Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550427/3/Wim/Rd/Ps

Linz, 20.10.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über den Antrag der Architekten L ZT-Gesellschaft OEG,  vertreten durch D S C Rechtsanwalts-Partnerschaft, W, W, vom 14.10.2008 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Marktgemeinde B betreffend den Widerruf des geladenen Architektenwettbewerbs  "Neubau einer gemeinsamen Volksschule samt Turnsaal" mit anschließendem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Ausloberin/Auftraggeberin Marktgemeinde B die Erklärung des Widerrufs des geladenen Wettbewerbs bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungs­verfahren, längstens aber bis 14.12.2008, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 14.10.2008 hat die Architekten L ZT-Gesellschaft OEG (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Erklärung des Widerrufs des geladenen Wettbewerbs bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 450 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die G G, Gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (kurz: G) als vergebende Stelle für die Auftraggeberin/Ausloberin in einem geladenen Architekturwettbewerb ohne vorherige Bekanntmachung den Dienstleistungsauftrag "Neubau einer gemeinsamen Volksschule samt Turnsaal in B" ausgeschrieben habe. Grundlage dieses Vergabeverfahrens sei die Auslobungs- bzw Ausschreibungsunterlage vom 27.8.2007 (kurz: AU). Gegenstand des Wettbewerbs sei die Erlangung von Vorentwürfen für den Neubau einer gemeinsamen Volksschule samt Turnsaal. Gemäß Pkt. A.4.1. der AU wurden sechs Architekten zur Teilnahme eingeladen, darunter neben der Antragstellerin auch die Architekten DI FH P, Ing. Mag. K und DI M. Die Ausschreibung habe eine Fragebeantwortungsrunde sowie ein Hearing vor Abgabe der Wettbewerbsarbeiten vorgesehen. Die Wettbewerbsarbeiten waren bis 29.10.2007, 17.00 Uhr, hinsichtlich der Pläne sowie bis 5.11.2007, 17.00 Uhr, hinsichtlich des Modells bei der G einzureichen. Die Ausschreibung habe in Pkt. A.12 neben Angaben über die Zusammensetzung des Preisgerichtes Bestimmungen über den weiteren Verfahrensverlauf enthalten.

 

Von fünf der sechs geladenen Wettbewerbsteilnehmer seien zeitgerecht Wettbewerbsarbeiten eingereicht worden. Als Termin für das Zusammentreten des Preisgerichts sei der 22.11.2007 bestimmt worden. Unter Wahrung der Anonymität der hinter den eingereichten Wettbewerbsarbeiten stehenden Architekten sei am 22.11.2007 vom Preisgericht die Beurteilung in insgesamt drei Wertungsvorgängen vorgenommen worden. Im ersten Wertungsdurchgang sei das Projekt Nr. 12, welches nach Aufhebung der Anonymität im Anschluss an die Jurybewertung als jenes  des Architekten DI M identifiziert wurde, und im zweiten Wertungsdurchgang das Projekt Nr. 13 einstimmig aus der Wertung genommen worden. Im dritten Wertungsdurchgang sei zwischen den beiden verbliebenen Projekten Nr. 14 und Nr. 15 mit 6:3 Stimmen das Projekt Nr. 14 als Sieger gekürt worden. Im Anschluss an den dritten Wertungsdurchgang seien die Verfasserbriefe der Wettbewerbsarbeiten geöffnet und die Projekte den zur Teilnahme am Wettbewerb geladenen Architekten zugeordnet worden. Demnach sei das siegreich hervorgegangene Projekt Nr. 14 jenes der Antragstellerin und das zweitgereihte bzw als Nachrücker gereihte Projekt Nr. 15 jenes des Architekten Ing. K. Gereiht seien nur die Projekte Nr. 14 und Nr. 15. Insbesondere sei das Projekt Nr. 12 des Architekten DI P nicht gereiht worden, da es vom Preisgericht bereits im ersten Wertungsdurchgang einstimmig aus der Wertung genommen worden sei.

Das Preisgericht habe dem Auslober einstimmig empfohlen, den Verfasser des ersten Preises (Antragstellerin Projekt Nr. 14) mit den weiteren Planungsarbeiten unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Preisgerichtes zu beauftragen.

