Linz, 09.09.2008
E r k e n n t n i s
(Bescheid)
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn J M, geb. , S, T, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. W D, S, L gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 27.6.2008, VerkR96-3865-2007, wegen Einspruch gegen Strafverfügung – Zurückweisung als verspätet, nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 4.9.2008 einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und
der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlage: § 49 Abs.1 VStG
Entscheidungsgründe:
Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid den Einspruch des nunmehrigen Berufungswerbers (Bw) gegen die Strafverfügung vom 11.9.2007, VerkR96-3865-2007, gemäß § 49 Abs.1 VStG als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 15.7.2008 erhoben und argumentiert, die am 17.9.2007 durchgeführte "Niederlegung" der Strafverfügung sei nicht rechtswirksam erfolgt.
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:
Die belangte Behörde hat mit Strafverfügung vom 11.9.2007, VerkR96-3865-2007, über den Bw wegen insgesamt sieben Verwaltungsübertretungen nach § 134 Abs.1 KFG iVm näher bezeichneter Artikel der EG-VO 561/2006 und der EG-VO 3821/85 Geldstrafen von insgesamt 1.485 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 612 Stunden, verhängt.
Diese Strafverfügung wurde dem Bw am Montag, dem 17.9.2007 – im Wege der "Niederlegung" – zugestellt; siehe Rückschein, sowie Vermerk des zuständigen deutschen Postamtes auf dem Briefkuvert.
Entscheidungswesentlich ist, ob diese am 17.9.2007 durchgeführte "Niederlegung" rechtswirksam erfolgt ist.
Bei der Adresse des Bw in T., S.straße Nr.. handelt es sich um seine Wohnadresse – Gegenteiliges behauptet der Bw selbst nicht – und somit um die Zustelladresse!
Am 4.9.2008 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Rechtsvertreter des Bw teilgenommen und folgende Stellungnahme abgegeben hat:
"Ich verweise auf meine bisherigen schriftlichen Eingaben.
Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit war ich im Zeitpunkt der Niederlegung und während der Einspruchsfrist nicht an der Abgabestelle anwesend.
Beweismittel dafür kann ich heute nicht vorlegen."
Der Bw hat somit für seine angebliche Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der "Niederlegung" kein einziges Beweismittel vorgelegt.
Mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit – ohne nähere Angaben und Anbot von Beweismitteln – kann das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Niederlegung – nicht dargelegt werden;
siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I, 2. Auflage,
E72 zu § 17 ZustG (Seite 1997) zitierten zahlreichen Entscheidungen des VwGH;
Kommentar zum Zustellgesetz, Verlag Pro Libris (Stand 1.7.2008),
Seite 77, FN 27 mit zahlreichen Judikaturhinweisen;
VwGH vom 24.3.2004, 2004/04/0033.
Der Bw hat an die belangte Behörde folgendes Schreiben vom 6.12.2007 gerichtet:
"Sehr geehrte Damen und Herren!
Wie bereits telefonisch besprochen, war es mir zeitlich nicht möglich (wegen Arbeit Lkw-Fahrer) den eingeschriebenen Brief abzuholen.
Auch meiner Lebenspartnerin war es samt einer Vollmacht von mir nicht möglich, den Brief zu bekommen, weil er nach Aussage der Post nur eigenhändig und unter Vorlage des Ausweises ausgehändigt werden darf.
Deshalb bitte ich Sie, mir den Brief noch einmal zuzusenden.
Auch bitte ich Sie, die Einspruchsfrist zu verlängern.
Hochachtungsvoll (Unterschrift)".
Durch dieses Schreiben steht eindeutig fest, dass der Bw von der "Niederlegung" erfahren hat und somit diese rechtswirksam erfolgt ist.
Eine berufliche oder sonstige Abwesenheit bloß während des Tages ist keine "vorübergehende" Abwesenheit von der Abgabestelle.
Eine solche Abwesenheit liegt nur dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen,
wie z. B. im Fall einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenstandes.
Walter-Thienel, a.a.O., E100 zu § 17 ZustG (Seite 2001) mit Judikaturhinweisen
VwGH vom 16.2.1994, 93/03/0128 mit Vorjudikatur.
Aus der im Akt enthaltenen "Zustellurkunde" ist zu entnehmen, dass der Postbedienstete zunächst versucht hat, das Schriftstück an der näher bezeichneten Wohnadresse des Bw zuzustellen und dass er unter der Anschrift des Empfängers die schriftliche Benachrichtigung über die vorzunehmende "Niederlegung" in den Hausbriefkasten eingelegt hat.
Der erforderliche Zustellversuch wurde somit vorgenommen.
Der Bw hat am Ort der Zustellung eine "Wohnung", die er tatsächlich bewohnt –was der Bw auch gar nicht bestreitet.
Wie der VwGH bereits unter Verweis auf deutsche Judikatur ausgesprochen hat, hindert eine vorübergehende Abwesenheit die Wirkung der Zustellung nicht.
Auch bei der hier in Rede stehenden berufsbedingten Abwesenheit des Bw als LKW-Fahrer handelt es sich um keine derartige vorübergehende Abwesenheit von seiner Wohnung.
siehe dazu ausführlich: VwGH vom 29.1.2003, 2000/03/0320
Die Wohnung – und damit die Zustelladresse – des Bw befindet sich in der BRD, Bundesland Bayern. Das oa. Erkenntnis des VwGH vom 29.1.2003 betrifft ebenfalls einen in der BRD, Bundesland Bayern wohnhaften Adressaten!
Die von der deutschen Post am Donnerstag, dem 17.9.2007 vorgenommene "Niederlegung" ist somit rechtmäßig und hat die Wirksamkeit der Zustellung.
Die belangte Behörde hat dem Rechtsvertreter des Bw diese Strafverfügung am Donnerstag, dem 15.5.2008 neuerlich zugestellt.
Wird das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt, so ist die erste – somit die am 17.9.2007 rechtswirksam erfolgte – Zustellung maßgebend.
Gemäß § 49 Abs.1 VStG sowie der ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung in der Strafverfügung ist ein Einspruch innerhalb von 14 Tagen einzubringen.
Im vorliegenden Fall hätte daher der Einspruch spätestens am Donnerstag, dem 1.10.2007 eingebracht – z. B. zur Post gegeben – werden müssen.
Der Einspruch des Bw vom 28.5.2008 wurde somit – um beinahe acht Monate – verspätet erhoben.
Die belangte Behörde hat daher völlig zu Recht den Einspruch des Bw gegen die Strafverfügung vom 11.9.2007 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Beilagen: Akt, Erkenntnis
Mag. Josef Kofler