Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251396/59/Lg/Sta

Linz, 08.08.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine VIII. Kammer (Vorsitzender: Dr. Werner Reichenberger, Berichter: Dr. Ewald Langeder, Beisitzerin: Mag. Michaela Bismaier) nach der am 10. Mai 2006 und am 14. November 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des F M, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. A H, Dr. E E, Mag. C O, L,  L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Urfahr-Umgebung vom 14. März 2006, Zl. SV96-74-8-2005-BroFr, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.500 Euro bzw. eine  Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma M F Si GmbH in  G, L, und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ und sohin strafrechtlich Verantwortlicher der oben genannten Firma zu vertreten habe, dass am 16.11.2005 im Zuge einer Überprüfung durch ein Organ der Finanzverwaltung, Zollamt Linz, in  L, L, L, festgestellt worden sei, dass der slowakische Staatsangehörige E S auf der Baustelle im Neubau am Balkon beim Montieren von Metallrahmen in Arbeitskleidung angetroffen worden sei. Aufgrund einer näheren Überprüfung sei festgestellt worden, dass der Ausländer von der Fa. G., S, Büro Österreich in S, M, an die Fa. M F, S GmbH vermittelt worden sei. Aufgrund der vorliegenden Umstände sei trotz Vorlage eines Werkvertrages von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis auszugehen. Der Bw habe den Ausländer vom 22.8. bis 15.11.2005 beschäftigt, ohne dass die für eine legale Ausländerbeschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.

 

Begründend wird ausgeführt, die Tat sei auf Grund des Strafantrages des Zollamtes Linz vom 18.11.2005 erwiesen. Bezug genommen wird ferner auf die Stellungnahme des Berufungswerbers vom 14.12.2005, die Stellungnahme des Zollamtes Linz vom 20.1.2006  sowie die Stellungnahme des Berufungswerbers vom 24.2.2006.

 

Auf Grund des vom Ausländer ausgefüllten Fragenkataloges zur Selbstständigkeit von EU-Ausländern sei von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis auszugehen, da Material und Werkzeug von der Firma M zur Verfügung gestellt worden sei, der Ausländer gesagt bekomme, auf welcher Baustelle er arbeiten muss, er S N von der Firma M melden müsse, wenn er krank ist oder auf Urlaub gehen will, er sich nicht durch eine andere Person bei seiner Arbeit vertreten lassen könne und er außer den Einkünften aus dem Werkvertrag keine andere Einkünfte habe.

 

Die Tat sei im Sinne des § 5 Abs.1 VStG auch als schuldhaft anzusehen.

 

2. In der Berufung wird generell das Fehlen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens gerügt.

 

Den Gründen, auf welche das angefochtene Straferkenntnis das Vorliegen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses stützt, wird entgegengehalten, dass die Behörde von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Vertragsverhältnis zwischen der Firma des Beschuldigten und dem Ausländer bestanden.

 

Die Vertragsverhältnisse stellten sich so dar, dass die Firma des Beschuldigten mit der Firma G. einen Projektvertrag abgeschlossen habe, dessen Inhalt die Durchführung von Montagearbeiten gewesen sei. Die Firma G wiederum habe eigene Werkverträge mit jeweils selbstständigen Projektanten abgeschlossen. Es sei sohin niemals zum Abschluss eines eigenen Vertrages zwischen der Firma des Beschuldigten und den selbstständigen Projektanten gekommen. Die selbstständigen Projektanten hätten ausschließlich mit der Firma G. in einer vertraglichen Beziehung gestanden und seien auf Grund der Werkverträge für die Firma G. tätig gewesen.

 

Darüber hinaus hätten sämtliche Projektanten über einen Gewerbeschein, einen Versicherungsnachweis nach der EU-VO 111 sowie eine eigene Finanzamtsbestätigung verfügt.

 

Das Entgelt von 8 Euro pro Stunde habe der Ausländer nicht vom Unternehmen des Berufungswerbers sondern von der Firma G. erhalten. Die geleisteten AKonto-Zahlungen im Rahmen der Werkverträge zwischen dem Projektanten und der Firma G. seien von Letzterer geleistet worden. Es habe sich dabei um den Werklohn gemäß Projektvertrag gehandelt.

