Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251704/10/Py/Jo

Linz, 29.07.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn K P, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. M S, Dr. F V, Dr. C M, M, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11. Jänner 2008, SV96-18-2006, wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 32 Abs.2 und 3, 44a, 45 Abs.1 Z2   Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991

Zu II.:  §§ 64 ff VStG.

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 11. Jänner 2008, SV96-18-2006, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Übertretung des § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.b Ausländerbeschäftigungsgesetz elf Geldstrafen in Höhe von je 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 67 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 2.200 Euro auferlegt.

 

Im Spruch des Straferkenntnis werden dem Bw folgende Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt:

 

"Sie haben es, gemäß der Anzeige des Zollamtes F, als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen hin berufenes Organ der P GmbH, F, G, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von dieser Firma die Arbeitsleistungen der Ausländer

 

  1. A G, geb. , vom 10.04.2006 bis 11.04.2006
  2. B L, geb. , vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  3. K J, geb. , vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  4. K T, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  5. K Z, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  6. M M, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  7. O J, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  8. P J M, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  9. S D J, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  10. W J, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  11. W L, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006

 

alle polnische Staatsangehörige, in B, S, Baustelle E in Anspruch genommen wurden, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung ausgestellt war, gültige Anzeigebestätigungen lagen nicht vor."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe der Rechtslage und des Verfahrensganges aus, dass die Firma P von der Firma S die Verpflichtung zur Ausführung von Trockenbauarbeiten übernommen habe. Offensichtlich aus Kapazitätsgründen habe der Bw diesen Auftrag an die Firma B GmbH mit Sitz in D, C, weitergegeben, wobei sich die von ihm gewählte Subfirma weiterer Subfirmen bedient habe. Festzustellen sei, dass die Tätigkeit der angetroffenen polnischen Arbeiter vom Bw nicht bestritten werde, dieser habe lediglich die Behörde an die Firma B GmbH verwiesen. Somit seien die betreffenden polnischen Arbeiter von den in der Anzeige angeführten Firmen beschäftigt worden. Es stehe außer Zweifel, dass es zwischen der Firma P und der Firma B GmbH ein Vertragsverhältnis, in welcher Form auch immer, gegeben habe, welches jedoch für die gegenständliche Strafsache völlig irrelevant sei. Die Behörde gehe aufgrund des festgestellten Sachverhaltes davon aus, dass der Bw zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber der Firma S auf der Baustelle in B, S, Baustelle E von Firmen, welche in Österreich keinen Firmensitz haben, die im Spruch angeführten polnischen Arbeitskräfte in Anspruch genommen habe. Die Firma P habe es verabsäumt ein entsprechendes Kontrollsystem zu installieren, um eventuelle illegale Beschäftigungen hintanzuhalten, weshalb dem Bw die im Spruch genannten Verwaltungsübertretungen anzulasten seien. Milderungsgründe seien keine vorhanden, da auch die absolute Unbescholtenheit des Bw nicht vorliege. Die verhängten Geldstrafen entsprechen dem Unrechts- und Schuldgehalt der begangenen strafbaren Handlungen, sie befinden sich im untersten Bereich des im Gesetz vorgesehenen Strafrahmens und erscheinen  ausreichend, um den Bw in Zukunft vor der Begehung ähnlicher Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

2. Dagegen brachte der Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig Berufung ein und begründete diese dahingehend, dass die Bezirkshauptmannschaft Gmunden zur Abwicklung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens unzuständig sei, da aufgrund des Tatvorwurfes eine entsprechende arbeitsmarktrechtliche Bewilligung gemäß § 18 AuslBG bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu beantragen gewesen wäre, weshalb als Tatort jedenfalls der Sprengel der regionalen Niederlassung des AMS für Bludenz anzusehen und damit auch B als Tatort eindeutig gegeben sei. Der Sitz des Unternehmens der Firma P GmbH bilde lediglich einen subsidiären Zuständigkeitsanknüpfungspunkt.

