Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163435/6/Br/RSt

Linz, 04.09.2008

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Hermann Bleier, Mag. Dr.                                                                                   3B09, Tel. Kl. 15695

 

 

 
E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn O K, geb.   , W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G M, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 24. Juli 2008, Zl. VerkR96-2123-2008-BS, nach der am 3. September 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.   Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.

Zu II. § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber, wegen zweimaliger Übertretung des § 103 Abs.1 Z1 iVm § 101 Abs.1 lit.e iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 und § 9 Abs.2 VStG je eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro und im Nichteinbringungsfall je 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, wobei nachfolgende Tatvorwürfe erhoben  wurden:

"1) Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG 1991 zur Vertretung nach außen befugtes Organ der Firma H L GmbH, S, diese ist Zulassungsbesitzerin des angeführten KFZ nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand bzw. die Ladung^ des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von I A gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug der Reifen in der Mitte der Lauffläche (3/4 der Laufflächenbreite) nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 1,6 mm aufwies. Position des Reifens: hintere Achse links.

 

Tatort:             Gemeinde Herzogsdorf, Landesstraße Freiland, Rohrbacher Straße B127 bei

         Strkm. 22,400 von Linz kommend in Fahrtrichtung Rohrbach

 Tatzeit:           08.04.2008, 09:15 Uhr.

 

2)   Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG 1991 zur Vertretung nach außen befugtes Organ der Firma H L GmbH, S, diese ist Zulassungsbesitzerin des angeführten KFZ nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand bzw. die Ladung des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von I A gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug der Reifen in der Mitte der Lauffläche (3/4 der Laufflächenbreite) nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 1,6 mm aufwies. Position des Reifens: hintere Achse rechts.

 

Tatort:             Gemeinde Herzogsdorf,  Landesstraße  Freiland,  Rohrbacher Straße B127                   bei Strkm. 22,400 von Linz kommend in Fahrtrichtung Rohrbach.

Tatzeit:            08.04.2008, 09:15 Uhr.

 

Dadurch habe er gegen  § 103 Abs. 1 Z. 1 iVm § 7 Abs. 1 KFG 1967 iVm § 4 Abs. 4 KDV iVm § 9 VStG 1991 verstoßen."

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz traf nachfolgende Erwägungen:

"Die im Spruch angeführten Übertretungen wurden am 08.04.2008 auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung von Polizeibeamten der Polizeiinspektion Ottensheim festgestellt und zur Anzeige gebracht. Gegen die an Sie als gemäß § 9 VStG 1991 zur Vertretung nach außen befugtes Organ gerichtete Strafverfügung vom 28.04.2008 haben Sie mit Eingabe vom 30.04.2008 durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung Einspruch erhoben.

Sie führen an, dass das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt vermietet gewesen wäre und gemäß dieser Vereinbarung der Mieter zur Pflege des überlassenen Fahrzeuges verpflichtet sei und dieses im ordnungsgemäßen fahrbereiten Zustand erhalten müsse. In Ihrem Unternehmen wäre ein entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet und die Wahrnehmung dieser Kontroll­aufgaben erfolge durch Ihre Mitarbeiter in der Position L. Diese würden in regelmäßigen Abständen zwischen ein und zwei Monaten die in ihrem Verantwortungsbereich zugeteilten Unternehmer-Fahrzeuge auf ihre Verkehrs- und Betriebssicherheit kontrollieren. Das gegen­ständliche Fahrzeug wäre am 22.09.2008 kontrolliert worden und wären dabei keine wesentlichen Mängel festgestellt worden. Der Lenker wäre jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich die Reifen "gerade noch im gesetzlichen Bereich befinden". Entsprechend unserer Aufforderung wurde der Mietvertrag für das gegenständliche Fahrzeug vorgelegt. Im Sinn des § 103a Abs. 1 Z. 2 KFG 1967 wurden die im Spruch angeführten Übertretungen weiterhin Ihnen als Vertretung nach außen befugtes Organ zur Last gelegt. In Ihrer Stellungnahme vom 11.06.2008 bringen Sie im Wesentlichen die bereits im Einspruch angeführten Rechtfertigungsangaben vor. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H L GmbH würde Sie an den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen des Mieters kein Verschulden treffen.

