Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163498/3/Br/RSt

Linz, 10.10.2008

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der  unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch  sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn D U geb.    , B, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. B B, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 12. August 2008, Zl. VerkR96-4988-2007, nach der am 10.10.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

 

I.      Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass in Anwendung von § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.  Der Schuldspruch wird mit der Maßgabe bestätigt, dass anstatt des Jahres 2008  im Straferkenntnis das Jahr "2007" als Tatzeit zu setzten ist.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 21, § 24,  § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.

Zu II. § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis von der Bezirkshauptmannschaft Schärding, wegen Übertretungen nach § 106 Abs.5 Z2 u. § 106 Abs.1 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 160 Euro und für den Uneinbringlichkeitsfall 72 Stunden an Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ihm zur sinngemäß Last gelegt, er habe  am 22.08.2008 (richtig wohl 2007) um 21.15 Uhr den PKW mit dem deutschen Kennzeichen      auf dem Shell-Parkplatz des Shell-Autohofes ca. 20 m unmittelbar vor der Ausfahrt auf die L512 Reichersberger Straße auf Höhe von StrKm. 0,370 der L512 gelenkt, wobei zwei Kinder unter dem 14. Lebensjahr welche kleiner als 150 cm waren, ohne geeignete Kindersicherung befördert wurden.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Der strafbare Tatbestand ist durch die dienstliche Wahrnehmung eines Organs der PI S sowie im Grunde Ihrer eigenen Angaben als erwiesen anzusehen.

Rechtslage:

§ 106 Abs. 5 Ziffer 2 KFG

"Der Lenker hat dafür zu sorgen, dass Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, die kleiner als 150 cm sind, in Kraftwagen, ausgenommen Fahrzeuge der Klassen M2 und M3, nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwerdet werden, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringern."

 

§ 134 Abs. 1 KFG 1967:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer unter anderem diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt."

 

Sachlage:

Sie lenkten am 22.08.2007 um 21.15 Uhr den PKW Mercedes mit dem deutschen Kennzeichen     vom Parkplatz des Shell-Autohofes auf die vorbeiführende L512 Reichersberger Straße und wurden im Ausfahrtsbereich ca. 20 Meter unmittelbar vor der Ausfahrt auf die L512 kontrolliert. Der Parkplatz des Shell-Autohofes ist für jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzbar und handelt es somit um eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Bei der Kontrolle wurde festgestellt, dass sich auf der Rücksitzbank des von Ihnen gelenkten PKW Ihre beiden Töchter A (3) und A (7 Jahre) schlafend auf Polster liegend befanden. Beide Kinder waren nicht gesichert und befand sich auch keine geeignete Rückhaltevorrichtung im PKW. Bei der Kontrolle gaben Sie an, nach einem Parkplatz gesucht zu haben und würde sich Ihr Rechtsanwalt mit der Angelegenheit befassen.

 

Gegen die Strafverfügung vom 06.09.2008 erhoben Sie fristgerecht Einspruch, um die Situation aus Ihrer Sicht zu schildern. Dabei gaben Sie zu, dass Ihre Kinder zur Tatzeit nicht angeschnallt gewesen seien. Diesen Umstand begründeten Sie, dass sie die Fahrt über ordnungsgemäß angeschnallt gewesen seien, aber bei der Tankstelle, während Sie getankt hätten, die Gurte gelöst worden seien. Nachdem Sie mit Ihrer Tätigkeit fertig gewesen seien, hätten Sie bemerkt, dass die Kinder eingeschlafen seien. Somit hätten Sie auf diesem Parkplatz der Tankstelle parken wollen, damit auch Ihre Frau und Sie sich etwas erholen hätten können. Sie hätten es für nicht nötig erachtet, die Kinder für wenige Sekunden zu wecken und anzuschnallen, da die kurze Strecke zusätzlich kein fließend befahrener Straßenverkehr gewesen sei.

 

Nach § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz genügt zur Strafbarkeit fahrlässliches Verhalten und ist dies bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiters anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Zu dem ist die von Ihnen begangene Übertretung als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren, wohin das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal auf eines Erfolges besteht.