 

Weiters wird vorgebracht, dass dem Bw im Straferkenntnis eine Verletzung der Rechtsvorschrift des § 3 Abs.1 AuslBG vorgeworfen werde. Wenn sich der Tatvorwurf jedoch als richtig erweisen würde, würde allenfalls eine Verletzung der Bestimmung des § 18 AuslBG vorliegen. Weiters stehe - auch im Einklang mit den Feststellungen der belangten Behörde - fest, dass es sich bei dem Vertragspartner der Firma P GmbH um einen Arbeitgeber handle, der einen Betriebssitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union habe. Für Ausländer, die von einem Arbeitgeber mit Betriebsitz in einem "alten" Mitgliedsstaat der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, sei jedoch keine Entsendebewilligung, keine Beschäftigungsbewilligung und auch keine Anzeigebestätigung erforderlich, sondern vielmehr eine Entsendebestätigung gemäß § 18 Abs.12 AuslBG. In diesem Fall komme jedoch nicht die Strafbestimmung des § 28 Abs.1 Z1 lit.b AuslBG zur Anwendung, sondern jene des § 28 Abs.1 Z5 lit.b AuslBG, die eine Höchststrafe von 2.400 Euro vorsehe.

Auch werde verneint, dass die Firma P GmbH die im Straferkenntnis angeführten polnischen Staatsangehörigen in Anspruch genommen habe. Wie aus dem Akteninhalt hervorgehe, hat sich die Firma B GmbH zur Ausführung ihrer werkvertraglichen Pflichten weiterer Subunternehmer bedient, nämlich der Firma J und er Firma B. Alle im Straferkenntnis angeführten polnischen Staatsangehörigen waren bei einer dieser beiden Firmen beschäftigt. Auch bei den Firmen J und B handle es sich um Unternehmen mit einem Sitz in einem alten Mitgliedsland der EU. In Anspruch genommen habe diese Dienstnehmer letztendlich die Firma B GmbH, nicht jedoch die Firma P GmbH, da es nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zulässig sei, eine unendliche Kette von Inanspruchnahmen zu bilden. Es scheitere daher an der Voraussetzung der Strafbarkeit insgesamt und wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass das System der Entsendebestätigungen vom Europäischen Gerichtshof als Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit angesehen wird, da es geltendem EU-Recht widerspreche. Hinsichtlich eines Tatvorwurfes nach § 18 Abs.12 iVm § 28 Abs.1 Z5b sei bis heute keine Verfolgungshandlung gesetzt worden, weshalb dieser als verjährt zu betrachten sei.

   

3. Mit Schreiben vom 31. Jänner 2008 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat vor, der zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen ist (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Da in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat, konnte der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG von der Durchführung einer Berufungsverhandlung absehen.

 

4.1. Am 13. Februar 2008 übermittelte der Unabhängige Verwaltungssenat die gegenständliche Berufung dem Finanzamt F als am Verfahren beteiligte Organpartei zur Stellungnahme.

 

4.1.1. Mit Schreiben vom 29. Februar 2008 führte das Finanzamt F zu den einzelnen Berufungspunkten aus, dass die Bezirkshauptmannschaft G im gegenständlichen Fall als örtlich zuständige Behörde fungiert habe, da die Unterlassung der Beantragung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 18 Abs.1 AuslBG am Ort des Unternehmenssitzes, von welchem aus der Antrag zu stellen gewesen wäre, begangen wird.

 

Zum Vorbringen, es läge ein unrichtiger Tatvorwurf vor, wird ausgeführt, dass zwar korrekterweise § 18 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.b AuslBG anzuführen gewesen wäre, jedoch der Spruch der erkennenden Behörde in beschreibender Weise die Tathandlung korrekt anführe (".. in Anspruch genommen ..") das Zitat enthalte auch die korrekte Strafbestimmung, die nach deren Wortsinn rechtslogisch ausschließlich mit § 18 und keinesfalls mit § 3 AuslBG verbunden werden könne. Es sei daher jedenfalls die richtige Tat angelastet worden und liege lediglich ein Schreibfehler im Zitat der einschlägigen Gesetzesstelle vor.

Zur Anwendbarkeit des § 18 Abs.12 AuslBG wird vorgebracht, dass die die polnischen Arbeitskräfte entsendenden Unternehmen J und B zum Kontrollzeitpunkt – entgegen dem Berufungsvorbringen – nicht in Deutschland, sondern in Polen ansässig waren, wie aus den der Stellungnahme beiliegenden Eintragungen im Handelsregister ersichtlich sei. Die dem Baugewerbe zuzurechnenden Arbeitgeber würden daher in Ermangelung eines Sitzes in einem alten Mitgliedsstaat der EU unter die Übergangsregelung gemäß § 32a Abs.6 AuslBG fallen, weshalb eine Anwendung des § 18 Abs.12 leg.cit. ausscheide. Da somit die Bestimmungen des § 18 Abs.1 bis 11 AuslBG zum Tragen kommen, wäre im gegenständlichen Fall eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich gewesen. Wenn der Berufungswerber ausführt, dass die Kette der Inanspruchnahme begrenzt sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine derartige Rechtsmeinung nicht entnommen werden könne. Die Kette müsse hingegen offen sein, damit eine Umgehung der materiellen Schutz- und damit auch Strafbestimmungen durch gezielte Vertragskonstrukte ausgeschlossen werden könne.

