Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521942/5/Bi/Se

Linz, 30.06.2008

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn R R, A, vom 25. April 2008 gegen den (mündlich verkündeten) Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 18. April 2008, GZ.08/148188, wegen Befristung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben und die Befristung der Lenkberechtigung auf ein Jahr behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben genannten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Perg am 18. April 2008, GZ.08/148188, für die Klassen A<=25kW, A, B, B+E, C1, C1+E, C, C+E und F erteilte Lenkberechtigung auf ein Jahr bis 17. April 2009  befristet.

Die mündliche Verkündung des Bescheides erfolgte am 18. April 2008 und wurde darüber eine vom Bearbeiter der Erstinstanz und vom Bw unterschriebene Niederschrift aufgenommen.

 

2. Gegen die "Befristung der Lenkberechtigung und die Vorlage neuer Befunde" wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhand­lung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe seinen Führerschein am 18. April 2008 mit der Einschränkung der Befristung für ein Jahr zurückerhalten. Im Frühjahr 2007 habe er durch die Trennung seiner langjährigen Lebenspartnerin und damit auch dem Verlust seines damals vier Monate alten Sohn eine Krise durchlebt und sei vorübergehend aus dem Gleichgewicht gekommen. Er sei aber durch viele Gespräche, Eindrücke und Informationen zu neuen Einsichten gelangt und habe sich seit der Abnahme seines Führerscheins im Herbst 2007 voll­kommen von Alkohol distanziert. Auch der Kontakt zu seiner Freundin und seinem Sohn sei nun wieder geregelt. Er sehe daher keinen Anlass für eine Befristung seiner Lenkberechtigung.  

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw seit 1997 eine Lenkberechtigung besitzt, die 2000 auf die Klasse 2 ausgedehnt wurde. Vom 29. September 2007 bis 29. Jänner 2008 wurde ihm die Lenkberechtigung wegen eines Alkoholdeliktes (über 0,8 mg/l AAG) entzogen und nunmehr eine Befristung bis 17. April 2009 ausge­sprochen. Laut amtsärztlichem Gutachten Dris. E S vom 17. April 2008 ist der Bw gesundheit­lich geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der oben genannten Klassen unter der Auflage, alle drei Monate alkoholrelevante Labor­­befunde und eine Bestäti­gung über nervenfachärztliche Kontrollunter­suchungen vorzulegen – verbunden mit einer Befristung auf ein Jahr ab dem Datum des amts­ärzt­lichen Gutachtens und einer Nachuntersuchung mit nervenfachärztlicher Stellungnahme; dies aufgrund eines Zustandes nach chro­ni­schem Alkoholmiss­brauch und einer manisch-depressiven Erkrankung – derzeit in Remission. Begründend führt die Amtsärztin aus, im Hinblick auf Alkohol habe der Bw den Alkoholkonsum in den letzen sechs Monaten glaub­haft stark eingeschränkt und erscheine ausreichend motiviert, seine Alkoholkon­sum­­reduktion weiterhin aufrecht zu erhalten. Die vorgelegten relevanten Labor­befunde seien im Normbereich, laut Nervenfachärztin bestehe keine Alko­hol­ab­hängigkeit. Hinsichtlich der bipolar affektiven Störung "könne nicht ausge­schlossen werden, dass ein Rezidiv auftrete, wobei die Fahrtauglichkeit dann nicht mehr gegeben sei, zumal der Bw auch nach eigenen Angaben die vom Krankenhaus verordneten Medikamente bereits im Herbst 2007 abgesetzt und seither auch keine nervenfachärztlichen Kontrollen mehr in Anspruch genommen habe." Grundlage für das amtsärztliche Gutachten war diesbezüglich die FA-Stellung­nahme Dris G R, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in Perg, vom 6. März 2008, die neben Kontrollen alkoholspezifischer Laborpara­meter eine nervenfachärztliche Observanz für dringend nötig erachtet und in Verbindung damit eine Befristung vorsieht. 

  

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, so weit dies aufgrund des ärzt­lichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erforder­nissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter entsprechenden Befrist­ungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.

Gemäß § 3 Abs.1 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse iSd § 8 FSG ua gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften die nötige körperliche und psy­chi­sche Gesundheit besitzt... Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erfor­der­lichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgen­den Bestimm­ungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten Gemäß § 8 FSG vorzulegen.

Gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV kann Personen mit einer fortschreitenden Erkrankung eine Lenkberechtigung befristet erteilt oder belassen werden unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen. Die Auflage kann aufgehoben werden, sobald sich die Erkrankung oder Behinderung stabilisiert hat.

Gemäß § 13 FSG-GV gelten als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs.1 Z1 Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Len­ken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, ist eine psy­chia­trische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifi­schen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl E 20.4.2004, 2003/11/0315) regelt § 3 Abs.5 2.Satz FSG-GV, dass eine Stabilisierung der Erkrankung oder Behinderung die Grundlage für die Aufhebung der bei der befristeten Erteilung oder Belassung der Lenkberechtigung zu verfü­gen­den Auflagen bildet. Damit ist im gegebenen Zusammenhang nicht schon eine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Stabilisierung einer ihrer Art nach als fortschreitende Erkrankung anzusehende Krankheit gemeint. Diese muss also derart zum Stillstand gekommen sein, dass nach dem medizinischen Wissens­stand keine weitere Verschlechterung zu befürch­ten ist. Nur dann kann von einer Befristung Abstand genommen werden, ohne eine vorhersehbare Gefährdung der Verkehrssicherheit in Kauf zu nehmen. Es ist somit Sache des medizinischen Sachverständigen darzutun, ob bei der betreffenden Erkrankung nach den Erkennt­nissen der medizinischen Wissen­schaft eine Stabilisierung im besagten Sinn überhaupt in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen eine solche Stabilisierung angenommen werden kann. Bei Eintritt einer Stabilisierung im besagten Sinn liegt keine fortschreitende Erkrankung gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV (mehr) vor. In einem solchen Fall ist bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren gleichzeitige Befristung (im Sinne der Versagung einer Lenkberechtigung für die Zeit nach dem angenommenen Frist­ende hinaus) unter Auflage von Kontrollunter­suchungen und Nachuntersuchun­gen unzulässig.

