Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420553/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 16.07.2008

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des E D, vertreten durch die RAe Dr. G K u.a., wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. Mai 2008 bis 13. Mai 2008 zu Recht erkannt:

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben; die Festnahme des Rechtsmittelwerbers am 12. Mai 2008 um 17.35 Uhr und dessen nachfolgende Anhaltung bis 13. Mai 2008, 17.05 Uhr, werden als rechtswidrig erklärt.

II.     Der Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von insgesamt 660,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§ 67c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1 Mit seiner auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gegründeten, am 26. Juni 2008 bei der Bundespolizeidirektion Linz ein­gebrachten Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass sein Asylverfahren bereits seit 1. Dezember 2006 rechtskräftig negativ ab­geschlossen und die dagegen eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit Beschluss vom 23. Jänner 2007, Zl. 2006/01/0891-4, abgelehnt worden sei. In der Folge habe die Bundespolizeidirektion Linz mit Bescheid vom 12. März 2007, Zl. 1002665/FRB, gegen ihn eine Ausweisung erlassen, die mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. April 2007, Zl. St078/07, bestätigt worden sei; dagegen habe er beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde zu Zl. 2007/18/0339 erhoben. Schließlich wurde zur Sicherung der Abschiebung mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. April 2008 gemäß § 77 Abs. 1 bis 3 des Fremdenpolizeigesetzes angeordnet, dass er sich jeden Tag persönlich bei der Polizeiinspektion in Linz zu melden habe; gegen diesen Bescheid sei bei der Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Oberösterreichs eine Berufung eingebracht worden, die gegenwärtig noch anhängig sei. Am 12. Mai 2008 sei er dann wie immer verlässlich seiner Meldepflicht nachgekommen. Dabei sei er überraschend festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Linz überstellt worden, wo er über Nacht festgehalten worden sei. Erst am darauf folgenden Tag (13. Mai 2008) sei er unter Beiziehung eines Dolmetschers für die t Sprache einvernommen und über den Grund seiner Anhaltung aufgeklärt  worden; in diesem Zusammenhang sei ihm mitgeteilt worden, dass er an diesem Tag zwecks Ausstellung eines Heimreisezertifikates dem t Generalkonsulat in Salzburg vorgeführt werden werde.

Da jedoch im gegenständlichen Fall über ihn das gelindere Mittel nach § 77 des Fremdenpolizeigesetzes verhängt worden sei und er sich auch tatsächlich immer täglich bei der Polizeiinspektion Linz gemeldet habe und somit stets seiner Verpflichtung nachgekommen sei, sei die durch die belangte Behörde angeordnete Festnahme und Anhaltung im Polizeianhaltezentrum Linz sowie die zwangsweise Vorführung beim t Generalkonsulat völlig unverhältnismäßig und überschießend gewesen.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Erläuternd wird dazu ausgeführt, dass der Rechtsmittelwerber über den Grund der Festnahme und Anhaltung informiert worden sei. Amtsbekanntermaßen fänden aber die Vorführtermine beim t Generalkonsulat meistens nachmittags statt, weshalb die belangte Behörde davon ausgegangen sei, dass der Rechtsmittelwerber knapp vor dem Vorführtermin an seiner Wohnadresse nicht anzutreffen sein werde; dies deshalb, weil der Beschwerdeführer seiner Meldepflicht überwiegend immer erst in den späten Nachmittagsstunden nachgekommen sei, da er als Arbeiter bei einer Baufirma in T beschäftigt gewesen sei. Nach Ansicht der belangten Behörde sei diese Vorgehensweise – nach der aktuellen Rechtslage – die einzige Handhabe, um der Erlangung eines Heimreisezertifikates effektiv nachkommen zu können, damit letztendlich die Abschiebung auch tatsächlich durchgeführt werden könne.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt.

1.3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu Zl. 1002665/FRB; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 61d Abs. 1 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

1.3.2. Nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG haben die Unabhängigen Verwaltungssenate über Maßnahmenbeschwerden i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

2. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG i.V.m. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG ent­scheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

2.2. Nach der ständigen Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kann Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG nur ein solches Verhalten eines Behördenorgans sein, durch das gegenüber einem Menschen unmittelbar physische Gewalt ausgeübt oder diesem ein mit einer derartigen Sanktion bewehrter Befehl erteilt wird.

