Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550414/11/Kü/Ba

Linz, 12.08.2008

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über den Antrag der I-H B GmbH, L,  S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S G, F-T-S,  R, vom 10. Juli 2008 auf Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung der Gemeinde H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K M, W,  A, betreffend das Bauvorhaben "N M H, konstruktiver Holzbau - Leimbinderkonstruktionen" nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 5. August 2008 zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird Folge gegeben und die angefochtene Zuschlags­entscheidung vom 3. Juli 2008, den Zuschlag an die S GmbH H, M S, zu erteilen, für nichtig erklärt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

              §§ 1, 2, 3, 7 und 23 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl.Nr. 130/2006 iVm §§ 19, 38, 105 und 118 Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006, BGBl.I Nr. 17/2006 i.d.g.F.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 10.7.2008 hat die I-H B GmbH  (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, gestellt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Ausschreibung des Vergabeverfahrens "Nu M H" durch die P A ZT GmbH durchgeführt worden sei. Der Antragstellerin sei die Ausschreibung vom 23.5.2008 zugestellt worden, wobei als Art des Ausschreibungsverfahrens "Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung lt. BVergG 2006" angeführt worden sei. In der Niederschrift zur Angebotsöffnung vom 11.6.2008 sei angeführt worden, dass es sich angeblich um eine wiederholte Ausschreibung handle. Näheres hiezu sei der Antragstellerin nicht bekannt. Die Antragstellerin habe sich am Verfahren durch Abgabe eines Angebots am 10.6.2008 mit einem Angebotspreis von 181.211,62 Euro beteiligt. Es seien drei Angebote abgegeben worden, und zwar

1.         Firma S GmbH                                     199.508,04 Euro

2.         H B GmbH                                                       181.211,62 Euro

3.         Firma A, S- und H GmbH                                 286.533,12 Euro

 

Die Antragstellerin habe bereits zu diesem Zeitpunkt den subjektiven Eindruck gehabt, dass man mit der Antragstellerin als Billigstbieterin unzufrieden sei und den Auftrag an die Fa. S GmbH, mit dem Sitz im benachbarten M S, vergeben wolle.

 

Am 30.6.2008 seien die Angebotsleger zu einem Verhandlungstermin geladen worden, bei welchem im Wesentlichen Preisverhandlungen geführt worden seien. Die Nettoauftragssumme sei auf 147.989,49 Euro (unter Berücksichtigung des Skontoabzuges auf 143.549,81 Euro) verhandelt worden. Nach dem Verhandlungstermin sei dem Geschäftsführer der Antragstellerin im Rahmen eines Telefonats mitgeteilt worden, dass der weitere Anbotleger, die S GmbH, letztlich um einige wenige hundert Euro billiger sei als die Antragstellerin und daher beabsichtigt sei, den Zuschlag an die S GmbH zu erteilen. Daraus sei ersichtlich, dass eine reine Preisverhandlung geführt und der S GmbH der Preis der Antragstellerin bekannt gegeben worden sei und diese den Preis einfach um zwei- oder dreihundert Euro unterboten habe.

 

Nach diesem Gespräch, welches den Eindruck verstärkt habe, dass die Vergabe unbedingt an die Fa. S erfolgen solle, habe die Antragstellerin ihre Bedenken gegen den Vergabevorgang mit E-Mail vom 1.7.2008 zum Ausdruck gebracht. Das Architektenbüro habe am gleichen Tage geantwortet und für den nächsten Tag eine weitere 2. Verhandlungsrunde anberaumt. Bei dieser Verhandlungsrunde sei bekannt gegeben worden, dass die Unterleistungsgruppe 3616 einfach gestrichen werde und nicht mehr zur Ausführung gelange. Demgemäß reduziere sich der Vergabeumfang betreffend dieser Leistungsgruppe. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe erklärt, dass es sich hierbei beispielsweise um die Holzbohlenlage handle, wobei diese Bohlen fix mit dem Anlaufturm verbunden seien, dh mit der Tragkonstruktion. Aus gewährleistungsrechtlichen und bautechnischen Gründen sei eine derartige Streichung bzw Änderung nicht erklärlich. Erklärlich sei sie lediglich dadurch, dass die Antragstellerin im Rahmen dieser Leistungsgruppe deutlich billiger als der Mitbewerber gewesen sei, sodass man offenkundig aus diesem Grunde diese Leistungsgruppe herausgenommen habe. Auf Basis der Angebotspreise und unter Berücksichtigung eines Nachlasses reduziere sich die Nettoauftragssumme diesbezüglich auf 116.536,10 Euro. Der Antragstellerin sei damit natürlich klar gewesen, dass die S GmbH zum Zuge kommen werde, weil diejenige Position gestrichen werde, bei welcher die Antragstellerin die deutlich günstigsten Preise aufgewiesen habe.

