Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550434/5/Kü/Rd/Ba

Linz, 25.11.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über den Antrag der B B A GmbH,  vertreten durch Rechtsanwälte D B, M, O, L, L, vom 19.11.2008 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der A A K d S L GmbH betreffend  die Lieferung von  "15 Hämodialysegeräte für die I", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin A A K d S L GmbH die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis  19. Jänner 2009, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 19.11.2008  hat die B B A GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von  insgesamt 1.200 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftraggeberin am 21.8.2008 die Ausschreibung für die Lieferung von 15 Hämodialysegeräten für die A I bekannt gegeben habe. Am 29.10.2008 wurde von der Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben. Diese Entscheidung wurde von der Antragstellerin mit Antrag vom 5.11.2008 bekämpft und wurde am 11.11.2008 vom Oö. Verwaltungssenat in dieser Angelegenheit eine einstweilige Verfügung erlassen, in welcher der Auftraggeberin untersagt wurde, den Zuschlag zu erteilen. In der Folge wurde von der Auftraggeberin die mit 7.11.2008 datierte, bei der Antragstellerin am 12.11.2008 eingelangte Entscheidung, wonach das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden sei, bekannt gegeben.

 

Die Ausschreibungsbedingungen enthalten unter Pkt 2. Technische Anforderungen auf Seite 2/18 des Leistungsverzeichnisses unter Pkt. 2.1.10 als "unbedingt geforderte Leistung" die Vorrichtung zum Selbsteinfädeln des Schlauchbesteckes. Das dafür vorgesehene Feld sei von der Antragstellerin angekreuzt worden und kann daher als erfüllt angesehen werden. Weiters hat die Antragstellerin in Bezug auf Pkt. 2.10.12. des Leistungsverzeichnisses auf die Ausführungen zu Anlage, Seite 4, verwiesen.

 

Von der Antragstellerin wurde am 11.9.2008 rechtzeitig ein Angebot gelegt. Am 15.9.2008 habe die Angebotsöffnung stattgefunden und wurden dabei folgende Angebote verlesen:

Antragstellerin: 173.000 Euro

G H A GmbH: 195.000 Euro

Firma F: 224.550 Euro

Firma I: 178.800 Euro

 

Mit Schreiben vom 7.11.2008 (zugestellt am 12.11.2008) sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass ihr Angebot aufgrund des Ergebnisses der Angebotsprüfung nach § 129 Abs.1 Z7 BVergG 2006 ausgeschieden werden müsse, da die Muss-Kriterien des Leistungsverzeichnisses Pkt. 2.1.10 (Vorrichtung zum Selbsteinfädeln des Schlauchbesteckes) und Pkt. 2.10.12 (Kommunikationssystem für technische Wartung) nicht erfüllt worden seien.

 

Zu ihrem Interesse am Vertragsabschluss bringt die Antragstellerin vor, dass fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt worden sei, welches nach Angebotsöffnung in Bezug auf den Preis das beste Angebot und weit vor dem Bestbieterangebot zu reihen gewesen sei. Weiters würde bei Nichterteilung des Zuschlags der Antragstellerin ein Schaden von ca. 34.600 Euro (entgangener Gewinn von ca 20%) sowie ca. 2.000 Euro für frustrierte Kosten für die Angebotslegung und ca. 5.000 Euro für die anwaltliche Beratung drohen. Weiters drohe der Verlust eines Referenzprojekts.

 

Die Antragstellerin erachte sich durch die angefochtene Entscheidung in ihrem Recht,

-        dass das eigene Angebot bei Vorliegen eines den   Ausschreibungsbestimmungen nicht widersprechenden Angebots nicht       gemäß § 129 Abs.1 Z7 BVergG ausgeschieden wird:

-        auf Teilnahme am Vergabeverfahren;

-        auf Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragstellerin;

-        auf Durchführung des Vergabeverfahrens gemäß den Bestimmungen des     BVergG 2006 sowie des Oö. VergRSG,

verletzt.

