Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400957/4/BP/Se

Linz, 29.07.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des T T, Sta. Russische Föderation, derzeit in Schubhaft angehalten im PAZ Linz, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 13. Juni 2008 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 13. Juni 2008, GZ: Sich40-3292-2007, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2 Z. 2 und 4 iVm § 80 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG - iVm § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Linz am selben Tag vollzogen.

 

Die belangte Behörde geht dabei nach Darstellung der einschlägigen Rechts­grund­lagen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bf sei  am 21. November 2007 in F einer Personenkontrolle unterzogen worden, wobei sein illegaler Aufenthalt in Österreich festgestellt worden sei. Identitätsdokumente habe er keine mit sich geführt und auch über keine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet der Republik Österreich verfügt. In Folge der Feststellung der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthaltes habe der Bf ein Asylbegehren geäußert. Dabei habe er im Besonderen angeführt, T T zu heißen, am     geboren und Staatsangehöriger der russischen Föderation zu sein.

 

Durch Überprüfung der Fingerabdrücke habe in Erfahrung gebracht werden können, dass der Bf bereits am 10. April 2006 und am 17. Mai 2007 in Polen einen Asylantrag gestellt hatte. In Folge dessen sei der Bf durch die Bezirkshauptmannschaft F zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §76 Abs. 2 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz in Schubhaft genommen worden. Das Bundesasylamt EAST West habe beabsichtigt, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Eine entsprechende Mitteilung sei dem Bf am 3. Dezember 2007 nachweislich ausgefolgt worden. Im Zuge des Parteiengehörs am 6. Dezember 2007 sei ihm erneut die beabsichtigte Zurückweisung seines Asylantrages zur Kenntnis gebracht worden. Am 8. Dezember 2007 habe sich der Bf mit einem angeblichen Suizidversuch aus der Schubhaft freigepresst. Am 12. Dezember 2007 sei er bei der Erst-Aufnahmestelle West (EAST West), Thalham 80 in 4880 St. Georgen i.A. vorstellig geworden und habe staatliche Unterstützung begehrt, worauf ihm, wenn auch nur vorübergehend, eine bundesbetreute Unterkunft in der EAST-West zugewiesen worden sei. Diese zugewiesene Unterkunft habe der Bf jedoch 3 Tage später ohne Angabe einer Meldeadresse nach unbekannt verlassen und sei in die Illegalität abgetaucht. Seine Abmeldung habe in Folge dessen von Amts wegen erfolgen müssen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Jänner 2008 zu Zl. 07 10.841 sei der Asylantrag des Bf gemäß §5 AsylG zurückgewiesen und er gleichzeitig aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen worden. Die zitierte Entscheidung sei samt durchsetzbarer Ausweisung am 28. Jänner 2008 in Rechtskraft erwachsen. Der Aufenthaltsort des Bf habe nicht festgestellt werden können. Der EU-Mitgliedstaat Polen habe am selben Tag über das Untertauchen in Kenntnis gesetzt und die geplante Überstellung in den für den Bf zuständigen EU-Mitgliedsstaat storniert werden müssen.

 

Am 3. Juni 2008 sei der Bf erneut über unbekannt illegal nach Österreich eingereist, in Begleitung seiner Lebensgefährtin M M, geb.    und des Sohnes T H, geb.    bzw. mit der Schwester seiner Lebensgefährtin M M, geb.    und deren Tochter M L, geb.    , alle StA. der russischen Föderation, und habe in der Folge am 6. Juni 2008 unter denselben Personalien neuerlich internationalen Schutz beantragt.

 

Durch Überprüfung der Fingerabdrucke sei festgestellt worden, dass der Bf bereits in Polen und Frankreich einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe. Unter Vorhalt dieser Tatsachen habe er im Zuge  der Erstbefragung angegeben, dass er sich zwischen Dezember 2007 und Februar 2008 in Frankreich in Schubhaft befunden habe, da er dort seine Familie gesucht habe. Auch im neuerlichen Asylverfahren sei durch Fingerabdruckabgleich festgestellt worden, dass der Bf bereits in Polen und zwischenzeitlich auch in Frankreich den mittlerweile 4. Asylantrag gestellt habe.

