Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100032/4/Fra/Ka

Linz, 24.07.1991

VwSen - 100032/4/Fra/Ka Linz, am 24.Juli 1991 DVR.0690392 R F X, Sch; Übertretungen des Art. IX EGVG sowie des § 1 Abs.1. O.ö. Polizeistrafgesetzes - Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Einzelmitglied ORR. Dr. Johann Fragner über die Berufung des R F Xr, Sch, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J L und Dr. E W, Verteidiger in Strafsachen in St, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 21. Februar 1991, Sich02/33/1991, betreffend Übertretungen des Art. IX EGVG und des § 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetzes zu Recht:

I.1. Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1 (Art. IX Abs.1 Z.1 EGVG) und 3 (§ 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz) stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

I.2. Es entfällt hinsichtlich dieser Verfahren die Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.1.: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24 und 45 Abs.1 Z.1 VStG.

Zu I.2.: § 66 Abs.1 VStG.

II.1. Die Berufung wird hinsichtlich des Faktums 2 (Art. IX Abs.1 Z.2 EGVG) abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bezüglich des Schuldspruches bestätigt. Dieser wird wie folgt modifiziert und ergänzt: "Sie haben sich am 11. Jänner 1991 um 9.45 Uhr im Haus Th in Sch ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, während sich diese in rechtmäßiger Ausübung des Dienstes befanden, ungestüm benommen, indem Sie die Beamten beschimpften und wild vor deren Gesichtern herumfuchtelten." Die verhängte Geldstrafe wird auf 1.500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Tage herabgesetzt.

II.2. Der Kostenbeitrag für die Strafverfahren ermäßigt sich auf 150 S. Für das Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages.

Rechtsgrundlage:

Zu II.1.: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 25, 51 und 19 VStG.

Zu II.2.: §§ 64 und 65 VStG.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Zu I.1. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit Straferkenntnis vom 21. Februar 1991, Sich02/33/1991 dem Beschuldigten zur Last gelegt, am 11. Jänner 1991 1. um 7.35 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand die Ruhe und Ordnung dadurch gestört zu haben, daß er erhebenden Beamten mit äußerster Lautstärke mit den Worten "Arschlöcher, schleichts euch!" beschimpfte, 2. er sich um 9.45 Uhr gegenüber den einschreitenden Beamten ungestüm benommen hat, da er trotz mehrmaliger Aufforderungen, sein Benehmen einzustellen und sich ruhig zu verhalten, sein Verhalten fortsetzte, indem er die Beamten beschimpfte und wild vor deren Gesichtern herumfuchtelte und 3. hat er um 9.50 Uhr den öffentlichen Anstand verletzt, indem er laut schrie: "Der Krauskopf, dieses Arschloch ...!" Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1. Art. IX Abs.1 Z.1 EGVG 2. Art. IX Abs.1 Z.2 EGVG 3. § 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz Wegen dieser von der Erstbehörde angenommenen Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschuldigten folgende Strafen verhängt: Hinsichtlich des Faktums 1 gemäß Art. IX Abs.1 letzter Absatz EGVG 1950 eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen. Hinsichtlich des Faktums 2 gemäß Art. IX Abs.1 letzter Absatz EGVG eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen. Hinsichtlich des Faktums 3 gemäß § 10 Abs.1 lit.a O.ö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

Gleichzeitig wurde ihm als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von insgesamt 450 S, das sind 10 % der Strafen vorgeschrieben.

2. Der Berufungswerber fichtet das angeführte Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach an und beantragt seiner Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, wobei er im wesentlichen folgende Argumente vorbringt:

2.1. Die ihm zur Last gelegte Übertretung nach Art. IX Abs.1 Z.1 EGVG könne er schon deshalb nicht begangen haben, da - selbst wenn man vom festgestellten Sachverhalt ausgeht - diese Verwaltungsübertretung nur derjenige begehen kann, der die Ordnung an einem öffentlichen Ort stört. Das Haus T in Sch sei jedoch nicht ein öffentlicher Ort, sondern betreffe ausschließlich seinen privaten Bereich.

2.2. Das Tatbild des Art. IX Abs.1 Z.2 EGVG sei nur dann gegeben, wenn das ungestüme Benehmen ungeachtet vorausgegangener Abmahnung erfolgt ist. Weil ein "ungestümes Benehmen" erst nach erfolgloser Abmahnung zu einer Verwaltungsübertretung werde, sei die Bestrafung nach dem vorhin angeführten Artikel rechtlich nicht begründet erfolgt.