 

Nach den Ausführungen der Fachärztin für Psychiatrie vom März 2008 besteht beim Bw derzeit keine affektive Störung und keine psychotische Symptomatik; ebenso keine Alkohol-Entzugssymptomatik. Die Alkoholabstinenz ist glaubhaft, die Leberlabor­werte sind im Normbereich; hinsichtlich der kraftfahrspezifischen Leistungs­funktionen besteht eine niedrige Neigung zu Verkehrsauffälligkeit und somit kein Ein­wand gegen die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die Gruppe 1. Allerdings wurde eine nervenfachärztliche Observanz "für dringend nötig" erach­tet, eine Befristung der Lenkberechtigung empfohlen.

Die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 14. April 2008 geht von einer Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 – kraftfahrspezi­fische Leistungsfunktionen und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung seien eingeschränkt – unter zeitlicher Befristung aus; hinsichtlich Gruppe 2 sei der Bw nicht geeignet wegen "einer zu fordernden erhöhten Lenkverantwortung und nicht ausreichen­der kraftfahrspezifischer Leistungsfunktionen".

Laut aä Gutachten Dris S ist der Bw dennoch zum Lenken von Kraftfahr­zeugen der Gruppen 1 und 2 befristet geeignet unter der Auflage, alle drei Monate Leberla­bor­werte (MCV, CDT) und eine Bestätigung über eine fachärztliche Kontrollunter­suchung vorzulegen. 

 

In diesen Ausführungen weist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungs­senates nichts auf eine fortschreitende Erkrankung im Sinne des § 3 Abs.5 FSG-GV hin, sondern es geht lediglich darum, den Bw im Hinblick auf Alkohol und die – allerdings in Absprache mit Frau Dr. S, Fachärztin für Psychiatrie in Frei­stadt – abgesetzten Psycho­phar­maka zu "beobachten".

Die letztlich im Hinblick auf die VwGH-Judikatur nicht schlüssig begründete Empfehlung einer zeitlichen Befristung der Lenkbe­rech­­tigung durch die Fach­ärztin, die Amtsärztin und die Verkehrspsy­cho­login ist nach Auffassung des Unabhän­gigen Verwaltungssenates auch in diesem gesundheits­bezogenen Licht zu sehen. Die kritiklose Übernahme des Begriffs "Befristung" samt den damit verbundenen Folgen würde hier jedoch der ständigen Recht­sprechung des Verwaltungsge­richts­hofes eklatant widersprechen.

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen iSd § 8 Abs.3 Z2 FSG ist nur dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraft­fahr­zeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Es bedarf daher konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für bestimmte Zeit vorhanden ist, aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder ein­schrän­kenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl VwGH 18.1.2000, 99/11/0266; 24.4.2001, 2000/11/0337; 24.11.2005, 2004/11/0121, ua).

 

Im ggst Fall bestand zum einen in der Vergangenheit Alkoholmissbrauch (jedoch ohne Diagnose einer Alkoholkrankheit oder –abhängigkeit) und andererseits eine im Frühjahr 2007 akute affektive Störung, die zunächst medikamentös behandelt wurde, derzeit aber trotz (bereits mehrere Monate) abgesetzter Medikamente laut FA-Stellungnahme Dr. R nicht mehr vorhanden ist. Für die Annahme einer "Krankheit", nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlech­terungen gerechnet werden "muss", ergeben die FA-Stellungnahmen ebenso wie das aä Gutachten gemäß § 8 FSG keine schlüssige Grundlage. Aus all diesen Über­legungen war im Hinblick auf die mit dem Rechtsmittel angefochtene Befristung spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu bemerken ist, dass in der FA-Stellungnahme wie auch im aä Gutachten Dris S die Vorlage von Befunden vorgesehen gewesen wäre mit dem Zweck,  even­tuelle eignungs­aus­schließende oder –ein­schrän­kende Verschlech­terungen der gesundheitlichen Eignung des Bw recht­zeitig deutlich zu machen. Eine solche Vorlage von Befunden wurde dem Bw definitiv nicht vorgeschrieben, zumal die von der Erstinstanz ausdrücklich als Bescheid angesehene Niederschrift über eine mündliche Verkündung eines Bescheides vom 18. April 2008 eine solche Auflage nicht enthält und auch im Zentralen Führer­schein­register nicht eingetragen ist. Damit ist der Bw mit Zustellung (Rechts­kraft) dieses Erkenntnisses nun definitiv im Besitz einer uneinge­schränkten unbe­fristeten Lenkberechtigung der Gruppen 1 und 2.  

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Befristung lt. VwGH-Judikatur unzulässig, weil keine Krankheit festgestellt, Auflagen nicht vorgeschrieben

 

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