Zum Einwand der EU-Widrigkeit des § 18 Abs.12 AuslBG wird vorgebracht, dass das AuslBG mit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2005 adaptiert worden sei, um der EU-Kritik im Hinblick auf Artikel 49 und 50 EG Rechnung zu tragen.

Zur Frage des Fehlens einer Verfolgungshandlung wird darauf verwiesen, dass nach Ansicht des Finanzamtes F der richtige Tatbestand angewendet worden war, weshalb weitere Ausführungen zum Vorliegen einer Verfolgungsverjährung entbehrlich erscheinen. Wurde einmal innerhalb der Verfolgungszeit wegen der "Tat" eine Verfolgungshandlung gesetzt, so stehe der weiteren Verfolgung des Beschuldigten Verjährung nicht entgegen, wenn sich – bei sonstiger Identität der Tat – in Folge abweichender rechtlicher Beurteilung durch die Berufungsinstanz lediglich die rechtliche Eigenschaft ändere, in der den Berufungswerber die strafrechtliche Verantwortung treffe.

 

4.1.2. Mit Schreiben vom 5. Juni 2008 wurde dem Berufungswerber die Stellungnahme der Organpartei im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt, der dazu mit Schreiben vom 30. Juni 2008 Stellung nahm und im Wesentlichen sein bisheriges Berufungsvorbringen aufrecht erhielt.

 

4.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Mai 2006 legte die Bezirkshauptmannschaft Gmunden dem Bw folgende Verwaltungsübertretungen zur Last:

 

"Sie haben es gemäß der Anzeige des Zollamtes F als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen hin berufenes Organ der P GmbH, F, G, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von dieser Firma die Ausländer

  1. A G, geb. , vom 10.04.2006 bis 11.04.2006
  2. B L, geb. , vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  3. K J, geb. , vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  4. K T, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  5. K Z, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  6. M M, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  7. O J, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  8. P J M, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  9. S D J, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  10. W J, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  11. W L, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006,

alle polnische Staatsangehörige, in B, S, Baustelle E beschäftigt wurden, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung ausgestellt war, die Ausländer waren auch nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines, eine Anzeigebestätigung bzw. eine Bewilligung als Schlüsselkraft oder ein Niederlassungsnachweis lagen nicht vor."

 

Als übertretene Verwaltungsnormen werden §§ 3 Abs.1 iVm 28 Abs.1 Z1 lit.a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. 218/1975 idgF zitiert.

 

Mit Schreiben vom 7. Februar 2007 wurde die belangte Behörde von der anzeigenden Finanzverwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass im gegenständlichen Strafantrag vom 5. Mai 2006 eine Verwaltungsübertretung iSd § 18 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.b AuslBG, nämlich die Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer, zur Anzeige gebracht wurde, die belangte Behörde jedoch ein Strafverfahren wegen Übertretung des § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.a, nämlich der Beschäftigung von Ausländern, eingeleitet habe, weshalb der Antrag gestellt werde, das irrtümlich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren umgehend einzustellen und ein Strafverfahren im Sinn des angezeigten Tatbestandes einzuleiten.

 

Mit einer neuerlichen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. Februar 2007, dem Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung zugestellt am 19.02.2007, wurde dem Bw von der belangten Behörde folgende Tathandlung vorgehalten:

 

"Sie haben es gemäß der Anzeige des Zollamtes F als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen hin berufenes Organ der P GmbH, F, G, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von dieser Firma die Ausländer

  1. A G, geb. , vom 10.04.2006 bis 11.04.2006
  2. B L, geb. , vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  3. K J, geb. , vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  4. K T, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  5. K Z, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  6. M M, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  7. O J, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  8. P J M, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  9. S D J, geb. , vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  10. W J, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  11. W L, geb. , vom 27.03.2006 bis 11.04.2006,

alle polnische Staatsangehörige, in B, S, Baustelle E beschäftigt wurden, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung ausgestellt war, die Ausländer waren auch nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines, eine Anzeigebestätigung bzw. eine Bewilligung als Schlüsselkraft oder ein Niederlassungsnachweis lagen nicht vor."

 

Als verletzte Verwaltungsübertretungen wurde nunmehr § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.b Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) angeführt.

