Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522039/9/Br/RSt

Linz, 17.09.2008

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Hermann Bleier, Mag. Dr.                                                                                   3B09, Tel. Kl. 15695

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau L K, geb. X, R, 46 W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels, vom 24.07. 2008, Zl. 2-VA, nach der am  17. September 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe statt gegeben, dass die Lenkberechtigung der Klasse B befristet bis zum 17. September 2010 unter der Auflage erteilt wird, der Führerscheinbehörde (dzt. Bundespolizeidirektion Wels)  jeweils vierteljährlich (mit einer Toleranzfrist von zehn Tagen) eine psychiatrische Kontrolluntersuchung unaufgefordert vorzuweisen ist.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 3 Abs.1 Z3, § 8 Abs.1 u. 2, § 13 Abs.2 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2008 FSG sowie § 3 Abs.1 u. Abs.5, § 5 Abs.2 iVm § 8 Abs.5 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung – FSG-GV, BGBl. II Nr. 322, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 64/2006;

§ 66 Abs.4, § 67d Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008. 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem im Anschluss an die Niederschrift mündlich verkündeten o.a.  Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels wurde der Berufungswerberin der Antrag auf Fristverlängerung für deren Lenkberechtigung der Klasse B versagt. Ebenfalls wurde die im Zuge der Antragstellung vorläufig ausgesprochene Fristverlängerung  bis zum 10.9.2008 für erloschen erklärt.

 

 

2. Im Ergebnis wurde die Nichteignung auf das Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens vom 14.07.2008 gestützt. Dieses negative fachliche Kalkül des amtsärztlichen Gutachtens fand seine Stütze wiederum in den im Rahmen der verkehrspsychologischen Untersuchung nicht ausreichend erzielten kraftfahrspezifischen Leistungen (Leistungsmängel).

Die abweisende Entscheidung wurde auf § 3 Abs.1 Z3 und § 8 FSG gestützt.

 

 

2. Die Berufungswerberin wendet sich dagegen mit ihrer fristgerecht erhobenen Berufung. Im Ergebnis verweist sie darin auf ihre seit nunmehr 40 Jahren währenden unbeanstandet gebliebenen Fahrpraxis im Umfang von etwa 300.000 km.  Sie ersucht daher "nochmals eine Prüfung anzusetzen" (gemeint wohl: um ihre Fahreignung unter Beweis stellen zu können).

 

 

3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Dieser ist demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien zwecks empirischer Überprüfung der Fahreignung Blick  und demnach der Eignungsbeurteilung unerlässlich § 67d Abs.1 AVG. 

 

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Diesem angeschlossen befinden sich die verfahrensrelevanten Gutachten, sowie eine im Zuge der Berufungsvorlage ergänzend eingeholte Stellungnahme zum Gutachten des Facharztes f. Psychiatrie Dr. C. Ebenfalls wurde anlässlich der Berufungsverhandlung durchgeführten Beobachtungsfahrt unter Einbeziehung der Gutachtensergänzung Dr. C das amtsärztliche Gutachten ergänzt.

 

 

3.2. Die zusammenfassenden Ergebnisse der erstinstanzlichen Gutachtenslage:

 

3.2.1.              Das psychiatrische neurologische Gutachten von Dr. C:

Als Diagnose wird nach ICD 10: F31.7 von einer gegenwärtig remittierten bipolaren affektiven Störung  ausgegangen. Der psychische Status wird als bewusstseinsklar, orientiert und die Affizierbarkeit in beiden Bereichen gut auslenkbar bezeichnet. Die Stimmung wird als indifferent, der Antrieb unauffällig, im Verhalten freundlich und kooperativ, kein Wahn, keine Sinnestäuschungen, keine Ich-Störungen beschrieben. Die Aufmerksamkeit und Konzentration jedoch als klinisch deutlich herabgesetzt bezeichnet.

Zusammenfassend gelangt der Facharzt zum Ergebnis, dass die Berufungswerberin (Patientin) seit vielen Jahren wegen der obigen Diagnose in Behandlung stehe. Sie verhalte sich im Bezug auf die Therapievereinbarung verlässlich und verantwortungsvoll und befinde sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Im vergangenen Herbst sei es zu einer Exazerbation einer Depression gekommen, die jedoch völlig remittiert sei.