 

Die Behörde hat dazu Folgendes erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung - unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen - den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 KFG 1967 müssen Kraftfahrzeuge und die mit ihnen gezogenen Anhänger außer Anhängeschlitten mit Reifen oder Gleisketten versehen sein, die nach ihrer Bauart, ihren Abmessungen und ihrem Zustand auch bei den höchsten für das Fahrzeug zulässigen Achslasten und bei der Bauartgeschwindigkeit des Fahrzeuges verkehrs- und betriebssicher sind, und durch die die Fahrbahn bei üblicher Benützung nicht in einem unzulässigen Ausmaß abgenützt werden kann; Räder von Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h und Räder von Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, müssen mit ausreichenden Radabdeckungen wie Kotflügeln und dergleichen versehen sein.

 

 

§ 4 Abs. 4 KDV lautet:

Die Tiefe der für die Ableitung des Wassers von der Lauffläche des Reifens erforderlichen Vertiefungen des Laufstreifens (Profiltiefe) muss im mittleren Bereich der Lauffläche, der etwa drei Viertel der Laufflächenbreite einnimmt,

1.      bei Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h, ausgenommen Motorfahrräder, und bei Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, am gesamten Umfang mindestens 1,6 mm,

2.      bei Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h und Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, jeweils mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 kg mindestens 2 mm,

3.      bei Motorfahrrädern mindestens 1 mm,

4.      bei Reifen, die für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmt sind, sofern sie gemäß einer straßenpolizeilichen Anordnung verwendet werden, mindestens 5 mm bei Reifen in Diagonalbauart oder mindestens 4 mm bei Reifen in Radialbauart und

5.      bei Reifen, die für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmt sind, bei Kraftfahrzeugen und Anhängern mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 kg, sofern sie gemäß einer straßenpolizeilichen Anordnung oder gemäß § 102 Abs. 8a KFG 1967 verwendet werden, mindestens 6 mm bei Reifen in Diagonalbauart oder mindestens 5 mm bei Reifen in Radialbauart betragen.

Reifen von Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen müssen mit Indikatoren versehen sein. Diese müssen an mindestens vier gleichmäßig über den Umfang des Reifens verteilten Stellen so angeordnet sein, dass sie dauerhaft und deutlich erkennbar machen, ob die Mindesttiefe der Hauptprofilrillen von 1,6 mm erreicht oder unterschritten ist. Die Reifen dürfen keine mit freiem Auge sichtbaren bis zum Unterbau des Reifens reichenden Risse oder Ablösungen der Lauffläche oder der Seitenwände aufweisen.

 

Übertretungen dieser Bestimmungen sind gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 jeweils mit Geldstrafen bis zu 5.000 Euro zu ahnden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Sie sind handelsrechtlicher Geschäftsführer der H L GmbH und haben Sie aus dieser Funktion im Sinn des § 9 Abs. 1 VStG 1991 die angeführte Übertretung verwaltungs­strafrechtlich zu verantworten.

 

Dass die angebrachten Reifen nicht den Vorschriften des KFG 1967 entsprachen und nicht mehr die erforderliche Mindestprofiltiefe aufwiesen, steht unbestritten fest. Sie bestreiten Ihr Verschulden dahingehend, da das Fahrzeug zum einen vermietet gewesen wäre und zum anderen ein Kontrollsystem in Ihrem Unternehmen eingerichtet sei.

 

Zur Verschuldensfrage hinsichtlich dem vermieteten Fahrzeug wird festgestellt, dass gemäß § 103a Abs. 1 Z. 2 der Mieter die im § 57a Abs. 1 und im § 103 Abs. 1 Z. 1 hinsichtlich des Zustandes des Fahrzeuges angeführten Pflichten neben dem Zulassungsbesitzer zu erfüllen hat. Die Erfüllung durch einen Verpflichteten befreit den anderen. Somit besteht bei Nichteinhaltung eine Strafbarkeit auch hinsichtlich des Zulassungsbesitzers.

