Linz, 04.09.2008
Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in: Zimmer, Rückfragen:
Hermann Bleier, Mag. Dr. 3B09, Tel. Kl. 15695
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn O K, geb. , W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G M, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 24. Juli 2008, Zl. VerkR96-2123-2008-BS, nach der am 3. September 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.
Zu II. § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber, wegen zweimaliger Übertretung des § 103 Abs.1 Z1 iVm § 101 Abs.1 lit.e iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 und § 9 Abs.2 VStG je eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro und im Nichteinbringungsfall je 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, wobei nachfolgende Tatvorwürfe erhoben wurden:
1.1. Die Behörde erster Instanz traf nachfolgende Erwägungen:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung folgenden Inhaltes:
3. Die Behörde erster Instanz hat die Akte zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier angesichts der Verantwortung des Berufungswerbers für die Nachvollziehung des Vorbringens zum sogenannten "wirksamen Kontrollsystem" in Wahrung der gemäß Art. 6 Abs.1 EMRK zu garantierenden Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm weder der Berufungswerber persönlich noch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil. Als Zeugen stellig gemacht wurde Frau B. D und R. T als einerseits für die im Mühlviertel kontrollzuständige Person und der für die gesamte Firmengruppe zuständige Disponent.
4.1. Unbestritten ist die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers als nach außen vertretungsbefugtes Organ des Zulassungsbesitzers. Ob wegen des hier festgestellten Mangels gegen den Lenker das Verwaltungsstrafverfahren bereits abgeschlossen ist steht nicht fest und kann auf sich bewenden.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde jedoch insbesondere durch die Zeugenaussagen von D u. T umfassend sowie auch urkundlich belegt nachvollziehbar ein nach h. Überzeugung taugliches und tragfähiges mehrschichtiges Kontrollsystem dargelegt. Jedes Fahrzeug wird nicht nur in regelmäßigen Abständen, sondern auch stichprobenweise entsprechender Kontrollen unterzogen. Die fahrzeugspezifisch vorgelegten und abgearbeiteten Checklisten belegen dies nachvollziehbar. Aus der Aussage des Zeugen T und des von ihm zur Einschau vorgelegten Protokolls – wobei ob des Umfanges des vorgelegten Materials auf die Anfertigung von Kopien verzichtet wurde – ergab sich just auch eine Beanstandung wegen eines abgefahrenen Reifens. Als Ursache dieses Mangels wurde vom Zeugen dargelegt, dass dieses Fahrzeug kurz vorher über eine Böschung gelangte, wodurch die Hinterachse verbogen oder verzogen worden sei und dadurch die Reifen überdurchschnittlich rasch abgefahren wurden.
Dieses Beispiel belegt anschaulich, dass ein solcher Mangel zumindest in der Sphäre eines zur Erhaltung eines Kontrollsystems Verpflichteten geradezu unter keinen Umständen vermeidbar ist. Derartige sich innerhalb kurzer Zeit einstellende Mängel können bei logischer und lebensnaher Betrachtung nur vom Lenker wahrgenommen werden.
Zusammenfassend kann daher auch für diesen Fall festgestellt werden, dass hinsichtlich dieses Mangels ein schuldhaftes – nämlich in einem fehlenden oder nicht hinreichenden Kontrollsystem begründen - Verhalten des Verantwortlichen nicht erschließen lässt.
Der Berufungswerber verantwortete sich von Anbeginn und auch im Rahmen der Berufungsverhandlung stets in dieser Richtung und machte damit nachvollziehbar deutlich, dass ihm hier ob dieser Unterschreitung der Profiltiefe an zwei Reifen an einem seiner Kontrollsphäre zufallenden Fahrzeuges kein fahrlässiges Verhalten zur Last fällt. Es konnte letztlich nicht nachvollzogen werden wodurch und innerhalb welcher Zeitspanne dieser Mangel letztlich schlagend wurde. Wenn etwa dies im Verlaufe einer einzigen Fahrt aufgetreten wäre, könnte dies alleine schon das Verschulden des Lenkers fraglich erscheinen lassen, umso mehr muss dies für den Verantwortlichen gelten, weil zu einem Mangel sich ausweitende physikalische Abläufe von keinem wie immer gearteten Kontrollsystem hinanzuhalten sind.
