Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400963/2/SR/Ba

Linz, 03.09.2008

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des S O, geb. am , türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Mag. R M, Rechtsanwalt in W, S, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides  (Spruchpunkt I) und Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Linz-Land zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben als der Schubhaftbescheid und die bisherige Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden. Weiters wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine maßgeblichen Gründe für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen. 

 

Der weitergehende Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger, geboren am , reiste am 25. April 2005 über einen unbekannten Grenzübergang, versteckt in einem Lkw, illegal in das Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag beim Bundesasylamt, EAST-WEST einen Asylantrag.

 

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Mai 2005 wurde der Asylantrag des Bf gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 AsylG 1997 festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist. Gleichzeitig wurde die Ausweisung verfügt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 6. August 2008, GZ C1 260866-0/2008/7E, abgewiesen.

 

1.3. Der Asylgerichtshof hat mit E-Mail vom 19. August 2008 der belangten Behörde den Verfahrensstand mitgeteilt und auf die durchsetzbare Ausweisungsentscheidung hingewiesen.

 

1.4. Ohne erkennbare weitere Ermittlungen hat die belangte Behörde am 25. August 2008 einen Festnahmeauftrag erlassen und am 26. August 2008 die PI H per Fax um entsprechende Umsetzung ersucht. Im Festnahmeauftrag wurde auf den im ZMR angeführten (aufrechten) Hauptwohnsitz hingewiesen und dieser als "letzter bekannter Aufenthalt" bezeichnet. 

 

Im "Haftbericht" der PI H vom 28. August 2008 wurde vermerkt, dass der Bf am 28. August 2008 um 08.02 Uhr in H, S, festgenommen worden ist.

 

1.5. Unmittelbar nach der Vorführung hat die belangte Behörde den Bf unter Beiziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache niederschriftlich befragt. Dabei wurde dem Bf vorgehalten, dass sein Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei und er sich trotz dieser Entscheidung weiterhin – unrechtmäßig – in Österreich aufhalte und "offenbar" nicht gewillt sei, Österreich freiwillig zu verlassen.

Anschließend brachte die belangte Behörde dem Bf die Umstände der Schubhaftverhängung wie folgt zur Kenntnis:

"Aufgrund dieses Sachverhaltes ist die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung unumgänglich, von der Anwendung des gelinderen Mittels muss Abstand genommen werden."

 

In der abschließenden Stellungnahme gab der Bf an, dass er "alles verstanden habe, der Inhalt dieser Niederschrift seinen Angaben" entspreche und er zur Sache nicht mehr sagen möchte.

 

Ob dem Bf die Niederschrift vorgelesen wurde, dieser auf die Verlesung verzichtet hat und ob von ihm eine Kopie der Vollschrift verlangt wurde, lässt sich der Niederschrift nicht entnehmen.

 

Der Bf verweigerte die Unterfertigung der Niederschrift. Gründe für die Verweigerung wurden nicht angeführt.

 

1.6. Mit E-Mail vom 1. September 2008 teilte die Leiterin der Geschäftsstelle Linz des Vereins für Menschenrechte Österreich der belangten Behörde mit, dass mit dem Bf am 29. August 2008 ein Betreuungsgespräch geführt und diesem in seiner Muttersprache der Grund für die Verhängung der Schubhaft erklärt worden sei. Im Anschluss an das Gespräch habe sich der Bf zur freiwilligen Rückkehr in die Türkei bereit erklärt und die erforderlichen Erhebungsformulare unterschrieben. Nach der Rückkehr in das Vereinsbüro hätte ein Cousin des Bf der Leiterin telefonisch bekannt gegeben, dass der Bf doch nicht freiwillig zurückkehren und die Familie den Rechtsanwalt Dr. B aufsuchen werde.  

 

2.1. Mit Spruchpunkt I des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 28. August 2008, GZ. Sich40-37961 wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 iVm § 57 AVG angeordnet.