 

Das Kontrollsystem wird so beschrieben, dass bestimmte Mitarbeiter in Abständen von einem bis zwei Monate die Unternehmer-Fahrzeuge kontrollieren würden. Der gegenständliche LKW wäre am 22.09.2007 kontrolliert worden, wobei der Fahrer hingewiesen worden wäre, dass sich die Reifen "gerade noch im gesetzlichen Bereich" befunden haben. Diese Kontrolle liegt im Hinblick auf den Kontrollzeitpunkt durch die Exekutive etwa ein halbes Jahr zurück. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Kontrolle des Fahrzeuges hinsichtlich dessen Verkehrs- und Betriebssicherheit abgefahrene Reifen festgestellt werden, weshalb zweifelhaft ist, ob das Fahrzeug seit der Kontrolle vor etwa einem halben Jahr nochmals kontrolliert wurde.

 

Zur Erfüllung der Ihnen obliegenden Verpflichtungen haben Sie durch Einrichten eines wirksamen Kontrollsystems für die Einhaltung der entsprechenden Vorschrift auch außerhalb des Betriebs­geländes zu sorgen. "Stichprobenartige Kontrollen können den Beschuldigten von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung nicht befreien." VwGH 26.01.1996, 95/02/0603 "Er muss beweisen, dass er die Einhaltung dieser Dienstanweisungen gehörig überwacht hat und dass er dessen ungeachtet die Übertretung nicht habe verhindern können." VwGH 18.12.1979, 2495/79.

 

Sie geben an, dass bei der Kontrolle am 22.09.2007 bereits festgestellt wurde, dass sich die Reifen "gerade noch im gesetzlichen Bereich" befanden. Augenscheinlich wurde von Ihnen keine weitere Kontrolle durchgeführt bzw. veranlasst, um zu prüfen, inwieweit die Reifen nunmehr abgefahren sind bzw. ob die Anbringung neuer Reifen erforderlich ist und dies auch tatsächlich erfolgt.

 

Unter Zugrundelegung des dargestellten Sachverhalts kam die Behörde zu der Ansicht, dass Sie die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen und als solche zu verantworten haben.

 

Da diese Übertretung unter Strafsanktion gestellt ist, war mit Bestrafung vorzugehen.

 

Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 VStG 1991 unter Berücksichtigung Ihrer von der Behörde geschätzten und von Ihnen unwidersprochenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sowie das Ausmaß Ihres Verschuldens mussten der Strafbemessung zu Grunde gelegt werden. Es scheint eine verkehrsrechtliche Verwaltungsvorstrafe auf, diese bildet zwar keinen Straf­erschwerungsgrund, allerdings kommt Ihnen auch der Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit nicht mehr zu Gute.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist im § 64 VStG 1991 gesetzlich begründet."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung folgenden Inhaltes:

"In umseits bezeichneter Rechtssache erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 24.07.2008, VerkR96-2123-2008-BS, zugestellt am 29.07.2008, somit innerhalb offener Frist, nachstehende

 

BERUFUNG

 

und führe dazu aus wie folgt.

 

In dem bekämpften Straferkenntnis wirft mir die belangte Behörde vor, dass ich als handelsrechtlicher Geschäftsführer nicht dafür Sorge getragen hätte, dass der Zustand des gegenständlichen Kraftfahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprechen würde, da die Reifen des gegenständlichen Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt und Tatort sowohl an der hinteren Achse links als auch an der hinteren Achse rechts nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 1,6 mm aufgewiesen hätten. Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung damit, dass „die von uns durchgeführten Kontrollen im Hinblick auf den Kontrollzeitpunkt durch die Exekutive etwa ein halbes Jahr zurückliegen würden und deshalb davon ausgegangen wird, dass es zweifelhaft ist, ob das Fahrzeug seit der Kontrolle vor etwa einem halben Jahr nochmals kontrolliert wurde. "

 

