Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300708/29/Ste/Wb

Linz, 22.09.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des M K, M, vertreten durch Dr. H S, Verteidiger in Strafsachen, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 28. November 2005, Zl. Sich96-169-2004, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 45 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 VStG

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 8. August 2008, Zl. 2006/09/0126-7, den Bescheid des Oö. Verwaltungssenats vom 30. Jänner 2006, VwSen-300708/14/Ste, mit dem die Berufung des Berufungswerbers (Bw) gegen das oben genannte Straferkenntnis erledigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof an, dass der Bw mit den geltend gemachten Ausführungen in seiner Beschwerde, dass aus dem Impressum im Sinne des § 24 Abs. 2 Mediengesetz eine Verantwortlichkeit des Bw für den Inhalt der gegenständlichen Publikation nicht abzuleiten sei und im Sinne der Offenlegungspflicht nach § 25 Mediengesetz der Bw weder als Redakteur noch als Herausgeber noch in sonstiger Weise als Verantwortlicher gemäß § 28 Mediengesetz aufscheine, im Ergebnis im Recht sei.

Nach Art. IX Abs. 1 Z. 4 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrengesetzen – EGVG 1991, BGBl. Nr. 50/1991 i.d.F. BGBl. I Nr. 137/2001, begehe derjenige, der nationsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes StGBl. Nr. 13/1945 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 25/1947 verbreitet dann, wenn diese Tat nicht gerichtliche strafbar ist, eine Verwaltungsübertretung und sei von der Bundespolizeidirektion mit Geldstrafe bis zu 2.180,- Euro und mit dem Verfall der Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, zu bestrafen. Im Fall der Z. 4 sei auch der Versuch strafbar.

Nach dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung des Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG wird das "Verbreiten" nationalsozialistischen Gedankengutes unter Strafe gestellt. Da dieses Gesetz eine Legaldefinition des Wortes "Verbreiten" nicht vorsieht, ist gemäß § 6 ABGB zunächst vom Wortsinn auszugehen.

Die belangte Behörde habe bereits insoweit zutreffend dargetan, dass unter "Verbreiten" jede Handlung zu verstehen sei, mit welcher derartiges Gedankengut einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werde, etwa das Verteilen von Flugzetteln (siehe dazu auch Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 78f). Der Tatbestand des Verbreitens werde weder durch Unterlassung (Untätigbleiben, Nichtverhindern) noch durch bloße Ermöglichung des Verbreitens erfüllt.

Eine (aktive) Verbreitung der Druckschrift sei dem Bw nicht unterstellt worden. Im gerichtlichen Strafrecht wie gleichermaßen auch im Verwaltungsstrafrecht (§ 1 Abs. 1 StGB, § 1 Abs. 1 VStG, vgl. auch Art. 7 Z. 1 EMRK) gelte ein grundsätzliches Analogieverbot. Es sei daher rechtswidrig gewesen, den Bw wegen eines Deliktes zur Verantwortung zu ziehen, dass nur die Tathandlung des unmittelbaren Täters unter Strafe stellt, der der Bw aber nicht gewesen sei.

 

2. Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG hat die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Auf der Basis der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, auf deren Begründung im Übrigen zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen verwiesen wird, ergibt sich, dass die dem Bw mit den oben genannten Straferkenntnis vorgeworfene Tat nicht strafbar war.

Die Strafverfahren waren daher einzustellen.

 

3. Bei diesem Ergebnis waren dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

Rechtssatz:

 

VwSen-300708/29/Ste/Wb

 

Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG (seit 1. Juli 2008: Art. 3 Abs. 1 Z. 4 EGVG) ; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 24 Abs. 2 Mediengesetz

 

Ersatzbescheid im Verwaltungsstrafverfahren nach Erkenntnis des VwGH vom 8. August 2008, Zl. 2006/09/0126

Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG stellt das "Verbreiten" nationalsozialistischen Gedankengutes unter Strafe. Unter "Verbreiten" ist jede Handlung zu verstehen, mit welcher derartiges Gedankengut einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werde, etwa das Verteilen von Flugzetteln (siehe dazu auch Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 78f).

Der Tatbestand des Verbreitens werde jedoch nicht durch Unterlassung (Untätigbleiben, Nichtverhindern) noch durch bloße Ermöglichung des Verbreitens erfüllt. Eine Verantwortlichkeit  für den Inhalt einer Publikation ist aus dem Impressum iSd § 24 Abs. 2 Mediengesetz nicht ex lege ableitbar und stellt damit nicht den Tatbestand des (aktiven) Verbreitens dar.

 

 

Beschlagwortung:

vgl. 300708/14/Ste

 

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