Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163263/2/Fra/RSt

Linz, 06.08.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau I B, F, 52 S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7.5.2008, VerkR96-2469-2008, betreffend die Übertretung des § 102 Abs.2 erster Satz in Verbindung mit § 134 Abs.1 KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der Strafausspruch behoben und von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird; die Berufungswerberin wird gemäß § 21 Abs.1 zweiter Satz VStG ermahnt.

 

Die Berufungswerberin hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 21, 24 und 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) wegen Übertretung des § 102 Abs.2 erster Satz KFG 1967 gemäß § 134 Abs.1 leg.cit. eine Geldstrafe von 20 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil sie am 15.1.2008 um 12.00 Uhr in der Gemeinde Braunau am Inn, Ortsgebiet, Kreisverkehr bei Finanzamt, L 501 bei km 2., Fahrtrichtung S aus Richtung Stadtplatz kommend, als Lenkerin des Fahrzeuges: Kennzeichen BR, PKW, FORD Escort, rot, die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes nicht eingehalten hat, da festgestellt wurde, dass sie den Lenkerplatz nicht in bestimmungsgemäßer Weise eingenommen hat, da sie das Fahrzeug lenkte, obwohl auf ihrem Schoß ein Hund saß und es durch unkontrollierte und nicht vorhersehbare Bewegungen des Tieres jederzeit zur Behinderung während des Lenkens kommen hätte können.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn – als nunmehr belangte Behörde – sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 102 Abs.2 erster Satz KFG 1967 hat der Lenker den Lenkerplatz in bestimmungsgemäßer Weise einzunehmen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 10.7.1996, Zl. 96/03/0079, ausgeführt, dass, wenn ein Hund auf dem Schoß des Lenkers sitzt, der Lenkersitz "nicht in bestimmungsgemäßer Weise" eingenommen wurde, da durch unkontrollierte und nicht vorhersehbare Bewegungen des Tieres es jederzeit zu Behinderungen des Lenkers kommen kann. Nicht entscheidend ist, ob eine konkrete Behinderung des Lenkers durch den Hund gegeben war.

 

3.2. Die der Bw zur Last gelegte Verwaltungsübertretung wurde laut Anzeige der Polizeiinspektion Braunau am Inn vom 4.2.2008 von den Beamten Insp. S und RI S aus einer Entfernung von ca. fünf Metern dienstlich wahrgenommen. Unter der Rubrik "Beweismittel" ist angeführt, dass die Lenkerin in den beim Finanzamt Braunau befindlichen Kreisverkehr eingefahren ist, in dem sich das Dienstkraftfahrzeug zu dem Zeitpunkt bereits befand. Eine Anhaltung sei nicht möglich gewesen, da die Lenkerin in Richtung S weiterfuhr.

 

Die Bw bestreitet nicht, dass sie das Fahrzeug zum oa. Zeitpunkt an der angeführten Örtlichkeit gelenkt und dass sich ein Hund auf ihrem Schoß befunden hat. Sie hat daher den Tatbestand der ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretung verwirklicht. Entscheidend ist nach dem oben Gesagten nicht, dass eine konkrete Behinderung der Bw durch den Hund gegeben gewesen war. Die Bw bringt in ihrem Rechtsmittel vor, dass ihr Hund seit mehr als zehn Jahren immer auf ihrem Schoß sitze, wenn sie unterwegs sei. Sie seien dort zusammen angeschnallt. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Bw nicht, die Fahrlässigkeitsvermutung im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG zu entkräften, weshalb die Berufung dem Grunde nach unbegründet ist. Der Strafausspruch war jedoch aus folgenden Gründen zu beheben:

 

3.3. Die Bw hat der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit 13.2.2008 datierte Schreiben übermittelt. Diese weisen folgenden Wortlaut auf:

 

"GZ: Ka96(5GZ)

Ihr Schreiben

 

Die Bösartigkeit seitens der Behörden hat offenbar keine Grenzen. Sie wissen ganz genau, dass ich von der Mindestpension nicht leben kann, zumal ich für Wohnung und Strom allein 480 € bezahle, mein Bankkonto wurde kürzlich gesperrt, sodaß ich nicht mehr überziehen kann, Herr Dr.G gab mir Anf. Februar 100 € damit ich nicht verhungere und Sie glauben, dass ich monatlich 40 € bezahlen kann! Woher bitte?

Die Wohnung kann ich auch nicht behalten, ich habe bereits gekündigt, nur weiß ich nicht wohin und wie ein Umzug stattfinden soll bei meiner Hilflosigkeit.

 

Was haben Sie davon wenn Sie mich einsperren? Rache des Staates? Mein Zustand durch das Nicht-heizen-können (ich lebe hier den ganzen Winter über bei 10-12 Grad) hat sich so verschlimmert, dass die Arthrose voll ausgebrochen ist, ich kann nicht mehr schreiben, mich kaum mehr anziehen, gehe auf Stock, weil auch meine Hüfte kaputt ist.

Gestern war ich auf der Rheumatologie im Krankenhaus Ried, die Morphiumgaben wurden erhöht und es wird nach den Untersuchungsergebnissen eine neue Therapie eingeleitet.

 

Anbei sehen Sie, dass auch Pflegegeld Stufe 2 beantragt wurde, weil Stufe 1 nicht ausreicht.

Außerdem bin ich 60% schwerbehindert. Außerdem leide ich an Depressionen und muß ständig Psychopharmaka nehmen.