 

Mangels eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Unternehmen des Berufungswerbers und dem Ausländer seien die Kriterien für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis nicht anwendbar.

 

Hinsichtlich des Vorliegens der Kriterien der wirtschaftlichen Unselbstständigkeit habe die Behörde kein eigenes Ermittlungsverfahren durchgeführt und keine eigenen konkreten Feststellungen getroffen.

 

Das angefochtene Straferkenntnis gehe ohnedies nicht von Leiharbeit aus. Für eine solche Konstellation hätte es ebenfalls genauerer Feststellungen bedurft, insbesondere dazu, ob es sich um eine Dienstleistung in einem geschützten Sektor oder in einem liberalisierten Bereich handelte.

 

Weiters wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses unter dem Blickwinkel des § 44a VStG bemängelt.

 

Schließlich wird die Strafbemessung bekämpft.

 

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt der Strafantrag des Zollamtes Linz vom 18.11.2005 bei. Dort wird ausgeführt, dass der gegenständliche Ausländer auf der gegenständlichen Baustelle am 16.11.2005 angetroffen worden sei. Der Ausländer sei von der Fa. G, S, Büro in M, an die Fa. M vermittelt worden. Es sei von einem arbeitnehmerähnlichen Arbeitsverhältnis auszugehen. Die angegebenen Gründe decken sich weitgehend mit den im angefochtenen Straferkenntnis ausgeführten.

 

Dem Strafantrag liegt die Kopie eines Werkvertrages zwischen dem Ausländer und der G bei.

 

Dem Strafantrag liegt kein von E S ausgefüllter Fragenkatalog zur Selbstständigkeit von EU-Ausländern bei.

Hingegen gab der Ausländer in einem Personenblatt an, seit 22.8.05 als Schlosser für einen Lohn von 8 Euro pro Stunde beschäftigt zu sein. Er arbeite für die Firma M F S GmbH. Die tägliche Arbeitszeit sei von 7.00 bis 17.30 Uhr. Der Chef heiße P B. In einem amtlichen Vermerk ist festgehalten, der Ausländer habe angegeben, er habe einen Werkvertrag mit der Fa. G Er sei von der Fa. G an die Fa. M F überlassen. Der Ausländer sei beim Montieren von Portalen im 1. Stockwerk beobachtet worden.

 

Dem Akt liegt ferner die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2.12.2005 bei.

 

In seinen Stellungnahmen äußerte sich der Berufungswerber im Wesentlichen wie in der Berufung.

 

In der Stellungnahme des Zollamtes Linz vom 20.1.2006 wird festgehalten, der angebliche Werkvertrag sei als Dienstleistungsvertrag zu qualifizieren. Da ihm die wesentlichen Merkmale eines echten Werkvertrages (kein definiertes eigenständiges Werk, kein Erbringungszeitpunkt, kein Gesamtpreis etc.) fehlen würden. Die gegenständliche Dienstleistungserbringung sei daher als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren.

 

4. Die öffentliche mündliche Verhandlung wurde für die Verfahren VwSen-251377, 251378, 251379, 251380, 251381, 251382, 251383 einerseits und VwSen-251392, 251393, 251394, 251395 und 251396 andererseits, weil denselben Berufungswerber betreffend, gemeinsam durchgeführt, wobei den jeweiligen Gruppen vergleichbare Sachverhalte zu Grunde lagen. Die erstgenannte Gruppe wurde mit Erkenntnissen des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 22.2.2008 erledigt.

 

Die zweitgenannte Gruppe korrespondiert mit den Straferkenntnissen des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Urfahr-Umgebung vom 14.3.2006, Zlen. SV96-44-12-2005 (betreffend J L, Beschäftigungszeitraum 22.8. und 23.8.2005), SV96-45-12-2005 (betreffend E S, Beschäftigungszeitraum 22.8. und 23.8.2005), SV96-71-8-2005 (betreffend E S, Beschäftigungszeitraum 22.8.2005 bis 15.11.2005), SV96-72-8-2005 (betreffend J L, Beschäftigungszeitraum 22.8.2005 bis 15.11.2005) und SV96-74-8-2005 (betreffend E S, Beschäftigungszeitraum 22.8.2005 bis 15.11.2005).