 

3.2.2. Die über h. Auftrag vom 14.8.2008 am 11.9.2008 durchgeführten Präzisierung dieses gutachterlichen Kalküls führte zum Ergebnis, dass mit einer Verschlechterung dieses Zustandes nicht zu rechnen sei und der Zustand stabil bleiben, wenngleich von einer Heilung nicht ausgegangen werden könne.

Die vom Gutachter festgestellte kognitive Beeinträchtigung sei nicht mit dem Krankheitsbild der Berufungswerberin in Zusammenhang zu bringen.

Als auffällig stellt der Gutachter jedoch die Beeinträchtigung in der Aufmerksamkeit und  Konzentration, weshalb zur besseren Objektivierung  eine verkehrspsychologische Untersuchung empfohlen wurde, fest.

 

 

3.2.2. Die VPU in den wesentlichen Aussagen (ohne Befunderläuterungen):

 

I) Exploration gem. §18 (3) FSG-GV (laut Angaben der Untersuchten):

 

Eingesehene Unterlagen:      Pass

                                               Zuweisung (über die Anordnung der gegenständlichen                                                      verkehrspsychologischen Stellungnahme)

 

 

Frau K L erscheint nach zwei unvereinbarten Terminen am 02.07.2008 zum vereinbarten Termin zur verkehrspsychologischen Untersuchung und bestätigt mit ihrer Unterschrift, sich am Untersuchungstag wohl und gänzlich leistungsfähig zu fühlen.

 

Allgemeines:

 

Frau K L, geb. am X, sei X Jahre alt. Nach den Pflichtschulen habe sie eine dreijährige Hotelfachschule absolviert. Seit 1975 betreibe sie gemeinsam mit ihrem Mann ein Gasthaus. Sie erzählt bei ihren Eltern aufgewachsen zu sein. Den ehemaligen Erziehungsstil der Mutter deskribiert sie als emotional kühl und autoritär, den des Vaters als autoritativ und emotional warm. Der Vater sei 1985 verstorben, die Mutter 2005. Sie habe außerdem noch 2 Geschwister. Frau K L sei verheiratet und habe auch eine Tochter. Zu ihrer Familie pflege sie im allgemeinen ein gutes Verhältnis. Hinsichtlich ihrer Hobbys führt sie beispielsweise Sport, Singen und Lesen an. Selbstbewusstsein, Loyalität, Freundlichkeit, Toleranz und Fleiß zähle die Probandin zu ihren persönlichen Stärken. An Schwäche würde ihr ad hoc einfallen, dass sie zu tolerant und weichherzig sei.

 

Medizinische Anamnese:

Frau K L gibt an, dass sie manisch-depressiv sei. 1985 sei die Krankheit zum ersten Mal aufgetreten. Sie sei deswegen auch im Wagner Jauregg Krankenhaus behandelt worden. Seit 15 Jahren nehme sie nun Leopnex, wobei sie alle 3 Monate zur Kontrolle müsse. Ansonsten sei sie bis auf die üblichen Kinderkrankheiten und grippalen Infekte bzw. Verkühlungen- oder Erkältungen, eigentlich immer gesund gewesen zu sein.

 

Verkehrsspezifische bzw. strafrechtliche Exploration:

 

Die Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Klasse B habe sie 1969 erworben. Ihre jährliche Fahrpraxis (beruflich und privat) könne sie nicht benennen. Sie fahre nur kurze Strecken bis zu 10 km, ansonsten fahre ihr Mann.

Zu gröberen Verkehrsstrafen und/oder Verkehrsdelikten in der Vergangenheit befragt gibt die Untersuchte an, 1985 einmal einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht zu haben. Führerscheinentzüge werden verneint.

 

Zur Vorgeschichte gibt die Untersuchte folgendes an:

Seit 1985 habe Frau K aufgrund ihrer psychischen Erkrankung den Führerschein befristet, meist für 3 Jahre. Bis jetzt habe es nie Probleme gegeben. Warum sie nun plötzlich eine verkehrspsychologische Untersuchung machen müsse, wisse sie nicht wirklich. Medikamentös fühle sie sich gut eingestellt und sie gehe auch regelmäßig zu den Kontrolluntersuchungen. Ihre letzte depressive Phase habe sie im Oktober 2007 gehabt. Damals sei sie drei Wochen auf der psychiatrischen Abteilung im KH Wels gewesen. Die letzte manische Phase sei vor 3-4 Jahren gewesen. Einen Rückfall habe sie meist dann gehabt, wenn sie von sich aus beschlossen habe, dass es ihr nun wieder gut gehe und sie ihre Medikamente selber abgesetzt habe. Wenn sie depressiv werde, gehe es ihr meist sehr schlecht und sie sei nicht mehr in der Lage etwas zu tun, Frau K liege dann nur. Sie gehe in solchen Situationen freiwillig ins Krankenhaus.