 

Auf Grund dieses Sachverhaltes habe das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West am 10. Juni 2008 ein Konsultationsverfahren mit Polen eingeleitet und ihm mit Schreiben vom 10. Juni 2008 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihn nach Polen auszuweisen und den Asylantrag wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen. Diese Schreiben sei dem Bf unmittelbar vor Verhängung der Schubhaft am 13. Juni 2008 nachweislich zugestellt worden.

 

In rechtlicher Beurteilung führt die belangte Behörde aus, dass im Fall des Bf ein konkreter Sicherungsbedarf auf Grund folgender Umstände vorliege:

 

Der Bf sei mehr als einmal ohne im Besitz eines Identitätsdokuments oder eines Einreise- oder Aufenthaltstitels für Österreich zu sein, in das Bundesgebiet eingereist. Er habe sich in allen bisherigen Asylverfahren in insgesamt 3 Eu-Mitgliedstaaten, nämlich in Polen, Österreich und zuletzt Frankreich, dem Zugriff der Behörden entzogen.

 

Um ein vom Bf bislang dargelegtes Verhalten und Vorgehen, insbesondere dadurch, dass er sich dem ersten Asylverfahren durch Abtauchen in die Illegalität entzogen habe und durch die wiederholten illegalen Grenzüberschreitungen innerhalb des Schengen-Raumes, weiter zu verhindern, den illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet zu beenden und ihn in den für ihn  zuständigen Mitgliedstaat Polen überstellen zu können, sei regelrecht sein Verfahren als auch seine zu erwartende Außerlandesbringung mit einer Anordnung einer Schubhaft zu sichern gewesen.

 

Unter Berücksichtigung und Bewertung des vorliegenden Sachverhaltes habe seitens der belangten Behörde unter keinen Umständen die Möglichkeit zur Anwendung gelinderer Mittel gesehen werden können, sondern es habe regelrecht zwingend eine notwendige Verhängung einer Schubhaft zur Sicherung der Ausweisung sowie zur Sicherung einer bevorstehenden Abschiebung in den Mitgliedstaat Polen befürwortet werden müssen.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem Abtauchen in die Illegalität – dem österreichischen Staat weiters finanziell zur Last fallen könnte. Da er seinen Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müssten, sei die Gefahr sehr groß, dass er dies auf illegale Art und Weise bewerkstelligen würde. Nachdem er bereits mehrfach unter Beweis gestellt habe, dass er keinen Wert auf die Einhaltung der Rechts- und Werteordnung lege sowie keineswegs bereit sei eine Entscheidung der Gastländer zu akzeptieren, sei auch davon auszugehen, dass er seine Verhaltensweise nicht ändere sowie den erforderlichen Unterhalt auch im Bundesgebiet oder in anderen Mitgliedstaaten der europäischen Union notfalls durch illegale Beschäftigung oder anderwärtige strafrechtliche Vergehen erwirtschaften werde. Denn für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfüge der Bf nicht über ausreichende Barmittel. Eine rechtmäßige Beschäftigung könne er nicht ausüben, da er weder im Besitz einer arbeitsmarkt- noch aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sei.

 

 

Offenbar komme es dem Bf darauf an, in einem wirtschaftlich attraktiven Staat der europäischen Union zu leben, was alleine schon daraus ersichtlich sei, dass er bereits in mehreren Staaten der europäischen Union aufhältig gewesen sei, jedoch nur von der Möglichkeit einer Deklaration einer Schutzsuche Gebrauch gemacht habe, wenn er einer Fremdenkontrolle unterzogen worden sei.

 

Nachdem dem Bf nunmehr bekannt sei, dass er in den für ihn nicht in Frage kommenden Mitgliedstaat Polen ausgewiesen werde, müsse davon ausgegangen werden, dass der Bf erneut illegal Grenzen innerhalb der EU überschreiten werde, um sich, wenn auch illegal, in westlichen Mitgliedstaaten aufhalten oder neuerlich staatliche Unterstützung durch weitere Antragstellungen in weiteren Mitgliedstaaten erlangen zu können.