 

Mit Schreiben vom 13.12.2007 sei die Antragstellerin von der G unter Hinweis auf § 155 Abs.10 BVergG davon verständigt worden, dass sie als Gewinnerin des Wettbewerbs zum Verhandlungsverfahren zugelassen und für den 18.12.2007 zur Verhandlung und zur Vergabe des Dienstleistungsauftrages für das verfahrensgegenständliche Projekt eingeladen werde. Ferner sei die Antragstellerin ersucht worden, bis 17.12.2007 ein schriftliches Honoraranbot auf Basis des "Mustervertrages für Architektenleistungen für Hochbauvorhaben der Gemeinden für Oberösterreich" an die Auftraggeberin zu richten. Am 18.12.2007 habe das vereinbarte Verhandlungsgespräch auf Basis des von der Antragstellerin gelegten Honoraranbots stattgefunden und seien sämtliche für den Vertragsabschluss notwendigen Details erörtert und zwischen den Parteien einvernehmlich vereinbart worden. Die Auftraggeberin habe am Ende des erfolgreich verlaufenen Verhandlungsgesprächs auch den Abschluss des Verhandlungsverfahrens bekannt gegeben; dies sei in der Niederschrift über das Verhandlungsgespräch festgehalten worden.

 

Am 14.12.2007 wurde vom zweitgereihten Architekten Ing. K ein Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung über seine Nichtzulassung zur Teilnahme am gegenständlichen Verhandlungsverfahren beim UVS Oberösterreich eingebracht. Mit Entscheidung vom 29.2.2008 wurde der Antrag  des Architekten Ing. K zurückgewiesen und habe daher die Entscheidung der Auftraggeberin über die Nichtzulassung sämtlicher anderer Teilnehmer Bestandskraft.

 

In seiner Sitzung vom 14.4.2008 habe der Gemeinderat der Marktgemeinde B mit 13:12 Stimmen den Beschluss gefasst, abweichend von der Entscheidung des Preisgerichts vom 22.11.2007, das Projekt Nr. 12, also jenes Projekt, das vom Preisgericht bereits im ersten Wertungsdurchgang einstimmig aus der Wertung genommen wurde, zum Siegerprojekt zu erklären und das Projekt der Antragstellerin  auf den zweiten Platz zu reihen. Nachdem der Bürgermeister der Marktgemeinde B am 14.4.2008 den Beschluss sistiert hatte, habe der Gemeinderat in seiner Sitzung am 28.4.2008 wiederum mit 13:12 Stimmen einen Beharrungsbeschluss gefasst. Am 24.6.2008 habe die G mitgeteilt, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 14.4.2008 und 28.4.2008 mit Stimmenmehrheit den Beschluss gefasst habe, dass die Gewinner des Wettbewerbs wie folgt festgelegt werden:

"Erster Platz: Architekt DI FH J P, zweiter Platz: Architekten L, dritter Platz: Architekt DI A M"

 

Dementsprechend sei die Antragstellerin informiert worden, dass mit Architekt DI P als nunmehr erstgereihtem Gewinner des Wettbewerbs ein Verhandlungsverfahren gemäß § 30 Abs.2 Z6 BVergG durchgeführt werde und die übrigen Teilnehmer des Wettbewerbs nicht zum Verhandlungsverfahren zugelassen werden. Ferner sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass das Verhandlungsverfahren mit ihr abgebrochen werde.

 

Die Antragstellerin habe in weiterer Folge die mit 24.6.2008 mitgeteilten Entscheidungen beim Oö. Verwaltungssenat angefochten. Mit Erkenntnis vom 4.7.2008 sei die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens bis 1.9.2008 untersagt worden; am 22.8.2008 erfolgte die amtswegige Erstreckung der einstweiligen Verfügung bis zum 1.11.2008.

 

In der Sitzung am 18.8.2008 habe der Gemeinderat der Marktgemeinde B mit 13:12 Stimmen den Beschluss gefasst, den Architekturwettbewerb für den Neubau der gemeinsamen Volksschule samt Turnsaal sowie das mit der Antragstellerin geführte Verhandlungsverfahren zu widerrufen. Nachdem der Bürgermeister der Marktgemeinde B den Beschluss vom 18.8.2008 sistiert hatte, habe der Gemeinderat in seiner Sitzung am 1.9.2008 wiederum mit 13:12 Stimmen einen Beharrungsbeschluss gefasst.

