Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100030/2/Fra/ka

Linz, 04.07.1991

VwSen - 100030/2/Fra/ka Linz, am 4.Juli 1991 DVR.0690392 P K, St; Straferkenntnis wegen Übertretungen der StVO 1960 - Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine Kammer unter dem Vorsitz des W.Hofrat Dr. Hans Guschlbauer und durch den Beisitzer W.Hofrat Dr. Kurt Wegschaider sowie dem Berichter ORR. Dr. Johann Fragner über die Berufung des P K, St, vertreten durch Dr. J L und Dr. E W, Rechtsanwälte in St, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 24. April 1991, St 376/91, betreffend Übertretung des § 5 Abs.2 in Verbindung mit § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Es entfällt die Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge hinsichtlich des gegenständlichen Verfahrens.

Rechtsgrundlage: zu I. § 66 Abs.4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z.1 VStG.

zu II. § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu Spruchteil I. 1. Die Bundespoliziedirektion Steyr hat mit Straferkenntnis vom 24. April 1991, AZ.St 376/91, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach 1. § 7 Abs.1 StVO 1960, 2. § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967, 3. § 5 Abs.2 in Verbindung mit § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 gemäß 1. § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2. § 134 Abs.1 KFG 1967 und 3. § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 1. 300 S, 2. 200 S und 3. 20.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1. 18 Stunden, 2. 12 Stunden und 3. 3 Wochen verhängt, weil er am 21. Jänner 1991 um 11.25 Uhr in St, P.straße, und zwar im Bereich zwischen der S.straße und G.straße einen PKW gelenkt hat, wobei er nicht soweit rechts fuhr, wie ihm dies zumutbar gewesen wäre, wodurch er die Rechtsfahrordnung verletzte. Ferner hat er es unterlassen, den Führerschein mit sich zu führen. Fünf Minuten später, nämlich um 11.30 Uhr hat er sich in St, P.straße 46, gegenüber einem zur Vornahme des Alkomattestes besonders geschulten und ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Gleichzeitig wurde der Beschuldigte zu einem Kostenbeitrag zum Strafverfahren in Höhe von insgesamt 2.050 S verpflichtet.

2. Vorweg ist festzuhalten, daß sich die Berufung des Beschuldigten nicht gegen die Bestrafung wegen der Übertretung nach § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967 richtet. Das Rechtsmittel des Beschuldigten wendet sich also nur gegen die Übertretung des § 7 Abs.1 StVO 1960 und gegen die Übertretung des § 5 Abs.2 in Verbindung mit § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960. Hinsichtlich der Übertretung nach § 7 Abs.1 StVO 1960 ergeht ein gesondertes Erkenntnis, da diesbezüglich eine nicht 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und daher gemäß § 51c VStG der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden hat. Die nachstehenden Ausführungen beziehen sich daher nur auf die Übertretung gemäß § 5 Abs.2 in Verbindung mit § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960.

3. Die Erstbehörde stützt ihren Schuldspruch auf die Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr vom 21. Jänner 1991 sowie auf die Aussagen des Zeugen Bez.Insp.H vom 26. Februar 1991. Bei dieser Vernehmung gab der Zeuge über Befragung, ob er beim Beschuldigten auch Alkoholisierungssymptome wahrgenommen habe, an, daß der Beschuldigte jedenfalls auf ihn den Eindruck gemacht habe, er wäre übernächtigt. Ob er konkrete Alkoholisierungssymptome festgestellt habe, könne er sich nicht mehr erinnern. Er habe den Beschuldigten jedenfalls aufgefordert, mit seinem PKW zum Wachzimmer M zu fahren und zwar zum Zwecke einer nachfolgenden Alkomatuntersuchung. Die Weiterfahrt habe er deshalb angeordnet, weil dies aufgrund der gegebenen Straßenverhältnisse - er stand verkehrsbehindernd und es war kein freier Parkplatz in der Nähe - geboten erschien. Der Beschuldigte habe ihm geantwortet: "Ja, ich bin bereit, mich der Alkomatuntersuchung zu unterziehen." In der Folge konnte er jedoch beobachten, daß der Beschuldigte vorerst in Richtung Wachzimmer fuhr, die Fahrtrichtung jedoch dann änderte und in Richtung P.straße weiterfuhr.

4. Der Berufungswerber führt in seinem Rechtsmittel im wesentlichen aus, daß er zu keinem Zeitpunkt während der Amtshandlung vom Zeugen H zu einem Alkotest aufgefordert worden sei. Es seien auch keinerlei Gründe vorgelegen, welche die Durchführung eines Alkotestes notwendig hätte erscheinen lassen. Es lagen nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß er sich in einem durch alkoholbeeinträchtigten Zustand befunden hätte. Dies ergäbe sich auch durch die Zeugenaussage des Bezirksinspektors H. Dieser habe sich bei der zeugenschaftlichen Einvernahme am 26. Februar 1991 an konkrete Alkoholisierungssymptome nicht mehr erinnern können. Wenn man jedoch bedenke, mit welcher Genauigkeit sich der Zeuge H an die vorangegangenen Ereignisse erinnerte, so spreche die in Frage stehende Aussage hinsichtlich der von ihm wahrgenommenen Alkoholisierungssymptome wohl eindeutig dafür, daß er solche zu jenem Zeitpunkt nicht wahrgenommen habe. Es sei zwar richtig, daß ihn der Zeuge H aufgefordert habe, mit seinem PKW etwa 50 m zu fahren. Es sei jedoch unrichtig, daß er zum Zweck einer nachfolgenden Alkomatuntersuchung im Wachzimmer zu diesem Ort hätte fahren sollen. Eine solche Aufforderung habe der Zeuge H ihm gegenüber nie geäußert. Zweifellos liege daher eine Übertretung nach der angeführten Gesetzesstelle seinerseits nicht vor.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Das strafbare Verhalten bei einer Übertretung nach § 99 Abs.1 lit.b in Verbindung mit § 5 Abs.2 StVO ist die Weigerung einer Person, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl eine rechtmäßige Aufforderung gemäß § 5 Abs.2 StVO ergangen ist. Rechtmäßig ist eine solche Aufforderung u.a. unter der Voraussetzung, daß vermutet werden kann, daß sich die betreffende Person in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet und in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen oder diesbezügliche Versuche angestellt hat.