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Berufungswerber aus seiner Sicht die Situation dar. Einvernommen wurden die Zeugen P und S von der M F S GmbH sowie K von der Firma G (B). Die beiden gegenständlichen Ausländer wurden zur öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen, erschienen jedoch nicht. Vorgelegt wurde seitens des Berufungswerbers ein Konvolut von Urkunden. Nach Auffassung des Vertreters des Berufungswerbers seien die Ausländer gegenüber der Firma G als Selbstständige vertraglich verpflichtet und die Firma G. Werkvertragnehmer der Firma M gewesen. Nach Auffassung des Vertreters der Zollbehörde seien nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt Beschäftigungsverhältnisse anzunehmen.

 

 

5. Der Unabhängige  Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Im gegenständlichen Fall ist zu berücksichtigen, dass für die Beschäftigung ein und desselben Ausländers durch den Berufungswerber drei (E S) bzw. zwei (J L) Straferkenntnisses mit identischem Datum erlassen wurden. Dies steht im Widerspruch zur so genannten "Erfassungswirkung" eines Straferkenntnisses, also dem Effekt, dass das Straferkenntnis bei Beschäftigung desselben Ausländers (als fortgesetztem Delikt) alle bis zur Erlassung des Straferkenntnisses in Betracht kommenden Tathandlungen erfasst  (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.1.1999, Zl. 97/09/0029, vom 18.3.1998, Zl. 96/09/0313, vom 7.9.1995, Zl. 94/09/0321 u.a.m.). Das heißt, dass ein Arbeitgeber wegen Beschäftigung desselben Ausländers bis zum Erlass des Straferkenntnisses nur einmal bestraft werden darf bzw. eine neuerliche Bestrafung nur wegen nach der letzten Bestrafung gesetzter Tathandlungen zulässig ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.3.2002, Zl. 2000/09/0150 und vom 15.3.2000, Zl. 99/09/0219). Im Erkenntnis vom 29.5.2006, Zl. 2005/09/0066, hat der Verwaltungsgerichtshof zu aneinander anschließenden Deliktszeiträumen ausgeführt, dass es sich um ein Dauerdelikt handelt, bei dem tatbildgemäße Einzelhandlungen solange als Einheit und damit nur als eine Verwaltungsübertretung anzusehen und dementsprechend mit einer Strafe zu belegen sind, als der Täter nicht nach außen erkennbar seine deliktische Tätigkeit aufgegeben hat. Es ist daher rechtswidrig, wenn unter solchen Umständen einem Beschuldigten fälschlich zwei Straftaten statt nur einer angelastet werden. Diese Rechtswidrigkeit muss konsequenterweise zur Aufhebung beider Straferkenntnisse führen (so sinngemäß – Aufhebung beider in einem einheitlichen Straferkenntnis verhängten Strafen – das letztzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes; hier analog: Verhängung  mehrerer Strafen in mehreren Straferkenntnissen selben Datums für zeitlich nicht unterbrochene [ja sogar einander überdeckende] Deliktszeiträume).

 

Hinzugefügt sei, dass die (gegenständlich gegebene) Beschäftigung eines Ausländers auf unterschiedlichen Baustellen unter gewissen Umständen ein Indiz für Unterbrechungen darstellen könnten. Solche – zeitlich zu fixierenden – Unterbrechungen wurden weder in den in Betracht kommenden Straferkenntnissen festgestellt, noch wurden solche im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat konkret sichtbar. Vielmehr weist der Einsatz des Ausländers auf mehreren Baustellen in der vorliegenden Konstellation das typische Bild auf, wie es bei einem  Arbeitnehmer in der Baubranche gegeben ist.

 

Bemerkt sei ferner, dass die Festlegung des Tatzeitendes mit 15.11.2005 ohne Grundlage in den Ermittlungsergebnissen erfolgte sondern lediglich mit dem Datum des Strafantrages zusammenfällt.

 

Da schon aus diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis zu beheben war, erübrigt es sich auf die Frage einzugehen, ob gegenständlich von einer Arbeitskräfteüberlassung oder von  - unter dem Blickwinkel des AuslBG – unbedenklichen Werkverträgen auszugehen ist.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

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