 

Der Schubhaftbescheid wurde dem Bf vermutlich im Anschluss an die niederschriftliche Befragung ausgefolgt. Wann die Übernahme erfolgte, lässt sich dem Vorlageakt nicht entnehmen. Am im Akt einliegenden Entwurf befindet sich ein undatierter handschriftlicher Vermerk, dem nicht entnommen werden kann, ob die Übernahme des Bescheides oder nur die Bestätigung der Übernahme verweigert worden ist.  

 

In der Begründung hat die genannte Behörde die §§ 1, 76 Abs. 1 und Abs. 2 FPG wiedergegeben und folgenden Sachverhalt für die Anordnung der Schubhaft für "maßgebend" erachtet:

 

"Sie wurden am Tag der Bescheiderlassung aufgrund eines Festnahmeauftrages der BH Linz-Land vom 26. August 2008 vorgeführt. Gegen Sie besteht seit 11.08.2008 eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung des Asylgerichtshofes. Ihr Asylverfahren ist somit rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Trotz dieser Entscheidung halten Sie sich noch immer unrechtmäßig in Österreich auf und sind offenbar nicht gewillt, dieses freiwillig zu verlassen.

Aufgrund dieses Sachverhaltes ist die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung unumgänglich, von der Anwendung des gelinderen Mittels muss Abstand genommen werden.

Es war spruchgemäß zu entscheiden."   

 

2.2. Mit Schriftsatz vom 28. August 2008 (übermittelt per Fax, Faxkennung: 28/08/2008 16:37), laut Eingangsstempel der belangten Behörde eingelangt am 29. August 2008, erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde "wegen Schubhaft" und stellte einerseits den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und andererseits den Antrag auf Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes für mindestens drei Monate.  Abschließende wurde der Antrag gestellt, der "zuständige UVS" möge den Bf "gegen gelindere Mittel enthaften".   

 

Begründend führte der Rechtsvertreter des Bf aus, dass er mit der Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde beauftragt worden sei und es an der belangten Behörde gelegen wäre, abzuwarten, ob der Verfassungsgerichtshof dieser die aufschiebende Wirkung gewähre.

 

Zur Person des Bf brachte der Rechtsvertreter vor, dass dieser seit nunmehr fünfeinhalb Jahre in Österreich aufhältig sei, sich nichts zuschulden kommen habe lassen, stets ordentlich gemeldet gewesen sei und von seinen Familienangehörigen aufgefangen und versorgt worden wäre. Die Verhängung der Schubhaft sei daher jedenfalls überschießend. Da der Bf jederzeit für die Polizeibehörde greifbar gewesen sei, stets allen Ladungen nachgekommen wäre und sich nie versteckt gehalten habe, wäre die Anwendung des gelinderen Mittels angebracht gewesen. Schon aus diesem Grund würde ein "Antrag auf Enthaftung gegen gelindere Mittel" gestellt.

 

In der Folge bringt der Rechtsvertreter vor, dass sämtliche dem Bf nahestehenden Familienangehörigen in Österreich aufhältig seien, daher ein Familienleben im Sinne der MRK bestehe und dieser Umstand auch in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof in Verbindung mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung ausgeführt werde.

 

Die Beantragung eines Durchsetzungsaufschubes für zumindest drei Monate,  jedenfalls aber bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die aufschiebende Wirkung, wurde damit begründet, dass der Bf Zeit für die Regelung sämtlicher persönlicher Belange benötige.     

 

3.1. Mit Schreiben vom 1. September 2008 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt samt der Beschwerdeschrift übermittelt und eine Gegenschrift erstattet. Der Akt langte am 2. September 2008 beim Oö. Verwaltungssenat ein.

 

Nach einer kurzen Sachverhaltsdarstellung gab die belangte Behörde das wesentliche Vorbringen des Bf wieder. Sie nahm hauptsächlich zur Beschwerde an den Verfassungsgerichthof und einer allfällig möglichen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Stellung.

