Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281084/18/Kl/Se

Linz, 20.10.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn H B, W, vertreten durch P Rechtsanwälte, Dr. P P, Dr. I P, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 3.4.2008, BZ-Pol-09005/2008, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25. September 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

– bei der verletzten Rechtsvorschrift der Ausdruck "jeweils" voran­zu­stellen ist und die Zitierung "und § 161" zu entfallen hat und

– die Strafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG zu lauten hat: "jeweils § 130 Abs.5 Einleitung ASchG".

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 1.000 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II: § 64 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 3.4.2008, BZ-Pol-09005-2008, wurde über den Berufungswerber (Bw) in 5 Fällen eine Geldstrafe von jeweils 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 46 Stunden, wegen jeweils einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.2 und § 161 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma M. R Gesellschaft m.b.H., W (Arbeitgeberin) zu vertreten hat, dass die Arbeitnehmer

 

1. M Z, SVNr.:    

2. R E, SVNr.:    

3. A D, SVNr.:  

4. T-A T, SVNr.:  

5. K L, SVNr.:   

 

sich im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit am 07.02.2008 am Dach des Objektes 16, in W N, zwischen Straße    und    , Aufstockung R (GSt     und GSt    ) befanden und die Arbeitnehmer diese Arbeit bei einer Absturzhöhe von ca. 11m und einer Dachneigung von ca. 0° verrichteten (dabei bestand Absturzgefahr von den Dachrändern), ohne dass Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden oder die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und Rechtswidrigkeit des Inhaltes und unverhältnismäßige Ermessensübung bei der Strafbemessung geltend gemacht. Begründet wurde dies damit, dass zur Absicherung der Dacharbeiten am Inspektionstag am 7.2.2008 unverzüglich eine Hebebühne vom Bauleitern Herrn F bestellt worden sei und den Bw daher kein Verschulden treffe. Der Bw habe ein effektives Kontrollsystem eingerichtet, sodass seine Arbeiter und Vorarbeiter angewiesen seien, an der Baustelle sämtliche Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen. Diese können auch die erforderlichen Geräte anfordern. Die Anweisung erfolge 2x jährlich und vergewissere sich der Beschuldigte in regelmäßigen Abständen von der Einhaltung seiner Anordnungen. Der Baustellenleiter sei angewiesen, sich zu vergewissern, dass die Arbeiter die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen verstanden haben. Zur Strafbemessung wurde dargelegt, dass weder Einkommens-, noch Vermögens- oder Familienverhältnisse des Beschuldigten dargelegt worden seien und sei die Ermessensübung auch unverhältnismäßig erfolgt, zumal die Summe ein solches Ausmaß erlange, welches weit über ein ganzes Monatsgehalt des Bestraften hinaus gehe. Es könne mit der Verhängung der Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden. Es wurde daher beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und Strafverfahren einzustellen, in eventu von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Der Berufung wurde eine Rechnung vom 7.2.2008 über die Beistellung einer Scherenbühne, sowie eine Gehaltsabrechnung vom Februar 2008 über ein monatliches Nettoeinkommen von 3.859,50 Euro beigeschlossen.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und in einer Stellungnahme ausgeführt, dass im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, welche zitiert wurde, ein effektives Kontrollsystem nicht nachgewiesen werden konnte. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten seien aufgrund eines Vorwurfes anlässlich der Aufforderung zur Rechtfertigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Geänderte Umstände habe der Beschuldigte nicht bekannt gegeben. Es wurde daher beantragt das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25. September 2008, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und bei der sie mit Ausnahme der belangten Behörde auch teilgenommen haben. Weiters wurden die Zeugen M Z, R E und C F geladen und einvernommen.

 

4.1. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest:

 

Am 7.2.2008 waren auf der Baustelle Wr. Neudorf "Penny-Lager" 5 Arbeitnehmer der M. R Ges.m.b.H. mit Sitz in W mit Arbeiten auf dem Flachdach beschäftigt, wobei keine Absicherungen gegen Absturz vorhanden waren und die Arbeitnehmer auch nicht angeseilt waren. Die Absturzhöhe betrug ca. 11 Meter.