Am 3.7.2008 sei der Antragstellerin bekannt gegeben worden, dass der Auftrag mit einer Vergabesumme von 101.968,32 Euro, an die Firma S GmbH vergeben werde.

 

Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens wäre der Zuschlag an die Antragstellerin vorzunehmen gewesen. Die Antragstellerin habe daher ein wesentliches Interesse am Vertragsabschluss. Der Schaden, welcher bei Zuschlag an die S GmbH erfolge, liege im kalkulierten Gewinnentgang.

 

Die Antragstellerin erachte sich in folgenden Rechten verletzt:

Es sei eine unzulässige Verfahrensart im Vergabeverfahren gewählt worden; der geschätzte Auftragswert lag bei 150.000 Euro. Im Übrigen bestehe in der gewählten Verfahrensart eine Geheimhaltungsverpflichtung, wobei diese bei der Angebotseröffnung, welche zudem nicht vorgesehen sei, am 11.6.2008 verletzt worden sei. Die Ausschreibung sei in Verletzung eines fairen Verfahrens sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes völlig abgeändert worden, zumal eine gesamte Unterleistungsgruppe gestrichen worden sei, wobei dies weder aus technischen noch aus gewährleistungsrechtlichen Gründen nachvollziehbar sei. Nach Ansicht der Antragstellerin sei das Streichen dieser Unterleistungsgruppe deshalb erfolgt, weil die Antragstellerin bei dieser Unterleistungsgruppe bei weitem die niedrigsten Preise angeboten hatte und sich durch die Streichung eine völlige Veränderung der Billigstbietersituation ergeben habe. Bei Streichung dieser Unterleistungsgruppe hätte das Vergabeverfahren völlig neu durchgeführt werden müssen.

 

Auch sei der Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. das Gebot eines fairen Verfahrens dadurch verletzt worden, dass reine Preisverhandlungen geführt wurden, wobei der S GmbH der Preis der Antragstellerin in der ersten Verhandlungsrunde genannt worden sei und dadurch eine Unterbietung stattfinden konnte.

 

Das Vergabeverfahren sei durch die Verletzung oben angeführter Rechte rechtswidrig, weil es den entsprechenden Bestimmungen des Vergabegesetzes widerspreche.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Gemeinde H als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. In der Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag führt die Auftraggeberin aus, dass die Antragstellerin eine Entscheidung begehre, die weder das Bundesvergabegesetz 2006 noch das Vergaberechtsschutzgesetz 2006 vorsehen würden. Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens sei der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig für die Nichtigerklärung von gesondert anfechtbaren Entscheidungen im Sinne des § 7 Oö. VergRSG 2006, nicht jedoch für die Nichtigerklärung eines gesamten Vergabeverfahrens.

 

Die Auftraggeberin beabsichtige die Errichtung einer Skisprunganlage (Mattenanlage für den Ganzjahresbetrieb) am Standort H. Sachverhaltsgegenständlich sei das Gewerk konstruktiver Holzbau, Leimbinder­konstruktionen für den Neubau der Skisprunganlage. Der geschätzte Auftragswert betrage inklusive zu bewertender Eigenleistungen, die durch den Skiklub zu erbringen seien, Euro 150.000, abzüglich dieser Leistungen rund Euro 80.000. Vereinbarungsgemäß habe der Skiklub H im Zuge der Errichtung der neuen Skisprunganlage erhebliche Eigenleistungen zu erbringen, um diesen Bau für die Gemeinde H überhaupt finanzierbar zu machen. In der betriebswirtschaftlichen Finanzplanung der Auftraggeberin sei das Bauvorhaben, im Speziellen der konstruktive Holzbau für die Skisprunganlage, mit maximal 80.000 Euro veranschlagt, dies unter Berücksichtigung der zu erbringenden Eigenleistungen des Skiklubvereins. Diese Finanzplanung gehe zurück auf eine sachkundig erstellte Kostenkalkulation in den Vorbereitungen zum gegenständlichen Bauvorhaben.

 

Der von der Antragstellerin behauptete subjektive Eindruck, nämlich dass die Auftraggeberin unzufrieden gewesen sei und den Auftrag an die Firma S GmbH vergeben habe wollen, sei völlig aus der Luft gegriffen und entbehre jeglicher reeller Grundlage. Im Sinne des Billigstbieterprinzips sei seitens der Auftraggeberin beabsichtigt gewesen, den Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen. Aus welchem Ort der Billigstbieter komme, spiele für diese Entscheidung selbstredend keine Rolle.