Seine Verantwortung erweist sich durch die Zeugenaussagen und die vorgelegten Urkunden und einem sich daraus erschließen lassenden durchaus umfangreichen und tauglichen Kontrollsystems als schlüssig.
Die Behörde erster Instanz erschien zur Berufungsverhandlung nicht und legte alleine schon in der Begründung des Schuldspruches nicht wirklich nachvollziehbar dar, worin sie den Mangel bzw. eine mangelnde Tauglichkeit am Kontrollsystem zu erblicken vermeinte. Allein der Umstand, dass zwei Reifen abgefahren waren, lässt, wie oben dargelegt, einen solchen Schluss nicht zu bzw. würde ein solcher unweigerlich eine verschuldensunabhängige und demnach einem Strafrecht fremde "Erfolgshaftung" zum Ergebnis haben. Allein mit dem Hinweis in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnis, "ein Beschuldigter müsse Beweisen, dass er die Einhaltung von Dienstanweisungen gehörig überwacht habe und dessen ungeachtet die Übertretung nicht verhindern habe können", wird hier offenbar vom Ereignis auf einen Systemmangel geschlossen. In dieser Pauschalität kann auch die durchaus strenge und durch die höchstgerichtliche Judikatur vorgegebenen Anforderungen an ein Kontrollsystem nicht verstanden bzw. kann dieser Betrachtung seitens der Berufungsbehörde in diesem Fall nicht gefolgt werden.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Dem Zulassungsbesitzer bzw. dem iSd § 9 Abs.2 VStG als Verantwortlicher desselben kommt iSd § 103 Abs.1 iVm § 134 KFG eine verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Überwachungsfunktion zu.
Das bedeutet aber dennoch nicht, dass er im Ergebnis vor jeder Fahrt jeden einzelnen Reifen zu überprüfen hätte. Derartiges würde jegliches realitätsbezogene Sorgfaltssystem überfordern. Sehr wohl ist aber für ein geeignetes Überwachungssystem hinsichtlich des technischen Zustandes, insbesondere auch von Lastkraftfahrzeugen zu sorgen und – da es sich bei einer Übertretung des § 103 Abs.1 KFG um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handelt (s. VwGH 8.4.1987, 85/03/0112) – ein solches darzulegen (VwGH 13.11.1996, 96/03/0232).
Eine Übertretung dieser Rechtsvorschriften ist grundsätzlich ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG (vgl. VwGH, Slg. 9180 A/1976).
Dies bedeutet im Falle des § 103 Abs.1 KFG, dass der Zulassungsbesitzer, hier der Berufungswerber als dessen vertretungsbefugtes und verantwortliches Organ, darzulegen hat, welche (geeigneten [!]) Maßnahmen (zB Kontrollen oder Beauftragung anderer Personen zur Vornahme dieser Kontrollen) er gesetzt hat, um derartige Verstöße zu vermeiden (siehe VwGH 25.10.1989, 89/03/0180). Ein derart wirksames Kontrollsystem [und nur ein solches] befreit den Zulassungsbesitzer von seiner Verantwortung für die vorschriftswidrige Beschaffenheit oder eines Mangels seines/seiner Kraftfahrzeuge[s] (Hinweis auf VwGH 25.10.1989, 89/03/0180).
Dem Zulassungsbesitzer bzw. hier in der Person des firmenverantwortlichen Berufungswerbers kommt demnach iSd § 103 Abs.1 iVm § 134 KFG eine verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Überwachungsfunktion zu.
Das bedeutet aber dennoch nicht, dass im Ergebnis immer das Kraftfahrzeug vor jeder Fahrt selbst überprüfen zu müssen oder einzeln überprüfen zu lassen. Derartiges würde jegliches realitätsbezogene Sorgfaltssystem überfordern.
Es trifft wohl der Judikathinweis der Behörde erster Instanz grundsätzlich zu, wonach stichprobenartige Kontrollen allein den Beschuldigten von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung noch nicht befreien können (mit Hinweis auf VwGH 27.9.1988, 87/08/0026 sowie VwGH 27.9.1988, 88/08/0088).
