Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400954/5/Gf/Mu/Ga

Linz, 18.07.2008

zeit Polizeianhaltezentrum Wels, gegen seine Anhaltung in Schubhaft durch den Polizeidirektor von Wels seit dem 14. Juli 2008 zu Recht erkannt:

Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wird als  rechts­widrig festgestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer ist (vermutlich) am 10. April 2003 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn aus ins Bundesgebiet eingereist und hat in der Folge einen Asylantrag eingebracht.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (Außenstelle W) vom 12. Mai 2004, Zl. 312149-BAW, gemäß § 7 des Asylgesetzes abgewiesen und mit der Ausweisung des Rechtsmittelwerbers verbunden.

1.2. Mit Bescheid der BPD W vom 30. Mai 2005, Zl. III-1128441/FrB/05, wurde dem Beschwerdeführer jedoch als begünstigtem Drittstaatsangehörigen eine befristete Niederlassungsbewilligung erteilt, die in der Folge mehrfach verlängert wurde.

1.3. In der Folge wurde er mit Urteil des LG für Strafsachen W vom 26. Februar 2008, Hv, wegen eines Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Am 14. Juli 2008 wurde er vorzeitig aus der Strafhaft entlassen.

1.4. Zuvor wurde allerdings gegen den Rechtsmittelwerber mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 10. Juli 2008, Zl. 1-1025409/FP/08, zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung von dessen Vollstreckung im Wege der Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese unmittelbar im Anschluss an seine Entlassung aus der Strafhaft durch Überstellung in das PAZ Wels vollzogen.

1.5. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 15. Juli 2008 beim Oö. Verwaltungssenat eingegangene Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass er nach seiner Entlassung wieder mit seiner Lebenspartnerin in der früheren Wohnung in W Unterkunft nehmen und dort auch wieder arbeiten könne.

Da sich somit seine zwangsweise Anhaltung als nicht erforderlich erweise, wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung beantragt.

1.6. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber weder im Besitz eines gültigen Reisedokumentes noch eines Aufenthaltstitels sei und auch keine polizeiliche Anmeldung vorweisen könne. Derzeit werde von der BPD W die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorbereitet.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Wels zu Zl. 1-1025409/FP/08; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien zudem einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 157/205, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen; der UVS entscheidet darüber durch Einzelmitglied (vgl. § 83 Abs. 2 FPG).


3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde u.a. zu dem Zweck festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder um die Abschiebung zu sichern.

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

3.2.1. Im gegenständlichen Fall verfügte der Beschwerdeführer schon vor seiner Inhaftierung wegen des oben unter 1.3. angeführten Deliktes am 14. März 2007 über eine – gegenwärtig bis zum 26. Mai 2012 gültige – Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt (vgl. zuletzt den Bescheid des Magistrates W vom 26. Mai 2006, Zl. 9/2764317-01-4.3-8-HUB). Er war bis zu diesem Zeitpunkt – wie dies aus dem Zentralen Melderegister hervorgeht – auch unter einer W Adresse polizeilich gemeldet und – auch von der belangten Behörde unwidersprochen – mit einer österreichischen Staatsbürgerin liiert.

3.2.2. Unter derartigen Umständen ist aber objektiv betrachtet nicht ersichtlich, aus welchen Gründen im gegenständlichen Fall ein derart dringendes Sicherungsbedürfnis bestanden haben soll, dass die Anwendung gelinderer Mittel schon von vornherein nicht in Betracht gezogen werden konnte. Insbesondere wird auch von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides – die sich ausschließlich in der Wiedergabe gesetzlicher Vorschriften und allgemeiner Feststellungen ohne jegliche konkrete Bezugnahme auf den spezifisch vorliegenden Sachverhalt erschöpft – nicht dargetan, weshalb die Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einem Polizeikommando (in W) nicht geeignet sein sollte, den mit der Anordnung der Schubhaft verfolgten Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in einer adäquat effektiven Weise zu erreichen. Denn es ist offensichtlich, dass allein das Nichtvorhandensein eines gültigen Reisedokumentes – gegen die erstbehördliche Annahme des Nichtvorliegens eines Aufenthaltstitels und einer polizeilichen Meldung (s.o., 1.6.) sprechen hingegen (abgesehen davon, dass selbst bei deren Zutreffen im Ergebnis keine andersartige Beurteilung resultieren würde) die zuvor (vgl. oben, 3.2.1.) angeführten Aktenteile – nicht geeignet ist, das Vorliegen einer Fluchtgefahr zu dokumentieren.

3.2.3. Im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG hätte die belangte Behörde daher statt der unreflektierten Verhängung der Schubhaft zuvor versuchen müssen, mit gelinderen Mitteln – insbesondere die Vorschreibung der Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einem Polizeikommando gemäß § 77 Abs. 3 FPG – das Auslangen zu finden.

3.3. Unter diesem Aspekt erweist sich daher die Anordnung der Schubhaft im gegenständlichen Fall als rechtswidrig; dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG  festzustellen.

4. Eine Kostenentscheidung war mangels eines darauf gerichteten Antrages des bei diesem Verfahrensergebnis nach § 79a Abs. 2 als obsiegende Partei anzusehenden Beschwerdeführers nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.             Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.             Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

VwSen-400954/5/Gf/Mu/Ga vom 18. Juli 2008

§ 77 Abs. 3 FPG

Anordnung der Schubhaft bloß wegen Fehlen eines Reisedokumentes nicht gerechtfertigt, wenn dem eine aufrechte Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt und eine aufrechte polizeiliche Meldung im Zeitpunkt der Verhaftung des Fremden gegenüberstehet und dieser zudem mit einer österreichischen Staatsbürgerin liiert ist.

 

 

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