 

Sie haben zugegeben, dass zum Kontrollzeitpunkt die Kinder nicht angeschnallt waren. Es mag auch sein, dass Sie beim Shell-Autohof getankt haben, nachdem Sie vom Gelände dieses Autohofes auf die vorbeiführende Landesstraße fahren wollten. Nicht nachvollziehbar ist aber, dass Ihre beiden Töchter während des Tankvorganges eingeschlafen wären. Schließlich haben Ihren beiden Töchter aufgrund deren Alter eine Körpergröße und ein Körpergewicht, welche einen Kindersitz bzw. eine Sitzerhöhung im Zusammenhang mit dem Sicherheitsgurt benötigen. Derartige Gegenstände waren bei der Kontrolle jedoch nicht sichtbar im PKW, jedenfalls nicht auf der Rücksitzbank, sondern wurde diese von Ihren schlafenden Töchtern beansprucht. Zu diesem Zweck befanden sich auf der Rücksitzbank sogar Polster und ist somit davon auszugehen, dass Sie von Anfang an die Absicht hatten, dass Ihre Töchter auf der Rücksitzbank in den Abend- und Nachtstunden schlafen sollen. Nicht nachvollziehbar ist auch Ihr Hinweis, dass Sie auf diesem Parkplatz der Tankstelle parken hätten wollen, damit auch Ihre Frau und Sie sich etwas erholen könnten. Diese Parkflächen sind jedoch im näheren Umkreis der Tankstelle sowie des auf dem gleichen Parkplatz befindlichen Hotels, während bei der Kontrolle Sie das gesamte Gelände des Shell-Autohofes einschließlich der Parkplätze auch jene des Hotels verlassen wollten. Sie haben weder bei der Kontrolle noch im Einspruch angegeben, auf welchem Parkplatz Sie und Ihre Familie hätten schlafen wollen. Zusammenfassend ist jedenfalls festzustellen, dass Sie bei Beginn des Lenkens des Kraftfahrzeuges nicht darauf geachtet haben, dass Ihre Kinder durch entsprechende Rückhalteinrichtungen gesichert waren. Sie haben daher die Übertretung sowohl von der objektiven als auch von der subjektiven Tatseite zu verantwortlichen.

 

Durch die Nichtverwendung der Rückhalteeinrichtung wird die Verkehrssicherheit gefährdet und ist das Verschulden dieser Übertretung nicht geringfügig. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass eine mangelnde Kindersicherung ein Vormerkdelikt nach dem Führerscheingesetz darstellt. Es bedarf somit einer entsprechenden Sanktion, wobei der verhängte Strafsatz nach wie vor im untersten Bereich (ca. 3% ) des gesetzlichen Strafrahmens festgesetzt ist. Als erschwerend ist dabei zu berücksichtigen, dass zwei Kinder ungesichert waren, mildernd war die bisherige Unbescholtenheit zu berücksichtigen, wobei sich dieser Umstand auf den Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Schärding einschränkt, da Sie in Österreich keinen Wohnsitz haben und jede Tatortbehörde Strafbehörde ist.

 

In Abwägung des Verschuldensausmaßes ist der verhängte Strafsatz auch Ihren persönlichen Verhältnissen entsprechend bemessen anzusehen, indem ein monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1.200 Euro, Sorgepflicht für Gattin und 2 Kinder und kein Vermögen angenommen werden.

 

Die vorgeschrieben Verfahrenskosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet.."

 

 

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung erachtet sich der Berufungswerber unter Hinweis auf seine Einspruchangaben als zu unrecht bestraft. Er sei nur eine kurze Wegstrecke von der Tankstelle weggefahren und wollte die zwischenzeitig eingeschlafenen Kinder durch Anlegen der Gurte für die bloß zurückgelegte kurze Wegstrecke nicht aufwecken. Aus diesem Grunde habe er es nicht für nötig befunden die Kinder für diese kurze Wegstrecke anzugurten.

 

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Daraus ergibt sich in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen und dem Ergebnis der Berufungsverhandlung unter Anhörung des Meldungslegers der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

 

 

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine Berufungsverhandlung vor Ort schien zur Klärung des Sachverhaltes gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG geboten.

 

 

4. Unstrittig kann erwiesen gelten, dass der Berufungswerber die schlafenden Kinder auf dem Parkplatz der Autobahnstation Suben ungesichert am Rücksitz transportierte. Dabei handelt es sich zweifelsfrei um eine öffentliche Verkehrsfläche, wobei die zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers über die nicht vorhandene Sicherung mit einer geeigneten Rückhaltevorrichtung festgestellt wurde. Der Berufungswerber rechtfertigt dies wiederum mit der aus der Lebensnähe nachvollziehbarem Hinweis, er hätte die Kinder nicht aufwecken wollen was unweigerlich durch das Angurten bedingt gewesen wäre.

Nun steht aber auch fest, dass der Meldungsleger das Angurten für die Weiterfahrt forderte, was unmittelbar am Ort noch am Parkplatz auch ausgeführt wurde. Die von der Tankstelle bis zur Anhaltung zurückgelegte Wegstrecke beträgt geschätzte 150 m, wobei diesem Verhalten noch kein schlagend werdender Unwertgehalt zurechenbar ist, weil die Fahrgeschwindigkeit bis zur Anhaltung wohl kaum mehr als 20 km/h erreichen konnte. Das die Weiterfahrt allenfalls auch in diesem Zustand erfolgt wäre, kann dem Berufungswerber nicht zu Last fallen, weil eben nur die Tat als solche das an der Rechtslage zu beurteilende Substrat darstellt. Das es sich hierbei nicht mehr bloß um eine kurze Wegstrecke gehandelt hätte, welche die fehlende Sicherung von der Strafbarkeit noch nicht umfasst hätte kann hier aber auch nicht mehr die Rede sein. Daher wurde der Tatbestand iSd Kraftfahrgesetzes zu Recht zur Last gelegt.