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. R Ges.m.b.H. mit Sitz in Wels. Verantwortlicher Baustellenleiter für die gegenständliche Baustelle war Herr C F. Vorarbeiter war Herr M Z, welcher direkter Ansprechpartner vor Ort auf der Baustelle ist. Die Leitung der Baustelle wurde vom Bw Herrn F mündlich übertragen und hatte dieser auch die Verpflichtung die Unterweisung der Arbeitnehmer vorzunehmen. Die zu verwendenden Arbeitsmittel und Sicherheitseinrichtungen werden vom Baustellenleiter F bestimmt und angefordert. Auch wird die Verwendung von ihm kontrolliert, nämlich im Zusammenhang mit den wöchentlich bzw. 14-tägig durchgeführten Baubesprechungen. Herr F entscheidet selbständig und teilt die Arbeitnehmer für die Baustellen ein. Ansonsten ist vor Ort der Polier M Z für die Baustelle verantwortlich. Die Arbeitnehmer werden in der Firma jährlich mindestens 1-2 mal geschult, wobei auch über erforderliche Sicherheitsmaßnahmen gesprochen wird. In jedem Fahrzeug befindet sich das Sicherheitsgeschirr und sind die Arbeiter angewiesen, bei Notwendigkeit dieses Sicherheitsgeschirr zu verwenden. Abhängig vom Schwierigkeitsgrad besucht der Bw die Baustelle und kontrolliert bei einer Baustellenbegehung auch die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen. Am Kontrolltag wurde das Sicherheitsgeschirr nicht verwendet, es war aber auf dem Dach vorhanden. Ein Gerüst wurde nicht aufgestellt und war nicht vorhanden, weil dies vom Errichter der Fassade verweigert wurde. Es handelte sich um eine Glasfassade. Über Aufforderung des Kontrollorgans wurde vom Baustellenleiter F eine Hebebühne angefordert und auf der Baustelle verwendet. Über Absturzsicherungen wurde vor Beginn der Baustelle nicht gesprochen. Wurde im Randbereich gearbeitet, so haben sich die Arbeitnehmer angeseilt, wobei sie die Anschlagpunkte selbst bestimmen bzw. die Sicherung durch 2 Personen erfolgte. Die Baustelle dauerte mehrere Wochen, wobei Herr F ca. 3-4 mal auf der Baustelle war. Der Bw kommt nicht auf jene Baustellen, für welche Herr F die Baustellenleitung über hat. Bei Kontrollen der Baustelle durch Herrn F ging es um die Feststellung des Baufortschrittes.

Der Baustellenleiter war zu Beginn der Baustelle, also vor Weihnachten auf der Baustelle. Zwischen Beginn der Baustelle und der Kontrolle am 7.2.2008 war er nicht mehr dort. Vor Ort ist der Vorarbeiter Zauner für die Baustelle zuständig, wobei telefonischer Kontakt zu ihm gehalten wird und über Vorkommnisse informiert wird. Weil Absperrungen nicht zugelassen wurden, wurde vom Baustellenleiter der Anseilschutz angeordnet, wobei es dem Vorarbeiter selbst überlassen war, wo sich die Arbeitnehmer anseilen. Der Baustellenleiter hat aufgrund der Kontrolle die Hebebühne bestellt und wurden erst nach Eintreffen wieder die Arbeiten fortgesetzt. Der Bauleiter selbst ist selbständig tätig, er berichtet der Geschäftsleitung über Baufortschritt, Material und Vorkommnisse, so auch über die stattgefundene Kontrolle.

Zu den persönlichen Verhältnissen gibt der Bw ein Einkommen von ca. 3.800 Euro, keine Sorgepflichten, Firmenanteile und ein Einfamilienhaus an.

Mit Schreiben vom 8.2.2008 wird das Ergebnis der Besichtigung der Baustelle Wr. Neudorf am 7.2.2008 durch das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien wiedergegeben und ersucht, die notwendigen Maßnahmen sofort zu veranlassen. Darin wurde auf die Absturzsicherungen an der Attika, sowie bei Lichtkuppelöffnungen hingewiesen und aufgefordert die Verpflichtungen aus dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan umzusetzen. Weiters wurde darauf aufmerksam gemacht, dass bei nochmaliger Feststellung dieser Mängel ein Verwaltungsstrafverfahren bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde beantragt wird.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist aufgrund der Aussagen des Bw sowie der einvernommenen Zeugen erwiesen. Die Zeugen waren glaubwürdig und besteht kein Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ausführungen. Der Sachverhalt wurde im Wesentlichen nicht bestritten.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 Meter Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

§ 161 BauV wurde durch BGBl. Nr. 540/1994 aufgehoben (§ 118 Abs.3 Z4 ASchG).

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Im Grund des erwiesenen Sachverhaltes hat der Bw den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen je Arbeitnehmer nach dem Kumulationsprinzip gemäß § 22 VStG erfüllt. Er hat die Verwaltungsübertretungen auch verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten. Der VwGH hat jüngst in seinem Erkenntnis vom 5.9.2008, Zl. 2008/02/0129-3, bekräftigt, dass § 87 BauV keine Einschränkung etwa nach der Entfernung der durchzuführenden Arbeiten von der Absturzkante enthält. Es kommt auf die Verhinderung abstrakter Gefahrenlagen an. Bei Arbeiten auf Dächern ist grundsätzlich nie auszuschließen, dass sich ein Arbeitnehmer der Absturzkante nähert und in konkrete Absturzgefahr gerät.