 

Am 30.6.2008 habe der erste Verhandlungstermin stattgefunden. Nicht richtig sei, dass anlässlich dieses Termins im Wesentlichen Preisverhandlungen geführt worden seien. Vielmehr seien auch technische Details mit den Bietern besprochen worden. So ergebe sich aus dem Verhandlungsprotokoll mit der Antragstellerin vom 30.6.2008, dass alle Stahlteile feuerverzinkt zum gleichen Preis auszuführen seien. Ebenso sei die Antragstellerin darauf hingewiesen worden, dass hinsichtlich der Positionen 3616 12A, 3616 12B und 3616 12C offensichtlich Unterpreise angesetzt worden seien, da sie weder vergleichbaren Verfahrenswerten noch den Marktverhältnissen entsprochen hätten. Diese erheblichen Abweichungen zwischen den einzelnen Positionen indizieren aus Sicht der Auftraggeberin, dass die Antragstellerin hier lediglich Spekulationspreise eingesetzt habe, die in keiner Weise kostendeckend sein könnten und betriebswirtschaftlich nicht erklärbar seien. Das Angebot der Antragstellerin wäre im Hinblick auf die unplausible Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden gewesen. Das Unterlassen des Ausscheidens schade in dem Fall nicht und mache das unzulässige Angebot nicht zu einem zulässigen, die Antragslegitimation begründenden Angebot. Der Antragstellerin fehle es sohin an der Antragslegitimation im gegenständlichen Verfahren.

 

Ergebnis der Verhandlungsrunde vom 30.6.2008 sei eine Preissenkung bei beiden Bietern gewesen. Faktum ist, dass bereits nach der ersten Verhandlungsrunde festgestanden habe, dass tatsächlich die Firma S GmbH den besten Preis angeboten habe.

 

Am 2. Juli wurde ein neuerlicher, zweiter und letzter Verhandlungstermin anberaumt. Hier sei vorab bekanntgegeben worden, dass die Unterleistungsgruppe 3616 aus dem Auftragsumfang herausgenommen würde. Bei diesen Positionen handle es sich um die Position "Schalungen und Lattungen". Diese Position stelle im Ausführungsumfang die einzige Arbeit dar, die auch in Form von Eigenleistungen durch den Skisprungverein erbracht werden könne. Laut Förderrichtlinien des Landes Oö. müsse dieser Verein erhebliche Eigenleistungen erbringen.

 

Die Herausnahme dieser Unterleistungsgruppe sei rechtlich zulässig. Sie sei gegenüber den verbleibenden Bietern im selben Umfang erfolgt und führe zu keiner Ungleichbehandlung. Das Behandlungsverfahren sei von besonderer Flexibilität gekennzeichnet. § 105 BVergG verbiete lediglich eine Abänderung der Zuschlagskriterien, und dies auch nur soweit, als in den Ausschreibungsunterlagen dazu nichts anderes bekanntgegeben würde. Das Ergebnis nach der ersten Verhandlungsrunde, wonach die S GmbH als Billigstbieterin hervorgekommen sei, sei sohin auch Ergebnis der zweiten Verhandlungsrunde gewesen.

 

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass keine unzulässige Verfahrensart im Vergabeverfahren gewählt worden sei. Eine Verletzung des fairen Verfahrens oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes würde nicht vorliegen. Der Antragstellerin  fehle die Antragslegitimation im gegenständlichen Verfahren. Ihr sei weder ein Schaden entstanden noch drohe ihr ein solcher. Selbst im Falle einer Bejahung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens wäre das Angebot der Antragstellerin für die Wahl des Zuschlags im Hinblick auf die spekulative Preisbildung nicht geeignet. Ihr fehle es daher selbst im Falle einer Bejahung der Rechtswidrigkeit an der Beschwer, da für sie keine Möglichkeit mehr bestanden habe, für die Zuschlagserteilung in Betracht gezogen zu werden.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Unterlagen des Vergabeverfahrens der Auftraggeberin sowie durch Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, an welcher Vertreter der Antragstellerin sowie der Auftraggeberin teilgenommen haben.

 

3.1. Folgender für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt steht fest:

Mit Schreiben vom 23. Mai 2008 wurden von der ausschreibenden Stelle, der p  GmbH mit Sitz in T, im Namen der öffentlichen Auftraggeberin, der Gemeinde H, Angebotsunterlagen (inklusive Planunterlagen) über den konstruktiven Holzbau – Leimbinderkonstruktionen zum Projekt N M H an insgesamt 18 mögliche Bieter versandt. Als Vergabeverfahren wurde das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gewählt.

