Linz, 25.08.2008
Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in: Zimmer, Rückfragen:
Hermann Bleier, Mag. Dr., Mitglied 3B09, Tel. Kl. 15695
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn P K, geb. , H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 7.8.2007, Zl. VerkR96-4312-2007, nach der am 25.8.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in sämtlichen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren § 45 Abs.1 Z1 u. Z3 VStG (im Punkt 2.) eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1 u. Z3, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber, wegen der Übertretungen nach §§ 102 Abs.1 iVm § 101 Abs.5 u. § 134 Abs.1 KFG, sowie § 52 lit.a Z4c StVO iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen in Höhe von 150 Euro und 2 x 80 Euro und im Nichteinbringungsfall 30, 16 und 33 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
1.1. Die Behörde erster Instanz traf nachfolgende Erwägungen:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung:
3. Die Behörde erster Instanz hat 10 Monate nach Einlangen des Rechtsmittels die Akte zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war ob der strittigen Faktenlage zwingend durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu welcher der Berufungswerber persönlich erschienen ist, wurde die Sachlage mit dem Berufungswerber erörtert. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung in entschuldigter Weise nicht teil. Als Zeuge einvernommen wurde der Meldungsleger GI W.
4.1. Wie im Zuge der Berufungsverhandlung selbst durch den Meldungsleger bestätigt wurde, erfolgte die Abstellung dieses Lkw´s wegen des vermeintlichen Verstoßes gegen die Bescheidauflage (Fahrt nur bei guten Straßen- u. Sichtverhältnissen) ob der Fahrt bei Dunkelheit in Verkennung des objektiven Inhaltes dieses Auflagepunktes. Es bestanden weder schlechte Straßen- noch schlechte Sichtverhältnisse.
Der Zeuge vermochte ferner auch nicht näher darzulegen wann und wo die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit erfolgt ist. Vielmehr verwies dieser auf die Geschwindigkeitskurve des Schaublattes, welche sich überwiegend im Bereich von etwas über 80 km/h darstellt. Nicht zu erinnern vermochte sich der Zeuge inwieweit die vom Berufungswerber überholten bzw. eines dieser Kleinlastkraftwagen mit Pannenblinker und mit geringerer Geschwindigkeit unterwegs war, was letztlich als Vorbeifahren an diesen Fahrzeugen und nicht als Überholen zu qualifizieren gewesen wäre.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung legte der Meldungsleger noch weitere Unterlagen zur Einschau vor welche offenbar nicht zum Akt genommen wurden. Nämlich eine Kopie des Führerscheins des Berufungswerbers und des Frachtbriefes, woraus sich eine Breite des Transportgutes von 2,7 m und ein Gewicht von 4.000 kg ableiten lässt. Nachteilige Auswirkungen für andere Verkehrsteilnehmer ergaben sich durch das zur Anzeige gebrachte Verhalten des Berufungswerbers aus der Sicht des Meldungslegers ebenfalls nicht. Gesamt kann gesagt werden, dass insbesondere selbst der Inhalt der sogenannten Gendis-Anzeige die zur Last gelegten Sachverhalte nicht nachvollziehbar ausweist, sodass in Verbindung mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung von einem Tatbeweis in keinem der angelasteten Punkte ausgehen lässt. Als Mindestvoraussetzung wäre zu erwarten, dass sämtliche Dokumente und der Tatablauf schon aus einer Anzeige nachvollziehbar und klar hervorgeht.
4.2. Aus diesem Beweisergebnis ergibt sich insbesondere, nicht alleine schon aus dem unmissverständlichen Wortlaut des Bewilligungsbescheides, dass zwischen Dunkelheit und schlechten – sichteinschränkenden - Sichtverhältnissen wohl zu unterscheiden ist. Das Sichtverhältnisse unter 200 m nicht in der Dunkelheit, wohl aber (nur) in meteorologischen Bedingungen (primär durch Nebel) bedingt sind, sollte an sich keiner weiteren Erörterung bedürfen. Wenn ferner im Punkt 4. des Bescheides auf Fahrten während der NACHT hingewiesen wird, besagt alleine schon dies explizit, dass die Dunkelheit der Nacht nicht Sichtverhältnisse von weniger als 200 m einschließt. Dies trifft alleine schon deshalb nicht zu, weil die Beleuchtung auch bei Dunkelheit gerade nicht von den vorgeschriebenen 200 m determiniert wird.