Diesbezüglich ist auszuführen, dass es sich bei den gegenständlichen Ausführungen zu den Kontrollterminen des gegenständlichen Fahrzeuges um ein Versehen handelt. Zum Zeitpunkt der Verfassung des Einspruches am 30.04.2008 durch unseren Rechtsvertreter mussten zahlreiche Rechtsmittel gegen entsprechende Strafverfügungen erhoben werden und wurden in gegenständlichen Fall offensichtlich Ausführungen zu einem anderen Verwaltungsstrafverfahren herangezogen, welche jedoch mit der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nicht im Zusammenhang stehen. Die gegenständlichen Ausführungen betreffen tatsächlich einen Vorfall vom 05.10.2007, welcher dem damaligen Geschäftsführer der H L GmbH, Herrn J B, angelastet wurde. Die Ausführungen unseres Rechtsvertreters in dessen Rechtfertigung vom 21.04.2008 zur Zahl VerkR96-3471-l-2007, wurden offensichtlich irrtümlich gleichlautend für die hier gegenständliche Verwaltungsübertretung übernommen. Die im gegenständlichen Verwaltungsverfahren angeführten Daten der Kontrolle entsprechen daher nicht den Gegebenheiten und ist dies grundsätzlich auch aus dem bisherigen Tatsachenvorbringen ersichtlich.

 

Das gegenständliche Kraftfahrzeug wurde unserem Mieter, der „R & M OEG", L, aufgrund des bereits vorgelegten Überlassungsvertrages vom 28.01.2008 bzw. 17.01.2008 übergeben. Die von uns angeführte letztmalige Kontrolle des Fahrzeuges am 22.09.2007, bei welcher festgestellt wurde, dass sich die Reifen „gerade noch im gesetzlichen Bereich befinden" steht mit dieser Überlassung nicht im Zusammenhang. Wie bereits ausgeführt, kontrollieren separat abgestellte Mitarbeiter in der Position „L V", die sogenannten L, monatlich die ihrem Verantwortungsbereich zugeteilten Unternehmer-Fahrzeuge auf ihre Verkehrs- und Betriebssicherheit. Der L für das gegenständliche Verteilzentrum war Herr C F, W, welcher in Entsprechung seiner übernommenen Verpflichtungen das gegenständliche Fahrzeug monatlich kontrolliert hat, letztmalig im März 2008. Zum Zeitpunkt dieser letztmaligen Kontrolle im März 2008 konnten durch Herrn F jedoch keine wesentlichen Mängel festgestellt werden.

 

Beweis:       Rechtfertigung vom 21.04.2008 zur Zahl VerkR96-3471-l-2007, ./A

KFZ Überlassungsvertrag vom 17.01.2008 ./B

C F, W, als Zeuge.

 

Wenn die belangte Behörde also ausführt, dass "bei der Kontrolle am 22.09.2007 bereits festgestellt wurde, dass sich die Reifen „gerade noch im gesetzlichen Bereich" befanden, und daher augenscheinlich keine weitere Kontrolle durchgeführt wurde," so ist dies nicht richtig. Tatsächlich haben wir in Entsprechung unseres bisherigen Vorbringens ein wirksames Kontrollsystem um für die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften auch außerhalb des Betriebsgeländes zu sorgen. Wie bereits ausgeführt werden nicht nur stichprobenartige Kontrollen durchgeführt, sondern erfolgen laufend regelmäßige Kontrollen, Schulungen und Überprüfungen.

 

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde „unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht." Als erwiesen annehmen darf die Behörde eine Tatsache nur dann, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hinreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (vgl. zB. VwGH 28.09.1978, 1013/76; 21.04.1994, 93/09/0484). Obwohl wir bereits im Einspruch die Einvernahme des Herrn C F, W, als Zeugen beantragt haben und auch meine Einvernahme als Partei beantragt wurde, wurde ein Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde offensichtlich nicht durchgeführt. Der Zeuge C F hätte das Versehen bei den Ausführungen im Einspruch und der Rechtfertigung ohne Aufwand aufzeigen können und auch die laufenden regelmäßigen Kontrollen zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen im Detail darstellen können. Da die belangte Behörde offensichtlich überhaupt kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, sondern sich bei ihrer Begründung ausschließlich auf die versehentlich falschen Ausführungen in den Schriftsätzen stützt, hat die belangte Behörde eindeutig gegen die genannten allgemeinen Grundsätze über den Beweis verstoßen.

 

Sollte die Behörde wider Erwarten den von uns beantragten Zeugen, Herrn C F, einvernommen haben, so liegt jedenfalls eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, zumal mir gemäß § 45 Abs. 3 AVG keine Möglichkeit gegeben wurde, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

 

Im Übrigen erhebe ich meine Ausführungen zur Darstellung des Kontrollsystems (mit Ausnahme des angeführten Datums der letzten Kontrolle) ausdrücklich auch zu meinem Vorbringen dieser Berufung.