 

Die belangte Behörde komme letztlich nach umfassender Einzelfallprüfung des Sachverhaltes zum Schluss, dass die Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft im konkreten Fall vorliegte. Denn dem Recht des Fremden auf Schutz zum Wohle des Kindes des Bf werde über die Lebensgefährtin als sorgepflichtige Mutter als Anwendung das gelindere Mittel angeordnet. Auch wenn die Verhängung der Schubhaft über den Bf eine vorübergehende Trennung von seinem Kind bedeute, sei es – betrachte man die gesamte Familie – das gelinderste Mittel welches zum Wohle des Kindes angewendet werde.

 

Die fremdenpolizeiliche Maßnahme gegen den Bf sei aber nicht als „Schutzhaft“ und keineswegs als „Geiselhaft“ zu betrachten, sondern sei gegenteilig zu sehen. Denn trotz vorliegender Grundlage und trotz vorliegenden Fluchtgrund werde von der Verhängung der Schubhaft über die Frau Abstand genommen, nur um zumindest einen vertrauten Elternteil zur Unterstützung des Kindes zu belassen.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf mit Schreiben (wohl irrtümlich datiert) vom 9. Juni 2008 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 24. Juli 2008, Schubhaftbeschwerde.

 

Darin wendet er sich gegen die Verhängung der Schubhaft an sich wie auch gegen die derzeitige Anhaltung im PAZ Linz.

 

Zunächst weist der Bf darauf hin, dass er am 6. Juni 2008 gemeinsam mit seiner Frau und seinem minderjährigen Sohn einen Asylantrag gestellt habe und bestätigt den Erhalt des Schreibens des BAA vom 10. Juni 2008, mit dem ihm mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt sei diesen Antrag mangels Zuständigkeit Österreichs zurückzuweisen und ihn nach Polen auszuweisen.

 

Der Bf führt insbesondere an, dass er bislang keine Handlungen gesetzt habe, die die Annahme rechtfertigen würden, er werde sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen suchen, da er bei seiner Familie verweilen würde, zumal seine Frau – in der 14. Schwangerschaftswoche – seine Unterstützung benötige, was auch durch ein ärztliches Atest belegt sei.

 

Nachdem der Pauschalvorwurf, der Bf werde sich dem Zugriff der Behörde entziehen, bezogen auf seine Person keinerlei Anhaltspunkte mit sich bringe, sei der konkrete Sicherungsbedarf nicht gegeben.

 

Durch die gesetzte Maßnahme erachtet sich der Bf weiters in seinem durch die EMRK geschützten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt, betrachtet sie somit als unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt. Die Verhängung der Schubhaft sei überdies rechtswidrig, da im konkreten Fall gelindere Mittel zur Anwendung gebracht werden hätten müssen.

 

Art.1 Abs.3 des BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit statuiere, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu  prüfen sei. Im konkreten Fall stütze sich die Schubhaft auf § 76 Abs.2 Z2 und 4 FPG. § 76 Abs.2 FPG spreche von "kann"; dies bedeute, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung Schubhaft zu verhängen sei, sondern eine individuelle Prüfung statt zu finden habe. Dies sei im vorliegenden Fall unterlassen worden.

 

Durch die Schubhaft bleibe der Bf von seiner Familie bzw. von seiner Frau, die derzeit aufgrund ihrer Schwangerschaft gesundheitliche Probleme habe und seine Unterstützung brauche, getrennt. Somit sei der Bf in seinem durch Art.8 EMRK gewährleisteten Recht auf Schutz des Familienlebens verletzt. Ein solcher Grundrechtseingriff wäre nur unter einer der Voraussetzungen des Art.8 Abs.2 EMRK statthaft, nämlich insoweit "dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Die belangte Behörde begründet mit keinem Wort, warum eine Trennung des Bf von seiner Familie im Sinne des Art.8 Abs.2 EMRK notwendig sei.

 

Abschließend ersucht der Bf die belangte Behörde (gemeint wohl den Oö. Verwaltungssenat) den Schubhaftbescheid zu beheben und stattdessen ein gelinderes Mittel anzuordnen.