 

Nach Abgabe einer Stellungnahme seitens des Bw mit Schreiben vom 5. März 2007 erging am 11. Jänner 2008 das gegenständliche Straferkenntnis, indem dem Bw folgende Tathandlung zur Last gelegt wird:

 

"Sie haben es, gemäß der Anzeige des Zollamtes F, als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen hin berufenes Organ der P GmbH, F, G, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von dieser Firma die Arbeitsleistungen der Ausländer

  1. A G, geb. , vom 10.04.2006 bis 11.04.2006
  2. B L, geb., vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  3. K J, geb., vom 01.04.2006 bis 11.04.2006
  4. K T, geb., vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  5. K Z, geb., vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  6. M M, geb., vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  7. O J, geb., vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  8. P J M, geb., vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  9. S D J, geb., vom 25.03.2006 bis 11.04.2006
  10. W J, geb., vom 27.03.2006 bis 11.04.2006
  11. W L, geb. 08.04.1961, vom 27.03.2006 bis 11.04.2006

alle polnische Staatsangehörige, in B, S, Baustelle E in Anspruch genommen wurden, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung ausgestellt war, gültige Anzeigebestätigungen lagen nicht vor."

 

Als übertretende Verwaltungsnorm wird § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.b Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. 218/1975 idgF angeführt.

 

4.3. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und wird in dieser Form auch nicht bestritten.

 

5. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 3 Abs.1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 idgF darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt. 

 

Nach § 2 Abs.2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

a)    in einem Arbeitsverhältnis,

b)    in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c)     in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeit nach § 3 Abs.5 leg.cit,

d)    nach den Bestimmungen des § 18 leg.cit. oder

e)    überlassener Arbeitskräfte im Sinn des § 3 Abs.4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

 

Nach § 2 Abs. 3 leg.cit. in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 101/2005 sind den Arbeitgebern gleichzuhalten

a)    in den Fällen des Abs.2 lit.b die inländischen Vertragspartner jener Personen, für deren Verwendung eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist,

b)    in den Fällen des Abs.2 lit.c und d der Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, sofern nicht lit.d gilt, oder der Veranstalter,

c)     in den Fällen des Abs.2 lit.e auch der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs.3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes und

d)    der ausländische Dienstleistungserbringer, dem eine EU-Entsendebestätigung nach Maßgabe des § 18 Abs. 12 bis 16 auszustellen ist.

 

Nach § 18 Abs.1 AuslBG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. I 101/2005 bedürfen Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

 

Nach § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder eine Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt, noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs.5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt" (§ 8 Abs.2 Z3 NAG) oder ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" (§ 45 NAG) oder ein Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG 1997) ausgestellt wurde; und zwar bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2.000 Euro bis zu 20.000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2.000 Euro bis zu 20.000 Euro, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4.000 Euro bis zu 50.000 Euro.

 

Nach § 28 Abs.1 Z1 lit.b AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt wurde, und zwar bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2.000 Euro bis zu 20.000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2.000 Euro bis zu 20.000 Euro, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4.000 Euro bis zu 50.000 Euro.

 

Gemäß § 28 Abs.3 AuslBG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 des Verwaltungsstrafgesetzes – VStG 1950, BGBl. Nr. 172) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 ein Jahr.

 

5.2. Die belangte Behörde hat dem Bw als nach außen zur Vertretung Berufenen der Firma P GmbH mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Mai 2006 sowie vom 15. Februar 2007 die Beschäftigung von elf namentlich angeführten polnischen Staatsangehörigen zu den angeführten Zeiten durch die Firma P GmbH vorgeworfen. Der Anzeige des Finanzamtes F vom 5. Mai 2006 ist jedoch zu entnehmen, dass dem Bw die Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen von Ausländern entgegen § 18 AuslBG, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Bewilligung vorgeworfen wurde. Trotz Aufforderung durch die anzeigende Behörde änderte die belangte Behörde ihren Tatvorwurf in der zweiten Aufforderung zur Rechtfertigung nicht, sondern warf dem Bw neuerlich wortident die Beschäftigung der ausländischen Staatsangehörigen durch sein Unternehmen vor, änderte jedoch die als verletzt zitierte Verwaltungsvorschrift hinsichtlich der verletzten Strafnorm auf § 28 Abs.1 Z1 lit.b, wobei neuerlich auf die Übertretung des § 3 Abs.1 AuslBG abgestellt wurde.