Bei lebensnaher Betrachtung steht aber fest, dass der Berufungswerber lediglich die Kinder nicht wecken wollte und aus diesem Grund das Angurten unterblieb. Darin kann ein schuldmildernder Umstand erblickt werden, weil es doch wohl durchaus verständlich ist kleine Kinder auf einer langen Autofahrt schlafen zu lassen bzw. diese nicht zu wecken wenn sie endlich eingeschlafen sind.  Kein Zweifel besteht jedoch darin, dass das öffentliche Interesse im Sinne der Verkehrssicherheit, eben nur gesicherte Kinder im Kraftfahrzeug zu transportieren, überwiegt.

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

Auch aus der Judikatur des VfGH ist klar abzuleiten, dass die Gurtenpflicht nicht bloß dem Selbstschutz sondern auch dem Schutze öffentlicher Interessen dient. Diese Pflicht greift – so der VfGH – auch in keiner Weise in das Privatleben und ebenso wenig in ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht ein (Hinweis auf EMRK v. 13.12.1979, Nr. 8707/79, EuGRZ 1980, S 170).

Der mit dieser Rechtsvorschrift normierte Schutzgedanke trifft im besonderen Umfang für den Schutz von beförderten Kindern zu.

Die Behörde erster Instanz hat hier jedoch offenbar die Bestimmung des Abs.6 leg.cit. unbeachtet gelassen die in Abs. 5 unter Aufzählung von sechs Punkten besagt, dass

1. bei besonderer Verkehrslage, die den Nichtgebrauch der Rückhalteeinrichtung rechtfertigt, nicht gelten würde. Das wurde hier offenbar überhaupt nicht in Erwägung gezogen.

Dennoch vermag diese Fahrt am Parkplatz von der Tankstelle bis zur Ausfahrt nicht mehr als bloß kurzes und mit geringer Geschwindigkeit erfolgte Bewegen des Fahrzeuges qualifiziert werden. Das ergibt sich aus der Zeugenaussage mit Blick auf die offenkundige Absicht den Parkplatz zu verlassen und eben die Fahrt fortzusetzen. Hier wurde das Fahrzeug zumindest schon 150 m bewegt ehe es angehalten wurde. Sehr wohl geschah dies unter den achtenswerten Gründen die Kinder schlafen lassen zu wollen. Der Meldungsleger vermochte mit seiner Wahrnehmung jedenfalls nicht aufzuzeigen, dass mit dieser kurzen Fahrt auch nur Ansätze bereits nachteilige Folgen für die Sicherheit der Kinder einhergegangen wären.

Ebenfalls scheint sich die Behörde erster Instanz in keiner Weise mit der Verantwortung des Berufungswerbers über die Beurteilung der Tatschuld sowie der hinter dieser Tat konkret vermuteten (nachteiligen) Folgen inhaltlich auseinandergesetzt. Vielmehr hat sie sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung weitestgehend verschlossen. Dies gelangt insbesondere in der ausgesprochenen Strafhöhe von 160 Euro zu Ausdruck.

Die nur zur Schutzbehauptung erklärte inhaltliche Auseinandersetzung mit der durchaus nachvollziehbaren Darstellung des Berufungswerbers führte so zu einer nicht der Tatschuld angemessenen Bestrafung.

Dies war durch die Anwendung des § 21 VStG zu korrigieren.

Festzustellen ist, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG ein Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Bestimmung besteht. Maßgeblich für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass einerseits das Verschulden geringfügig ist und andererseits die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Dies trifft hier zu.

Was das am Tatbestand anknüpfende Vormerkdelikt anlangt ist im Rahmen dieses Verfahrens unbeachtlich.

Diesbezüglich wird jedoch auf das beim Verfassungsgerichtshof von h. angeregte u. unter G 4/08-4 protokollierte Prüfungsverfahren betreffend diesen Punkt des Vormerkregimes hinzuweisen, was im Zusammenhang mit der Eintragung der Vormerkung wegen dieses Schuldspruches rechtliche Relevanz erlangen dürfte.

Bei der verfehlten Bezeichnung des Jahres bei der Tatumschreibung handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler, der angesichts des richtigen Tatvorwurfes in der Strafverfügung lediglich im Berufungsbescheid richtig zu stellen war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

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