2.3. Die Bestrafung nach § 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz sei deshalb gesetzlich nicht gedeckt, da die ihm angelastete Äußerung, die er im übrigen gar nicht begangen habe, eine Ehrenkränkung darstelle oder gegebenenfalls vom Gericht als Vergehen nach § 115 StGB verfolgt werden könne.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Zum Faktum 1 (Art. IX Abs.1 Z.1 EGVG): Nach der ständigen Rechtsprechung ist das Tatbild der "Ordnungsstörung" durch zwei Elemente gekennzeichnet: Zum ersten muß der Täter ein Verhalten gesetzt haben, daß objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zum zweiten muß durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Hinsichtlich des zweiten Elementes hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß als öffentlicher Ort jeder Ort zu gelten hat, der jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis betreten werden kann (VwGH 30. März 1987, 86/10/0197 u.a.). Der Verwaltungsgerichtshof hat beispielsweise ausgesprochen, daß als öffentliche Orte zu gelten haben: Geschäftslokal, Polizeiwachstube, Stiegenhaus, Büro einer Tankstelle etc. Nach dem Akteninhalt hat der Beschuldigte die inkriminierten Äußerungen eindeutig im Haus T gemacht, sodaß mangels Vorliegen des Tatbildelementes "öffentlicher Ort" die ihm zu Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht vorliegt.

Es kann daher aus diesem Grunde auch der Widerspruch zwischen Anzeige vom 11. Jänner 1991 und der Zeugeneinvernahme der Meldungsleger vom 24. Jänner 1991 hinsichtlich der genauen Wortwahl einerseits und der Tatzeit andererseits dahingestellt bleiben. Da aus den genannten Gründen der Berufung ohnehin aus rechtlichen Gründen Folge zu geben war, mußte auf den aufgezeigten Widerspruch nicht näher eingegangen werden.

3.2. Zum Faktum 3 (§1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz): Der Berufungswerber ist mit seiner oben angeführten Argumentation im Recht. Nach Auffassung des O.ö. Verwaltungssenates liegt die gegenständliche dem Beschuldigten zur Last gelegte Übertretung aus folgenden Gründen nicht vor:

Der Straftatbestand des § 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz, wonach derjenige eine Verwaltungsübertretung begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt, ist nur dann anzuwenden, wenn die Handlung nicht sonst mit Verwaltungsstrafe oder mit einer gerichtlichen Strafe bedroht ist. Mit anderen Worten: Der Straftatbestand des § 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz ist nach der in ihm enthaltenen ausdrücklichen Anordnung gegenüber einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder mit einer gerichtlichen Strafe bedrohten Handlung subsidiär. Im gegenständlichen Fall ist durch den aus dem Akteninhalt ersichtlichen Sachverhalt indiziert, daß der Beschuldigte durch die ihm zur Last gelegte Tat eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Vergehen der Beleidigung durch Beschimpfung gemäß § 115 StGB begangen hat. Sollte jedoch die Voraussetzung "öffentlich oder vor mehreren Leuten" im Sinne des § 115 Abs.1 StGB nicht erfüllt gewesen sein, (der Akteninhalt deutet jedoch eher auf das Gegenteil hin) so wäre durch das Verhalten des Beschuldigten die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung gemäß § 1 lit.c des Gesetzes vom 22. Oktober 1975 über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl.Nr. 1975/76, verwirklicht worden.

Da somit aufgrund der vorhin erwähnten Erwägungen das Tatbild des § 1 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz nicht erfüllt ist, liegt die seitens der Erstbehörde angenommene Verwaltungsübertretung nicht vor.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu I.2.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Zu II.1.: (Tatbild des Art. IX Abs.1 Z.2 EGVG - "ungestümes Benehmen"):