 

Zur Vorrichtung zum Selbsteinfädeln des Schlauchbesteckes führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass es unrichtig sei, dass keine Vorrichtung vorliege. Der Ordnung halber werde darauf hingewiesen, dass die Muss-Kriterien eben nur eine Vorrichtung zum Selbsteinfädeln vorsehen, die konkrete Ausführung dieser Funktion jedoch nicht speziell dargestellt werde. Besondere zusätzliche Anforderungen, wie etwa die Vermeidung manueller Vorgänge mit beiden Händen sind einem durchschnittlich fachkundigen Bieter nicht erschließbar und somit nicht Bestandteil der Ausschreibung und könne sich die Auftraggeberin nicht auf solche berufen. Es bestehe weder die Anforderung, dass dies elektrisch oder ein Einhandbetrieb sei noch werden irgendwelche anderen speziellen Attribute gefordert. Vielmehr sei hinsichtlich der Leistungsbeschreibung von den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften einer Leistung auszugehen – diese sei im vorliegenden Fall bereits gegeben, wenn grundsätzlich eine Vorrichtung für die Selbsteinfädelung des Schlauchbesteckes vorliegt, da dies der Erklärungswert des Musskriteriums sei, dass sich dem durchschnittlich fachkundigen Bieter erschließe.

 

Weiters sei noch festgehalten, dass die  sog. Kassette der G H A GmbH nicht ohne manuelle Vorgänge auskomme. Tatsächlich müsse die Kassette mit beiden Händen eingebaut werden, bevor der Automatismus zum Einsatz kommen könne. Bei diesem Produkt wäre somit nach der Auslegung durch die Auftraggeberin selbst kein Selbsteinfädelungsmechanismus gegeben.

 

Hinsichtlich des Muss-Kriteriums Kommunikationssystem für technische Wartung führt die Antragstellerin im Wesentlichen weiters aus, dass sie die beiden Muss-Kriterien nicht angekreuzt, jedoch in den beigelegten Unterlagen /4 sehr wohl beschrieben und erläutert habe. Die Argumentation der Auftraggeberin, dass sich die Fehlersuche aufwendiger und schwieriger gestalte, zumal diese beherrschender Teil einer Reparatur sei und der Servicetechniker die Verantwortung über das Dialysegerät nach der Reparatur habe, sei unrichtig.

 

Das angebotene Gerät der Antragstellerin habe einen vollwertigen Industriecomputer (TSM) eingebaut. Der Laptop sei somit bereits im Gerät eingebaut und insofern bereits angeschlossen.  Ein externer Anschluss eines Laptops sei kein Produktvorteil sondern eher ein Nachteil. Eine Fehlersuche könne in diesem Fall keinesfalls während einer laufenden Behandlung durchgeführt werden, da dies immer mit einem Eingriff in das System und somit einer potentiellen Patientengefährdung einhergehen könne. Allein die Verbindung des Dialysegeräts mit einem weiteren stromführenden Gerät sei problematisch, wie etwa aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes entnommen werden könne. Schließlich können sich hier Ableitströme im Fehlerfall addieren. Diesbezüglich werde bemerkt, dass ein extern angeschlossener Computer/Laptop unbekannter Herkunft und Quelle kein Medizinprodukt und somit aus Sicherheitsgründen eine solche Konfiguration nur außerhalb einer laufenden Behandlung erfolgen dürfe. Selbst wenn unter Einhaltung aller Sicherheitsaspekte ein Computer/Laptop während der Behandlung angeschlossen werde, könne somit in der Regel nur eine Diagnose, aber keine Reparatur erfolgen.

Eine Wartung durch die Techniker der Antragstellerin könne durchgeführt werden. Die entsprechende Verfügbarkeit der Techniker sei binnen kurzer Frist möglich. Der Vorhalt, dass sich die Fehlersuche für die Auftraggeberin aufwendiger und schwieriger gestalten würde und eine Reparatur problematisch sein könnte, sei schlichtweg unrichtig. Die Reparatur könne durch die Mitarbeiter der Antragstellerin durchgeführt werden und obliege diesen auch die Verantwortung über das Dialysegerät nach der Reparatur.

Weiters könne beim Gerät der Antragstellerin die sog. Übersicht technische Daten aktiviert werden. Da dieses System ein integriertes und nicht ein angeschlossenes darstelle, sei dies nicht nur gleichwertig sondern die technisch bessere und raffiniertere Ausführung, die die Musskriterien jedenfalls erfülle. Dieses System ermögliche eine Echtzeit-Darstellung nahezu aller technischen Parameter des Systems. Jeder autorisierte und geschulte Servicetechniker könne anhand dieser Daten schnelle und effiziente Diagnosen durchführen und über den weiteren Verlauf einer Behandlung Aussagen tätigen oder die Behandlung beenden lassen, um eine Reparatur durchführen zu können.