 

5.2. Zum Vorbringen des Bw, dass durch das Arbeitsinspektorat eine Ermahnung ergangen sei und daher der Strafanspruch konsumiert sei, wird auf § 9 des Arbeitsinspektionsgesetztes 1993 – ArbIG hingewiesen. Danach ist der Arbeitgeber, wenn die Arbeitsinspektion die Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift feststellt, mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu beraten und hat das Arbeitsinspektorat den Arbeitgeber formlos schriftlich aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen. Wird der Aufforderung innerhalb der vom Arbeitsinspektorat festgelegten oder erstreckten Frist nicht entsprochen, so hat das Arbeitsinspektorat Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten. Das Arbeitsinspektorat hat auch ohne vorausgehende Aufforderung Strafanzeige wegen Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift zu erstatten, wenn es sich um eine schwerwiegende Übertretung handelt (§ 9 Abs.3 ArbIG). Werden Übertretungen von arbeitsstättenbezogenen Arbeitnehmerschutzvorschriften oder behördlichen Verfügungen festgestellt, die sich auf geringfügigste Abweichungen von technischen Maßen (wie Raumhöhe, lichte Höhe, Lichteintrittsflächen usw.) beziehen, hat das Arbeitsinspektorat gemäß § 21 Abs.2 VStG von der Erstattung einer Anzeige abzusehen (§ 9 Abs.3a ArbIG).

Im Grund dieser Bestimmung ist schon ersichtlich, dass das Fehlen von Absturzsicherungen keine arbeitsstättenbezogene Arbeitnehmerschutzvorschrift ist und daher die Voraussetzung für ein Absehen von der Anzeige gemäß § 21 Abs.2 VStG nicht vorgelegen ist. Darüber hinaus handelt es sich aber bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen um schwerwiegende Übertretungen, weil hier in massiver Weise Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Sturzgefahr aufs Spiel gesetzt wird, sodass gemäß § 9 Abs.3 ArbIG auch ohne vorausgehende Aufforderung eine Strafanzeige erstattet werden kann. Wird dennoch eine Aufforderung ausgesprochen, so hindert diese jedenfalls nicht auch die gleichzeitige Durchführung einer Strafanzeige. Darüber hinaus ist aber der Bw darauf hinzuweisen, dass nach der im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nach dem § 25 Abs.1 VStG eine Anzeige nicht erforderlich ist, sondern liegt dem VStG zugrunde, dass jede Strafbehörde bei Bekanntwerden eines strafbaren Verhaltens auch von sich aus ein Strafverfahren einleiten und durchführen kann (vgl. §§ 25, 26 und 27 VStG). Einer Anzeige bzw. Anklage bedarf es im Verwaltungsstrafverfahren nicht. Sind daher der belangten Behörde Verwaltungsübertretungen wie im gegenständlichen Fall bekann geworden, so kann sie von sich aus ein Strafverfahren durchführen. Die Parteistellung des Arbeitsinspektorates im Verwaltungsstrafverfahren ergibt sich aus § 15 Abs.6 ArbIG, wonach das Arbeitsinspektorat, das die Strafanzeige erstattet hat, ohne eine Anzeige des Arbeitsinspektorates aber jenes Arbeitsinspektorat, in dessen Aufsichtsbezirk sich die Betriebsstätte oder die Arbeitsstelle befindet, am Strafverfahren zu beteiligen ist. Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens sowie des Arbeitsinspektorates als beigezogene Partei ist daher gegeben.

Im Grund des Umstandes, dass es sich bei der Strafverfolgung und Bestrafung um eine rechtliche Beurteilung handelt und im Verwaltungsstrafverfahren die Offizialmaxime gilt, war es daher auch nicht erforderlich dem Beweisantrag des Bw nachzukommen und das Kontrollorgan über eine eventuelle Ermahnung als Zeuge zu befragen.

 

5.3. Der Bw macht mangelndes Verschulden geltend, weil seine Arbeitnehmer in Sicherheitseinrichtungen unterwiesen sind und der Baustellenleiter und Vorarbeiter verantwortlich sind, dass die Sicherheitseinrichtungen auch verwendet werden. Diese können auch die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen anfordern.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmer­schutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war".