Als verfehlt erweist sich jedoch die pauschalierende Sicht der Behörde erster Instanz, wonach "
Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation und in Berücksichtigung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, bewirkt der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hätte (VfSlg. 11195/1986). Darauf liefe im Ergebnis die Sichtweise der Behörde erster Instanz hinaus. Demnach hat immer noch die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Das Gesetz befreit die Behörde in Anbetracht der regelmäßigen Sachlage nur insoweit von weiteren Nachforschungen über die subjektive Tatseite (insbesondere einen Irrtum über den Sachverhalt oder die allfällige Unmöglichkeit, das Verbot zu beachten), als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens, hier in Form eines wirksamen und damit tauglichen Kontrollsystems, nicht glaubhaft ist.
5.2. Selbst der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner gesicherten Judikatur auf die Beurteilung der Eignung eines Kontrollsystems je auf den Einzelfall ab, wenn er etwa zu dem nach § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG von einem Unternehmer, einem Arbeitgeber oder ebenso von einem nach § 9 Abs.1 VStG für eine juristische Person strafrechtlich Verantwortlichen anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab vermeint, dass die im (heutigen) Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es zwar nicht zulässt, dass sich der Unternehmer bzw. Arbeitgeber bzw. strafrechtlich Verantwortliche aller Belange und Angelegenheiten selbst persönlich annimmt. Vielmehr müsse zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf das Setzen von möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.
Nach der zitierten Rechtsprechung reicht allerdings wiederum die bloße Erteilung von Weisungen nicht aus, vielmehr ist entscheidend, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt (VwGH 19.5.1994, 93/17/0332 mit Hinweis auf VwGH 30. März 1982, Zl. 81/11/0087 und Slg. 10692/A = ZfVB 1983/3/1409; VwGH 12. Dezember 1984, Zl. 82/11/0380 = ZfVB 1985/4/1310; und vom 26. Mai 1986, Zl. 86/08/0024, 0025 = ZfVB 1987/2/431).
Von einem derart tauglichen System ist hier auszugehen. Dafür spricht nicht bloß die im Rahmen des Beweisverfahrens durch die Zeugen untermauerte Tatsache von Schulungen und einer tragfähigen Kontrolllogistik.
Wenn die Behörde erster Instanz in diesem Einzelereignis ein Versagen im Kontrollsystem erblicken wollte, ist dem zu entgegnen, dass kein noch so "ausgereiftes Überwachungssystem" einen Fehler oder eine bewusste Inkaufnahme eines hier wohl durch den Fahrbetrieb auftretenden Mangels durch die übergeordnete Hierarchiekette verhindert werden könnte. Daher ist wohl immer nur der Maßstab an einem "geeigneten System" anzulegen und nicht auf die grundsätzliche Erfolgsabwendung durch Fehlverhalten Dritter abzustellen (s. VwGH 8.4.1987, 85/03/0112, VwGH 13.11.1996, 96/03/0232). Letzteres würde zwangsläufig zur Folge haben, dass jede Fahrt durch den Geschäftsführer selbst kontrolliert werden müsste.
Mit Blick darauf ist mit dem Hinweis auf VwGH 83/03/0141 nichts zu gewinnen, weil die Begründung des angefochtenen Bescheides doch gerade jenen Hinweis verschweigt, wonach ein für den Zulassungsbesitzer Verantwortlicher darzulegen hat, ob bzw. welche Maßnahmen er getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (Hinweis auf VwGH 29. 1.1992, 91/03/0035). Mehrere solche in seiner Gesamtheit als Kontrollkette wirksam werdende Einzelschritte wurden vom Berufungswerber in seiner Verantwortung und im Rahmen dessen zeugenschaftlichen Aussagen des bereichszuständigen Kontrollorgans und des Disponenten sehr wohl nachvollziehbar dargetan.
Alleine auf eine von einem Dritten zu verantwortende Fehlleistung abzustellen und dies immer auf ein Versagen des Kontrollsystems und damit automatisch ein (System-) Verschulden bis in die Hierarchiespitze erblicken zu wollen, liefe – wie schon dargelegt – im Ergebnis auf eine reine Erfolgshaftung hinaus. Ein solcher Sinn darf der sogenannten Kontrollsystemjudikatur alleine mit Blick auf strafrechtliche Grundsätze "keine Strafe ohne Schuld" nicht wirklich zugesonnen werden.
