Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150651/10/Lg/Hue

Linz, 24.06.2008

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder über die Be­rufung des Mag. O S,  S , gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 25. Februar 2008, Zl. BauR96-1-2-2008, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.  

II.              Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 60 Euro zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von
32 Stunden verhängt, weil er mit dem Kfz mit dem Kennzeichen am
2. Februar 2008 um 13.12 Uhr die mautpflichtige A25, Abfahrt Wels Nord, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Es sei am Kfz eine Mautvignette angebracht gewesen, welche nicht ordnungsgemäß lt. Mautordnung mit dem Originalkleber befestigt worden sei.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass er als gelegentlicher Autobahnbenutzer sowohl dieses Jahr als auch an den sieben vorausgegangenen Jahren eine Vignette gekauft habe. Da der Bw im Vorjahr sein drittes Kind bekommen habe, das (gegenständliche) Kfz bereits 12 Jahre alt sei und im Vorjahr auch hohe Reparaturkosten angefallen seien, müsse in diesem Jahr ein größeres Kfz angeschafft werden. Die Vignette stelle für den Bw eine erhebliche Ausgabe dar. Um ein Umkleben auf das neue Kfz ermöglichen zu können, habe der Bw die Vignette mit Buchumschlagsfolie auf das gegenständliche Kfz geklebt. Eine Nutzung dieser Vignette für andere Autos sei nie beabsichtigt worden. An den Kauf einer Zweimonatsvignette sei nicht gedacht worden, zumal der genaue Anschaffungszeitpunkt für das neue Auto noch nicht absehbar gewesen sei. Da der Bw zu dem, was er tue, auch stehe, habe er die Folie nicht bündig mit der Vignette abgeschnitten sondern einen etwa 2 cm breiten Rand überstehen lassen, sodass deutlich erkennbar gewesen sei, dass zur Anbringung eine Folie verwendet worden sei. Der Bw sei so vorgegangen, dass es seinem Rechtsgefühl entsprochen habe. Er sei aber bereit, "die Entscheidung der Behörde zu berücksichtigen". Weiters sei der Bw unbescholten, habe die Tat nicht geleugnet, die zu zahlende Maut entrichtet und zuvor die Vignette immer ordnungsgemäß gekauft und geklebt. Zugleich erkläre der Bw, dass er die Vignette in Zukunft ordnungsgemäß aufkleben werde, da ihm die Einhaltung der Gesetze wichtig sei. Die Voraussetzungen des § 21 VStG seien gegeben. Es sei nicht verständlich, wenn bei einer grundsätzlich personengefährdenden Geschwindig­keits­übertretung ein Absehen von der Bestrafung möglich sei, dies aber bei einer aus den genannten Gründen mit Folie angebrachten Vignette nicht möglich sei. Weiters sei auch die Strafhöhe hinsichtlich des Verschuldens unangemessen. Als grundsätzliche Erwägung sei noch angebracht, dass das autobezogene Vignettensystem wenigverdienende Familien mit Kindern insofern benachteilige, da diese öfters Autos tauschen müssten, da sie Gebrauchtwagen führen als auch Familienzuwächse einen Autotausch notwendig mache. Der Bw legte seine Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnisse dar.

Die zeugenschaftliche Einvernahme der Gattin des Bw, des Meldungslegers und eine Beschuldigteneinvernahme wurde beantragt. Hingewiesen wurde zudem auf bereits vorgelegte bzw. auf bereits hingewiesene Beweismittel (auf dem Auto klebende Vorjahresvignette, Familienbeihilfenbestätigung, Einkommens­nach­weise, AV über Auflösung Dienstverhältnisses).