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von dem anlastbaren Verschulden zu entlasten. Insbesondere reichen die von ihm angeführten jährlichen Schulungen nicht aus. Es reicht auch nicht aus, dass Sicherheitsseile und Sicherheitsgeschirre im Firmenbus zur Verfügung gestellt werden. Viel mehr hat der Bw für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften, also für das Aufstellen und die Verwendung der technischen Sicherheitseinrichtungen Sorge zu tragen. Ein Sicherheitsgerüst wurde vom Bw nicht in Erwägung gezogen. Auch wurden sonstige technische Sicherheitseinrichtungen nicht verwendet. Dem Bw ist anzulasten, dass auch die persönliche Schutzausrüstung wie Sicherheitsgeschirre nicht verwendet wurden. Es wurde auch für deren vor Verwendung keine Vorsorge getragen, indem zum Beispiel Sekuranten gesetzt wurden. Vielmehr führte sowohl der Bw als auch der Vorarbeiter und der Baustellenleiter aus, dass es am Vorarbeiter gelegen war, ob der Anseilschutz verwendet wird und wo die Anschlagpunkte gesetzt werden. Auch wurde die Umsetzung des angeordneten Sicherheitsschutzes weder vom Baustellenleiter, noch vom Bw selbst kontrolliert. So wurde aufgrund der mündlichen Verhandlung erwiesen, dass der Baustellenleiter zwischen Weihnachten und dem Kontrollzeitpunkt am 7.2.2008 nicht auf der Baustelle war. Der Bw war während der Arbeiten auf der Baustelle ebenfalls nicht zu Kontrollzwecken auf der Baustelle. Es fehlt daher an einem lückenlosen Kontrollsystem. Auch konnte der Bw nicht darlegen und unter Beweis stellen, welche Maßnahmen er getroffen hat, dass die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften mit gutem Grund erwartet werden kann. Es war daher jedenfalls fahrlässige Tatbegehung vorhanden.

Wenn hingegen der Bw sich damit verteidigt, dass ihm aufgrund der zahlreichen Baustellen eine ständige Kontrolle nicht zumutbar sei, so ist dem entgegen zu halten, dass gerade eine solche Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen vom Verwaltungsgerichtshof verlangt wird, um sich vom gesetzlich vermuteten Verschulden zu entlasten (VwGH vom 19.10.2001, Zl. 2000/02/0228). Das Kontrollsystem dient genau dazu, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen setzen und Arbeitnehmerschutz­vorschriften außer Acht lassen. Es war daher vom Verschulden des Bw auszugehen.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses keine Strafmilderungsgründe zugrunde gelegt, aber im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat auf das hohe Gefährdungspotential für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer hingewiesen. Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26.3.2008 hat die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bei einem Nettoeinkommen von 2.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten geschätzt und wurde im Verfahren erster Instanz diesen Ausführungen nichts entgegen gehalten.

Im Berufungsverfahren legt nunmehr der Bw einen Nachweis über ein monatliches Netteinkommen von 3.859,50 Euro vor und gibt an, keine Sorgepflichten zu haben, über Firmenanteile und über ein Haus zu verfügen. Weiters kam im Berufungsverfahren hervor, dass der Bw unbescholten ist. Wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, ist aber auf die hohe Gefährdung im Hinblick auf die große Absturzhöhe von ca. 11 Meter und die langen Arbeiten ohne technische Sicherheitseinrichtungen Bedacht zu nehmen. Der Schutzzweck der Norm ist in erheblichem Ausmaß verletzt. Auch verfügt der Bw aufgrund seiner Angaben über überdurchschnittliche Einkommens- und Vermögens­verhältnisse. Wenn auch die Unbescholtenheit des Bw als Milderungsgrund zu werten ist, so sind ihm die überdurchschnittlichen persönlichen Verhältnisse entgegen zu halten. In Anbetracht dieser Umstände sind die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen nicht überhöht, machen sie doch lediglich 1/7 des gesetzlich vorgesehenen Höchstrahmens aus. Es kann daher nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hat. Entgegen den Ausführungen des Bw kann aber die Kumulation von Strafen nicht eine Herabsetzung der Strafe je Delikt bewirken. Auf die diesbezügliche ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird hingewiesen. Es waren daher auch die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen zu bestätigen.

Ein Überwiegen der Milderungsgründe war jedoch nicht festzustellen und daher von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das Verhalten des Beschuldigten nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurück bleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG nicht auszugehen. Viel mehr hat das Verfahren gezeigt, dass der Bw genau jenen Schutzzweck der Norm verletzt hat, der den Bestimmungen zugrunde gelegt wurde und sein Verhalten genau dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung entspricht.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 1.000 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem; Ermahnung durch Arbeitsinspektorat, Offizialmaxime

 

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