 

Zu ihren Alkoholgewohnheiten befragt erklärt die Untersuchte, dass sie kaum Alkohol trinke, da er ihr nicht schmecke. Zum Geburtstag trinke sie vielleicht ein Glas Sekt. Früher habe sie manchmal ein Glas Bier zum Essen konsumiert. Für sie sei es nie ein Problem gewesen, auch in ihrer beruflichen Situation auf Alkohol zu verzichten. Das letzte Mal habe sie zu Silvester zwei Gläser Sekt getrunken.

 

Für Frau K sei wichtig, dass sie sich geistig fordere, sie überlege, ob sie nicht irgendwelche Kurse belegen werde, vor kurzem habe sie mit Yoga begonnen.

 

Verhaltensbeobachtung:

Keine Auffälligkeiten

 

Fachliche Analyse und Bewertung der explorativ erhobenen Daten und Verhaltensbeobachtung im Hinblick auf die künftige Verkehrsteilnahme:

 

Im persönlichen Gespräch und in der Verhaltensbeobachtung entsteht der Eindruck, dass sich Frau K L mit ihrer Krankheit auseinandergesetzt hat. Psychomotorische Inhibitionen bzw. Verlangsamungen konnten, bei kohärentem Ductus in der Untersuchungssituation, nicht beobachtet werden. Es machte sich auch während der gesamten Untersuchungssituation keine überwertige Nervosität aufgrund der Prüfungssituation bemerkbar. Die Probandin wirkte kooperationsbereit im Sinne einer adäquaten Compliance, allerdings zeigt sie bei der Terminvereinbarung Unsicherheiten.

 

 

III) Zusammenfassende Bewertung im Fragestellung / Gutachterliche Beurteilung:

 

Frau K L, geb. am X, erzielt bei der verkehrspsychologischen Untersuchung am 02.07.2008 im kraftfahrspezifischen Leistungsbereich Beobachtungsfähigkeit ein in Summe reduziertes Ergebnis.

 

Die Überprüfung ihres Mehrfachreaktionsvermögens unter Belastung ergibt in Summe defizitäre Werte. Die Reaktionszeit auf optische und akustische Reize ist unterdurchschnittlich, die Reaktionssicherheit ist gegeben. Im Bereich visuomotorische Koordinationsfähigkeit zeigt sich eine unterdurchschnittliche Qualität bei einem im Normbereich gelegenen Arbeitstempo. Die für das Verkehrsverhalten relevanten intellektuellen Voraussetzungen (logisch-formales Denkvermögen) sowie das Erinnerungsvermögen sind durchschnittlich ausgeprägt.

 

Insgesamt verfügt Frau K L zum Untersuchungszeitpunkt über keine ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen.

 

In der testpsychologischen Persönlichkeitsuntersuchung beschreibt sich Frau K L als lebenszufrieden, sozial orientiert, ehrgeizig, belastbar und extravertiert. Die Offenheit im Antwortverhalten der Untersuchten ist durchschnittlich ausgeprägt. Die Erhebung der verkehrsrelevanten Persönlichkeitsmerkmale ergibt keine erhöhte Tendenz zu Fehlanpassungen an soziale Systeme (KFP-30).

 

Dass Frau K ihre vierteljährlichen Kontrollen einhält, ist als positiv zu bewerten, dadurch kann eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes rechtzeitig erfasst werden.

 

Damit erscheint bei Frau K L die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zum Untersuchungszeitpunkt knapp ausreichend gegeben.

 

Ob die Leistungsdefizite mit ihrer Grunderkrankung oder der Medikamenteneinnahme im Zusammenhang stehen, kann nicht eindeutig abgeklärt werden.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aufgrund der vorliegenden kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen Frau K L aus verkehrspsychologischer Sicht zum Untersuchungszeitpunkt zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B

 

"nicht geeignet"

 

erscheint.