 

Aufgrund der obigen Ausführungen stelle ich daher den

 

ANTRAG

 

das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und aufgrund der dargestellten Ausführungen und Beweise das gegenständliche Strafverfahren gegen mich einzustellen.

in eventu

eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, in deren Zuge die angeführten Beweise aufzunehmen sind in eventu die ausgesprochene Strafe erheblich zu reduzieren.

 

O K"

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat die Akte zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier angesichts der Verantwortung des Berufungswerbers für die Nachvollziehung des Vorbringens zum sogenannten "wirksamen Kontrollsystem" in Wahrung der gemäß Art. 6 Abs.1 EMRK zu garantierenden Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm weder der Berufungswerber  persönlich noch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil. Als Zeugen stellig gemacht wurde Frau B. D und R. T als einerseits für die im Mühlviertel kontrollzuständige Person und der für die gesamte Firmengruppe zuständige Disponent.

 

 

4.1. Unbestritten ist die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers als nach außen vertretungsbefugtes Organ des Zulassungsbesitzers. Ob wegen des hier festgestellten Mangels gegen den Lenker das Verwaltungsstrafverfahren bereits abgeschlossen ist steht nicht fest und kann auf sich bewenden.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde jedoch insbesondere durch die Zeugenaussagen von D u. T  umfassend sowie auch urkundlich belegt nachvollziehbar ein nach h. Überzeugung taugliches und tragfähiges mehrschichtiges  Kontrollsystem dargelegt. Jedes Fahrzeug wird nicht nur in regelmäßigen Abständen, sondern auch stichprobenweise entsprechender Kontrollen unterzogen. Die fahrzeugspezifisch vorgelegten und abgearbeiteten Checklisten belegen dies nachvollziehbar.  Aus der Aussage des Zeugen T und des von ihm zur Einschau vorgelegten Protokolls – wobei ob des Umfanges des vorgelegten Materials auf die Anfertigung von Kopien verzichtet wurde – ergab sich just auch eine Beanstandung wegen eines abgefahrenen Reifens. Als Ursache dieses Mangels wurde vom Zeugen dargelegt, dass dieses Fahrzeug kurz vorher über eine Böschung gelangte, wodurch die Hinterachse verbogen oder verzogen worden sei und dadurch die Reifen überdurchschnittlich rasch abgefahren wurden.

Dieses Beispiel belegt anschaulich, dass ein solcher Mangel zumindest in der Sphäre eines zur Erhaltung eines Kontrollsystems Verpflichteten geradezu unter keinen Umständen vermeidbar ist. Derartige sich innerhalb kurzer Zeit einstellende Mängel können bei logischer und lebensnaher Betrachtung nur vom Lenker wahrgenommen werden.

Zusammenfassend kann daher auch für diesen Fall festgestellt werden, dass hinsichtlich dieses Mangels ein schuldhaftes – nämlich in einem fehlenden oder nicht hinreichenden Kontrollsystem begründen - Verhalten des Verantwortlichen nicht erschließen lässt.

Der Berufungswerber verantwortete sich von Anbeginn und auch im Rahmen der Berufungsverhandlung stets in dieser Richtung und machte damit nachvollziehbar deutlich, dass ihm hier ob dieser Unterschreitung der Profiltiefe an zwei Reifen an einem seiner Kontrollsphäre zufallenden Fahrzeuges kein fahrlässiges Verhalten zur Last fällt. Es konnte letztlich nicht nachvollzogen werden wodurch und innerhalb welcher Zeitspanne dieser Mangel letztlich schlagend wurde. Wenn etwa dies im Verlaufe einer einzigen Fahrt aufgetreten wäre, könnte dies alleine schon das Verschulden des Lenkers fraglich erscheinen lassen, umso mehr muss dies für den Verantwortlichen gelten, weil zu einem Mangel sich ausweitende physikalische Abläufe von keinem wie immer gearteten Kontrollsystem hinanzuhalten sind.

Seine Verantwortung erweist sich durch die Zeugenaussagen und die vorgelegten Urkunden und einem sich daraus erschließen lassenden durchaus umfangreichen und tauglichen Kontrollsystems als schlüssig.