 

 

2. Mit Schreiben vom 25. Juli 2008 legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt vor, beantragte, die gegenständliche Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen und erstattete eine Gegenschrift.

 

2.1. Darin führt sie u.a. aus, dass der Bf bereits am 22. November 2007 einen Asylantrag gestellt habe und sich diesem Verfahren noch bevor ein Bescheid in erster Instanz erlassen worden sei, aber nachdem er die Mitteilung erhalten habe, dass seitens des BAA beabsichtigt gewesen sei, seinen Asylantrag mangels Zuständigkeit Österreichs zurückzuweisen und ihn nach Polen auszuweisen, die ihm zugewiesene Unterkunft verlassen habe und in die Illegalität abgetaucht sei. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, dass seitens der belangten Behörde im nunmehr zweiten Asylverfahren (in Österreich) die Schubhaft unmittelbar nach Zustellung der Mitteilung gemäß § 29 AsylG verhängt worden sei. Dass er darüber hinaus in Polen und in Frankreich Asylanträge gestellt habe, scheine für den Bf ebenfalls nicht relevant zu sein, da in der Beschwerde dahingehende Ausführungen gänzlich fehlen würden.

 

Ebenfalls habe sich die belangte Behörde auch bereits anlässlich der Schubhaftverhängung mit dem familiären Bezug des Bf auseinandergesetzt und fallspezifisch begründet, warum der Zweck der Schubhaft nach ihrer Ansicht mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht erreicht werden könne und demzufolge akuter Sicherungsbedarf bestehe. Im Hinblick auf das Recht auf Privat- und Familienleben der Frau und des Sohnes des Bf sei anzumerken, dass entgegen seiner Behauptung in jedem Fall die verhängte Maßnahme zu rechtfertigen sei. Bei seiner ersten Asylantragstellung sei der Bf allein erschienen; erst nachdem er untergetaucht gewesen sei, habe er laut seinen eigenen Angaben seine Ehegattin und sein Kind "in Frankreich gesucht" und nach Österreich nachgeholt. Es sei daher davon auszugehen, dass aufgrund des geschilderten Sachverhalts schon zuvor eine auf Eigeninitiative durchgeführte Familientrennung stattgefunden habe. Unschlüssig sei daher die nunmehrige Argumentation hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Familienlebens.

 

Mit Bescheid des BAA EAST West vom 17. Juli 2008 sei der Asylantrag des Bf zurückgewiesen und er nach Polen ausgewiesen worden. Dies lasse den Schluss zu, dass nicht der (vermeintlich schlechte) Gesundheitszustand der Ehegattin ausschlaggebend für die Beschwerde gewesen sei, sondern die unmittelbar bevorstehende Überstellung nach Polen gemäß dem Dubliner Übereinkommen.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der – im Wesentlichen vom Bf unwidersprochene - Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb  von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus. Darüber hinaus ist anzumerken, dass der Bf im PAZ Linz kurzzeitig in Hungerstreik trat, diesen jedoch wieder aufgab.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/2008, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 13. Juni 2008, bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung und des ihr zu Grunde liegenden Bescheides vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.     gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.     aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn 1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird; 2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

§ 5 Abs. 1 AsylG normiert, dass ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

3.4. Im vorliegenden Fall ist – im Übrigen auch vom Bf - völlig unbestritten, dass die von der belangten Behörde im Schubhaftbescheid herangezogenen Alternativen des § 76 Abs. 2 Z. 2 und 4. vorliegen. Auch von ihm selbst wird bestätigt, dass er per Schreiben vom 10. Juni 2008 gemäß § 29 Abs. 3 mitgeteilt bekommen habe, dass beabsichtigt sei, sein Asylbegehren mangels Zuständigkeit Österreichs zurückzuweisen und ihn nach Polen auszuweisen.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten lassen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen werde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Im vorliegenden Fall steht zunächst außer Zweifel, dass der Bf relativ mittellos und in Österreich nicht sozial oder sonstig integriert ist.