 

Beantragt wurde die Aufhebung des gegenständlichen Straferkenntnisses und das Absehen von der Bestrafung, in eventu eine Zurückverweisung an die Erstbehörde wegen Verfahrensmängel zur Beweisaufnahme.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 4. Februar 2008 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz die Mautvignette nicht mit dem Originalkleber angebracht gewesen. Als Zusatz zur Anzeige wurde angegeben: "JV mit Folie Lenker gab an sein Fahrzeug dieses Jahr zu wechseln und ist nicht bereit sich doppelt eine Vignette zu kaufen. Klebte deshalb die V mit Folie weil er wußte das sich die V beim Lösen zerstört".

 

Nach Strafverfügung vom 13. Februar 2008 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen wie in Teilen der später eingebrachten Berufung. Als Beilagen sind in Kopie angeschlossen: Kfz-Reparaturrechnungen, Gehaltszettel, AMS-Mitteilung über Leistungsanspruch, Mitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe, Aktenvermerk über eine bevorstehende Kündigung des Bw.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Die A übermittelte am 30. Mai 2008 dem Unabhängigen Verwaltungssenat auf Anforderung 3 Beweisfotos.

 

Am 5. Juni 2008 verzichtete der Bw auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.      

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt, dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen).  

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Die Mautaufsichtsorgane sind ermächtigt, anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 mündlich den Lenker zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Die Organe der Straßenaufsicht sind ermächtigt, anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 Abs. 1 den Lenker mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Der Aufforderung wird entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die entsprechende Ersatzmaut zahlt. Hierüber ist eine Bescheinigung auszustellen (Abs. 2).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs. 6). 

 

5.2. Klarstellend sei vorausgeschickt, dass das gegenständliche Schreiben des Bw vom 10. März 2008 als Berufung gegen das Straferkenntnis vom 25.2.2008 zu behandeln ist, obwohl – offenbar irrtümlich – im Einleitungssatz auf die Strafverfügung vom 13. Februar 2008 Bezug genommen wird. Dasselbe gilt für die irrtümliche Bezeichnung des Rechtsmittels als "Einspruch".

 

Unbestritten ist, dass der Bw der Lenker war und am Kfz zum Zeitpunkt der Kontrolle – mithin zur vorgeworfenen Tatzeit – die Mautvignette nicht mit dem Originalkleber sondern mittels Folie entgegen Punkt 7.1 der Mautordnung aufgeklebt war.

 

Einvernahmen des Bw und dessen Gattin waren entbehrlich, da der Unabhängige Verwaltungssenat die diesbezüglichen Vorbringen des Bw nicht anzweifelt.

 

Wenn mit dem Schreiben vom 10. März 2008 "Einspruch dem Grunde und der Höhe nach" erhoben wird, so ist dies aufgrund der Unstrittigkeit der Faktenlage allenfalls in Richtung eines mangelnden Verschuldens interpretierbar. Sollte dieser Verschuldensmangel auf eine Rechtsunkenntnis gestützt werden, so ist darauf hinzuweisen, dass der Lenker verpflichtet ist, sich vor Benützung von Mautstrecken mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung auf geeignete Weise vertraut zu machen. Vorwerfbare Rechtsunkenntnis bewirkt daher Fahrlässigkeit, die bei "Ungehorsamsdelikten" ausreicht. Sollte der Verschuldensmangel auf besondere Umstände des Falles gestützt werden, wie der familiären Konstellation des Bw, seiner finanziellen Situation und der Erforderlichkeit des Kaufes eines neuen Autos, so ist dem entgegen zu halten, dass damit auf keinen anerkannten Entschuldigungsgrund angespielt wird. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass die Voraussetzungen eines Notstandes als Schuldausschließungsgrund (§ 6 VStG und § 10 StGB) nicht vorliegen. Unter Notstand kann lt. einschlägiger Judikatur nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. u.a. VwGH 87/03/0112 v. 27.5.1987 und 91/19/0328 v. 17.2.1992).

