Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310359/2/Kü/Sta

Linz, 22.10.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Frau R G-W,  vertreten durch Rechtsanwälte Mag. E A, Mag. I P, S, S, vom 2. Mai 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. März 2008, UR96-7442-2007, wegen einer Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land  vom 30. März 2008, UR96-7442-2007, wurde über die Berufungswerberin wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.2 Z21 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) iVm dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27.7.2007, UR01-12-25-2007, eine Geldstrafe von 360 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis lag folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben, wie anlässlich eines Lokalaugenscheines am 3. Oktober 2007 festgestellt wurde, den Entfernungsauftrag der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. Juli 2007, UR01-12-25-2007, nicht (vollständig) befolgt (Entfernung der im Spruch des u.a. Bescheides beschriebenen Abfälle bis spätestens 15.9.2007)."

 

2. Dagegen wurde von der Berufungswerberin im Wege ihrer Rechtsvertretung mit Eingabe vom 2. Mai 2009 der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und die Berufung eingebracht.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. Juli 2008, UR96-7442-2007, wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben. Die Berufung vom 2. Mai 2008 ist daher als rechtzeitig zu werten.

 

In der Berufung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Tatbestand des § 79 Abs.2 Z1 AWG schon in objektiver Hinsicht nicht erfüllt worden sei. Nach ergänzender Befragung des Amtssachverständigen hätte sich herausgestellt, dass aus abfalltechnischer Sicht keine weiteren Maßnahmen erforderlich seien und sohin dem Entfernungsauftrag rechtzeitig entsprochen worden sei. Anlässlich einer weiteren Kontrolle am 15.2.2007 habe der Sachverständige den Zustand aus abfalltechnischer Sicht für in Ordnung befunden.

 

Weiters wurde unter Schilderung der persönlichen Situation darauf hingewiesen, dass in subjektiver Hinsicht keine Fristversäumnis vorgelegen sei und die Beschuldigte daher keinerlei Verschulden bezüglich des gegen sie erhobenen Strafvorwurfs treffe. Im Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass die Strafe zu hoch bemessen sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung mit Schreiben vom 17. Juli 2008, eingelangt am 21. Juli 2008, samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1.  Gemäß § 73 Abs.1 AWG 2002 hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen, wenn

1.    Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.    die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

 

Gemäß § 79 Abs.2 Z21 AWG 2002 begeht, wer Aufträge oder Anordnungen gemäß § 73, § 74, § 82 Abs.4 oder § 83 Abs.3 AWG nicht befolgt - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 360 Euro bis 7.270 Euro zu bestrafen ist.

 

5.2. Nach § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw. Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1521).

 

 

Im Bescheidspruch des § 44a bedarf es zufolge der Z1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z2) erforderlich sind. Dies bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des  jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des Österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1522).

 

Gegenständlich wird der Berufungswerberin vorgeworfen, den Entfernungsauftrag  nicht (vollständig) befolgt zu haben. Diesem Spruch ist, bezogen auf die Inhalte des Behandlungsauftrages und somit die speziellen Gegebenheiten des Falles, nicht zu entnehmen, durch welche konkreten Handlungen oder Unterlassungen die Berufungswerberin dem Behandlungsauftrag vom 9. Oktober 2007 nicht entsprochen haben soll. Dem Verwaltungsstrafakt ist zu entnehmen, dass am 3. Oktober 2007 ein Lokalaugenschein unter Beiziehung eines Sachverständigen stattgefunden hat, wobei dieser Feststellungen zu den einzelnen Punkten des Behandlungsauftrages getroffen hat. Diese konkreten Feststellungen haben allerdings nicht Einfluss in das Verwaltungsstrafverfahren gefunden und wurde der Berufungswerberin weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch im Straferkenntnis konkret vorgeworfen, welchen Punkt des Behandlungsauftrages sie nicht erfüllt haben soll.

 

Die nach § 44a VStG notwendige Individualisierung und Konkretisierung der Tat macht es erforderlich, der Berufungswerberin konkret vorzuwerfen, welchen Punkt des Behandlungsauftrages sie nicht erfüllt hat und wäre im Spruch von der Behörde genau anzulasten, warum gerade dieser Punkt des Behandlungsauftrages nicht fristgemäß erfüllt sei. Der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses entspricht deswegen nicht den Erfordernissen des § 44a VStG.  Demzufolge ist die Berufungswerberin rechtlich nicht davor geschützt, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Da der Berufungswerberin innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist kein im Sinne der obigen Ausführungen konkretisierter Tatvorwurf vorgehalten wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten und war der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

 

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