Dies bedeutet, dass im Falle des § 103 Abs.1 KFG – wie ebenfalls bereits dargelegt – der Zulassungsbesitzer darzulegen hat, welche (geeigneten [!]) Maßnahmen (zB Kontrollen oder Beauftragung anderer Personen zur Vornahme dieser Kontrollen, Schulungen u. dgl.) er gesetzt hat um derartige Verstöße zu vermeiden (s. auch VwGH 25.10.1989, 89/03/0180).
Ebenfalls unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist dies etwa dann der Fall, wenn der Beschuldigte im Betrieb ein so wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom 18. November 2003, Zl. 2001/03/0322). Ein solches Kontrollsystem hat exkulpierende Wirkung (VwGH 20.7.2004, 2002/03/0191).
Wenn das Höchstgericht andererseits wieder sehr verallgemeinernd ein ausreichendes Kontrollsystem dahingehend verstehen will, dass die Überwachung des Zustandes aller im Betrieb eingesetzter Fahrzeuge jederzeit sichergestellt werden müsste (VwGH 30.6.2006, 2003/03/0033 mit Hinweis auf VwGH 20. Juli 2004, 2002/03/0191, VwGH 28. April 2004, VwGH 2001/03/0429 und VwGH 18. November 2003, 2001/03/0322), kann daraus in verfassungskonformer Rechtsanwendung wohl keinesfalls abgleitet werden, dass ein Fehlverhalten eines Lenkers automatisch als Verschulden des Verantwortlichen für den Zulassungsbesitzer durchschlagen kann.
Die Anforderungen an eine derartige Systemtauglichkeit sind zuletzt untrennbar mit den Anforderungen an die allgemeinen Sorgfaltspflichten und am Fahrlässigkeitsbegriff zu messen.
Der § 5 VStG lautet:
"Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft."
Die Anforderungen an objektive Sorgfaltspflichten dürfen nicht soweit überspannt werden, dass diese angelegten Maßstäbe zum Ergebnis einer verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung führen würden.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt diesbezüglich den Standpunkt (s. Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), dass dieser Maßstab ein objektiv-normativer zu sein hat. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters (hier des Berufungswerbers als Geschäftsführer) versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig handelt ein Täter folglich nur dann, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, welche die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (s. VwGH 12.6.1989, 88/10/0169).
Mit Blick darauf ist bei dem in seiner Gesamtheit und nicht zuletzt dem bisher mangels Vormerkungen durchaus positiv zu beurteilenden außenwirksamen Erscheinens des Berufungswerbers von einer tauglichen Struktur der internen "Kontrollpraxis" auszugehen (vgl. VwGH 17.1.1990, 89/03/0165, sowie VwGH 20.5.2003, 2002/02/02, sowie VwGH 13.5.1987, 85/18/0067).
Demnach war hier dem Berufungswerber in seiner Verantwortung zu folgen gewesen und es ist nicht nur von der Glaubhaftmachung seiner Unschuld, sondern vielmehr vom Beweis derselben auszugehen.
Mangels eines Verschuldens war das Straferkenntnis nach § 45 Abs.1 Z1 VStG zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).
Was an sich dahingestellt bleiben könnte, sei jedoch – was die Verhängung zwei gesonderter Strafen gegen den Firmenverantwortlichen (anders für den Lenker) wegen zweier abgefahrener Reifen betrifft - aus verfahrensökonomischen Überlegungen festgestellt, dass in EMRK-konformer Interpretation des Gesetzes (in Vermeidung einer in Idealkonkurrenz Tateinheit begangener Handlung) festgestellt, dass vor diesem Hintergrund wohl nur eine Strafe zu verhängen wäre.
Stellen die einzelnen Tathandlungen eine zeitliche, örtliche und sachliche Einheit dar und sind sie von einem Gesamtvorsatz getragen, so verneint der VwGH – in Anlehnung an die ständige Judikatur des OGH zu dieser Frage - das Vorliegen einer Realkonkurrenz (VwGH 26. 4. 1973, 601/72; 20. 11. 1974, 587/74; vgl auch ZfVB 560/1976, 988/1976).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
Beschlagwortung:
Kontrollsystem, Zumutbarkeit, Anforderungen