 

Zu prüfen ist entsprechend den dominanten Formulierungen der Berufung die Strafbestimmung, im Besonderen, ob die Voraussetzungen des § 21 VStG vorliegen.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzliche Mindestgeldstrafe (und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde, sodass die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse unerheblich sind. Mildernd wirkt lediglich das Tatsachengeständnis, das aber im Hinblick auf die Beweislage (Fotoaufnahmen) nicht allzu stark ins Gewicht fällt. Bezüglich der Unbescholtenheit ist festzuhalten, dass mildernd lediglich absolute Unbescholtenheit wirken würde (vgl. die VwSen-130515 und VwSen-160407 zugrundeliegenden Fälle). Im Hinblick auf diese Situation erscheint die Verhängung der Mindestgeldstrafe angemessen.

 

Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht ersichtlich, zumal – wie der Titel dieser Bestimmung schon sagt – es sich um eine "außerordentliche" Milderung der Strafe handelt. Eine solche "außerordentliche" Milderung ist aber im gegenständlichen Fall nicht gerechtfertigt, da Gründe behauptet werden, die sich geradezu regelmäßig geltend machen lassen ("nicht an die Möglichkeit einer Tagesvignette gedacht", höhere Reparaturkosten für Kfz, bevorstehender Autowechsel, die Anbringungsart der Vignette "habe dem Rechtsgefühl entsprochen", der Preis für die Vignette sei bezahlt worden etc.), sodass bei Anwendung des § 20 VStG in solchen Fällen die gesetzliche Mindeststrafe in der Praxis unterlaufen würde. Die vom Bw geltend gemachten Gründe fallen insgesamt nicht so ins Gewicht, dass von einem Überwiegen von Milderungsgründen iSd § 20 VStG gesprochen werden könnte. Die fahrlässige Tatbegehung stellt eine gewöhnliche und ausreichende Schuldform dar (§ 5 Abs. 1 VStG). Inwiefern die Ankündigung des Bw, die Vignette künftig ordnungsgemäß aufkleben zu wollen, mildernd zum Tragen kommen könnte, ist nicht ersichtlich. Das Wohlverhalten vor und nach der Tat ist zwar lobenswert, jedoch nicht bedeutsam, dass, auch in Verbindung mit den sonstigen Umständen, eine Anwendung des § 20 VStG denkbar wäre.

 

Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens), dafür nicht gegeben sind: Wegen der Tatsache, dass für eine Vignette einst der Kaufpreis bezahlt wurde, kann nicht auf unbedeutende Folgen der Übertretung geschlossen werden, da der Sinn des BStMG auch die Kontrollierbarkeit bzw. der Hintanhaltung von Missbräuchen umfasst. Genau aus diesem Grund ist in der Mautordnung der einzuhaltende technische Vorgang bei der Anbringung von Mautvignetten genau beschrieben, so dass die Verletzung dieser Vorschriften eo ipso erheblichen Tatfolgen gleichzusetzen ist. Hinsichtlich des Verschuldens ist – im Zweifel – zugunsten des Bw davon auszugehen, dass er mit den einzelnen Rechtsvorschriften nicht vertraut war, was dazu führt, dass das Verhalten des Bw als fahrlässig einzustufen ist. Dieser Verschuldensgrad ist jedoch durchaus deliktstypisch und rechtfertigt die Anwendung des § 21 VStG keineswegs. Sollte das Vorbringen des Bw dahingehend zu verstehen sein, dass er, wenn auch aus besonderen Gründen (bevorstehender Autowechsel, höhere Reparaturkosten etc.), die ihm bekannte Rechtslage zu ignorieren sich berechtigt fühlte, so wäre von Vorsatz auszugehen, was die Anwendung des § 21 VStG von vornherein ausschlösse.

Wenn der Bw – vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht geteilte – Bedenken hinsichtlich der Höhe der gesetzlichen Mindestgeldstrafe und des "autobezogenen Vignettensystems" hegt, ist er auf den dafür vorgesehenen Rechtsweg zu verweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1. Juli 2008: 220 Euro) zu entrichten.

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

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