 

Auch, wenn der Bf selbst vermeint keinerlei Handlungen gesetzt zu haben, die einen hohen Sicherungsbedarf seiner Person ergeben könnten, ist der belangten Behörde folgend eindeutig von diesem auszugehen. Im konkreten Fall handelt es sich beinahe klassisch um ein Verhalten, das geradezu zwingend die Verhängung der Schubhaft bedingt. Der Bf hat sich – wie unter Punkt 1.1. dargestellt und auch von ihm nicht widersprochen – in der Vergangenheit (Dezember 2007) seiner damals vorgesehenen Ausweisung nach Polen durch Untertauchen in die Illegalität widersetzt. Seine zahlreichen Asylanträge, die er immer dann stellte, wenn er bei einem illegalen Aufenthalt aufgegriffen wurde, sind als bloße Alibiaktionen anzusehen, mit Hilfe derer er seinen Aufenthalt in einem für ihn offensichtlich wirtschaftlich attraktiven Land gewährleisten und verlängern wollte und will. Insbesondere wartete er den Ausgang der Asylverfahren nicht ab, sondern tauchte bei Anzeichen der behördlichen Beendigung seines Aufenthalts umgehend unter, um sich den Maßnahmen zu entziehen. Auch im aktuellen Fall musste die belangte Behörde daher davon ausgehen, dass der Bf - seiner Gewohnheit folgend – und die Rechtsordnung seiner Gastländer ignorierend den Ausgang des Asylverfahrens nicht abwarten würde.

 

Zu betonen ist, dass der Bf eben schon in der Vergangenheit – genau in einem vergleichbaren Fall - so gehandelt hat und aus Sicht des Oö. Verwaltungssenates keinerlei Umstände vorliegen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen würden. Dass er sich darauf beruft bei seiner Familie verbleiben zu wollen, ist nicht geeignet annehmen zu lassen, dass der Bf nicht mitsamt seiner schwangeren Frau und dem minderjährigen Sohn untertauchen werde; dies insbesondere deshalb, weil deren Aufenthalt in der Vergangenheit offensichtlich ebenfalls nicht nur in geordneten Verhältnissen und basierend auf Rechtmäßigkeit verlaufen ist. Dazu kommt noch, dass der Bf, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon Vater – im Jahr 2007 offenbar getrennt von seiner Ehegattin und seinem Sohn den ersten Asylantrag in Österreich stellte. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass familiäre Beziehungen ihn von sich separierenden Maßnahmen abhalten würden.

 

Ohne die Tatsachen des während der Anhaltung in Schubhaft angekündigten Suizids im Dezember 2007 und des zunächst von ihm begonnenen Hungerstreiks im Rahmen der gegenwärtigen Anhaltung rechtlich besonders zu würdigen, muss doch angemerkt werden, dass der Bf sehr wohl bereit ist, drastische Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen zu ergreifen.

 

Aufgrund einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Bf ist somit von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen, da wohl mit Sicherheit angenommen werden kann, dass er auf freiem Fuß belassen sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren in Österreich entzogen haben würde.

 

Angemerkt sei auch noch, dass es bezeichnend für die Einstellung des Bf zur Einhaltung von Rechtsvorschriften ist, wenn er selbst in seinem Verhalten bisher keinerlei Anhaltspunkte für die Bejahung des Sicherungsbedarfs sieht, was zeigt, dass ihm diesbezüglich offenbar jegliches Unrechtsbewusstsein fehlt.

 

Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus.

 

3.6. Die Verhängung der Schubhaft ist zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.7. Der vorliegende Fall ist jedoch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit auch besonders im Hinblick auf Art. 8 EMRK und dem dort normierten Grundrecht auf Privat- und Familienleben zu beurteilen.

 

Gemeinsam mit dem Bf befinden sich derzeit seine gravide Frau und sein minderjähriger Sohn (ebenfalls Asylwerber) in Österreich. Er kann sich somit grundsätzlich auf Art. 8 EMRK stützen. Eine Beurteilung hat auch die Rechte der Frau des Bf, seines Sohnes sowie des ungeborenen Lebens zu beinhalten.