 

Mit Schreiben vom 7.10.2008 sei die Antragstellerin von der Absicht der Marktgemeinde B, den geladenen Architektur­wettbewerb Neubau einer gemeinsamen Volksschule samt Turnsaal zu widerrufen, verständigt worden. Im gleichen Schreiben sei auch die Absicht bekannt gegeben worden, das Verhandlungsverfahren, welches der Herr Bürgermeister am 18.12.2007 mit der Architekten L Gesellschaft OEG geführt habe, zu widerrufen.

 

Weiters wurden Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrages von der Antragstellerin getätigt.

 

Durch die Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung, den geladenen Architekturwettbewerb zu widerrufen, erachte sich die Antragstellerin in ihren Rechten auf

-        Teilnahme an einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren;

-        eine zu ihren Gunsten lautende Zuschlagsentscheidung mit nachfolgender    Zuschlagserteilung bzw eine zu ihren Gunsten erfolgende          Zuschlagsentscheidung (ohne vorherige Bekanntgabe einer zu ihren        Gunsten lautenden Zuschlagsentscheidung) im anschließend mit ihr als          Gewinnerin des Wettbewerbs geführten Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung;

-        Durchführung eines transparenten Vergabeverfahrens;

-        Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung;

-        ordnungsgemäße und rechtskonforme Durchführung, Fortsetzung und         Beendigung des Wettbewerbs bzw Vergabeverfahrens;

-        Teilnahme an einem vergaberechtskonform abgehaltenen geladenen Wettbewerb;

-        rechtskonforme Beendigung des gegenständlichen Wettbewerbs bzw          Vergabeverfahrens;

-        Nicht-Widerruf des Wettbewerbs ohne Vorliegen der gesetzlichen       Voraussetzungen,

verletzt.

 

Zum Schaden führt die Antragstellerin aus, dass ein unwiederbringlicher Schaden durch den Entgang des gebührenden Auftrags drohe und damit ein Verdienst in Höhe von branchenüblichen zumindest 15 % der Auftragssumme und somit rund 23.000 Euro entgehe. Weiters drohe der Entfall des Deckungsbeitrages in Höhe von zumindest 25.000 Euro und drohen weitere ca 30.000 Euro (Teilnahmeaufwand) frustriert zu werden. Ferner drohe der Antragstellerin  ein Schaden in Form eines Reputationsverlustes, der sich dadurch manifestiere, dass die Antragstellerin seit Bekanntwerden der rechtswidrigen Verfahrensabwicklung durch die Auftraggeberin zur Teilnahme an Wettbewerben nicht mehr eingeladen werde. Zudem drohe der Verlust eines Referenzprojekts.

 

Dass die Antragstellerin ein maßgebliches Interesse am Vertragsabschluss habe, sei durch die Teilnahme am Wettbewerb, durch Abgabe einer Wettbewerbsarbeit und die Legung eines Angebots im im Anschluss an den Wettbewerb mit ihr geführten Verhandlungsverfahren dokumentiert. Zusätzlich werde ihr Interesse am Vertragsabschluss auch durch die Anfechtung dieser rechtswidrigen Widerrufsentscheidung der Auftraggeberin, der parallel erfolgten Anfechtung des rechtswidrigen Widerrufs des mit der Antragstellerin geführten Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung sowie durch Anfechtung der im Nachprüfungsantrag vom 1.7.2008 in Punkt 1.2. näher bezeichneten rechtswidrigen Entscheidungen der Auftraggeberin dokumentiert.

 

Die Entscheidung der Auftraggeberin, den geladenen Architekturwettbewerb zu widerrufen, sei rechtswidrig. Dies schon deshalb, da der Wettbewerb bereits Bestandskraft erlangt habe und nicht mehr widerrufen werden könne. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, liege weder der von der Auftraggeberin geltend gemachte zwingende Widerrufsgrund gemäß § 155 Abs.11 iVm § 139 Abs.1 Z2 BVergG noch ein sachlicher Widerrufsgrund gemäß § 155 Abs.11 iVm § 139 Abs.2 Z3 BVergG vor.

 

Ein zwingender Widerruf eines Wettbewerbs in der Phase nach Vorlage der Wettbewerbsarbeiten sei gemäß § 155 Abs.11 iVm § 139 Abs.1 Z2 BVergG nur dann zulässig, wenn Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten. Solche Umstände würden nicht vorliegen.