 

Der konstruktive Holzbau – Leimbinderkonstruktionen stellt ein Gewerk des Gesamtprojektes der Errichtung einer Skisprunganlage mit einem Clubhaus in H dar. Gemäß den technischen Vorbemerkungen der Projektsbeschreibung sollen drei Skisprungschanzen, eine HS 55, eine HS 30 und eine HS 15-Schanze zur Ausführung gelangen. Im Zuge der Baumaßnahmen wird auch ein Rückhaltebecken für die Beschneiung und in Summe 24 Parkplätze errichtet. Weiters wird im Auslaufbereich ein Clubhaus mit einer Nutzfläche von ca. 150 m2 errichtet. Das gesamte Projekt weist einen geschätzten Auftragswert von 1,43 Millionen Euro exklusive USt. aus.

 

Der geschätzte Auftragswert für die gegenständliche Ausschreibung des konstruktiven Holzbau – Leimbinderkonstruktionen beträgt ca. 130.000 Euro exkl. USt.

 

Die gegenständliche Ausschreibung enthält nach allgemeiner Beschreibung der Zimmermeisterarbeiten, der zusätzlichen Vertragsbestimmungen sowie der Sonderkosten der Baustelle in der Leistungsgruppe 3613 die Positionen für die Binder- und Dachriegel sowie in der Leistungsgruppe 3616 die Positionen für Schalungen und Lattungen. Der geschätzte Auftragswert für die Leistungsgruppe 3613 beträgt ca. 80.000 Euro exkl. USt.

 

Zur Leistungsgruppe 3616 ist festzuhalten, dass nach Auskunft der ausschreibenden Stelle es sich hierbei um Positionen handelt, die als Eigenleistung vom Skiclub H erbracht werden können. Durch die Ausschreibung dieser Leistungsgruppe 3616 war beabsichtigt, von möglichen Bietern Kontrollangebote zu erhalten, um damit der Förderstelle verdeutlichen zu können, dass diese Leistungen kostengünstiger vom Skiclub H selbst erbracht werden können. Für den Fall, dass sich ergeben hätte, dass diese Leistungen der Leistungsgruppe 3616 durch den Bieter kostengünstiger als durch Eigenleistung des Skiclubs H zu erbringen sind, wären diese Leistungen an den Bieter zu vergeben. Dies ist laut vergebender Stelle der Grund, warum auch mögliche Eigenleistungen trotzdem ausgeschrieben werden, um einen Preisvergleich zu erhalten. Aufgrund der Förderungsrichtlinien des Landes Oö. ist die günstigste Form der Errichtung zu wählen.

 

In Ausschreibungsunterlagen sind keine Zuschlagskriterien genannt. Im Punkt 15 der besonderen Vertragsbestimmungen (Positionsnummer 011020) behält sich der Auftraggeber vor, Positionen oder Positionsgruppen aus dem Auftrag herauszunehmen, ohne dass dem Bieter hieraus ein Recht auf Nachforderungen erwächst.

 

Aufgrund der Versendung der Ausschreibungsunterlagen sind bei der Gemeinde H innerhalb der Angebotsfrist drei Angebote eingelangt.

 

Noch vor Beginn der Verhandlungen wurde von der Auftraggeberin am 11. Juni 2008 eine Angebotsöffnung durchgeführt. Bei dieser Angebotsöffnung waren Vertreter der Firma S GmbH, der Antragstellerin sowie der Firma A S und H GmbH anwesend. Die Angebotsöffnung ergab, dass von der Antragstellerin ein Angebot mit einem Angebotspreis von 181.211,62 Euro und von der S GmbH ein Angebot mit einem Angebotspreis von 199.508,04 Euro gelegt wurde.

 

In der Folge wurden die Verhandlungen mit der Firma S und der Antragstellerin im Wesentlichen als Preisverhandlungen geführt. In zweiter Linie wurden technische Abklärungen vorgenommen.

 

Im Verhandlungsprotokoll vom 30. Juni 2008 über die Verhandlung mit der Antragstellerin ist festgehalten, dass alle Stahlteile feuerverzinkt zum gleichen Preis ausgeführt wurden, dass Leimbinder BSH 14 Typ 2 angeboten werden und die Positionen 3616 12A – C Unterpreise aufweisen.

 

Das Angebot der Antragstellerin enthält keinen Hinweis darauf, dass die Leimbinder als BHS-Träger BS 14 Typ 2 angeboten wurden. Die Aussage der Antragstellerin im Zuge der ersten Verhandlungsrunde, dass Typ 2 angeboten wird, erklärt sich daraus, dass im Zuge der erfolgten Angebotsöffnung mitgeteilt wurde, dass ein Interesse besteht, eine nahegelegene Firma als Lieferant der Leimbinder heranzuziehen. Diese Firma liefert allerdings nur Leimbinder des Typs 2. Für die Antragstellerin war es allerdings kein Problem, Leimbinder des Typs 1 zu liefern.