 

3.2.3. Amtsärztliches Gutachten v. 14.07.2008:

 

In diesem "Gutachten" werden im Ergebnis nur die Ergebnisse der oben zitierten Stellungnahmen (Fachgutachten) zitiert bzw. deren Inhalte resümierend wieder gegeben.

Zusammenfassend vermeint der Amtsarzt der Behörde erster Instanz, dass "aus amtärztlicher Sicht daher Frau K gemäß § 8 FSG zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 (Klasse b) nicht geeignet sei."

Ob die Leistungsdefizite mit der Grunderkrankung der Berufungswerberin oder mit deren Medikamenteneinnahmen in Zusammenhang stehen, könne nicht eindeutig geklärt werden.

Regelmäßige psychiatrische Untersuchungen seien notwendig, um diese Defizite zu korrigieren. Sollte sich die Situation bessern, könne eine neuerliche VPU mit kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen durchgeführt werden.

 

 

3.3. Dieses Kalkül wurde primär auf die fachärztlich empfohlene kraftfahrspezifische Leistungsergebnisse gestützt, wobei gemäß der im Rahmen des Berufungsverfahrens eingeholten Ergänzung des fachärztlichen Gutachtens die Leistungsdefizite nicht auf das bestehende Krankheitsbild rückführbar sind. Ebenfalls ergänzte der Facharzt, dass diesbezüglich wohl auch keine Heilung zu erwarten sein wird, das Krankheitsbild aber stabil bleiben dürfte.

Da auch der Amtsarzt die testspezifisch festgestellten Leistungsdefizite nicht mit der bestehenden Krankheit in Verbindung zu bringen vermochte, schien allein dadurch die empirische Überprüfung der tatsächlichen Fahreignung  geboten. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Berufungswerberin bislang nie negativ im Straßenverkehr aufgefallen ist.

Die Überprüfung der Leistungsmöglichkeiten im Wege einer Beobachtungsfahrt (Fahrprobe) gerät etwa in Deutschland zunehmend in die fachliche Diskussion (vgl. Brenner-Hartmann u. Bukasa, 2001) und gewinnt dank der Aufnahme des Kap. 2.5 in die Begutachtungsleitlinien (Bundesanstalt für Straßenwesen, 2000) als ursprünglich psychologisches Anwendungsgebiet in der Fahreignungsdiagnostik an Bedeutung. Es wird darin als hinreichend bekannt angesehen, dass durch angemessene Kompensationsstrategien auch mit einem reduzierten Leistungsvermögen eine sichere Verkehrsteilnahme möglich ist (vgl. z.B. Maag, 1995, Weinand, 1997). Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung sehen deshalb in Kap. 2.5 auch vor, dass ein Klient, der in den Leistungsprüfverfahren insgesamt unzureichende Leistungen erzielt hat, durch eine Fahrverhaltensprobe nachweisen kann, dass sich die in der (ungewohnten) Testsituation festgestellten Minderleistungen auf das gelernte Fahrverhalten nicht entscheidend negativ auswirken (Dipl.-Psych. Jürgen Brenner-Hartmann, TÜV Med.Psych. Institut GmbH Kompetenz-Center FW Stuttgart, Vortrag über die Durchführung standardisierter Fahrverhaltensbeobachtungen im Rahmen der Med.-Psych. Untersuchung [MPU]).

Praktische Fahrproben werden als Zusatzdiagnostika bei verkehrsmedizinischen Eignungsuntersuchungen bei kranken und auch betagten Fahrzeuglenkern verstärkt befürwortet (s. Kongressbericht 1995 der 28. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft  für Verkehrsmedizin e.V., Berichte der BASt, Heft M 47, S. 33-48 Weinand, M. [1997], Kompensationsmöglichkeiten bei Kraftfahrern mit Leistungsdefiziten – Berichte der BASt, Heft M 77).

Eine Fahrprobe wird im Falle solcher Defizite auch von HIMMELREICH/JANKER, MPU – Begutachtung, 2. Auflage, Seite 40 Fn 106 mit Hinweis auf  Umdeutsch DVWG 81 und auf OVG Münster VRS 68, 395; A. Müller BA 83, 63, 64, empfohlen.

 

 

3.2.4 Im Rahmen der der Berufungsverhandlung wurde im Beisein des Amtsarztes mit einem Fahrschulfahrzeug und unter Beaufsichtigung eines Fahrschullehrers eine Beobachtungsfahrt in der Dauer von 35 Minuten im Stadtgebiet von Wels und über das westliche gelegene Freiland hinaus im Sinne der FSG-GV durchgeführt.

