Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163115/2/Bi/Se

Linz, 05.06.2008

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn R P, S, vertreten durch RA Dr. J P, M, vom 2. April 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 13. März 2008, VerkR96-13-2008-Kb, wegen Übertretungen des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Schuldspruch  im Punkt 2) zu lauten hat: "... Es wurde festgestellt, dass der Bremskraftregler funktionslos war. .. ".

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 1) 20 Euro und 2) 10 Euro, ds jeweils 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelver­fahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) und 2) je §§ 102 Abs.1 iVm 6 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 100 Euro (20 Stunden EFS) und 2) 50  Euro (10 Stunden EFS) verhängt, weil anlässlich einer Lenker- und Fahrzeug­kontrolle am 18. Oktober 2007 um 9.15 Uhr des Lkw im Gemeindege­biet Kematen am Innbach auf der A8 bei Strkm 24.900, VKP Kematen, festgestellt worden sei, dass er sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der fahrt nicht davon überzeugt habe, dass beim Lastkraftwagen die Brems­anlage den Vorschriften des § 6 KFG entsprochen habe, obwohl Brems­anlagen so beschaffen und eingebaut sein müssten, dass mit ihnen bei betriebs­üblicher Beanspruchung und ordnungsge­mäßer Wartung trotz Erschütterung, Alterung, Abnützung und Korrosion die vorgeschriebene Wirksamkeit erreicht werde. Es sei festgestellt worden,

1) dass die Betriebsbremse der 1. Achse einen schweren Mangel aufgewiesen habe (Bremskraft stark ungleich, Unterschied mehr als 20%)

2) dass die Betriebsbremse der 2. und 3. Achse folgenden Mangel aufgewiesen habe: der Bremskraftregler sei funktionslos gewesen.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 15 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, über die Zulassungsbesitzerin seien drei, über ihn als Lenker zwei Strafen verhängt worden, obwohl es bei allen drei Delikten um die Beschaffen­heit der Bremsanlage gegangen sei, was in Wahrheit bloß eine Über­tretung darstelle. Laut Teiluntersuchung gemäß § 58 KFG des Amtes der Oö. Landesregierung vom 18. Oktober 2007 habe die Betriebsbremse auf der 1. Achse die in der KDV genannte mittlere Verzögerung verwirklicht und bei der 2. und 3. Achse seien die Werte deutlich darüber gelegen. Dass der Bremskraft­regler funktionslos gewesen sei, sei technisch nicht richtig; er sei nur ausgehängt gewesen, was aber nicht zu seiner Funktionslosigkeit führe, sondern dazu, dass er voll einsteuere. Er habe nach dem Einhängen des Bremskraft­reglers und Nachstellen der Bremse der ersten Achse bei der Anhaltung weiterfahren dürfen. Die Verkehrssicherheit sei demnach nicht beein­trächtigt gewesen.

Da ihm gegen Erstattung einer Anzeige die Weiterfahrt gestattet worden sei, habe diese Weiterfahrt keinen ernsthaften Eingriff in von der österreichischen Rechtsordnung geschützte Werte bilden können. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermahnung seien demnach gegeben. Beantragt wird Verfahrens­einstellung, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw als Lenker des genannten Lkw zur angeführten Zeit bei der Kontrollstelle Kematen am Innbach auf der A8 vom Meldungsleger AI J angehalten wurde. Im Protokoll über die Teilunter­suchung gemäß § 58 KFG 1967 hielt der technische AmtsSV Ing L fest, dass beim Lkw über 12t, Erstzulassung 6/1985, der Bremskraftregler ausgehängt und damit ohne Funktion war (schwerer Mangel), die Wirkung der Betriebs­bremse auf der 1. Achse stark ungleich war (li 12.00, re 4.00 kN – Gefahr im Verzug) und die Wirkung der Feststellbremse auf der 1. Achse ungleich stark war (li 10.00, re 2.00 kN – schwerer Mangel).

 

Bremskraftregler bezwecken eine bessere Bremskraftverteilung beim Abbremsen eines Kfz, um zu verhindern, dass die Hinterräder beim Verlegen des Fahrzeug­gewichts beim Abbremsen von der Hinter- auf die Vorderachse blockieren und das Fahrzeug dadurch ins Schleudern gerät (s. Wikipedia). Ein ausgehängter Bremskraftregler bewirkt naturgemäß gar nichts und ist daher, bezogen auf seinen Zweck, funktions­los.

Eine ungleiche Bremswirkung auf die Räder einer Achse kann bewirken, dass bei einem Bremsmanöver das Fahrzeug von seiner Linie abweicht, selbst wenn die schwächste Bremsleistung noch im Bereich der Norm liegt. Das Argument, die erforderliche Wirkung sei ohnehin erreicht worden, geht damit ins Leere.

Beim genannten Lkw wurde eine besondere Überprüfung gemäß § 56 KFG veranlasst.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.

Gemäß § 6 Abs.1 KFG 1967 müssen Kraftfahrzeuge, außer den (hier nicht zutreffenden) im Abs. 2 angeführten, mindestens zwei Bremsanlagen aufweisen, von denen jede aus einer Betätigungseinrichtung, einer Übertragungseinrichtung und den auf Räder wirkenden Bremsen besteht. Jede Bremsanlage muss vom Lenkerplatz aus betätigt werden können. Die Bremsanlagen müssen so be­schaffen und eingebaut sein, dass mit ihnen bei betriebsüblicher Beanspruch­ung und ordnungsgemäßer Wartung trotz Erschütterung, Alterung, Ab­nützung und Korrosion die vorgeschriebene Wirksamkeit erreicht wird.

