nicht ausdrücklich vom SV dokumentierter Erkennbarkeit vor Fahrtantritt nicht angelastet. Die Fahrt bis zum Ort der Kontrolle in Kematen hat der Lenker jedoch mit den mangelhaften Bremsen zurückgelegt und diesbezüglich lautet auch der Tatvorwurf – bezogen auf die Bw als Zulassungsbesitzerin auch im Punkt 3), weil für den Zulassungsbesitzer die Einschränkung des § 102 Abs.1 KFG auf die Zumutbarkeit nicht gilt.
Gemäß § 22 VStG sind, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen.
Hat die Behörde den Beschuldigten schuldig erkannt, er habe die ihm nach § 103 Abs.1 KFG obliegenden Verpflichtung verletzt, weil das Fahrzeug in zweifacher Hinsicht nicht den in Betracht kommenden Vorschriften entsprochen habe, hat sie das im § 22 VStG normierte Kumulationsprinzip anzuwenden (VwGH 22.3. 1989, 85/18/0103).
Die Bw hat im Rechtsmittel ausgeführt, der Lenker habe bei der Anhaltung den Bremskraftregler eingehängt und die Bremsen nachgestellt. Damit waren zwei Handlungen zur Behebung der festgestellten schweren Mängel notwendig, sodass davon auszugehen ist, dass ein Mangel auch ohne den anderen bestehen kann. Damit ist kein zwingender sachlicher Zusammenhang bei den Punkten 1) und 2) des Straferkenntnisses zu erkennen, der die Annahme bloß eines Tatbestandes rechtfertigt. Der Mangel der ungleichen Bremswirkung bei der Feststellbremse an der 1. Achse ist zweifellos selbständig zu sehen.
Die Bw hatte als Zulassungsbesitzerin aufgrund der ihr gesetzlich auferlegten Verpflichtung, "dafür zu sorgen", dass das Kraftfahrzeug den Vorschriften des KFG entspricht, und daher auch den Lenker, der das Kraftfahrzeug in diesem mangelhaften Zustand auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet hat, zur Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt anzuhalten und zu überwachen. Von einem derartigen "Kontrollsystem" ist im Rechtsmittel keine Rede und ergibt sich ein solches auch nicht aus dem Verfahrensakt.
Die Bw hat daher die ihr als Zulassungsbesitzerin des genannten Lkw in den Punkten 1), 2) und 3) (modifiziert) zur Last gelegten Tatbestände im einzelnen erfüllt und ihr Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihr die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.
Zum Berufungsargument für die Anwendung des § 21 VStG ist zu sagen, dass der der ggst VwGH-Judikatur zugrundeliegende Fall völlig anders gelagert war und auf den ggst Fall nicht übertragbar ist – im Fall VwGH 2.3.1994, 93/03/0309, wurde dem deutschen Lenker eines Lkw-Zuges nach Beendigung des Entladevorgangs in Tirol an einem Samstag um 17.00 Uhr ausdrücklich entgegen dem Wochenendfahrverbot auf Weisung die Rückfahrt nach Deutschland erlaubt, aber zugleich Anzeige erstattet und er mit einem Betrag von 2.500 S bestraft, der im Berufungsweg auf 1.000 S herabgesetzt wurde. Aufgrund der Umstände der Tatbegehung hielt der VwGH die Anwendung des § 21 VStG für angemessen und hob die Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf, weil mit der Erlaubnis der Weiterfahrt dem Beschwerdeführer zu erkennen gegeben worden sei, dass die Weiterfahrt einen ernsthaften Eingriff in von der österreichischen Rechtsordnung geschützte Werte nicht bilden könne.
Bei der Anhaltung eines Lenkers zur Fahrzeugkontrolle auf der Autobahn vorgefundene schwere technische Mängel an den Bremsanlagen eines Lkw (wobei laut Protokoll über die Teiluntersuchung gemäß § 58 KFG 1967 der SV bei der ungleichen Wirkung der Betriebsbremse an der 1. Achse auch Gefahr im Verzug bestätigt hat) sind nicht geeignet, ein geringfügiges Verschulden des Zulassungsbesitzers zu begründen, auch wenn die Mängel, wie der Lenker behauptet hat, bei der Anhaltung zum Teil behoben wurden und daher die Weiterfahrt gestattet wurde und die Übertretungen (wegen zufällig nicht entstandener relevanter Verkehrssituation) keine Folgen nach sich gezogen haben. Die Voraussetzungen des § 21 VStG lagen somit nicht vor.
Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis zu 5.000 Euro Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, reicht.
Die Bw ist nicht unbescholten, sodass keine strafmildernden oder erschwerenden Umstände zu berücksichtigten waren. Der Einkommensschätzung der Erstinstanz mangels Angaben dazu hat die Bw nicht widersprochen, sodass sie auch im Rechtsmittelverfahren zugrundezulegen war (1.200 Euro netto monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten).
Der UVS kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zu stehenden Ermessensspielraum im vorliegenden Fall in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängten Strafen liegen unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollen die Bw zu mehr Sorgfalt anhalten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
zu II.:
Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1. Juli 2008 220 Euro) zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Zulassungsbesitzer eines Lkw mit 3 Mängeln (Betriebsbremse, Bremsluftregler, Feststellbremse) = 3 Übertretungen -> Bestätigung