Diese verlief im Ergebnis tadellos, wobei sich die Berufungswerberin gut in das Verkehrsgeschehen zu integrieren vermochte. Es konnten aus der Sicht des Amtsarztes und des zur Entscheidung berufenen Organs der Berufungsbehörde keine Defizite festgestellt werden, welche empirisch an der Fahreignung aufkommen lassen könnten.

Der Amtsarzt vermeinte abschließend im Rahmen seiner Gutachtensergänzung, dass dennoch eine Befristung und eine Verlaufskontrolle in Form von der Vorlagepflicht von vierteljährlichen  Kontrolluntersuchungen geboten wären. Im Falle der Unauffälligkeit sollte eine Neubeurteilung der Einschränkung erfolgen.

Dieser Empfehlung trat weder die Berufungswerberin noch die Behörde erster Instanz entgegen.

Sohin vermag sich unter Einbeziehung der auf Grund der Gutachten gesicherten Diagnostik auch die Berufungsbehörde dieser Empfehlung anzuschließen.

 

4. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Im Sinne des § 3 Abs.1 Z3 FSG ist eine Lenkberechtigung Personen zu erteilen, wenn sie u.a. gesundheitlich geeignet sind ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

Der § 8 Abs.2 FSG lautet:

Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

 

§ 3. Abs.1 FSG-GV lautet:

Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

  1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

  2. die nötige Körpergröße besitzt,

  3. ausreichend frei von Behinderungen ist und

  4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen.

Die Gutachten sind auf ihre Schlüssigkeit und inhaltliche Nachvollziehbarkeit, sowie auch auf ihre Verhältnismäßigkeit der Auswirkung hin zu überprüfen. Gemäß § 8 Abs.2 FSG hat sich die Behörde mit Gutachten und somit auch der verkehrspsychologischen Stellungnahme(n) inhaltlich auseinander zu setzen (VwGH 20.2.2001, 98/11/0312). Diesbezüglich ist der empirischen Beurteilung des Lenkens eines Kfz abstrakt gesehen zumindest die gleiche Aussagekraft zuzuerkennen. Dies geschah hier mit der Beobachtungsfahrt, dessen konkretem Ergebnis hier eine höhere Aussagekraft als hier dem kraftfahrspezifischen Testverfahren zuzuordnen ist, wobei ein Proband dabei nicht zuletzt in der Überforderung mit der Testumgebung ein positives Ergebnis versagt bleiben kann.

Das wurde oben ausführlich dargelegt und mit Fachliteratur unterstrichen.

Was die Feststellung und Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit anlangt, wird insbesondere auch auf die in der Judikatur vertretene Auffassung verwiesen, wonach es im Einzelfall nachvollziehbar sein muss, warum Testergebnisse eines Probanden nach Auffassung der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle außerhalb der Norm liegen und wohl auch inwieweit dies einen adäquaten Rückschluss auf die tatsächliche Fahreignung zulässt (vgl. zB. VwGH 21.4.1998,  96/11/0190 und  VwGH 20.9.2001, 99/11/0162).

Der Amtsarzt hob insbesondere hervor, dass selbst der Verkehrspsychologe die Ursache des Versagens beim Test nicht zu erklären vermochte und vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Beobachtungsfahrt dieses auf empirischer Basis  widerlegt sei. Betreffend die ausgesprochene Befristung und die Auflage, die gemäß § 2 Abs.3 FSG-DV in den Führerschein einzutragen ist, bedarf es unter Hinweis auf die Rechtslage keiner weitergehenden Erörterungen (§§ 2 Abs.3, 8 Abs.5 FSG-GV). 

Auch die Auflage, die ohnedies angesichts der medizinisch indizierten Untersuchungen auch der Behörde nachzuweisen vermag vor diesem Hintergrund nicht entgegengetreten werden. Daher kann hier, in  dem anlässlich der Berufungsverhandlung präzisierten  amtsärztlichen Gutachten gedeckt,  kein Widerspruch zur Judikatur der Befristungsvoraussetzungen für eine Lenkberechtigung erblickt werden (vgl VwGH 18.1.2000, 99/11/0266; 24.4.2001, 2000/11/0337; 24.11.2005, 2004/11/0121, ua)

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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