Der zwingende Widerruf werde von der Auftraggeberin im Kern darauf gestützt, dass der Gemeinderat, das für die Entscheidung über den Gewinner des Wettbewerbs zuständige Organ der Gemeinde, erst am 14.4.2008 die Entscheidung getroffen habe, wer Gewinner des Wettbewerbs sei, wobei er die vom Preisgericht vorgenommene Reihung der Wettbewerbsarbeiten abgeändert und durch seine eigene Entscheidung ersetzt habe. Da zu diesem Zeitpunkt allerdings die Anonymität der Wettbewerbsteilnehmer nicht mehr gegeben gewesen sei und auch die Zusammensetzung des Gemeinderates nicht den für die Zusammensetzung des Preisgerichts geltenden Bestimmungen entspreche, müsse der Wettbewerb zwingend widerrufen werden. Diese Argumentation sei nicht stichhaltig. Die Auftraggeberin gehe zunächst irrigerweise von der Annahme aus, dass die AU nicht dem Preisgericht, sondern ihm selbst die inhaltliche Entscheidung über die Reihung der Wettbewerbsarbeiten anhand der Beurteilungskriterien im Rahmen des Wettbewerbs auftrage. Der Fortgang des Vergabeverfahrens nach Vorliegen des Wettbewerbsergebnisses sei in Pkt A.12. der AU explizit geregelt. Die Auftraggeberin stütze ihre Auffassung auf die in der AU in Pkt. A.10. festgelegte Regelung und meine, dass damit dem Auslober die inhaltliche Entscheidung übertragen worden sei. Dabei werde zunächst übersehen, dass die Regelung in Pkt A.10 der AU nicht isoliert, sondern vielmehr unter Berücksichtigung ihres vergaberechtlichen Kontextes auszulegen sei. Bei genauer Betrachtung der AU gehe hervor, dass die Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten und Reihung der Gewinner – wie bei allen Architekturwettbewerben üblich – durch das Preisgericht erfolgen werde und nicht durch den Auslober. An keiner Stelle der AU werde die – ohnehin rechtswidrige – Zuständigkeit des Auslobers zur Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten nach den Beurteilungskriterien festgelegt. Wäre tatsächlich eine Zuständigkeit des Auslobers zur Beurteilung gewollt gewesen, so hätte diese ungewöhnliche und rechtswidrige Bestimmung ausdrücklich in der AU vorgesehen werden müssen. In einem solchen Fall wäre es ferner nicht notwendig gewesen, in der AU eine Bestimmung über die personelle Zusammensetzung des Preisgerichts zu treffen. Das zwingend zu absolvierende Hearing hatte vor dem Preisgericht (und nicht dem Auslober) zu erfolgen. Bei den Terminen des Wettbewerbs sei als zeitlich letzter Termin die Sitzung des Preisgerichts (und nicht des Auslobers) am 22.11.2007 angeführt.

Schließlich werde in Pkt. A.5 der AU die Geltung der Wettbewerbsordnung Architektur der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (WOA) Stand 16.10.2000 festgelegt, soweit diese nicht durch die vorliegende Ausschreibung ergänzt oder abgeändert werde. Die in der WOA hinsichtlich der Funktion des Preisgerichts festgehaltenen Grundsätze werden durch die vorliegende Ausschreibung nicht abgeändert. Dazu zähle insbesondere auch der Grundsatz, dass das Preisgericht in allen Fach- und Ermessensfragen unabhängig, unanfechtbar und endgültig entscheidet. Das Preisgericht sei verpflichtet, vor Aufhebung der Anonymität der Teilnehmer eine Entscheidung zu treffen, welche den Wettbewerb beendet, und einen Gewinner zu ermitteln. Zu den Aufgaben des Preisgerichts zähle insbesondere auch die Reihung, Auswahl bzw Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten, die Zuerkennung der in der AU vorgesehenen Preise und die Abgabe von Empfehlungen an den Auslober. Allen diesen Grundsätzen werde durch die vorliegende Ausschreibung nicht widersprochen, weshalb sie zur Anwendung kommen.

