Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550422/5/Kü/Rd/Se

Linz, 12.09.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über den Antrag der  G G für A GesmbH,  vertreten durch K Rechtsanwälte OG, W,  vom 8.9.2008 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren des L O betreffend die Lieferung "K- und S-A", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und dem Auftraggeber Land Oberösterreich  die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis  8. November 2008, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 8.9.2008 hat die G G für A GesmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf  Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von  2.400 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Lieferung eines Kanalspül- und Sauggerätes inkl. Aufbau auf ein beigestelltes Lkw-Fahrgestell in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich ausgeschrieben worden sei. Der niedrigste Preis, die Entfernung zur Betriebswerkstätte und die Verlängerung der geforderten Mindestgarantie wurden als Zuschlagskriterien in der Ausschreibung angegeben. Das Bestanbot sollte mittels Punktesystem ermittelt werden, wobei maximal 100 Punkte zu erreichen seien. Die Gewichtung der Zuschlagskriterien stelle sich nachstehend dar, und zwar der niedrigste Preis wäre mit 90%, die Entfernung zur Betriebswerkstätte mit 6% und die Verlängerung der geforderten Mindestgarantie mit 4% zu bewerten gewesen. Für das Kriterium "Entfernung zur Betriebswerkstätte" konnten 6 von 100 Punkte(n) erreicht werden. Diese 6 Punkten seien derart aufgeschlüsselt, dass für eine Entfernung bis zu 25 km 6 Punkte, zwischen 25 und 100 km 3 Punkte und bei mehr als 100 km keine Punkte vergeben würden. Bei einer Entfernung von über 200 km würde das Angebot ausgeschlossen.

 

Die Antragstellerin habe rechtzeitig ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt und die H GmbH, N, als offizielle Vertragswerkstätte angegeben, welche knapp mehr als 11 km von der Betriebswerkstätte in Ansfelden entfernt sei.

 

Eine Woche vor Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung habe ein Mitarbeiter des Amts der Oö. Landesregierung Kontakt mit der Antragstellerin aufgenommen und nachgefragt, ob es hinsichtlich der H GmbH als Vertragswerkstätte einen schriftlichen Vertrag gäbe. Die H GmbH & Co KG erbringe seit ca 10 Jahren für die Antragstellerin Servicearbeiten an von ihr gelieferten Geräten bzw Fahrzeugen (auch solchen, die dem ausgeschriebenen Gegenstand vergleichbar seien). Die H GmbH & Co KG sei daher seit 10 Jahren die Vertragswerkstätte der Antragstellerin. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Antragstellerin und der H GmbH basieren seit Beginn der Zusammenarbeit auf einem mündlichen Vertrag, ohne dass es bislang irgendwelche Probleme gegeben habe. Um die scheinbar beim Auftraggeber bestehenden Zweifel auszuräumen, habe die Antragstellerin zusammen mit W H die wichtigsten Vertragspunkte schriftlich niedergeschrieben und an den Auftraggeber übermittelt. In weiterer Folge habe die H GmbH & Co KG dem Auftraggeber bestätigt, dass sie für die Antragstellerin Garantiearbeiten durchführen werde.

 

Das Ergebnis der Bestbieterermittlung habe für die Antragstellerin einen Punktestand von 90,50 Punkten ergeben. Die Bestbieterin sei mit 94,238 Punkten bewertet worden. Auf Anfrage habe der Auftraggeber mitgeteilt, dass beim Kriterium "Entfernung zur Betriebswerkstätte" null von sechs möglichen Punkten erreicht worden seien, da die H GmbH nicht als offizielle Vertragswerkstätte angesehen werden könne. Eine Begründung, weshalb die H GmbH & Co KG nicht als Vertragswerkstätte angesehen werden könne, sei nicht erfolgt. Der Auftraggeber habe vielmehr vermeint, dass sämtliche firmeneigenen Werkstätten der Antragstellerin mehr als 100 km von der Betriebswerkstätte entfernt seien und sohin keine Punkte zugesprochen werden konnten.

 

Die vom Auftraggeber vorgenommene Bestbieterermittlung sei nicht ausschreibungskonform erfolgt. Denn richtigerweise sei die H GmbH & Co KG eine Vertragswerkstätte der Antragstellerin im Sinne der Ausschreibung. Wäre die Bestbieterermittlung ausschreibungskonform durchgeführt worden, wäre das Angebot der Antragstellerin mit 6 Punkten zu bewerten gewesen. Unter Berücksichtigung dieser 6 Punkte wäre die Antragstellerin mit 96,50 Punkten – deutlich – als Bestbieter hervorgegangen.

 

Durch die rechtswidrige Bestbieterermittlung erachte sich die Antragstellerin in ihrem Recht auf vergabekonforme Durchführung des Vergabeverfahrens, insbesondere auf eine ordnungsgemäße Angebotsbewertung und in ihrem Recht auf Zuschlagserteilung, verletzt. Darüber hinaus drohe der Antragstellerin sowohl der Verlust eines Referenzprojekts als auch der Verlust des Deckungsbeitrages.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf die Ausführungen im Hauptantrag. Es würden weiters keine besonderen öffentlichen Interessen an der Erlassung der einstweiligen Verfügung bestehen und würde weder eine Gefahr für Gesundheit oder Leben vorliegen noch bestehe eine besondere Dringlichkeit bei der Durchführung des Vergabeverfahrens. Es würden daher die Interessen der Antragstellerin gegenüber jenen des Auftraggebers bei weitem überwiegen.        

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat das Land Oberösterreich als Auftraggeber am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Am 10.9.2008 teilte der Auftraggeber mit, dass hinsichtlich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Stellungnahme abgegeben werde.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß  Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch das Land. Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Lieferauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt 

 

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