Die Behörde erster Instanz erschien zur Berufungsverhandlung nicht und legte alleine schon in der Begründung des Schuldspruches nicht wirklich nachvollziehbar dar, worin sie den Mangel bzw. eine mangelnde Tauglichkeit am Kontrollsystem zu erblicken vermeinte. Allein der Umstand, dass zwei Reifen abgefahren waren, lässt, wie oben dargelegt, einen solchen Schluss nicht zu bzw. würde ein solcher unweigerlich eine verschuldensunabhängige und demnach einem Strafrecht fremde "Erfolgshaftung" zum Ergebnis haben. Allein mit dem Hinweis in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnis, "ein Beschuldigter müsse Beweisen, dass er die Einhaltung von Dienstanweisungen gehörig überwacht habe und dessen ungeachtet die Übertretung nicht verhindern habe können", wird hier offenbar vom Ereignis auf einen Systemmangel geschlossen. In dieser Pauschalität kann auch die durchaus strenge und durch die höchstgerichtliche Judikatur vorgegebenen Anforderungen an ein Kontrollsystem nicht verstanden bzw. kann dieser Betrachtung seitens der Berufungsbehörde in diesem Fall nicht gefolgt werden. 

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Dem Zulassungsbesitzer bzw. dem iSd § 9  Abs.2 VStG als Verantwortlicher desselben kommt iSd § 103 Abs.1 iVm § 134 KFG eine  verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Überwachungsfunktion zu.

Das bedeutet aber dennoch nicht, dass er im Ergebnis vor jeder Fahrt jeden einzelnen Reifen zu überprüfen hätte. Derartiges würde jegliches realitätsbezogene Sorgfaltssystem überfordern. Sehr wohl ist aber für ein geeignetes Überwachungssystem hinsichtlich des technischen Zustandes, insbesondere auch von Lastkraftfahrzeugen zu sorgen und – da es sich bei einer Übertretung des § 103 Abs.1 KFG um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handelt (s. VwGH 8.4.1987, 85/03/0112) – ein solches darzulegen (VwGH 13.11.1996, 96/03/0232).

Eine Übertretung dieser Rechtsvorschriften ist grundsätzlich ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG (vgl. VwGH, Slg. 9180 A/1976).

Dies bedeutet im Falle des § 103 Abs.1 KFG, dass der Zulassungsbesitzer, hier der Berufungswerber als dessen vertretungsbefugtes und verantwortliches Organ, darzulegen hat, welche (geeigneten [!]) Maßnahmen (zB Kontrollen oder Beauftragung anderer Personen zur Vornahme dieser Kontrollen) er gesetzt hat, um derartige Verstöße zu vermeiden (siehe VwGH 25.10.1989, 89/03/0180). Ein derart wirksames Kontrollsystem [und nur ein solches] befreit den Zulassungsbesitzer von seiner Verantwortung für die vorschriftswidrige Beschaffenheit oder eines Mangels seines/seiner Kraftfahrzeuge[s] (Hinweis auf VwGH 25.10.1989, 89/03/0180).

Dem Zulassungsbesitzer bzw. hier in der Person des  firmenverantwortlichen Berufungswerbers kommt demnach iSd § 103 Abs.1 iVm § 134 KFG eine verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Überwachungsfunktion zu.

Das bedeutet aber dennoch nicht, dass im Ergebnis immer das Kraftfahrzeug vor jeder Fahrt selbst überprüfen zu müssen oder einzeln überprüfen zu lassen. Derartiges würde jegliches realitätsbezogene Sorgfaltssystem überfordern.

Es trifft wohl der Judikathinweis der Behörde erster Instanz grundsätzlich zu, wonach stichprobenartige Kontrollen allein den Beschuldigten von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung noch nicht befreien können (mit Hinweis auf VwGH 27.9.1988, 87/08/0026 sowie VwGH 27.9.1988, 88/08/0088).

Als verfehlt erweist sich jedoch die pauschalierende Sicht der Behörde erster Instanz, wonach "der Beschuldigte beweisen müsse, dass er die Einhaltung dieser Dienstanweisungen gehörig überwacht hat und dass er dessen ungeachtet die Übertretung nicht habe verhindern können".

Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation und in Berücksichtigung der  Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, bewirkt der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hätte (VfSlg. 11195/1986). Darauf liefe im Ergebnis die Sichtweise der Behörde erster Instanz hinaus. Demnach hat immer noch die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Das Gesetz befreit die Behörde in Anbetracht der regelmäßigen Sachlage nur insoweit von weiteren Nachforschungen über die subjektive Tatseite (insbesondere einen Irrtum über den Sachverhalt oder die allfällige Unmöglichkeit, das Verbot zu beachten), als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens, hier in Form eines wirksamen und damit tauglichen Kontrollsystems, nicht glaubhaft ist.

 

5.2. Selbst der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner gesicherten Judikatur auf die Beurteilung der Eignung eines Kontrollsystems je auf den Einzelfall ab, wenn er etwa zu dem nach § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG von einem Unternehmer, einem Arbeitgeber oder ebenso von einem nach § 9 Abs.1 VStG für eine juristische Person strafrechtlich Verantwortlichen anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab vermeint, dass die im (heutigen) Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es zwar nicht zulässt, dass sich der Unternehmer bzw. Arbeitgeber bzw. strafrechtlich Verantwortliche aller Belange und Angelegenheiten selbst persönlich annimmt. Vielmehr müsse zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf das Setzen von möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.

Nach der zitierten Rechtsprechung reicht allerdings wiederum die bloße Erteilung von Weisungen nicht aus, vielmehr ist entscheidend, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt (VwGH 19.5.1994, 93/17/0332 mit Hinweis auf VwGH 30. März 1982, Zl. 81/11/0087 und Slg. 10692/A = ZfVB 1983/3/1409; VwGH 12. Dezember 1984, Zl. 82/11/0380 = ZfVB 1985/4/1310; und vom 26. Mai 1986, Zl. 86/08/0024, 0025 = ZfVB 1987/2/431).

Von einem derart tauglichen System ist hier auszugehen. Dafür spricht nicht bloß die im Rahmen des Beweisverfahrens durch die Zeugen untermauerte Tatsache von Schulungen und einer tragfähigen Kontrolllogistik.

Wenn die Behörde erster Instanz in diesem Einzelereignis ein Versagen im Kontrollsystem erblicken wollte, ist dem zu entgegnen, dass kein noch so "ausgereiftes Überwachungssystem" einen Fehler oder eine bewusste Inkaufnahme eines hier wohl durch den Fahrbetrieb auftretenden Mangels durch die übergeordnete Hierarchiekette verhindert werden könnte. Daher ist wohl immer nur der Maßstab an einem "geeigneten System" anzulegen und nicht auf die grundsätzliche Erfolgsabwendung durch Fehlverhalten Dritter abzustellen (s. VwGH 8.4.1987, 85/03/0112, VwGH 13.11.1996, 96/03/0232). Letzteres würde zwangsläufig zur Folge haben, dass jede Fahrt durch den Geschäftsführer selbst kontrolliert werden müsste.

Mit Blick darauf ist mit dem Hinweis auf VwGH 83/03/0141 nichts zu gewinnen, weil die Begründung des angefochtenen Bescheides doch gerade jenen Hinweis verschweigt, wonach ein für den Zulassungsbesitzer Verantwortlicher darzulegen hat, ob bzw. welche Maßnahmen er getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (Hinweis auf VwGH 29. 1.1992, 91/03/0035). Mehrere solche in seiner Gesamtheit als Kontrollkette wirksam werdende Einzelschritte wurden vom Berufungswerber in seiner Verantwortung und im Rahmen dessen zeugenschaftlichen Aussagen des bereichszuständigen Kontrollorgans und des Disponenten sehr wohl nachvollziehbar dargetan.

Alleine auf eine von einem Dritten zu verantwortende Fehlleistung abzustellen und dies immer auf ein Versagen des Kontrollsystems und damit automatisch ein (System-) Verschulden bis in die Hierarchiespitze erblicken zu wollen, liefe – wie schon dargelegt – im Ergebnis auf eine reine Erfolgshaftung hinaus. Ein solcher Sinn darf der sogenannten Kontrollsystemjudikatur alleine mit Blick auf strafrechtliche Grundsätze "keine Strafe ohne Schuld" nicht wirklich zugesonnen werden.

