Linz, 09.07.2008
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Dr. Bleier über die Berufung des Herrn A K, geb. , P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 14. Mai 2008, Zl. VerkR96-5065-2008, nach der am 9. Juli 2008 im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird im Punkt 1) im Schuldspruch keine Folge gegeben; im Strafausspruch wird der Berufung jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen wird.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 - AVG iVm § 21, § 24, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 5/2008 - VStG.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber zwei Geldstrafen in Höhe von 30 und 40 Euro und für den im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 24 und 36 Stunden verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe
1) einer Fußgängerin, die erkennbar einen Schutzweg benutzen wollte, das
unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht.
Tatort: Gemeinde Schwanenstadt, B1, Stadtplatz, Abbiegung Sparkassenplatz
Tatzeit: 26.1.2008, 13:10 Uhr
§ 9 Abs. 2 StVO
2) als Zulassungsbesitzer des angeführten Fahrzeuges nicht dafür Sorge getragen, dass die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes eingehalten werden. Der Standort des Fahrzeuges wurde am 20.06.2007 von R nach P verlegt. Er habe es zumindest bis zum 26.01.2008 unterlassen, dies einer Zulassungsstelle der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck anzuzeigen, obwohl der Zulassungsbesitzer der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich das Fahrzeug zugelassen ist, binnen einer Woche jede Änderung von Umständen anzuzeigen hat, durch die behördliche Eintragungen im Zulassungsschein berührt werden, wie insbesondere die Verlegung seines ordentlichen Wohnsitzes, seiner Hauptniederlassung oder seines Sitzes und des Ortes, von dem aus er über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt.
Tatort: Gemeinde Schwanenstadt, gl, Stadtplatz, Abbiegung Sparkassenplatz Tatzeit: 26.01.2008, 13:10 Uhr.
Fahrzeug: Kennzeichen , Sonderkraftfahrzeug, VW 70D Kasten, rot
Er habe dadurch gegen § 9 Abs. 2 StVO und § 42 Abs. 1 KFG verstoßen.
1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck führte in der Begründung des Straferkenntnisses folgendes aus:
2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Darin vermeint er im Ergebnis, es würde nicht den Tatsachen entsprechen diese Behinderung am Schutzweg begangen zu haben. Die beiden Kinder hätten sich etwa einen bis zwei Meter hinter der Fußgängerin befunden als er mit dem PKW den Schutzweg gequert habe.
Zum Punkt 2.) wurde in der Berufung nichts ausgeführt, wobei im Rahmen der Berufungsverhandlung der Berufungswerber klarstellte gegen diesen Punkt nicht berufen zu haben, bzw. diesem Spruchpunkt nicht entgegen zu treten.
3. Die Berufung wurde dem Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts der Bestreitung der zu Last gelegten Übertretungshandlung in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den oben genannten Verwaltungsstrafakt der Behörde erster Instanz und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der verbunden mit einem Ortsaugenschein durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter und der Meldungsleger RI H vor Ort als Zeuge einvernommen. Zum Punkt 2) wurde nicht berufen, sodass diesbezüglich die Rechtskraft des Straferkenntnisses festzustellen ist.
5. Zur Örtlichkeit und Sachverhalt: Im Stadtzentrum von Schwanenstadt befindet der abgebildete Schutzweg auf der B1. Der Berufungswerber näherte sich laut seiner nachvollziehbaren Darstellung mit 20 bis 30 km/h dem Schutzweg, wobei er die Fußgängerin und zwei Kinder auf der rechten Seite (roter Pfeil) in Richtung Schutzweg gehend wahrnahm. Ein Kind ging an der Hand dieser Frau und eines etwa einen Meter dahinter. Als er sich bereits unmittelbar dem Schutzwegbereich angenäherte gehabt habe, drehte sich diese Frau nach links und gab erst dadurch zu erkennen den Schutzweg überqueren zu wollen. Der Meldungsleger beobachtete diesen Vorgang aus etwa 40 Meter Entfernung vom nachfahrenden Funkwagen aus, wobei er die Situation so darstellte, dass die Frau mit dem Kindern bereits dort gestanden wäre und es dem Berufungswerber sehr wohl noch möglich gewesen wäre vor dem Schutzweg anzuhalten um der Frau das Überqueren zu ermöglichen.
Der Berufungswerber wurde folglich vom Meldungsleger ca. 200 m weiter vorne am Stadtplatz im Bereich der Sparkasse angehalten und mit dem Tatvorwurf konfrontiert. Er begehrte sofort vom Meldungsleger die Dienstnummer und zeigte sich über den Tatvorwurf uneinsichtig, sodass sich der Meldungsleger veranlasst sah die Anzeige zu erstatten.