Nach § 74 Abs. 2 Z. 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: FPG) kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, wenn gegen ihn ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll.

Nach § 46 Abs. 1 FPG können u.a. Fremde, gegen die eine Ausweisung durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise im Wege der Abschiebung verhalten werden; gemäß § 46 Abs. 2 FPG hat die Behörde, wenn der Fremde über kein Reisedoku­ment verfügt und daher nicht abgeschoben werden kann, bei der zuständigen Vertretungsbehörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen.

2.3. Im gegenständlichen Fall konnte § 74 Abs. 2 Z. 3 i.V.m. § 46 Abs. 1 FPG zwar deshalb nicht zur Festnahme des Beschwerdeführers herangezogen werden, weil dessen Abschiebung im Hinblick auf das noch nicht vorliegende (Ersatz‑)Reisedokument nicht durchgeführt werden konnte; daher konnte auch ein entsprechender Ausreiseauftrag nach § 46 Abs. 1 FPG nicht erteilt werden, weshalb schließlich auch der gegenständliche Festnahmeauftrag nicht auf § 74 Abs. 2 Z. 3 FPG gestützt werden konnte.

§ 39 Abs. 3 Z. 1 FPG sieht jedoch vor, dass Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben und gegen die eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen werden dürfen. Diese Voraussetzungen lagen – worauf bereits eingangs hingewiesen wurde (vgl. oben, 1.1.) – vor, sodass sich die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers grundsätzlich als rechtmäßig erweist.

2.4. Allerdings steht auch die Ermächtigung des § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG unter dem generellen Vorbehalt der Verfassungsbestimmung des Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG, wonach die  persönliche Freiheit jeweils nur entzogen werden darf, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die belangte Behörde offenbar selbst nicht davon ausgegangen ist, dass sich der Rechtsmittelwerber seiner bevorstehenden Abschiebung entziehen wird, hat sie doch anstelle der Schubhaft bloß das gelindere Mittel der periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle angeordnet.

Es ist daher unter dem Aspekt eines offensichtlich durchgängigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, weshalb dessen zeitgerechte (allenfalls bescheidmäßig zu verfügende) Vorladung vor die belangte Behörde für den Tag der Vorsprache beim Konsulat in Salzburg nicht in gleicher Weise zweckdienlich gewesen wäre.

Dem gegenüber muss aber eine offenbar nur zu dem Zweck, den festgesetzten Termin nicht zu versäumen, bereits am Vorabend erfolgte Festnahme und die nachfolgende Anhaltung während der gesamten Nachtstunden offensichtlich als unverhältnismäßig erscheinen – und zwar selbst dann, wenn die allfällige Vereinbarung eines neuen Vorsprachetermins in der Verwaltungspraxis mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre (vgl. in diesem Sinne auch schon VwSen-400941 vom 6. Mai 2008).  

2.5. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher im Ergebnis gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass die Festnahme des Rechtsmittelwerbers durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz am 12. Mai 2008 um 17.35 Uhr und dessen nachfolgende Anhaltung bis zum 13. Mai 2008 um 17.05 Uhr rechtswidrig war.

3. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer als obsiegende Partei nach § 79a Abs. 1, 2 und 4 i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-AufwandsersatzVO BGBl.Nr. II 334/2003 antragsgemäß Kosten in Höhe von 660,80 Euro (Schriftsatzaufwand) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.  Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro entstanden.

Dr. Grof

 

Rechtssatz:

VwSen-420553/2/Gf/Mu/Ga vom 16. Juli 2008

Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG; Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG

Festnahme eines Asylwerbers, der nicht in Schubhaft genommen, sondern lediglich zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle verpflichtet wurde, rechtswidrig, wenn diese lediglich zu dem Zweck erfolgte, um die Einhaltung des Vorführungstermines bei einer ausländischen Botschaft zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht zu gefährden (wie VwSen-400941 vom 6. Mai 2008).

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 18. September 2008, Zl.: 2008/21/0544-3

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