 

Mit E-Mail vom 1. Juli 2008 teilte die Antragstellerin der ausschreibenden Stelle die Bedenken an der Richtigkeit des Vergabevorganges mit. Aufgrund dieser geäußerten Bedenken wurde am 2. Juli 2008 eine neuerliche Verhandlungsrunde anberaumt. In dieser Verhandlung wurde festgehalten, dass alle Stahlteile feuerverzinkt zum gleichen Preis angeboten werden, dass Leimbinder BSH 14 Typ 2 angeboten werden und dass die gesamte Leistungsgruppe 3616 gestrichen wird.

 

Mit Schreiben der ausschreibenden Stelle vom 3. Juli 2008 wurde der Antragstellerin die Zuschlagsentscheidung zugunsten der S GmbH mit einer Vergabesumme von 101.968,32 Euro (netto Auftragssumme) mitgeteilt. Als Begründung für die Wahl des Angebotes wurde mitgeteilt, dass das Angebot preisgünstiger ist.

 

3.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen des Vergabeverfahrens, insbesondere dem Schreiben vom 23. Mai 2008, mit dem die Ausschreibungsunterlagen ausgesandt wurden, den Ausschreibungsunterlagen, dem Protokoll über die Angebotsöffnung sowie den Protokollen über die Verhandlungen mit der Antragstellerin vom 30. Juni 2008 und 2. Juli 2008.

 

Zu den von der Antragstellerin angebotenen Leimbindern ist festzuhalten, dass dem Angebot der Antragstellerin nicht zu entnehmen ist, dass das Angebot in Abänderung der Vorbemerkungen zu Position 3613 00 abgegeben wurde. Vom Vertreter der Antragstellerin wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung bekanntgegeben, dass er aufgrund der Gespräche im Zuge der Angebotsöffnung der Meinung gewesen ist, dass seitens der Auftraggeberin ein bestimmter Lieferant der Leimbinder mit einbezogen werden sollte. Da der Vertreter der Antragstellerin in Kenntnis davon ist, dass dieser Hersteller nur Leimbinder des Typs 2 herstellt, wurde von ihm diese Aussage im Zuge der Verhandlung getroffen. Diese Aussage beruht auch darauf, dass aufgrund der geltenden ÖNORM B 4100 Teil 1 und Teil 2 es möglich ist, die Spannungen beim Leimbinder Typ 2 entsprechend zu erhöhen und deshalb gleichwertige Spannungen wie beim Typ 1 sehr wohl herstellbar sind. Laut Aussage des Vertreters der Antragstellerin werden nach Vorgaben der Auftraggeberin aber auch Leimbinder des Typs 1 geliefert.

 

Die Feststellungen hinsichtlich der geschätzten Auftragswerte bzw. der Vorgangsweise bezogen auf die Leistungsgruppe 3616 Schalungen und Lattungen beruhen auf den Ausführungen des Architekten Mag. B im Zuge der mündlichen Verhandlung.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß  Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinden. Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

4.2. Nach § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z. 16 lit. a Bundesvergabegesetz 2006, BGBl. I Nr. 17/2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 kann ein Unternehmer bzw. eine Unternehmerin bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ein Interesse am Abschluss eines den bundesgesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens unterliegenden Vertrages behauptet wird und durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

 

Gemäß § 2 Z16 lit.a sublit.aa BVergG 2006 stellt die Zuschlagsentscheidung im offenen Verfahren eine gesondert anfechtbare Entscheidung dar.

 

Die Auftraggeberin wendet ein, dass im gegenständlichen Fall eine unzulässige Antragstellung vorliegt, da die Nichtigerklärung des gesamten Vergabeverfahrens beantragt würde.