Da der Meldungsleger seine Wahrnehmung aus etwa 40 Meter machte und wie das Bild von der gegenüberliegenden Straßenseite zeigt, der Schutzweg durchaus gut einsehbar ist, vermag an seiner sachgerechten Einschätzung kein objektiver Grund für Zweifel erblickt werden. Andererseits wird auch dem Berufungswerber dahingehend gefolgt, dass es sich tatsächlich um einen Grenzfall gehandelt haben mag und er von der Überquerensabsicht des Schutzweges doch überrascht gewesen sein mag, sodass er sich eben nicht mehr zu einer Bremsung, sondern zur Überquerung entschloss. Allenfalls mag ihn auch das ein bis zwei Meter hinter der Frau gehende Kind irritiert haben.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung konnte durchaus der Eindruck gewonnen werden, dass auch hier ein Grenzfall vorlag, wo dem Fahrzeuglenker ab der Erkennbarkeit einer Überquerungsabsicht kaum ein Dispositionsraum zwischen Erfüllung der Anhaltepflicht oder substanzielle Behinderung eines Fußgängers verblieben sein mag. Nicht zu übersehen ist, dass ein kurzes Innehalten für den Fußgänger oft weniger Mühe bedeuten würde, als für einen Fahrzeuglenker der die bewegte Masse seines Fahrzeuges mit deutlich mehr Aufwand zu kontrollieren hat. Wie die Praxis zeigt werden von Fußgängern Schutzwege oft sehr unerwartet und Fahrzeuglenker mit Blick auf diese Schutznorm oft unausweichlich in Konflikt bringend betreten.
Hier war jedoch auf Grund der klaren Darstellung des Meldungslegers von einer rechtzeitigen Erkennbarkeit auszugehen, wobei andererseits von keiner nachteiligen Auswirkung für die Fußgängerin und – ob eines offenkundigen Grenzfalls - von bloß unbedeutendem Verschulden hinsichtlich dieser Fehlentscheidung des Lenkers ausgegangen werden kann.
6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
§ 9 Abs.2 StVO unterscheidet zwischen Fußgängern, die sich auf einem Schutzweg befinden und solchen, die sich noch nicht auf diesem befinden (argum. diesen erkennbar benützen wollen). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm den Schutzbereich des Fußgängers über die als Zebrastreifen markierte Fläche hinaus ausdehnen. Durch die geltende Bestimmung reicht der Schutzzweck unter bestimmten Umständen über die angesprochene Fläche hinaus. Für den Fahrzeuglenker besteht grundsätzlich ein Unterschied, ob sich ein Fußgänger auf dem Schutzweg oder beim Schutzweg befindet. Beim Fußgänger, der sich auf dem Schutzweg befindet, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob dieser den Schutzweg "erkennbar" benützen will, sondern es stellt sich nur eingeschränkt die Frage, ob trotz Weiterfahrt dessen ungehinderte und ungefährdete Überquerung möglich ist. Im Gegensatz dazu hat der Fahrzeuglenker beim Herannahen eines Fußgängers zum Schutzweg bzw. beim direkt beim Schutzweg befindlichen Fußgänger zu beurteilen, ob dieser den Schutzweg erkennbar benützen möchte oder ob dieser zu erkennen gibt, dass er auf den Vorrang verzichtet und ob allenfalls eine berechtigte Weiterfahrt zulässig ist.
6.1. Da § 9 Abs.2 StVO sowohl den Vorrang des auf dem Schutzweg befindlichen als auch des herannahenden Fußgängers regelt, ist von zwei unterschiedlichen Tatbeständen auszugehen.
Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat insofern eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht, dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist. Für den Fahrzeuglenker, insbesondere KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zur Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgängern, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Überquerung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357). Wenn hier wohl eine ausreichende Geschwindigkeitsreduzierung in der unmittelbaren Annährungsphase erfolgte die ein Anhalten leicht ermöglicht hätte, ist diese Schutznorm zumindest bei formaler Betrachtung noch verletzt worden, ohne jedoch nachteilige Folgen im Sinne des Schutzziels mit sich gebracht zu haben (vgl. auch h. Erk.v. 21. September 2000, VwSen-107121/2/SR/Ri).
Wie oben schon dargelegt handelte es sich hier um einen Grenzfall der ein Anhalten schon erfordert hätte, wobei jedoch dem Schutzziel dieser Bestimmung in bloß geringst denkbarem Umfang zuwider gehandelt wurde. Dies mit Blick darauf, dass die Fußgängerin in ihrer Absicht nur äußerst geringfügig beeinträchtigt wurden, indem sie vor dem Schutzweg wohl nur allenfalls in ihrem Schritt inne halten musste als der Lenker den Schutzweg mit geringer Geschwindigkeit querte, wobei dieses Geschehen offenkundig sowohl unter Kontrolle des Berufungswerbers als auch der Fußgängerin stand.
6.2. Nach § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde jedoch auch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Wohl bedarf es aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates einer Ermahnung um dem Berufungswerber auf die in Österreich geltenden strengen und auch den Bereich um den Schutzweg schon greifenden Schutzbestimmungen bewusst zu machen und ihn künftighin von einer gleichartigen Übertretung abzuhalten. Unter den gegebenen Umständen ergibt sich aber ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG (vgl. dazu VwGH 27.2.1992, 92/02/0033).
Wie selbst aus dem Tenor des o.a. Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hervorleuchtet, zielt die Rechtsnorm des § 21 VStG auf eine zu ermöglichende Einzelfallgerechtigkeit ab.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r