 

Erst im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses wurde dem Bw angelastet, er habe die Arbeitsleistungen der Ausländer in Anspruch genommen, wobei aus dem Spruch neuerlich nicht erkennbar war, dass es sich dabei um betriebsentsandte Arbeitnehmer gehandelt hat.

 

Eine Verfolgungshandlung muss, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt (§ 31 Abs.1 VStG) von einer Behörde ausgehen, gegen eine individuell bestimmte Person als Beschuldigten gerichtet, innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten sein und wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhaltes erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente bezieht. Es ist daher schon im beschuldigten Ladungsbescheid bzw. der Aufforderung zur Rechtfertigung die Tat ausreichend zu konkretisieren. Die Berichtigung eines Tatbestandsmerkmales durch die Berufungsbehörde setzt voraus, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmals erfolgt (VwGH vom 24.03.1993, 92/03/0033).

 

Die Bestimmung des § 18 AuslBG, die die Überschrift "betriebsentsandte Ausländer" trägt, soll die unter diesem Begriff zusammengefasste Sonderform der Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet regeln. Charakteristisch für diese Art der Beschäftigung ist, dass es sich um Ausländer handelt, deren Arbeitgeber im Bundesgebiet keinen Betriebssitz hat und auch sonst keinen inländischen Anknüpfungspunkt aufzuweisen vermag. Es besteht im Regelfall kein direktes rechtliches Verhältnis zwischen dem im Bundesgebiet beschäftigten Ausländer und jener Person, die den Ausländer verwendet. Der Unterschied zwischen den beiden Strafdrohungen nach § 28 Abs.1 Z1 lit.a und lit.b AuslBG liegt darin, dass gemäß lit.a das "Beschäftigen" von Ausländern, in lit.b hingegen das bloße "Inanspruchnehmen" von Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer ohne ein zwischen einem inländischen Unternehmen und den Ausländern bestehendes Beschäftigungsverhältnis unter Strafe gestellt wird (vgl. dazu VwGH vom 13.12.1990, Zl. 90/09/0074). Derjenige nimmt die Arbeitsleistung eines "betriebsentsandten Ausländers" in diesem Sinn "in Anspruch", zur Erfüllung dessen Werkes oder Auftrages die Arbeitsleistungen der vom ausländischen Arbeitgeber beschäftigten Ausländer dienen. Dies ist dann der Fall, wenn – wie im gegenständlichen Fall – der Einsatz "betriebsentsandter Ausländer" als Erfüllungsgehilfen ihres ausländischen Arbeitgebers erfolgt, um dessen Verpflichtung aus einem Werkvertrag gegenüber dem inländischen Besteller zu erfüllen.

 

Die gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG auch für das Verwaltungsstrafverfahren geltende Berechtigung der Berufungsbehörde, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, schließt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auch die Befugnis der Rechtsmittelbehörde ein, dem Beschuldigten eine andere Tat anzulasten als diejenige, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist. Indem dem Bw innerhalb der Verjährungsfrist die Sachverhaltselemente des § 28 Abs.1 Z1 lit.b AuslBG von der belangten Behörde nicht vorgeworfen wurden, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit, indem sie erstmals im Straferkenntnis vom 11. Jänner 2008 dem Bw eine Inanspruchnahme ausländischer Arbeitnehmer vorgeworfen hat. Bei dieser Tat handelt es sich jedoch um ein anderes Verhalten, dass ihm innerhalb der Verfolgungsverjährung von der belangten Behörde vorgeworfen wurde. Zwar wurde dem Bw in der (zweiten) Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. Februar 2007 innerhalb der Verjährungsfrist eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs.1 Z1 lit.b AuslBG zur Last gelegt, jedoch blieb der Vorwurf des ihm angelasteten Tun bzw. Unterlassens ident und stellte neuerlich auf eine Übertretung des § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG ab. Zur Individualisierung der zum Vorwurf gemachten Handlung ist deren rechtliche Beurteilung jedoch unbeachtlich, sondern die ihm angelastete Tathandlung ausschlaggebend, weshalb alleine die Auswechslung der angelasteten Strafnorm (insbesondere auch sinnwidrig im Zusammenhang mit § 3 Abs.1 AuslBG) den Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht hemmen konnte.

 

Die nunmehr im angefochtenen Straferkenntnis vorgenommene Auswechslung wesentlicher Teile des Sachverhaltes nach Ablauf der Verjährungsfrist war daher unzulässig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden und das angefochtene Straferkenntnis wegen eingetretener Verfolgungsverjährung zu beheben war.

 

6. Der Kostenausspruch ist in der angeführten Gesetzesbestimmung begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

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