 

Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass in Anlehnung an die Spruchpraxis des BVA (z.B. BVA 11. Dezember 2003, 17N-115/03-30), welche zur Vorgängerbestimmung des § 166 Abs.1 BVergG 2002 ergangen ist, es insgesamt aus dem Inhalt des Anbringens erkennbar sein muss, in welchem subjektiven Recht sich der Antragsteller durch die gesondert anfechtbare Entscheidung als verletzt erachtet. Dieser Anforderung wird der gegenständliche Nachprüfungsantrag vom 10.7.2008 gerecht. Von der Antragstellerin werden die ihrer Meinung nach zutreffenden Rechtswidrigkeiten entsprechend dargelegt und wird auf Seite 5 des Antrages auf die Mitteilung der beabsichtigten Vergabe an die Firma S GmbH vom 3.7.2008 Bezug genommen. Auch auf Grund des Umstandes, dass die Zuschlagsentscheidung vom 3. Juli 2008 als Beilage dem Nachprüfungsantrag angeschlossen ist, ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat eindeutig erkennbar, obwohl eine konkrete Bezeichnung im Antrag nicht erfolgt ist, sich der Nachprüfungsantrag auf die Nichtigerklärung der vorliegenden Zuschlagsentscheidung richtet. Insofern konnte daher von einer Aufforderung zur Verbesserung des Anbringens nach § 13 Abs.3 AVG abgesehen werden, da der gegenständliche Antrag eindeutig auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gerichtet ist.

 

Die Antragstellerin ist zudem dem Erfordernis nach Darstellung des drohenden Schadens nachgekommen, indem sie den kalkulierten Gewinnentgang aus dem gegenständlichen Auftrag geltend macht. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Darstellung des drohenden Schadens in einem Nachprüfungsantrag bereits dann entsprochen, wenn die entsprechende Behauptung plausibel ist; eine ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegung des Schadens ist nicht geboten.

 

Der gegenständliche Nachprüfungsantrag richtet sich daher der Antragsbegründung folgend gegen die Zuschlagsentscheidung vom 3. Juli 2008, ist rechtzeitig eingebracht und werden darin die Rechtswidrigkeiten sowie der drohende Schaden dem Gesetz entsprechend dargestellt. Der Antrag ist demnach zulässig.

 

4.3. Gemäß § 129 Abs.1 Z 3 und 7 BVergG 2006 sind Angebote, die eine – durch eine vertiefe Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamt­preises aufweisen sowie den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote vom Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung aufgrund des Ergebnisses einer Prüfung auszuscheiden.

 

Die Auftraggeberin führt in ihrer Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag aus, dass das Angebot der Antragstellerin in den Positionen 3616 12A – C eine spekulative Preisgestaltung aufweist und deshalb auszuscheiden gewesen wäre. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wird ergänzt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht ausschreibungskonform ist, da Leimbinder BSH BS14, Typ 2 angeboten wurden. Nach Ausführungen der Auftraggeberin fehle es daher der Antragstellerin an der notwendigen Antragslegitimation.

 

Festzuhalten ist, dass eine Ausscheidungsentscheidung der Auftraggeberin nicht ergangen ist. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat aber auch, dass das Angebot der Antragstellerin nicht ausschreibungswidrig ist. Die Antragstellerin hat in ihrem eingereichten Angebot die Positionen der Leistungsgruppe 3616 Binder-Dachriegel entsprechend den Vorgaben ausgepreist und dem Angebot keine Zusatzbemerkung angeschlossen, dass Leimbinder des Typs 2 angeboten worden seien. Im Verhandlungsprotokoll über die erste Verhandlungsrunde als auch die zweite Verhandlungsrunde findet sich sodann der Hinweis, dass nach Aussagen des Geschäftsführers der Antragstellerin Leimbinder des Typs 2 angeboten worden seien. Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat sich ergeben, dass diese Aussage des Geschäftsführers darauf beruht, als im Zuge der Angebotsöffnung, bei der die bietenden Firmen anwesend gewesen sind, seitens der Auftraggeberin angedeutet wurde, dass ein lokaler Hersteller von Leimbindern in den Auftrag mit einbezogen werden sollte. Allein aufgrund dieses Hinweises hat der Geschäftsführer der Antragstellerin im Zuge der ersten Verhandlungsrunde darauf hingewiesen, dass Leimbinder von diesem lokalen Anbieter, welcher nur Typ 2 herstellt, geliefert werden. Festzuhalten ist, dass allerdings die Kalkulation des schriftlichen Angebotes mit den Preisen eines anderen Anbieters von Leimbindern durchgeführt wurde. Es steht daher fest, dass von der Antragstellerin im schriftlichen Angebot definitiv nicht Typ 2 der Leimbinder angeboten wurde, sondern die Antragstellerin je nach Anforderung des Auftraggebers in der Lage gewesen wäre, Typ 1 oder auch einen statisch gleichwertigen Typ 2 zu liefern. Jedenfalls wurde die Antragstellerin von der Auftraggeberin nicht aufgefordert, für den Fall der Verwendung des Typs 2 einen Gleichwertigkeitsnachweis zu erbringen.

 

Insgesamt stellt sich daher das Angebot der Antragstellerin für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht als widersprüchlich zu den Ausschreibungsbestimmungen dar, weshalb dieser Ausscheidensgrund nicht gegeben ist.