Dies bedeutet, dass im Falle des § 103 Abs.1 KFG – wie ebenfalls bereits dargelegt – der Zulassungsbesitzer darzulegen hat, welche (geeigneten [!]) Maßnahmen (zB Kontrollen oder Beauftragung anderer Personen zur Vornahme dieser Kontrollen, Schulungen u. dgl.) er gesetzt hat um derartige Verstöße zu vermeiden (s. auch VwGH 25.10.1989, 89/03/0180).

Ebenfalls unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes  ist dies etwa dann der Fall, wenn der Beschuldigte im Betrieb ein so wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom 18. November 2003, Zl. 2001/03/0322). Ein solches Kontrollsystem hat exkulpierende Wirkung (VwGH 20.7.2004, 2002/03/0191).

Wenn das Höchstgericht andererseits wieder sehr verallgemeinernd ein ausreichendes Kontrollsystem dahingehend verstehen will, dass die Überwachung des Zustandes aller im Betrieb eingesetzter Fahrzeuge jederzeit sichergestellt werden müsste (VwGH 30.6.2006, 2003/03/0033 mit Hinweis auf VwGH 20. Juli 2004, 2002/03/0191, VwGH 28. April 2004, VwGH 2001/03/0429 und VwGH 18. November 2003, 2001/03/0322), kann daraus in verfassungskonformer Rechtsanwendung wohl keinesfalls abgleitet werden, dass ein Fehlverhalten eines Lenkers automatisch als Verschulden des Verantwortlichen für den Zulassungsbesitzer durchschlagen kann.

Die Anforderungen an eine derartige Systemtauglichkeit sind zuletzt untrennbar mit den Anforderungen an die allgemeinen Sorgfaltspflichten und am Fahrlässigkeitsbegriff zu messen.

Der § 5 VStG lautet:

"Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft."

Die Anforderungen an objektive Sorgfaltspflichten dürfen nicht soweit überspannt werden, dass diese angelegten Maßstäbe zum Ergebnis einer verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung führen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt diesbezüglich den Standpunkt (s. Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), dass dieser Maßstab ein objektiv-normativer zu sein hat. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters (hier des Berufungswerbers als Geschäftsführer) versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig handelt ein Täter folglich nur dann, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, welche die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (s. VwGH 12.6.1989, 88/10/0169).

Mit Blick darauf ist bei dem in seiner Gesamtheit und nicht zuletzt dem bisher mangels Vormerkungen durchaus positiv zu beurteilenden außenwirksamen Erscheinens des Berufungswerbers  von einer tauglichen Struktur der internen "Kontrollpraxis" auszugehen (vgl. VwGH 17.1.1990, 89/03/0165, sowie VwGH 20.5.2003, 2002/02/02, sowie VwGH 13.5.1987, 85/18/0067).

Demnach war hier dem Berufungswerber in seiner Verantwortung zu folgen gewesen und es ist nicht nur von der Glaubhaftmachung seiner Unschuld, sondern vielmehr vom Beweis derselben auszugehen.

Mangels eines Verschuldens war das Straferkenntnis nach § 45 Abs.1 Z1 VStG zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Was an sich dahingestellt bleiben könnte, sei jedoch – was die Verhängung zwei gesonderter Strafen gegen den Firmenverantwortlichen (anders für den Lenker) wegen zweier abgefahrener Reifen  betrifft - aus verfahrensökonomischen Überlegungen festgestellt, dass in EMRK-konformer Interpretation des Gesetzes (in Vermeidung einer in Idealkonkurrenz  Tateinheit begangener Handlung) festgestellt, dass vor diesem Hintergrund wohl nur eine Strafe zu verhängen wäre.

Stellen die einzelnen Tathandlungen eine zeitliche, örtliche und sachliche Einheit dar und sind sie von einem Gesamtvorsatz getragen, so verneint der VwGH – in Anlehnung an die ständige Judikatur des OGH zu dieser Frage - das Vorliegen einer Realkonkurrenz (VwGH 26. 4. 1973, 601/72; 20. 11. 1974, 587/74; vgl auch ZfVB   560/1976, 988/1976).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, Zumutbarkeit, Anforderungen

 

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