Ein Flussbild sei nicht mehr als eine optische Darstellungsvariante des fehlerfreien Funktionsschemas eines Gerätes und könne nur als Diagnosehilfe dienen, wenn auch die entsprechenden aktuellen Parameter eingeblendet sind, an denen man eine Fehlfunktion bemessen könne. Innerhalb des Techniker-Modus und der Dialog+ stehe dem Servicetechniker eine sog. Trendaufzeichnung zur Verfügung, die eine optimale Fehlerdiagnose ermögliche.  Auch diese Trendaufzeichnung sei nichts anderes als ein Flussbild. Hier können neben reinen Messwerten aus der Therapie nämlich sehr wohl auch grafische Verläufe von Drücken, Flüssen und allen anderen Mess- und Einstellwerten einer Behandlung ausgewertet werden, bevor man über die Darstellung der hydraulischen Baugruppen gezielte Funktionsprüfungen oder Einstellungen von Komponenten vornehmen könne. Zudem könne der Druckverlauf über die gesamte Therapie dargestellt werden.

 

Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass das Musskriterium Echtzeit-Flussbild anzeigbar beim Punkt Kommunikationssystem für technische Wartung sehr wohl durch die Antragstellerin erfüllt werde.

 

All dies zeige, dass die Ausscheidung der Antragstellerin, die erst nach deren Einbringen eines Nachprüfungsverfahrens von der Auftraggeberin ins Auge gefassten Zuschlagsentscheidung erfolgt sei, ganz offensichtlich zu Unrecht erfolgt sei.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf die Ausführungen im Hauptantrag und führt zum einen weiters aus, dass der Oö. Verwaltungssenat bereits eine einstweilige Verfügungen erlassen hat, in welcher die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in dem Nachprüfungsverfahren VwSen-550432 untersagt werde, doch könnte nach allfälligem Wegfall dieser einstweiligen Verfügung der Zuschlag erteilt werden. Es sei daher die Beantragung einer einstweiligen Verfügung im gegenständlichen Fall dringend erforderlich. Zum anderen müsse die Interessensabwägung zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen. Würde die einstweilige Verfügung nicht erlassen werden, könne die Auftraggeberin nach Wegfall der im Nachprüfungsverfahren VwSen-550432 erlassenen einstweiligen Verfügung der G H A GmbH den Zuschlag erteilen und könnten die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten des Vergabeverfahrens nur mehr durch Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden; eine Zuschlagserteilung zu Gunsten der Antragstellerin wäre dann ausgeschlossen. Des weiteren treffe die Auftraggeberin die Verpflichtung, zeitliche Verzögerungen durch ein eventuelles Nachprüfungsverfahren bei der Planung mit zu berücksichtigen.       

 

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die A A K d S L GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. In der Stellungnahme vom 24.11.2008 verweist die Auftraggeberin auf die Ausführungen in ihrer Stellungnahme vom 6.11.2008. Gleichzeitig werde die Erlassung der nunmehr beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt, weil im anhängigen Nachprüfungsverfahren zu VwSen-550433 bereits eine einstweilige Verfügung erlassen wurde und auch in der für 27.11.2008 anberaumten mündlichen Verhandlung die Antragslegitimation geprüft werden müsse. Die Erlassung einer weiteren einstweiligen Verfügung im selben Vergabeverfahren erübrige sich daher.

 

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die A A K d S L GmbH steht zu 100% im Eigentum der S L, liegt im Vollziehungsbereich des Landes im Sinn des Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Lieferauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben oder Eigentum nicht aktuell ist bzw kein solcher Mangel an den ausgeschriebenen Produkten bestehen würde, dass eine Beeinträchtigung der medizinischen Versorgung der Patienten des A d S L gegeben sein könnte. Den geltend gemachten rein wirtschaftlichen Nachteilen sind aber öffentliche Interessen an einem rechtskonformen Vergabeverfahren (und allenfalls damit verbundenen Kostenersparnissen) gegenüberzustellen.

 

Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Mag. Thomas Kühberger 

 

 

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