 

Zum Einwand der fehlenden Antragslegitimation der Antragstellerin aus dem Grund der Preisgestaltung in den Positionen 3616 12A - C ist festzustellen, dass von der Auftraggeberin diese Positionen, in der der Antragstellerin spekulative Preisgestaltung vorgeworfen wird, im Zuge des Verhandlungsverfahrens gestrichen wurden, daher nicht mehr Gegenstand der Ausschreibung sind und deshalb in der Preisgestaltung dieser Positionen kein Ausscheidungsgrund gelegen sein kann. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass es an der Auftraggeberin gelegen wäre, im Falle spekulativer Preisgestaltung eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. Ein Angebotsprüfbericht wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht vorgelegt. Den Verfahrensergebnissen zufolge wurde von der ausschreibenden Stelle keine vertiefte Prüfung vorgenommen und wird dazu in der Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag lediglich festgehalten, dass von der Antragstellerin im Zuge der ersten Verhandlungsrunde zu diesen Preisen erklärt wurde, dass die Antragstellerin zu dem ausgewiesenen Preis steht. Weitere Aufklärungen wurden von der Antragstellerin deshalb auch nicht erteilt, weil seitens der Auftraggeberin keine Aufklärungen gefordert wurden.

 

Zu dieser Sachlage ist festzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Nachprüfungsbehörde sein kann, eine unterlassene vertiefte Angebotsprüfung anstelle der Auftraggeberin nachzuholen. Es kann nicht Sinn des Nachprüfungsverfahrens sein, erst in diesem die auf Grund der Sachlage gebotene vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen und die Nachprüfungsbehörde die der Auftraggeberin obliegende Prüfung der Angebote und damit verbunden die Billigstbieterermittlung abzuwickeln hätte. Es ist daher davon auszugehen, dass die unterlassene vertiefte Angebotsprüfung der Antragstellerin nicht zum Nachteil gereichen kann, auch im Hinblick auf den Umstand, dass die Positionen, in denen es zu erheblichen Preisunterschieden zwischen den Bietern gekommen ist, überdies aus der gegenständlichen Ausschreibung genommen wurden. Mithin ist auch festzuhalten, dass diese Positionen nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Antragstellerin sehr wohl Antragslegitimation zukommt.

 

4.4. Gemäß § 7 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn

1.        sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller bzw. die Antragstellerin in dem von ihm bzw. ihr nach § 5 Abs.1 Z.1 geltend gemachten Recht verletzt und

2.        diese Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

 

Nach § 19 Abs.1 BVergG 2006 sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der gemeinschafts­rechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

 

In § 105 Abs.6 BVergG 2006 ist festgelegt, dass im Verhandlungsverfahren Anzahl und Namen der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmer bis zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung geheim zu halten sind.

 

Nach § 118 Abs.2 BVergG 2006 ist bei Verhandlungsverfahren keine formalisierte Öffnung der Angebote erforderlich. Den Bietern ist die Teilnahme an der Öffnung nicht zu gestatten. Das Ergebnis der Öffnung ist geheim zu halten.

 

4.5. Durch das System der gesondert anfechtbaren Entscheidungen wird das Vergabeverfahren in Abschnitte untergliedert, wobei bei nicht rechtzeitiger Anfechtung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung die Festlegungen bis dorthin als bestandsfest anzusehen sind und somit präkludiert sind. Durch die Unterscheidung zwischen gesondert und nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen des Auftraggebers soll eine Strukturierung des Vergabeverfahrens und eine effiziente Abwicklung von Rechtsschutzverfahren erreicht werden.

 

Der gegenständliche Nachprüfungsantrag richtet sich wie bereits oben ausgeführt gegen die Zuschlagsentscheidung. Hinsichtlich der von der Auftraggeberin getroffenen Wahl des Vergabeverfahrens ist Präklusion eingetreten, da nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von einer Woche nach Übermittlung der Ausschreibungsunterlagen an die Antragstellerin von dieser die Wahl des Vergabeverfahrens beeinsprucht wurde. Die Antragstellerin kann daher dem gewählten Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr entgegentreten.

