Linz, 18.09.2008
Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in: Zimmer, Rückfragen:
Hermann Bleier, Mag. Dr., Mitglied 3B09, Tel. Kl. 15695
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn DI G T vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, S 52 M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 14.11.2007, Zl. VerkR21-376-2008 Ga VerhR21-377-2008 Ga, nach der am 17.09.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Entzugsdauer, sowie die ausgesprochenen Verbote auf vier (4) Monate reduziert werden.
Der sinngemäße Ausspruch, wonach "im Falle eines negativen gesundheitlichen Eignungsgutachtens der Entzug nicht bis zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung durch die Vorlage eines positives Gutachtens iSd § 8 FSG nicht ende" wird als rechtswidrig festgestellt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG, § 3 Abs.1 Z2, § 7 Abs.1, Abs.3 Z1, Abs.4 u. Abs.6, § 24 Abs.3 Z3, § 26 Abs.2 Führerscheingesetz – FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2008.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.7.2008 die Vorstellung über ihren Mandatsbescheide vom 16.04.2008, Zlen. VerkR21-376 u. 377-2008 Ga, nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren abgewiesen und ihren Bescheid im gesamtem Umfang bestätigt.
Darin wurde dem Berufungswerber Lenkberechtigung (Führerschein, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 25.08.1993, Zahl: VerkR-0501/584/1993) für die Klassen "A (V), B"
1. wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen und
2. ausgesprochen, dass ihm auf die Dauer von 5 (fünf) Monaten - gerechnet ab 04.04.2008 bis einschließlich 04.09.2008 - keine Lenkberechtigung erteilt werden dürfe;
3. wurde ihm das Lenken eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges ab Zustellung des Bescheides bis einschließlich 04.09.2008 wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit verboten;
4. wurde ihm das Recht von einer allfällig erworbenen ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, für den Zeitraum, in dem ihm keine österreichische Lenkberechtigung erteilt werden darf, aberkannt;
5. wurde ihm aufgetragen sich auf seine Kosten einer Nachschulung bei einer vom Landeshauptmann ermächtigten Stelle und
6. gemäß § 24 Abs.3 FSG ausgesprochen, dass vor der Wiedererteilung der Lenkberechtigung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen ist.
Ebenfalls wurde der Hinweis getätigt, wonach - falls dieses Gutachten auf „nicht geeignet" lauten sollte - der Entzug nicht bis zum Nachweis seiner gesundheitlichen Eignung durch Beibringung eines gem. § 8 FSG entsprechenden amtsärztlichen Gutachtens ende.
Gestützt wurde der Bescheid auf §§ 24 Abs. 1 und 3, 7 Abs.1 und 3, 25 Abs.1 und 3, 25 Abs. 2 iVm. § 8 Abs. 1, 26 Abs. 2, 30 und 32 Abs. 1 Z.1 des Führerscheingesetzes-FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 in der geltenden Fassung (gemeint wohl idF BGBl. I Nr. 31/2008).
Der Berufung wurde im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung nach § 64 Abs.2 FSG aberkannt.
1.2. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:
II. Da Personen, welche die Verkehrszuverlässigkeit nicht besitzen, eine unmittelbare Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen, war im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug einer etwaigen gegen diesen Bescheid einzubringenden Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen."
2. Der Berufungswerber tritt dem angefochtenen Bescheid fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit folgenden Ausführungen entgegen:
gelassen.
3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Das Beweisverfahren war mit dem die Vorfrage indizierenden Verwaltungsstrafverfahren (VwSen-163482 zu verbinden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG).
3.1. 3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Aktenlage beider Verfahren. Die polizeiliche Anzeige befand sich nur dem Führerscheinakt angeschlossen. Die einschreitenden Polizeibeamten Inspin. W (vorher W) u. RevInsp. M wurden als Zeugen einvernommen. Der Berufungsverhandlung persönlich teilnehmende Berufungswerber wurde als Beschuldigter gehört. Ebenso nahm eine Vertreterin der Behörde erster Instanz an der Berufungsverhandlung teil. In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurde ein Luftbild über die Anzeigeörtlichkeit beigeschafft.
4. Sachverhaltslage:
In Bindung an die Feststellungen im Verwaltungsstrafverfahren kann hier zusammenfassend festgestellt werden, dass der Berufungswerber die Atemluftuntersuchung verweigerte. Die Aufforderung dazu erfolgte auf Grund der deutlichen Alkoholisierungssymptome und des darauf gestützten Verdachtes einer tatsächlichen Alkoholisierung zu Recht.
Andererseits hat das Beweisverfahren aber auch ergeben, dass der Berufungswerber nur ein ganz kurzes Stück, vermutlich um sein Fahrzeug umzuparken, gelenkt haben dürfte.
Bezüglich der vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers aufgezeigten vermeintlichen Widersprüchlichkeit über den Verweigerungszeitpunkt und die vermeintlich noch nicht abgeschlossene Amtshandlung ist ebenfalls auf die Ausführungen im Verwaltungsstrafverfahren verwiesen werden (h. Erk. v. 18.9.2008. VwSen-163482/./Br). Dieser Verantwortung wurde nicht gefolgt.
