Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163256/8/Br/Ps

Linz, 08.07.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dr. R J, geb. am, V, A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 15.5.2008, Zl. VerkR96-135-2008, nach der am 1.7.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Dem Berufungswerber wurde im Ergebnis zur Last gelegt, er habe am 3.1.2008 um 09.33 Uhr in der Gemeinde Neufelden, auf der Neufeldener Straße L1518 vor dem Haus Markt, den Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen  (A) gelenkt, obwohl die Sicht vom Lenkerplatz des verwendeten Kraftfahrzeuges für das sichere Lenken nicht gegeben war, da er die Scheiben des Kraftfahrzeuges nicht vom Eis gesäubert habe.

 

1.2. Begründend führte die Behörde erster Instanz unter wörtlicher Wiedergabe der Einspruchsbegründung und der im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vom Berufungswerber schriftlichen Rechfertigung in der Substanz aus, dass der PKW, V, s lackiert, Kennzeichen , vom Marktplatz in Neufelden nach links auf die Neufeldner Landesstraße abbiegend gelenkt worden wäre. Dabei sei die Windschutzscheibe nur im unteren Bereich jeweils vor dem Fahrer- und Beifahrersitz in einer Größe von ca. 2 Handflächen vom Eis befreit gewesen. Ansonsten wäre die gesamte Windschutzscheibe und auch alle Seitenscheiben und die Heckscheibe völlig vereist und damit undurchsichtig gewesen.

Beim Einbiegen vom Marktplatz in die Neufeldner Landesstraße hätte der Lenker die Seitenscheiben der Fahrer- und Beifahrertür geöffnet gehabt, um so den bevorrangten Querverkehr einzusehen. Die Fahrt auf der Neufeldener Straße sei sehr langsam erfolgt, weil die Windschutzscheibe vermutlich auch innen beschlagen gewesen sei. Eine Behinderung des Verkehrs wäre zur Zeit der Feststellung der Übertretung nicht gegeben gewesen. Die Übertretung wäre durch die Beamten der dortigen Polizeiinspektion, Grlnsp C K und Bezlnsp R, während der Vorbeifahrt festgestellt worden. Eine Anhaltung des Lenkers sei nicht möglich gewesen.

Als Inhaber einer Lenkerberechtigung – so die Behörde erster Instanz abschließend – seien ihm nicht nur die Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes Straßenverkehrsordnung zuzumuten, sondern auch ein demgemäßes Verhalten.

Eine Strafe müsse geeignet sein, ihn von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.

Auf Grund des gegenständlichen Fehlverhaltens hätten die Bestimmungen des § 21 VStG nicht Anwendung finden können.

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung mit folgenden inhaltlichen Ausführungen:

"Zu meinem Einspruch führe ich folgende Punkte zu meiner Entlastung an:

 

Einmal ist von einem Polizisten die Rede (1. Anzeige) in weiterer Folge plötzlich von zweien und letztendlich wieder von einem.

 

Laut Aussage eines KFZ-Sachverständigen könnte die Feststellung, dass die Windschutzscheibe lediglich in der Größenordnung von 2 Handflächen von Eis befreit war, nur aus nächster Nähe bemerkt werden. In diesem Falle wäre es möglich gewesen mich anzuhalten und somit hätte sich der Polizist von seinem Irrtum überzeugen können,  - errare humanum est - Und aus einer größeren Entfernung ist die Feststellung einer nicht vom Eis befreiten Windschutzscheibe in der angegebenen Größenordnung definitiv nicht möglich. Dass die herabgelassenen Seitenscheiben nicht vom Eis befreit waren kann nur vermutet werden. Objektiv ist das nicht nachvollziehbar. Ausserdem, wieder It. Sachverständigen, wäre aufgrund meiner Statur (Körpergröße) nur eine "Blindflugfahrt" möglich gewesen. Um bei dem mir vorgeworfenen Vergehen hätte ich den Fahrersitz entfernen müssen um am Boden des Fahrzeuges Platz nehmen zu können. Bei einer "Blindflugfahrt" wäre ich nie und nimmer von Neufelden Promenade - Slalomfahrt über den Marktplatz - bis nach Altenfelden gekommen. Dass ich mich nicht verkehrsbehindernd verhalten habe wurde ja eindeutig festgestellt. Ausserdem verfügt das Fahrzeug über eine Windschutzscheibenheizung die während des Eisabschabens bereits in Betrieb genommen war - zusätzlich zum Gebläse.

 

Ich bin seit 47 Jahren Führerscheininhaber, davon 25 Jahre C+E mein Strafregister weist keinerlei Verfehlungen auf. Daher ist es nicht notwendig eine abschreckende Wirkung, um eine Wiederholungstat zu verhindern, auszusprechen. Aus angegebenen Gründen ersuche ich um die Einstellung des Verfahrens

 

Hochachtungsvoll Dr. R J"                (mit Stampiglie u. e.h. Unterschrift).

 

3. Da hier keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und dessen Verlesung anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Als Zeuge einvernommen wurde der Meldungsleger RI R sowie der Berufungswerber als Beschuldigter.