 

In diesem Zusammenhang wird allerdings vom Unabhängigen Verwaltungssenat angemerkt, dass die von § 38 Abs.2 Z 1 BVergG 2006 vorgegebene zusätzliche Möglichkeit der Wahl des Verhandlungsverfahrens im gegenständlichen Fall nicht vorliegt. Gegenstand der Ausschreibung, die an 18 mögliche Bieter versandt wurde, war nicht nur die Leimbinderkonstruktion, sondern auch die in Leistungsgruppe 3616 enthaltenen Schalungen und Lattungen. Gemäß den Ausführungen des Vertreters der ausschreibenden Stelle im Zuge der mündlichen Verhandlung betrug der geschätzte Auftragswert für sämtliche ausgeschriebenen Positionen 130.000 Euro. Die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung kann daher nicht auf § 38 Abs.2 Z 1 BVergG 2006 gestützt werden. Zudem ist anzumerken, dass eine schriftliche Zusammenstellung der maßgeblichen Gründe für die Wahl des Verhandlungsverfahrens im Sinne des § 42 Abs.1 BVergG 2006 von der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren nicht vorgelegt wurde.

 

4.6. Die Bestimmungen des § 105 Abs.6 sowie § 118 Abs.2 BVergG 2006 bezüglich der Abwicklung des Verhandlungsverfahrens konkretisieren im Wesentlichen den allgemeinen Geheimhaltungsgrundsatz des § 19 BVergG 2006, wonach der Auftraggeber den vertraulichen Charakter aller die Bewerber und Bieter sowie deren Unterlagen betreffenden Angaben zu wahren hat. Um den Vorgaben des Bundesvergabegesetzes 2006 zu entsprechen, hat daher die vergebende Stelle alle denkbaren organisatorischen und sonstigen Sicherungsmaßnahmen zu treffen, um die Bieter- bzw. Interessentenliste geheim zu halten. Nur durch die vom Gesetz vorgesehene Geheimhaltung ist eine Vergabe entsprechend den Grundsätzen des fairen und lauteren Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bewerber durchführbar. Eine formalisierte Öffnung der Angebote, wie sie im gegenständlichen Fall stattgefunden hat, und zwar unter Anwesenheit sämtlicher Bieter und der Verlesung der Angebotspreise noch vor Durchführung der Verhandlungen widerspricht daher in eklatanter Weise dem dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Wettbewerbsgedanken.

 

Die Auftraggeberin hat daher durch die vor den Verhandlungsrunden durchgeführte Angebotsöffnung in Anwesenheit der Bieter den Grundsätzen des Vergabeverfahrens sowie den Vorgaben der §§ 105 bzw. 118 BVerG  2006 widersprochen. Durch diese Vorgangsweise ist jedenfalls der faire und lautere Wettbewerb, welcher einerseits das Verhältnis Auftraggeber – Bieter bzw. das Verhältnis der Bieter untereinander betrifft, nicht mehr gewährleistet. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass durch Absprachen einzelner Bieter bzw. aber auch Ungleichbehandlung im Verhältnis Auftraggeber – Bieter ein Verhandlungsverfahren, in dem über den gesamten Auftragsinhalt im Besonderen aber über die Preise verhandelt werden soll, ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.

 

Wurde eine formalisierte Öffnung der Angebote oder eine teilformalisierte Angebotsentgegennahme durchgeführt, sind wegen des Wegfalls der Vertraulichkeit nach diesem Zeitpunkt nur mehr Aufklärungsgespräche zulässig (vgl. Schramm Öhler in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel § 23 Randziffer 96).

 

Indem die öffentliche Auftraggeberin trotz der gewählten Verfahrensart, nämlich dem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, unter Beiziehung sämtlicher Bieter eine formalisierte Angebotsöffnung durchgeführt hat, hat diese das gegenständliche Vergabeverfahren mit Rechtswidrigkeit belastet. Die Antragstellerin wurde daher in ihrem Recht auf Geheimhaltung ihrer Angebotslegung bzw. des angebotenen Preises verletzt. Diese Rechtsverletzung der Auftraggeberin ist insofern von wesentlichem Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei gesetzeskonformer Vorgangsweise eine andere Zuschlagsentscheidung getroffen worden wäre. Aus diesen Gründen war daher die gegenständliche Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.

 

4.7. Abschließend ist anzumerken, dass eine den Grundsätzen des BVergG 2006 entsprechende Zuschlagsentscheidung im gegenständlichen Vergabeverfahren auf Grund der erfolgten Angebotsöffnung vor Durchführung der Verhandlungen mit den Bietern nicht möglich ist.

Die Auftraggeberin wird daher gehalten sein einen Widerruf der Ausschreibung aus sachlichen Gründen in Erwägung zu ziehen und in einem neuerlichen gesetzeskonformen Vergabeverfahren nur die Leistungen zur Ausschreibung zu bringen, welche von den Bietern auch tatsächlich zu erbringen sind.

 

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

5. Im gegenständlichen Verfahren sind für die Antragstellerin Stempelgebühren in Höhe von 45,60 Euro angefallen, ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

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