Selbst die von der Behörde erster Instanz diesbezüglich im Zuge der Berufungsvorlage übermittelte Judikatur verdeutlichen die grundsätzliche Unterschiedenheit zwischen Dunkelheit und der Sichtweite von 200 Metern.
Auch mit dem Hinweis der Verwendung des Abblendlichtes mit einer Fahrgeschwindigkeit von über 60 km/h wird offenbar die Rechtslage verkannt, weil wohl unstrittig ist, dass beim Abblenden auf Autobahnen nicht jedes Mal die Geschwindigkeit verringert werden kann und hier andererseits nicht davon die Rede ist, dass der Berufungswerber nur Abblendlicht verwenden durfte. Aus Punkt 4. des Bewilligungsbescheides des Landeshauptmannes von NÖ ergibt sich lediglich, dass, neben den Drehleuchten "zumindest" auch das Abblendlicht (insbesondere auch bei Tag) zu verwenden ist.
Gefolgt kann dem Berufungswerber somit auch in seiner Darstellung der bloßen Vorbeifahrt an zwei mit eingeschaltetem Warnblinker und deutlich langsamer fahrenden Kleinlastkraftwagen werden. Da der Meldungsleger den Berufungswerber durch den Rückspiegel ob seines vermeintlichen Überholvorganges anhielt, ist eine Verdeckung der "überholten" Fahrzeuge und ein Nichterkennen deren Beleuchtung seitens der Meldungsleger nicht auszuschließen. Diesbezüglich vermochte der Meldungsleger jedenfalls keine Angaben mehr zu machen.
Auf die überaus dürftigen Darstellungen in der sogenannten Gendis-Anzeige ist ebenfalls hinzuweisen. Dieser wurden nicht einmal sämtliche vom Berufungswerber eingeholten Dokumente beigeschlossen. Auch die im Zuge der Amtshandlung gemachten Handnotizen waren nicht mehr verfügbar, sodass jedenfalls im Zweifel der Verantwortung des Berufungswerbers vollumfänglich zu folgen gewesen ist.
Nicht zuletzt erfolgte dessen Abstellung während der gesamten Nacht zu Unrecht, was wiederum dessen Verantwortung auch zu den anderen Punkten in anderem Licht erscheinen lässt und nicht zuletzt alleine der Gerechtigkeit wegen diesen zu folgen geboten sein lässt.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Die Übertretung des § 102 Abs.1 iVm § 102 Abs.5 KFG wurde hier gemäß dem klaren Wortlaut des Auflagepunktes 5. des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich (Fahrtdurchführung nur bei "guten Sicht- u. Straßenverhältnissen) nicht begangen.
Bei der Angabe der Tatzeit bei Geschwindigkeitsübertretungen, welche aus dem Fahrtschreiberschaublatt entnommen werden, ist nicht der Zeitpunkt der Aushändigung des gesamten Schaublattes maßgebend, sondern der aus dem Schaublatt ersichtliche Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung (Erk. UVS-Vorarlberg v. 24.09.1993 ZI: 1-359/93). Diese wäre wohl hier laut Schaublatt mit 21:15 Uhr, also dem Zeitpunkt vor der Anhaltung noch zutreffend zur Last gelegt. Was jedoch den Tatort anlangt, vermag sich die belangte Behörde bezüglich der von ihr angenommenen "Fiktion des Tatortes" jedoch auf keine gesetzliche Bestimmung zu berufen, weil es eine derartige, "im Hinblick auf die Eigenart der Materie unverzichtbare" Regelung nicht gibt (vgl. VwGH 3.7.1991, 90/03/0205).
Auch von einem Überholen kann bei einem bloßen Vorbeifahren an einem mit eingeschalteten Pannenblinker und deutlich langsamer fahrenden Fahrzeug nicht die Rede sein. Ein Überholverbot kann nicht so ausgelegt werden, dass ein Lastkraftwagenzug – im gegenständlichen Fall auf dem sich über 35 Kilometer erstreckenden Überholverbot für Lastkraftwagen über 7,5 t – einem aus wahrscheinlich technischen Gründen deutlich langsamer fahrenden Fahrzeug nachfahren müsste.
Vor diesem Hintergrund können die hier zur Last gelegten Handlungen einerseits nicht erwiesen gelten und andererseits erfüllt das im Punkt 1.) zur Last gelegte Verhalten keinen Übertretungstatbestand, sodass die Verfahren nach den eingangs zitierten Gesetzesbestimmungen einzustellen waren.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r