 

Vorerst allgemein gehalten führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Bei der Beurteilung der Schubhaft ist es notwendig, im notwendigen Ausmaß individualisierte Beurteilungsmerkmale einfließen zu lassen um den Sicherungszweck einer Schubhaft darzulegen. Dieser Sicherungszweck manifestiert sich einerseits in einer evidenten Ausreiseunwilligkeit und anderseits, folgt man der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, in einem zusätzlichen Moment, wie etwa mangelnde berufliche oder soziale Verankerung in Österreich.

Im konkreten Einzelfall begründet sich der Sicherungsbedarf neben der Ausreiseunwilligkeit an der beruflichen Situation. Der Beschwerdeführer geht keiner unselbständigen Beschäftigung nach (vgl. VwGH 26.09.2006, Zl. 2004/21/0039) und ist daher als mittellos anzusehen (vgl. VwGH 31.08.2006, Zl 2004/21/0133). Dieser Umstand wird in der Beschwerde selbst auch noch unterstrichen, indem angeführt wird, dass Herr O von seinen Verwandten (von denen sich selbst einige im Asylverfahren befinden) versorgt werden muss."

 

Nach der "Abwägung der Notwendigkeit des Sicherungsbedarfes" auf der einen Seite und "den verneinenden Gründen" andererseits kam die belangte Behörde zu dem Schluss, dass ein Sicherungsbedarf vorliege um die Abschiebung in das Heimatland durchzuführen.

 

Abschließend wurde der Antrag auf Kostenersatz gestellt.

 

3.2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Dem Vorlageakt (im Besonderen dem AIS und dem ZMR-Auszug) ist zu entnehmen, dass der Bf während des Aufenthaltes in Österreich durchgehend aufrecht gemeldet war und sich weder dem Asylverfahren noch einem fremdenrechtlichen Verfahren entzogen hat.

 

Den Beschwerdeausführungen des Bf, dass sich alle ihm nahestehenden Verwandten in Österreich aufhalten, ist die belangte Behörde nicht entgegen getreten. 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit dem 28. August 2008 für die belangte Behörde im PAZ Linz in Schubhaft angehalten. 

 

Die Beschwerde ist zulässig.   

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einer bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizeiinspektion zu melden.

 

4.3.1. Grundsätzlich hätte sich die belangte Behörde bei Vorliegen sämtlicher formeller Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme die Schubhaft auf § 76 Abs. 1 FPG stützen können. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239, ausgeführt, dass sämtliche Schubhafttatbestände final determiniert sind und diese nur aus den in § 76 Abs. 1 und 2 FPG genannten Gründen verhängt werden darf (vgl. auch VwGH vom 20. Dezember 2007, 2006/21/359 und vom 24.Oktober 2007, 2006/21/0067).

 

Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden  in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. In der Folge kommt der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (siehe auch Erkenntnisse des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, mwN und vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0261). Daraus folgt, dass eine alternative Heranziehung gelinderer Mittel nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Sicherungsbedürfnis anders nicht erreichbar ist (vgl. VwGH vom 24. Oktober 2007, 2007/21/0370). 

 

Bereits im Erkenntnis vom 29. Februar 2008, VwSen-400936/4/GF/Mu/Se, hat der Oö. Verwaltungssenat auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes Bezug genommen und wie folgt ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat z.B. in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007,        Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Rechtsprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verurteilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vg. VfSlg 13715/1994 und VwGH vom 22. November 2007, Zl. 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreisewilligkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattgegeben." 

 

Zur fehlenden Ausreisewilligkeit eines Fremden führt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung aus, dass diese für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung rechtfertigt. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen (vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107).

 

Ebenso darf die Schubhaft nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zu einer erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (siehe VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden. 

 

Darüber hinaus ist eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig. Beispielsweise darf aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon "unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze" (siehe VwGH vom 24. 10.2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird.

 

4.3.2.  Generell und somit auch im vorliegenden Fall wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, einzelfallbezogen das Vorliegen der Voraussetzungen für die aufenthaltsbeendende Maßnahme und den aktuellen Sicherungsbedarf zu prüfen und konkret zu begründen, weshalb keine gelinderen Mittel in gleicher Weise zur Zielerreichung zum Tragen kommen können.