 

Bei dem von der Auftraggeberin durchgeführten "Geladenen Architekturwettbewerb" handle es sich um einen sogenannten Realisierungswettbewerb iSd § 26 Abs.3 BVergG. Dieser habe im Übrigen den Anforderungen des § 155 BVergG zu genügen. Aus dieser Regelung ergebe sich, dass die Unabhängigkeit des Preisgerichts bei seiner Tätigkeit und die Anonymität der Verfasser der Wettbewerbsarbeiten zu den elementaren Grundsätzen eines dem BVergG unterliegenden Wettbewerbsverfahren gehöre. Mit diesen Prinzipien wäre es naturgemäß unvereinbar, wenn letztlich die Auftraggeberin eine davon abweichende Entscheidung treffen könne. Ein solches Konzept würde überdies dem Gebot der Transparenz und dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter zuwiderlaufen. Nur wenn das Preisgericht schwerwiegende Verfahrensfehler begangen oder die Beurteilungskriterien außer Acht gelassen habe, könne der Auftraggeber allenfalls von der Entscheidung des Preisgerichts abweichen. Andernfalls beschränke sich die Rolle des Auftraggebers nach Abschluss der Tätigkeit des Preisgerichts darauf, dessen Entscheidung zu vollziehen.

 

Die Auftraggeberin übersehe, dass die besonderen Verfahrensgarantien des Wettbewerbs durch das Preisgericht (und eben nicht vom Auslober) zu gewährleisten sind. So sei  etwa die Anonymität der Wettbewerbsteilnehmer gegenüber dem Preisgericht sicherzustellen, nicht aber gegenüber dem Auslober. Dies sei eben durch den Umstand gerechtfertigt, dass das Preisgericht (und eben nicht der Auslober) für die Beurteilung und Reihung der Wettbewerbsarbeiten berufen sei.

Bei einer vergaberechtskonformen Auslegung von Pkt. A.10. der AU beschränke sich die Rolle der Auftraggeberin im Wettbewerbsverfahren daher darauf, den Beschluss des Preisgerichts zu vollziehen, es sei denn, das Preisgericht hätte schwerwiegende Verfahrensfehler begangen oder die Beurteilungskriterien überhaupt außer Acht gelassen. Genau dies sei aber vorliegend nicht der Fall, zumal die Auftraggeberin selbst in der Begründung ihrer Widerrufsentscheidung nicht vorbringt, dass das Preisgericht einen solchen schweren Verfahrens- oder Beurteilungsfehler begangen hätte. Da die Gemeinde mit ihrer Entscheidung, einen geladenen Architekturwettbewerb durchzuführen, das Budget für die Preisgelder bereits genehmigt und die weitere Willensbildung – wie gesetzlich gefordert – auf ein Preisgericht übertragen habe, bleibe für eine vom Preisgericht abweichende Willensbildung der Gemeinde am Ende des Wettbewerbsverfahrens kein Raum.

 

Ferner sei die Behauptung, es sei nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeinderat das zuständige Organ beim Auslober, unrichtig. Die Zuständigkeit der Gemeinde im Rahmen des Wettbewerbsverfahrens beschränke sich darauf, die Willensbildung des Preisgerichts zu vollziehen. Da es sich dabei um einen ausschließlich außenwirksamen Akt handle, sei dafür nicht der Gemeinderat, sondern ausschließlich der Bürgermeister zuständig. Wie § 58 Abs.1 Oö. GemO vorsehe, vertrete der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Die dafür erforderliche Grundlage im Innenverhältnis ("Geschäftsführungsbefugnis") sei im Beschluss des Gemeinderats über die Durchführung des Architekturwettbewerbs und die Einsetzung des Preisgerichts zu erblicken. Damit habe der Gemeinderat seine Generalkompetenz nach § 43 Abs.1 Oö. GemO wahrgenommen. Für eine weitere Willensbildung des Gemeinderats nach Vorliegen der Entscheidung des Preisgerichts sei schon aus diesen und vergaberechtlichen Erwägungen kein Raum.

 

Selbst wenn man aber der Argumentation der Auftraggeberin, der Gemeinderat sei das zuständige Organ, folgen wolle, was ausdrücklich bestritten werde, seien die Handlungen, die der Bürgermeister als zur Vertretung der Gemeinde berufenes Organ im Rahmen des Verfahrens gesetzt habe, gegenüber der Antragstellerin und den anderen Wettbewerbsteilnehmern tatsächlich wirksam geworden. Auch aus diesem Grund könne eine Widerrufsentscheidung nicht auf die vermeintliche Verletzung von Organisationsvorschriften gestützt werden.