1. Wie der Berufungswerber in seinem Rechtsmittel richtig ausführt, ist das gegenständliche Tatbild nur dann gegeben, wenn das ungestüme Benehmen ungeachtet vorausgegangener Abmahnung erfolgt ist. Nicht eindeutig ist seinem Rechtsmittel jedoch eindeutig zu entnehmen, ob er die vorausgegangene Abmahnung tatsächlich bestreitet. Mit Eingabe an den O.ö. Verwaltungssenat, welche am 28. Juni 1991 eingelangt ist, stellte der Berufungswerber jedoch klar, daß er die vorausgegangene Abmahnung nicht bestreitet, da er die erhobene Berufung auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung eingeschränkt hat. Abgesehen davon konnte der O.ö. Verwaltungssenat jedoch keine Anhaltspunkte dafür finden, daß der Beschuldigte nicht abgemahnt worden wäre. Sowohl Bezirksinspektor V als auch Revierinspektor St gaben in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme am 24. Jänner 1991 an, daß sie den Beschuldigten sehr wohl mehrmals aufgefordert haben, sich zu beruhigen und sein Verhalten einzustellen. Es sei zwar keine formelle Abmahnung im Namen des Gesetzes erfolgt, jedoch eine Aufforderung, das Verhalten einzustellen. Dazu ist festzustellen, daß die genannten Äußerungen - welche nun unstrittig sind - als Abmahnung im Sinne des Gesetzes zu verstehen sind. Es wird hiezu beispielsweise auf die Erkenntnisse des VwGH vom 5. November 1968, 680/68 sowie vom 25. Mai 1983, 81/10/0112) verwiesen. Darin hat der Gerichtshof ausgeführt, daß nicht jede Äußerung des einschreitenden Aufsichtsorganes als Abmahnung zu qualifizieren ist, sondern nur solche Äußerungen, die für den Täter im konkreten Fall als Abmahnung erkennbar sind. Keineswegs aber ist die für solcherart gebotene Erkennbarkeit Voraussetzung, daß die Abmahnung mit einem Hinweis auf die drohenden Folgen verbunden werden müsse, die dann eintreten, wenn die Abmahnung erfolglos bliebe. Die Aufforderung an den Beschuldigten, sich zu beruhigen und sein Verhalten einzustellen ist daher zweifellos als Abmahnung zu erkennen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Strafbemessung: Gemäß Art. IX Abs.1 letzter Absatz EGVG beträgt der Strafrahmen für die gegenständliche Verwaltungsübertretung 3.000 S. Über den Beschuldigten wurde eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen verhängt. Als erschwerend bei der Strafbemessung wurde gewertet, daß dies nicht der erste Vorfall ist, sondern daß vom Beschuldigten bereits mehrere Übertretungen gesetzt wurden, weshalb die ausgesprochene Strafe dem Beschuldigten die besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens vor Augen geführt werden solle und dieser angehalten werden solle, sich in Zukunft an die gesetzlichen Normen zu halten.

Dazu ist folgendes festzustellen:

Bei der Strafbemessung hat die Behörde die Aufgabe, unter Bedachtnahme auf die Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse im Rahmen des gesetzlichen Strafrahmens die dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessene Strafe festzusetzen. Die Erstbehörde hat mehrere Übertretungen als erschwerend angenommen. Aus dem im Akt befindlichen Vorstrafenauszug ist jedoch ersichtlich, daß der Beschuldigte lediglich eine einschlägige Vormerkung (Art. IX Abs.1 EGVG) aufweist. Dieser Umstand führte zu einer entsprechenden Strafreduzierung. Mildernde Umstände konnten nicht gefunden werden. Die nunmehr verhängte Strafe ist dem Unrechtsgehalt der Übertretung angepaßt und auch aus präventiven Gründen geboten. Weiters entspricht sie durchaus den berücksichtigten Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnissen des Beschuldigten (Einkommen: ca.10.000 S mtl., Sorgepflichten für 1 Kind, kein Vermögen).

2. Gemäß § 51e Abs.1 VStG ist eine mündliche Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dasselbe gilt gemäß § 51e Abs.2 wenn in der Berufung ausdrücklich über eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird.

Da aus der Aktenlage bereits ersichtlich war, daß die Fakten 1 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses zu beheben waren und zum hier in Rede stehenden Faktum nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde, konnte von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Die Spruchergänzung mußte deshalb vorgenommen werden, damit die Tatumschreibung den Kriterien des § 44a lit.a VStG entspricht. Sie war zulässig, da innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine taugliche Verfolgungshandlung (Zeugeneinvernahme vom 24. Jänner 1990) gesetzt wurde.

zu II.2.:

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r 6