 

Ein Blick in die Niederschrift vom 28. August 2008 und die Begründung des Schubhaftbescheides zeigt, dass die Schubhaft ausschließlich deswegen verhängt wurde, weil eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung des Asylgerichtshofes vorgelegen ist. Entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift hat die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise "individualisierte Beurteilungsmerkmale" einfließen lassen. Wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zu einer "evidenten Ausreiseunwilligkeit" gelangt, ist nicht nachvollziehbar. Erkennbar hat die belangte Behörde lediglich aus dem Umstand, dass der Bf nach Abschluss des Asylverfahrens nicht unverzüglich das Bundesgebiet verlassen hat, auf dessen Ausreiseunwilligkeit geschlossen (argum.: .... offenbar  nicht gewillt ....) und ausschließlich diese zur Begründung der Schubhaft herangezogen.

 

Die vorgenommene Maßnahme zur Sicherung der Abschiebung setzt jedenfalls einen konkreten Sicherungsbedarf voraus und darf nur im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme zum Einsatz gebracht werden.

 

Aus dem Vorlageakt kann ein konkreter Sicherungsbedarf nicht abgeleitet werden. Ein solcher wurde von der belangten Behörde auch nicht ansatzweise dargelegt. Folgt man den – unwidersprochen gebliebenen Beschwerdeausführungen (familiäres Umfeld, langjähriger und ständiger Wohnsitz in Österreich, bisheriges Verhalten)  – lässt sich gerade Gegenteiliges erkennen.   

 

4.3.3. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 1 FPG hat die Fremdenbehörde auf    § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Aus der Begründung des Bescheides und der Aktenlage erscheint es für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, wieso die belangte Behörde nicht zumindest mit der Anwendung eines gelinderen Mittels iSd § 77 Abs 3 FPG das Auslangen gefunden hat.

 

Unter den gegebenen Umständen, die der belangten Behörde bekannt sein mussten und die in der Beschwerdeschrift dargestellt wurden, hätte sich die belangte Behörde allenfalls mit der Anordnung gelinderer Mittel begnügen müssen. Da die Verhängung der Schubhaft jedenfalls als nicht zwingend erforderlich angesehen werden konnte, war auch die "Ermessensentscheidung" der belangten Behörde, von gelinderen Mitteln abzusehen, unvertretbar.

 

4.4. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde Folge zu geben und sowohl der Spruchpunkt I des Schubhaftbescheides als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären. Gleichzeitig war aufgrund des Vorlageaktes und des unwidersprochen gebliebenen Beschwerdevorbringens festzustellen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine maßgeblichen Gründe für die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft vorliegen.   

 

4.5.1. Auf die weitergehenden Anträge war nicht mehr einzugehen. Im Hinblick darauf ist anzumerken, dass der Unabhängige Verwaltungssenat lediglich die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme und der Anhaltung feststellen kann. "Eine Enthaftung gegen gelindere Mittel" ist ihm ex lege verwehrt. Stellt der Unabhängige Verwaltungssenat fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen, so ist die Schubhaft formlos aufzuheben (siehe § 81 FPG). Ist eine Schubhaft gemäß § 81 Abs. 1 FPG formlos aufgehoben worden, dann gilt der ihr zugrundeliegende Bescheid als widerrufen.

 

4.5.2. Der im "Beschwerdeschriftsatz" angeführte "Antrag auf Durchsetzungsaufschub für zumindest drei Monate" lässt nicht erkennen, von welcher Behörde eine Entscheidung begehrt wird und welche Rechtswirkungen aufgeschoben werden sollen. Falls der Bf eine Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates herbeiführen wollte, wird auf die Ausführungen unter Punkt 4.5.1. hingewiesen. 

  

5. Mangels eines entsprechenden Antrages waren keine Kosten zuzusprechen. 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

 

 

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