 

Die Entscheidung des Gemeinderats in seiner Sitzung vom 14.4.2008, die vom Preisgericht vorgenommene Reihung umzustoßen und mit einem vom Preisgericht nicht berücksichtigten Wettbewerbsteilnehmer ein Verhandlungs­verfahren zu führen, könne nur das willkürliche Vorgehen der Auftraggeberin darlegen. Denn, um nach ihren eigenen Verfahrensbedingungen einen anderen Architekten als die als Gewinnerin ermittelte Antragstellerin zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren auffordern zu können, musste die Auftraggeberin zunächst die vom Preisgericht vorgenommene und von ihr bestätigte Reihung der Gewinner des Wettbewerbs verändern. Schon die Vornahme dieser Umreihung durch die Auftraggeberin nach Abschluss des Wettbewerbs habe den Bestimmungen des BVergG ebenso wie ihren eigenen Vorgaben widersprochen. Wenn die Auftraggeberin nun diese rechtswidrigen Handlungen als Rechtfertigung für einen zwingenden Widerruf heranzuziehen suche, werde der willkürliche Charakter ihres Handelns geradezu evident.

 

Die Reihung der Wettbewerbsarbeit der Antragstellerin an die erste Stelle durch das Preisgericht und die an die Auftraggeberin ausgesprochene Empfehlung, die Antragstellerin mit den weiteren Planungsarbeiten zu beauftragen, sei daher im Einklang mit den Ausschreibungsbedingungen erfolgt. Die Auftraggeberin sei dieser Empfehlung unter Beachtung der von ihr selbst aufgestellten Verfahrensbedingungen auch gefolgt und habe die Antragstellerin zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren aufgefordert.  Den übrigen Wettbewerbsteilnehmern sei von der Auftraggeberin dementsprechend auch am 13.12.2007 die Entscheidung des Preisgerichts und ihre Nichtzulassung zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren mitgeteilt worden. Die Nichtzulassung zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren sei eine gesondert anfechtbare Entscheidung, und zwar die letzte im Rahmen eines Wettbewerbs bekämpfbare Entscheidung. Der zweitgereihte Gewinner habe im Übrigen seine Nichtzulassung zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat angefochten; der Nachprüfungsantrag wurde jedoch zurück- bzw abgewiesen. Die Zulassung bzw Nichtzulassung von Wettbewerbsteilnehmern habe mittlerweile Bestandskraft erlangt. Somit sei der Wettbewerb beendet und ein Widerruf aus diesem Grund nicht mehr möglich und unzulässig.

 

Es sei daher unrichtig, dass die Ausschreibung einen wesentlich anderen Inhalt hinsichtlich der Entscheidung und Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten gehabt hätte. Im Gegenteil: Hätte die Auftraggeberin tatsächlich die Zuständigkeit des Gemeinderats zur Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten vorsehen wollen, so hätte sie dies in der Ausschreibung entsprechend anders festlegen müssen. Eine solche Zuständigkeit begründe die Ausschreibung entgegen dem Vorbringen der Auftraggeberin gerade nicht, weshalb die nachträglichen Entscheidungen der Auftraggeberin, insbesondere jene vom 24.6.2008 und jene vom 7.10.2008 ganz frappant vergaberechtlichen Grundsätzen widersprächen.

 

Dass die Rechtswidrigkeit des Widerrufs von wesentlichem Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens sei, bedürfe keiner näheren Ausführung. Ohne Widerruf würde der Antragstellerin die Möglichkeit auf Erteilung des Zuschlags in dem im Anschluss an den Wettbewerb folgenden Verhandlungsverfahren gewahrt bleiben.

 

Der Widerruf eines Wettbewerbs in der Phase nach Vorlage der Wettbewerbs­arbeiten sei gemäß § 155 Abs.11 iVm § 139 Abs.1 Z3 BVergG nur dann zulässig, wenn dafür sachliche Gründe bestünden.

