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VwSen-300835/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 21.07.2008

Bezirkshauptmanns von Kirchdorf vom 20. Mai 2008, GZ Pol96-5-2008-Mm, wegen einer Übertretung des Oö. Hundehaltegesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbei­trag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Kirchdorf vom 20. Mai 2008, GZ Pol96-5-2008-Mm, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt, weil er es am 13. September 2007 unterlassen habe, seinen Rottweiler im Ortsgebiet entweder an der Leine oder mit einem Maulkorb zu führen. Dadurch habe er eine Übertretung des § 6 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Z. 5 des Oö. Hundehaltegesetzes, LGBl.Nr. 147/2002, i.d.F. LGBl.Nr. 124/2006 (im Folgenden: OöHundeHG), begangen, weshalb er nach § 15 Abs. 2 OöHundeHG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Beschwerde­führer angelastete Tat auf Grund einer Anzeige einer Privatperson und im Wege des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien drei einschlägige Vormerkungen sowie die Uneinsichtigkeit des Rechtsmittelwerbers als erschwerend zu werten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien. Die vom Beschwerde­führer angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienver­hältnisse seien entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 28. Mai 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 10. Juni 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin sowie im vorangegangenen Einspruch gegen die dem angefochtenen Straferkenntnis vorgelagerte Strafverfügung wird vorgebracht, dass der Anzeiger ein Hundehasser sei, den von ihm erhobenen Vorwurf nicht beweisen könne und ihm mit einer derartigen Unterstellung nur mutwillig schaden wolle. Denn es sei allgemein bekannt, dass sämtliche Hundebesitzer ihre Tiere am verfahrens­gegenständlichen Ort frei herumlaufen lassen würden, da im Ortsgebiet von Kremsmünster entgegen der gesetzlichen Verpflichtung keine Freilaufflächen geschaffen worden seien. Außerdem müsse die im OöHundeHG verankerte Leinen- und Beißkorbpflicht als verfassungswidrig angesehen werden.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Kirchdorf zu GZ Pol96-5-2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil im angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist im gegenständlichen Fall ein Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß 15 Abs. 1 Z. 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 OöHundeHG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 15 Abs. 2 OöHundeHG mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro zu bestrafen, der Hunde an öffentlichen Orten im Ortsgebiet nicht an einer Leine oder mit einem Beißkorb führt.

3.2. Im gegenständlichen Fall wurde die Anzeige von der Mutter eines 8-jährigen Schülers erstattet, der den Hund des Beschwerdeführers am Vorfallstag ohne Leine oder Beißkorb im Bereich der Bushaltestelle bei der Bezirkssporthalle Kremsmünster wahrgenommen haben will.

Im fortgesetzten Verfahren wurden wiederum nur die Mutter zeugenschaftlich einvernommen, diese dabei allerdings gar nicht konkret zum verfahrens­gegen­ständlichen Vorfall befragt.

Angesichts des Umstandes, dass der Rechtsmittelwerber die Tat schon von Anfang an insofern bestritten hat, als er sich zum Tatzeitpunkt gar nicht am Ort des Vorfalls aufgehalten habe (vgl. seinen Einspruch gegen die Strafverfügung vom 4. Februar 2008), wäre es schon deshalb unerlässlich gewesen, den Sohn der Anzeigenlegerin als unmittelbaren Zeugen förmlich einzuvernehmen, zumal dieser auch bei der Anzeigenerstattung nicht anwesend war. Die Anzeigenlegerin selbst hat den Vorfall hingegen nicht aus eigenem wahrgenommen, sondern davon lediglich auf Grund einer entsprechenden Mitteilung ihres Sohnes erfahren.

Da eine förmliche Einvernahme des einzigen Tatzeugen während des gesamten erstbehördlichen Verfahrens unterblieben ist (und vom Oö. Verwaltungssenat schon deshalb nicht nachgeholt werden kann, weil ihm von Verfassungs wegen nicht die Funktion einer Anklagebehörde, sondern nach Art. 129 ff B-VG vielmehr jene eines unabhängigen Tribunals zukommt), war bei einer derartigen Beweislage gemäß Art. 6 EMRK jedenfalls im Zweifel von der Unschuld des Beschwerdeführers auszugehen und dieser damit – ungeachtet seiner offen zur Schau getragenen Uneinsichtigkeit gegenüber dem maßgeblichen gesetzlichen Gebot zur Führung seines Hundes an der Leine bzw. mit einem Beißkorb an öffentlichen Orten im Ortsgebiet – schon von vornherein so zu stellen, wie wenn er die ihm angelastete Tat nicht begangen hat.

3.3. Der gegenständlichen Berufung daher schon aus diesem Grund nach § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belang­ten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Ver­waltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Grof

 

 

Rechtssatz:

VwSen-300835/2/Gf/Mu/Ga vom 21. Juli 2008

§ 6 Oö. HundeHG, Art. 6 Abs. 2 MRK; Art. 129 B-VG

Kein ausreichender Tatnachweis, wenn die Verletzung der Leinen- bzw. Beißkorbpflicht nicht durch Einvernahme des einzigen unmittelbaren Tatzeugen – eines 8-jährigen Schülers –, sondern bloß durch Befragung von dessen Mutter, die von dem Vorfall lediglich auf Grund einer entsprechenden Mitteilung ihres Sohnes Kenntnis erlangt hat, festgestellt werden konnte;

Keine "Nachholung" einer dementsprechenden Beweisaufnahme im UVS-Verfahren, weil dem UVS nicht die Funktion einer Anklagebehörde, sondern vielmehr jene eines unabhängigen Tribunals zukommt.

 

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