 

Im Hinblick auf Punkt 2) des Straferkenntnisses ist zu sagen, dass der Brems­kraft­regler an sich technisch in Ordnung gewesen wäre, wenn ihn der Lenker nicht aus Ver­sehen bzw Schlamperei vor Fahrtantritt nicht eingehängt hätte - bei der Anhaltung war somit ein schwerer Mangel gegeben.

Der im Punkt 1) genannte Mangel der Betriebsbremse ist offenbar im Zusammenhang mit dem nicht eingehängten Bremskraftregler zu sehen, zumal der Bw selbst behauptet hat, die Bremse bei der Anhaltung nachgestellt zu haben. Die Fahrt bis zum Ort der Kontrolle in Kematen hat er jedoch mit den mangelhaften Bremsen zurückgelegt und diesbezüglich lautet auch der Tatvor­wurf.

 

Der Sachverständige hat – naturgemäß – beide Mängel als für den Lenker erkennbar beschrieben, dh bei Aufwendung der von einem Lkw-Lenker zu erwartenden Aufmerksamkeit und Sorgfalt hätte der Bw zumutbarerweise die beiden Mängel bei der verpflichtenden Prüfung vor Fahrtantritt finden und sich entsprechend verhalten müssen. Den der Zulassungs­besitzerin im Punkt 3) des sie betreffenden Straferkenntnisses angelasteten Mangel der ungleichen Bremswirkung der Feststellbremse an der 1. Achse konnte der Bw als Lenker vor Fahrtantritt laut SV nicht feststellen, daher erübrigte sich eine solche Anlastung beim Bw.

 

Gemäß § 22 VStG sind, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen.

Sind mehrere Mängel am KFz vorhanden, so verantwortet der Lenker mehrere Übertretungen. Die Behörde verstößt daher gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG, wenn sie den Kfz-Lenker lediglich einer Übertretung schuldig befunden hat (VwGH 28.9.1988, 88/02/0078; ähnlich VwGH 28.9.1988, 88/02/0055).

 

Der Bw hat im Rechtsmittel ausgeführt, er habe bei der Anhaltung den Brems­kraftregler eingehängt und die Bremsen nachgestellt. Damit waren zwei Hand­lungen notwendig, sodass davon auszugehen ist, dass ein Mangel auch ohne den anderen bestehen kann. Damit ist kein zwingender sachlicher Zusammenhang zu erkennen, der die Annahme bloß eines Tatbestandes rechtfertigt.

Der Bw hat daher die ihm in den Punkten 1) und 2) (modifiziert) zur Last gelegten Tat­bestände im einzelnen erfüllt und sein Verhalten jeweils als Verwaltungsüber­tretung zu verantworten, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschul­dens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Zum Berufungsargument für die Anwendung des § 21 VStG ist zu sagen, dass der der ggst VwGH-Judikatur zugrundeliegende Fall völlig anders gelagert war und auf den ggst Fall nicht übertragbar ist – im Fall VwGH 2.3.1994, 93/03/0309, wurde dem deutschen Lenker eines Lkw-Zuges nach Beendigung des Entlade­vorgangs in Tirol an einem Samstag um 17.00 Uhr aus­drücklich entgegen dem Wochenendfahrverbot auf Weisung die Rückfahrt nach Deutsch­land erlaubt, aber zugleich Anzeige erstattet und er mit einem Betrag von 2.500 S bestraft, der im Berufungsweg auf 1.000 S herabgesetzt wurde. Aufgrund der Umstände der Tatbegehung hielt der VwGH die Anwendung des § 21 VStG für angemessen und hob die Berufungsentscheidung wegen Rechtswi­drig­keit des Inhalts auf, weil mit der Erlaubnis der Weiterfahrt dem Beschwerde­führer zu erkennen gegeben worden sei, dass die Weiterfahrt einen ernsthaften Eingriff in von der öster­reichischen Rechtsordnung geschützte Werte nicht bilden könne.

 

Bei der Anhaltung eines Lenkers zur Fahrzeugkontrolle auf der Autobahn vorge­fundene schwere technische Mängel an den Bremsanlagen eines Lkw (wobei laut Protokoll über die Teiluntersuchung gemäß § 58 KFG 1967 der SV bei der ungleichen Wirkung der Betriebsbremse an der 1. Achse auch Gefahr im Verzug bestätigt hat) sind nicht geeignet, ein geringfügiges Verschulden des Lenkers zu begründen, auch wenn die Mängel, wie der Bw behauptet, behebbar sind, bei der Anhaltung auch behoben wurden und daher die Weiterfahrt gestattet wurde und die Über­tretungen (wegen zufällig nicht entstandener relevanter Verkehrs­situation) keine Folgen nach sich gezogen haben. Die Voraussetzungen des § 21 VStG lagen somit nicht vor.   

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis zu 5.000 Euro Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, reicht.

Der Bw weist eine Vormerkung aus dem Jahr 2006 auf und ist damit nicht unbescholten, sodass keine strafmildernden oder erschwerenden Umstände zu berücksichtigten waren. Der Einkommensschätzung der Erstinstanz mangels Angaben dazu hat der Bw nicht widersprochen, sodass sie auch im Rechts­mittelverfahren zugrundezulegen war (1.200 Euro netto monatlich, kein Ver­mögen, Sorgepflichten).

Der UVS kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zu stehenden Ermessensspielraum im vorliegenden Fall in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängten Strafen liegen unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollen die Bw zu mehr Sorg­falt anhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1. Juli 2008 220 Euro) zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Bremskraftregler nicht eingehängt + ungleiche Standbremswirkung der Betriebsbremse auf die 1. Achse = 2 Mängel = 2 Übertretungen -> Bestätigung

 

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