 

Ich habe hier 6 Hunde (2 eigene, sonst Pflegehunde, dafür gibt es ein paar €)), die ich betreue. Dazu 2 Katzen und 4 Hühner. Futter bekomme ich vom Tierschutz. Wo soll ich die Tiere lassen?

 

Wenn Sie mich mit Gewalt aus dem Bett zehren (ich muß meistens liegen, da ich sonst die Schmerzen nicht aushalte), dann bringe ich mich um!

 

Eine Bitte: lassen Sie mich endlich in Ruhe! Ich muß genug leiden, was wollen Sie noch? Gibt es keinen einzigen Menschen bei der Behörde der auch MENSCH sein kann? Diesen Brief schreibt eine Freundin für mich.

 

Hochachtungsvoll"

 

"GZ: VerkR96-1077-2008

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

gegen die Strafverfügung erhebe ich

EINSPRUCH!

 

ich leide an unerträglichen Schmerzen wegen kaputte Halswirbeln und Arthritis in allen Gelenken. Deshalb und weil ich vor einem halben Jahr schwere Magenblutungen hatte von den vielen Schmerztabletten, bekomme ich Morphium in Form von Schmerzpflastern.

Doch diese helfen nicht immer!

 

An dem 25.Jänner waren die Schmerzen so unerträglich, dass mir nur eines übrig blieb: zu meinem Hausarzt nach H zu fahren um mir eine Spritze geben zu lassen. In dieser Situation mussten mich die Polizisten an der Ortseinfahrt (!!) nach S stoppen und es zählte für sie nicht, dass ich große Schmerzen habe und dass ich schnellstens zum Arzt fahren wollte. Denn wenn Gesetze zu befolgen sind, da zählt der Mensch nicht mehr!

 

Es dürfte Ihnen auch bekannt sein, dass ich mit meiner Mindestpension kaum überleben kann. Monat für Monat muß ich auf Betteltour gehen um irgendeine Hilfe zu bekommen. Zuletzt hat mir Herr Dr.G 100,- € zukommen lassen, weil auch mein Bankkonto gesperrt wurde, sodaß keine Überziehung mehr möglich ist.

Woher bitte sollte ich 50 € Strafe bezahlen?

 

Die 2.Geschichte lege ich bei! Wer ist auf die Schnapsidee gekommen, daß ich irgendwas mit meinem Auto transportiert hätte! Das hier ist Bösartigkeit pur! Erstens habe ich am Autodach gar keinen Gepäckträger, zweitens bin ich froh, wenn ich mühsam ein-und aussteigen kann, weil auch meine Hüfte kaputt ist. Ich lade und transportiere nichts, ich bin auch alleinstehend, sodaß niemand zu meinem alten PKW (der inzwischen auch kaputt ist) Zugang hat.

 

Diesen Brief diktiere ich auch einer Freundin, weil ich mit meine Hände gar nicht mehr schreiben kann. Dr. B hat der Bezirkshauptmannschaft schon Bericht erstattet über die Schwere meiner Krankheiten. Daß ich immer nur verfolgt und zur Kasse gebeten werde, trägt zur Besserung meines Gesundheitszustandes sicher nicht bei.

 

Hochachtungsvoll"

 

Laut ärztlicher Bestätigung Dris W B, Arzt für Allgemeinmedizin in 52 H Nr. vom 17.11.2007 leidet die Bw seit längerem an chronischen Schmerzen der Handgelenke (Rhizarthrose) LI Herzinsuffizienz, Depressionen, HWS-Syn.gravis, Z.n.Mb.Crohn, lab.Hypertonie, dysrh.CMP und ist ständig im Krankenhaus Braunau/psych. Gesundheit sowie Krankenhaus Ried/Interne Ambulanz, Schmerzambulanz und orthopädische Ambulanz in Behandlung und nimmt derzeit eine Vielzahl an Medikamenten. Ein Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe in Wels erscheint ihm aufgrund der Multimorbidität derzeit nicht möglich.

 

3.4. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Trotz der Verwendung des Wortes "kann" ermächtigt diese Vorschrift die Behörde nicht zur Ermessensübung. Sie ist vielmehr als eine Anordnung zu verstehen, die die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Gebundenheit ermächtigt, bei Zutreffen der im ersten Satz angeführten Kriterien von einer Strafe abzusehen und bei Zutreffen des im zweiten Satz angeführten weiteren Kriteriums mit einer Ermahnung vorzugehen. Liegen beide in § 21 Abs.1 VStG genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden und lediglich unbedeutende Folgen vor, hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Bestimmung (vgl. ua. VwGH vom 19.9.2001, 99/09/0264).

 

In Anbetracht der mit oa. Eingaben seitens der Bw vorgebrachten Umstände ist von einem geringfügigen Verschulden auszugehen. Bedeutende Folgen der Übertretung sind ebenfalls nicht evident. Straferschwerende Umstände sind nicht bekannt. Da sohin hinsichtlich der zu berücksichtigenden Sachverhaltselemente gegenständlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG gegeben sind, war spruchgemäß zu entscheiden. Der Ausspruch einer Ermahnung war jedoch aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, zumal die Bw vorbringt, dass der kleine Hund seit mehr als 10 Jahren immer auf ihrem Schoß sitze, wenn sie unterwegs ist.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. F r a g n e r

 

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