 

Unbestritten ist, dass Art. 8 Abs. 2 EMRK unter gewissen Voraussetzungen Schranken dieses Grundrechts z. B. zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit setzt. Entgegen der Ansicht des Bf ist durch sein bisheriges Verhalten sehr wohl die öffentliche Ordnung und Sicherheit betroffen, denn die Einhaltung fremden- und aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen ist – auch nach ständiger Judikatur der Höchstgerichte – zweifellos unter das Schutzgut der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu subsumieren.

 

Wenn der Bf – gestützt auf eine ärztliche Feststellung - nun einwendet, dass zum gesundheitlichen Wohl seiner Frau die Schubhaft aufzuheben sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass zwar glaubhaft und nachvollziehbar ist, dass es für das Gesamtbefinden seiner Frau zuträglich wäre, wenn der zukünftige Vater des gemeinsamen Kindes ihr aktiv Beistand leisten könnte, dass aber alleine aus diesem Grund der Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 8 Abs. 2 nicht außer Acht gelassen werden kann. Eine Abwägung der Interessen fällt hier eindeutig zugunsten des öffentlichen Interesses aus. Vielmehr muss angemerkt werden, dass es der Bf selbst in der Hand gehabt hätte freiwillig in Einhaltung der Rechtsvorschriften gemeinsam mit seiner Familie einen rechtmäßigen Aufenthalt zu wählen. Die Berufung auf das – fraglos hochzuhaltende Recht auf Privat- und Familienleben darf nicht dazu missbraucht werden, um rechtswidriges Handeln abzusichern. Überdies muss festgestellt werden, dass der Bf – getrennt von seiner Ehefrau und seinem damals erst eineinhalbjährigen Sohn seinen ersten Asylantrag in Österreich gestellt hatte und dabei die von ihm nun relevierte Familienzusammengehörigkeit selbst außer Acht ließ; dies nur um das ihm offenbar bedeutendere wirtschaftliche Eigenwohl vorweg abzusichern. Daher mutet es nun nicht allzu glaubwürdig an, wenn der Bf, sich jetzt - da es ihm konveniert – auf sein Grundrecht auf Privat- und Familienleben sowie das seiner Familie besinnt.

 

Es war somit der belangten Behörde zu folgen und das Recht des Bf auf Privat- und Familienleben sowie das seiner Angehörigen dem Gemeinwohl unterzuordnen.

 

3.8. § 80 Abs. 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig erst wenige Wochen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte zweimonatige Frist noch nicht zum Tragen kommt.

 

§ 80 Abs. 5 FPG bringt überdies eindeutig zum Ausdruck, dass die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden kann, wenn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 leg.cit. verhängt wurde. Diese Bestimmung ist auch im konkreten Fall anwendbar.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung, ist zum Entscheidungszeitpunkt durchaus erreichbar, da Polen zur Rückübernahme des Bf verpflichtet ist und dieser bereits einmal zugestimmt hatte.

 

3.9. Es sind keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 24. Juli 2008 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen ist, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro, Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Bernhard Pree

 

 

Rechtssatz:

VwSen-400957/4/BP/Se

§ 76 Abs.2 Z2 und 4 FPG

Sicherungsbedarf; Grundrecht auf Privat- und Familienleben

Der Bf hat sich – wie unter Punkt 1.1. dargestellt und auch von ihm nicht widersprochen – in der Vergangenheit (Dezember 2007) seiner damals vorgesehenen Ausweisung nach Polen durch Untertauchen in die Illegalität widersetzt. Seine zahlreichen Asylanträge, die er immer dann stellte, wenn er bei einem illegalen Aufenthalt aufgegriffen wurde, sind als bloße Alibiaktionen anzusehen, mit Hilfe derer er seinen Aufenthalt in einem für ihn offensichtlich wirtschaftlich attraktiven Land gewährleisten und verlängern wollte und will.

Daher mutet es nun nicht allzu glaubwürdig an, wenn der Bf, sich jetzt - da es ihm konveniert – auf sein Grundrecht auf Privat- und Familienleben sowie das seiner Familie besinnt.

 

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