5.2. Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob der Zeuge tatsächlich Alkoholisierungssymptome beim Beschuldigten wahrgenommen hat. Dieser Umstand ist deshalb rechtlich relevant, weil sich daraus die Rechtmäßigkeit bzw. Unrechtmäßigkeit der Aufforderung zum Alkotest ableitet.

5.3. Aufgrund des vom O.ö. Verwaltungssenat durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere aufgrund der intensiven zeugenschaftlichen Befragung des Meldungslegers Bez.Insp. H anläßlich der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. Juni 1991 ist der O.ö. Verwaltungssenat zur Überzeugung gekommen, daß eine ausreichende Wahrnehmung von Alkoholisierungssymptomen durch das Straßenaufsichtsorgan beim Beschuldigten anläßlich der zu beurteilenden Amtshandlung nicht mit hinreichender Sicherheit erwiesen werden konnte und zwar aus folgenden Gründen:

5.4. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 84/03/0215 vom 30. Jänner 1985 u.v.a.) rechtfertigt das Vorhandensein eines Alkoholgeruches aus dem Mund die Vermutung einer Alkoholisierung. Ob der Meldungsleger gerade dieses Merkmal beim Beschuldigten wahrgenommen hat, konnte nicht zweifelsfrei erwiesen werden. Der Meldungsleger hat sich schon anläßlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 26. Februar 1991 durch die Erstbehörde und neuerlich bei seiner Einvernahme am 27. Juni 1991 durch den O.ö. Verwaltungssenat nicht konkret erinnern können, ob er beim Beschuldigten auch Alkoholgeruch aus dem Mund wahrgenommen hat. Der Zeuge hat zwar über Vorhalt sowohl bei seiner ersten als auch bei seiner zweiten zeugenschaftlichen Einvernahme, daß er in seiner Anzeige die Wahrnehmung eines Alkoholgeruches aus dem Munde des Beschuldigten vermerkt hat, angegeben, daß, wenn er dies getan hat, dies wohl stimmen wird. Der O.ö. Verwaltungssenat konnte jedoch aufgrund des Umstandes, daß der Meldungsleger hinsichtlich der ebenfalls dem Beschuldigten zur Last gelegten Übertretung nach § 7 Abs.1 StVO 1960 detaillierte Erinnerungen aufweist, nicht hinreichend überzeugt werden, daß der Zeuge das Alkoholsymptom Alkoholgeruch aus dem Munde tatsächlich wahrgenommen hat. Es ist weiters zu berücksichtigen, daß der Meldungsleger ein geschultes und ermächtigtes Organ zur Vornahme des Alkotestes ist und auch bei seiner Vernehmung durch den O.ö. Verwaltungssenat angegeben hat, daß der schon oft mit alkoholisierten Lenkern zu tun gehabt hat. Dieser Umstand läßt nämlich den Schluß zu, daß der Meldungsleger eindeutige Alkoholisierungssymptome wie z.B. schwankender Gang, lallende Sprache, gerötete Augenbindehäute udgl. wohl eindeutig vermerkt hätte, wenn er diese wahrgenommen hätte. Ein Alkoholisierungsmerkmal kann jedenfalls auch das Lenken eines Kraftfahrzeuges in "Schlangenlinie" darstellen. Der Meldungsleger hat zwar bei seiner Einvernahme durch den O.ö. Verwaltungssenat angegeben, beobachtet zu haben, wie der Beschuldigte einmal mehr links dann wieder mehr rechts gefahren ist. Diese Darstellung läßt keinen eindeutigen Hinweis auf ein Schlangenlinienfahren zu. Darüber hinaus liegt die Wahrnehmung rund 5 Monate zurück.

Das einzig unbestrittene Merkmal, nämlich die unsichere Verhaltensweise des Beschuldigten, wobei der Meldungsleger hier wiederum einschränkte, daß der Beschuldigte nicht geschwankt oder getorkelt ist, rechtfertigt nach Auffassung des O.ö. Verwaltungssenates nicht die Vermutung einer Alkoholisierung.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgelegen sind bzw. erwiesen werden konnten, welche die Vermutung einer Alkoholisierung des Beschuldigten rechtfertigen konnten, weshalb die Aufforderung zum Alkotest nicht zu Recht ergangen ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden:

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat Dr. Guschlbauer 6