 

Als erster vermeintlich sachlicher Widerrufsgrund werde von der Auftraggeberin vorgebracht, dass ein Wettbewerbsgewinner nicht in einem Verfahren ermittelt werden solle, in dem gegen die zwei fundamentalen Grundsätze für Wettbewerbe, die bereits zur Rechtfertigung des Widerrufs aus zwingenden Gründen herhalten müssen, verstoßen werde. Wie bereits aufgezeigt, könnten die von der Auftraggeberin mit Schreiben vom 24.6.2008 mitgeteilten Entscheidungen zwar nicht anders als mit willkürlichem Verhalten umschrieben werden, diese rechtswidrigen Entscheidungen seien aber von der Antragstellerin ohnedies angefochten worden und könnten nach Nichtigerklärung derselben einem vergaberechtskonformen Abschluss des mit der Antragstellerin geführten Verhandlungsverfahrens daher nicht im Wege stehen. Auch der zweite vorgebrachte Widerrufsgrund, unabhängig davon, wie der Gemeinderat entscheide, seine Entscheidungen seien immer anfechtbar, bestehe nicht, denn er basiere auf der unrichtigen Interpretation der Auslobungsunterlagen, dass der Gemeinderat und nicht das Preisgericht die Wettbewerbsarbeiten zu beurteilen und den Gewinner des Wettbewerbs zu ermitteln und bestimmen habe. Der Wettbewerb sei bestandskräftig beendet und keiner neuerlichen Umreihung oder Neubestimmung der Gewinner durch den hierfür nicht zuständigen Gemeinderat zugänglich.

Beide von der Auftraggeberin vorgebrachten Gründe seien keine sachlichen Gründe, die einen Widerruf des Wettbewerbs – wäre er noch einem Widerruf zugänglich – rechtfertigen würden.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf die im Hauptantrag getätigten Ausführungen. Weiters stelle die Untersagung der Erklärung des Widerrufs das gelindeste Mittel dar. Der Erlassung einer einstweiligen Verfügung würden keine schwerer wiegenden, mögliche geschädigten Interessen anderer Wettbewerbsteilnehmer und der Auftraggeberin sowie kein allfälliges besonders öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens entgegenstehen. Im Gegenteil: Das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Abhaltung des vorliegenden Wettbewerbs bekomme aufgrund der Geschehnisse rund um diesen und das daran anschließende Verhandlungsverfahren, insbesondere die Vorgangsweise der Auftraggeberin im Rahmen der Gemeinderatssitzungen, besondere Bedeutung zu. Nach ständiger Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörden habe die Auftraggeberin im Übrigen die Möglichkeit eine durch ein Nachprüfungsverfahren für maximal zwei Monate bewirkte Verzögerung der Auftragsdurchführung bei der Terminplanung zu berücksichtigen. Eine Gefahr für Leib und Leben liege keinesfalls vor. Das Interesse der Antragstellerin auf Überprüfung des rechtswidrigen Vorgehens der Auftraggeberin überwiege daher jedenfalls eine ohnedies nicht ersichtliche besondere Interessenslage seitens der öffentlichen Auftraggeberin.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Marktgemeinde B als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Von der Auftraggeberin wurde keine Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgegeben.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die Marktgemeinde B ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Art. 14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Verbotes der Erklärung des Widerrufs nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass sie bei Weiterführung des Verfahrens den Auftrag erhalten würde, was bei einem Widerruf des Verfahrens nicht der Fall ist. Es war daher im Grunde des Vorbringens der Antragstellerin berechtigt, das Widerrufsverfahren bis zu einer endgültigen Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates über die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung auszusetzen. Nur im Fall des Vorliegens einer sachlichen Rechtfertigung für den Widerruf ist der Auftraggeberin eine nochmalige Durchführung des Vergabeverfahrens und daher eine Neuausschreibung gestattet. Ein ansonsten nach der Willkür der Auftraggeberin erklärter Widerruf würde den Vergabegrundsätzen, insbesondere, dass Verfahren zur Vergabe von Aufträgen nur dann durchzuführen sind, wenn die Absicht besteht, die Leistung auch tatsächlich zur Vergabe zu bringen, widersprechen.  

 

Darüber hinaus ist auch auf die ständige Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen zu verweisen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe, die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und damit einhergehende Verzögerungen ins Kalkül zu ziehen hat. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt dabei in der Natur der Sache. Da – wie bereits erwähnt – kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einer möglichst raschen Beendigung und Neudurchführung geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechts­widrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Untersagung der Widerrufserklärung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Widerrufserklärung für zwei Monate auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer 

 

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