Festzustellen ist an dieser Stelle, dass hier durch die Einvernahme der in Wels aufhältigen Zeugen im Rechtshilfeweg zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führte, was hier den Berufungswerber in einem wirksamen Rechtsmittel insofern verkürzte, als er die Lenkberechtigung um vier Wochen früher wieder erklangt hätte, d. h. die hier korrigierte Entzugsdauer als sogenannter "kalter Entzug" wirksam wurde.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Der Schuldspruch wegen der Übertretung nach § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 ist in Rechtskraft erwachsen. Dieser ist für dieses Verfahren präjudiziell (vgl. VwGH 20.2.2001, 98/11/0306 VwGH 22.2.1996, 96/11/0003 jeweils mit Vorjudikatur).
§ 7 Abs.1 FSG: Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
(5) Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
§ 24 Abs.1 FSG: Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen. ...
..."
§ 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 lautet (auszugsweise):
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht ...
...
b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht;
..."
5.1. Anders als bei der verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung der Verweigerung der Atemluftuntersuchung kommt es bei der Entziehung der Lenkberechtigung nach dem klaren Wortlaut des § 7 Abs.3 Z1 FSG 1997 (...GELENKT ODER IN BETRIEB GENOMMEN UND HIEBEI...) für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache auch entscheidend auf das tatsächliche Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges durch die betreffende Person an, sodass die Kraftfahrbehörde, wenn das Lenken oder Inbetriebnehmen des Fahrzeuges – hier in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand - bestritten würde, diese Frage selbstständig zu prüfen und zu beurteilen hätte (VwGH 20.2.2001, 2000/11/0319 mit Hinweis auf VwGH 23.5.2000, 2000/11/0065). Ein solches Beweisergebnis liegt vor dem Hintergrund einer klar zu vermutenden Alkoholisierung des Berufungswerbers nicht vor.
5.2. Als verfehlt erweist sich die Wertung der Behörde erster Instanz, die zum Ausdruck bringt, obwohl einerseits eine Anfrage bei der "Wohnsitzpolizeidienststelle" keine weiteren Tatsachen bekannt wurden die seine Verkehrszuverlässigkeit "in Zweifel setzen" würden, andererseits aber aus dem Recht eines Beschuldigten sich frei zu verantworten ein Rückschluss auf seine länger währende Verkehrsunzuverlässigkeit gezogen wird. Mit Blick darauf erweist sich der über der Mindestentzugsdauer ausgesprochene Entzug objektiv und augenfällig jeder sachlichen Rechtsgrundlage entbehrend und sohin rechtswidrig.
Offenbar verkannte die Behörde erster Instanz, dass die Frage der Dauer Verkehrsunzuverlässigkeit nicht an außergesetzlichen und an subjektiven Wert- bzw. Unwertvorstellungen (hier in der Form der Verantwortung des Rechtsmittelwerbers) und Wertepräferenzen gemessen und dies "gleichsam" zum Sanktions- und Erziehungsmittel zur Anwendung gebracht werden dürfte. Eine solche Betrachtung ist den Tatsachen- u. Wertungskriterien des § 7 Abs.3 u. 4 FSG fremd. Da es insbesondere in diesen Verfahren um nachhaltige Eingriffe in die zivilrechtliche und nicht zuletzt in den Schutzbereich der EMRK reichende Interessenssphären geht, bedarf jeder Entzug – wenn er über der Mindestentzugsdauer liegt – einer nachvollziehbaren sachlichen Begründung.
Ebenfalls festzustellen ist, dass der Gesetzgeber andererseits über das Konzept einer Fahrt keine Differenzierung der Verkehrszuverlässigkeit zulässt. Hier hat der Berufungswerber sein Fahrzeug – aus welchen Gründen auch immer – in der gänzlich verkehrsarmen Zeit nur eine kurze Wegstrecke bewegt. Ungleiches muss in den Rechtsfolgen differenziert nämlich am Gedanken des Gleichbehandlungs- und Sachlichkeitsgrundsatz beurteilt werden. Daher wäre insbesondere vor diesem Hintergrund keine über die durch den Gesetzgeber vorgenommene antizipative Wertung kein zusätzlicher Raum für die Wertung der Dauer für die Verkehrsunzulässigkeit durch die Behörde indiziert gewesen.
Abschließend sei noch bemerkt, dass in einem Entzugsverfahren nach § 7 Abs.3 FSG (fehlende Verkehrszuverlässigkeit) nicht gleichzeitig die Basis für einen "vorsorglichen" und im Ergebnis einem Rechtsmittel sich entziehenden Entzugsausspruch - wegen einer möglichen zukünftigen gesundheitlichen Nichteignung – bilden kann. Damit würde einem Betroffenen gleichsam ein Rechtsmittel für ein noch nicht bestehendes und auf eine andere Rechtsgrundlage – nämlich die gesundheitliche Eignungsfrage - zu stützendes Faktum genommen. Ein allenfalls zu Unrecht erstelltes "negatives" Gutachten wäre so nicht (mehr) gesondert anfechtbar.
Der Berufung kam mit Blick auf die ausgesprochene Entzugsdauer Berechtigung zu.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r