 

4. Im Rahmen der Berufungsverhandlung erklärte der Meldungsleger vorerst, sich keine Handnotizen über seine Wahrnehmungen betreffend die erst elf Tage später (am 14.1.2008) niedergeschriebene Anzeige gemacht zu haben. Erst über Vorhalt einer möglich unterlaufenen Erinnerungslücke zu Details der in der Anzeige niedergelegten Wahrnehmung besann er sich schließlich, entsprechende Daten doch in seinen Notizblock geschrieben zu haben. Diesen Block könne er aber nicht mehr vorweisen bzw. habe er diesen entsorgt. Es würde kein Vorschrift existieren, welche die Aufbewahrung solcher Aufzeichnungen anordnet.

Weiter vermeinte der Zeuge, er hätte diese Wahrnehmung aus etwa 30 m gemacht und revidierte über Vorhalt, wonach auf diese Entfernung nur schwer eine solche Feststellung zu machen sei, nämlich ob die Fenster etwa nicht nur innen beschlagen gewesen sein könnten, wurde auch diese Darstellung wieder auf die Wahrnehmung auch noch bei der Vorbeifahrt in einem Abstand von etwa 6 m geändert. Schließlich ist auf den ebenfalls vom Berufungswerber aufgezeigten Widerspruch hinzuweisen, dass bei den angeblich heruntergelassenen Seitenfenstern nicht festgestellt werden hätte können, ob diese von Eis gereinigt gewesen wären.

Der Zeuge vermeinte in der Berufungsverhandlung dazu, dass diese Fenster nur etwa 10 cm heruntergelassen gewesen wären. In der Meldung ist im Gegensatz dazu von "geöffneten Seitenfenstern" die Rede. Warum in diesem Fall wiederum ein Anhaltezeichen nicht zumindest versucht wurde, anstatt mit dieser Anzeige ein überdurchschnittlich aufwändiges Verfahren einzuleiten, bleibt dahingestellt.

Da somit die Darstellungen des Meldungslegers von deutlichen Widersprüchen begleitet sind und letztlich auf sich bewenden muss, ob von der Position des Meldungslegers die Fenster beidseitig sichtbar sein konnten, vermag vor dem Hintergrund der zumindest teilweise durchaus mit inhaltlicher Substanz entlastenden Aussage der im Rechtshilfeweg einvernommenen Lebensgefährtin des Berufungswerbers von einem ausreichend schlüssigen Tatbeweis hier nicht ausgegangen werden. Zu viele Ungereimtheiten und eine im Ergebnis inhaltsleere Aussage des Meldungslegers vor der Behörde erster Instanz lassen daher – im Gegensatz zur Beurteilung der Behörde erster Instanz – einen Tatbeweis zumindest nicht in einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit erbracht gelten.

Zum Auftreten des Zeugen an sich ist zu sagen, dass dieses durchaus unsicher war und er sich offenbar wirklich nicht mehr an seine damalige Wahrnehmung erinnern konnte. Da er diese auch nicht als dokumentiert belegen konnte und er die Meldung erst elf Tage später schrieb, ist auch darin Grund für Zweifel an einem ausreichend detailreichen Erinnerungsvermögen gegeben. Insbesondere wurde seine Darstellung, warum er den angeblich an ihm vorbeifahrenden Pkw-Lenker nicht angehalten hat, welchen er wiederum trotz angeblich geöffnetem Seitenfenster nicht gesehen oder erkannt haben will, dass "ihm dies zu gefährlich erschienen sei" nicht überzeugend beantwortet.

Demgegenüber verantwortete sich der Berufungswerber von Anfang an gleichlautend und auch logisch nachvollziehbar und schlüssig. Warum sollte er sich tatsächlich gleichsam auf eine Blindfahrt eingelassen haben. Dass jedoch die Scheibe kurz nach dem Wegfahren innen beschlagen haben könnte, scheint vielmehr durchaus realistisch, geht aber am Tatvorwurf vorbei.

Das bisher tadellose Verkehrsverhalten des Berufungswerbers ist an dieser Stelle ebenfalls zu erwähnen.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

Im § 102 Abs.2 KFG 1967 ist unter anderem normiert, dass der Lenker eines KFZ u.a. dafür zu sogen hat, dass die Sicht vom Lenkerplatz aus für das sichere Lenken des Fahrzeuges ausreicht.  Laut Judikatur wäre vor einer Inbetriebnahme dieser Vorschrift nicht entsprochen, wenn bis auf eine Stelle im Bereich des Lenkers die Windschutzscheibe nur in der Größe von ca. 20 x 20 cm befreit gewesen und sonst völlig vereist wäre (s. VwGH 14.5.1997, 97/03/0021, VwGH 20.4.2004, 2003/02/0221).

Abschließend sei bemerkt, dass den Worten im Straferkenntnis "vor Fahrtantritt" ebenso keine rechtserhebliche Bedeutung zukommen würde, als dies für den Umstand zutrifft, ob sich der Betreffende hiervon überzeuge oder nicht. Dass es im Fall eines so augenfälligen Zustandes auch keiner Überzeugung hiervon bedürfte, müsste angesichts der Offenkundigkeit einer vereisten oder mit Schnee bedeckten Windschutzscheibe wohl als evident gelten (vgl. VwGH 20.2.1991, 90/02/0189).

Rechtlich folgt demnach iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG, dass hier mangels Tatbeweis an sich und im Falle eines bloß plötzlichen nachfolgenden Beschlagens der Windschutzscheibe mangels Verschuldens von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  B l e i e r

 

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