Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400971/5/Fi/Wb

Linz, 18.11.2008

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Be­schwerde des J K S, vertreten durch Mag. M S, c/o V O, L, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Kirchdorf an der Krems zu Recht erkannt:

I.                  Der Beschwerde wird, soweit sie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 2. Oktober 2008 bis zum 13. November 2008 betrifft, Folge gegeben. Das Mehrbegehren (Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung vom 1. September 2008 bis 1. Oktober 2008) wird zurückgewiesen.

II.              Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgebenden Voraussetzungen nicht vorliegen.

III.          Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs 1 und 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm. §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Kirchdorf an der Krems vom 1. September 2008, Sich40-574-2008-Sk wurde die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 Asylgesetz 2005 gemäß § 57 AVG iVm § 76 Abs. 2 Ziffer 4 und Abs. 3 FPG über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Linz am selben Tag vollzogen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus:

Der Bf sei irakischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Kurden an und habe nach eigenen Angaben den Irak verlassen, weil er und sein Vater wegen der Mitarbeit bei den Wahlen mit dem Tod bedroht worden seien. Weiters habe der Bf bei seiner fremdenpolizeilichen Befragung angegeben, dass er vorgehabt hätte, zu seiner Tante nach Schweden zu reisen, um dort einen Asylantrag zu stellen. Da dies dann nicht mehr möglich gewesen sei, habe der Bf nach seiner Festnahme und im Zuge der fremdenpolizeilichen Befragung einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die belange Behörde führt weiters aus, dass der Bf am 31. August 2008 auf der Ladefläche eines türkischen Sattelaufliegers gemeinsam mit einem Verwandten angetroffen worden sei, wobei der Fahrer dieses Sattelfahrzeuges aufgrund der Rufe des Bf und seines Verwandten um Hilfe und Wasser die Polizei verständigt habe. Der Bf gab an, dass er bei seiner Ausreise aus dem Irak in die Türkei noch seinen gültigen irakischen Reisepass besessen habe. In Istanbul sei der Bf dann vom Schlepper zum LKW-Zug einer türkischen Spedition gebracht worden. Auf diesem LKW-Parkplatz habe dann der Schlepper die rückwertige und bereits verplombte Tür des Sattelaufliegers geöffnet und der Bf und sein Verwandter hätten dann den LKW bestiegen. Aus der Aussage des Fahrers des türkischen Sattelzuges ergibt sich, dass dieser nach einer Nächtigung in Istanbul am 28. August 2008 über Bulgarien (Plowdil) und von dort weiter nach Belgrad gefahren sei. Dort habe er nochmals genächtigt. Am 30. August 2008 sei die Fahrt über Slowenien fortgesetzt worden, wobei er am Grenzparkplatz in Spielfeld zwischen 16.00 und 17.00 Uhr angekommen sei. Dort musste lt. Aussage des LKW-Fahrers bis Sonntag Abends um ca. 21.00 Uhr gewartet werden, bevor die Reise fortgesetzt werden habe können. Anlässlich eines Aufenthaltes auf einem Rastplatz der A9 habe der Fahrer dann die Hilferufe bzw. Rufe vernommen. Er sei in weiterer Folge zum Autohof St. Pankraz gefahren und habe dies dem dortigen Tankwart mitgeteilt, welcher dann die Polizei verständigt habe. Diese hat dann nach Öffnung des LKW den Bf und seinen Verwandten auf der Ladefläche vorgefunden. Der Bf selbst gab an, dass er seinen Reisepass aufgrund einer Weisung des Schleppers noch auf der Ladefläche des LKW vernichtet habe. Die vorgefundenen zerschnippelten Reste würden im Fremdenakt aufliegen.

Auf Grund dieser Tatsachen sei beabsichtigt, ein Verfahren zur Prüfung der Zuständigkeit Österreichs für das Asylverfahren durchzuführen (Dublin-Verfahren), wobei aufgrund der feststehenden Reiseroute Bulgarien wie auch Slowenien als mögliche zuständige Länder in Frage kommen würden. Aufgrund dieses Umstandes ist daher anzunehmen, dass Ihr Antrag auf Gewährung eines internationalen Schutzes (Asyl) mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird.

Aus folgenden Gründen sei anzunehmen, dass der Bf sich den beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen könnte:

"Sie sind unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und halten sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie haben Ihr Reisedokument selbst vernichtet bzw. versucht, dies unkenntlich zu machen, um die Feststellung Ihrer Identität zu erschweren. Sie verfügen über Barmittel in Höhe von 850 US-Dollar."

Abschließend führt die belangte Behörde an, dass laut den Angaben des Bf und den Resten der sichergestellten Teile des vom Bf vernichteten Reisepasses sein Geburtsdatum 14. Juni 1991 lauten würde. Der Bf räume aber selbst ein, dass er möglicherweise schon 1988 geboren worden sei, was auch seine Familie und Verwandten wissen würden. Dies entspräche auch weitgehend seinem tatsächlichen Aussehen.

Auf Grund des geschilderten Sachverhalts habe die Behörde davon ausgehen müssen, dass der Zweck der Schubhaft nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne.

2.1. In der vorliegenden Beschwerde vom 10. November 2008, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 13. November 2008, stellt der Bf den Antrag, der UVS möge

 

I. den hier angefochtenen oben bezeichneten Bescheid sowie die auf dessen Grundlage erfolgte Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären;

sowie

II. den Bund zum Kostenersatz für das Beschwerdeverfahren im zu verzeichnenden Ausmaß verpflichten.

Begründend führt der Bf insbesondere aus, dass er am 1. September 2008, unmittelbar nachdem er in der Nacht vom 31. August 2008 auf 1. September 2008 aufgegriffen worden sei, vor der Polizei W einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. September 2008 sei über den Bf die Schubhaft verhängt worden. Die Schubhaftverhängung und –anhaltung werde mit § 76 Abs. 1 Ziffer 4 begründet.

In der Einvernahme am 14. Oktober 2008 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, sei dem Bf mitgeteilt geworden, dass die Zustimmung Sloweniens vorliegen würde und es beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuverweisen und seine sofort durchsetzbare Ausweisung in diesen Staat zu veranlassen.

Eine asylrechtliche Entscheidung sei bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ergangen.

Nach einer Wiederholung des Sachverhalts unter Anführung der höchstgerichtlichen Judikatur, führt der Bf an, dass sich kein Risiko des Unterauchens ableiten lassen würde. Die belangte Behörde hätte erkennen müssen, dass in gegenständlicher Angelegenheit kein Sicherungsbedarf in Form der Verhängung und in weiterer Folge der Aufrechterhaltung der Schubhaft vorliegen würde.

Die Schubhaftverhängung und –aufrechterhaltung sei mit Rechtswidrigkeit behaftet, da die belangte Behörde die Verhältnismäßigkeitsprüfung mit unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung vorgenommen habe.

Abschließend führt der Bf an, dass es seitens der belangten Behörde auch unbegründet geblieben sei, weshalb der Zweck der Schubhaft nicht durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könnte.

 

2.2. Die belangte Behörde hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat den dort geführten Verwaltungsakt am 14. November 2008 per Telefax übermittelt und eine kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

In dieser verweist die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Bf im Asylverfahren selbst als sein Geburtsjahr das Jahr 1988 angegeben habe und auch anlässlich einer ärztlichen Untersuchung glaubhaft festgestellt worden sei, dass er aufgrund der körperlichen Ausreifung jedenfalls das 18. Lebensjahr bereits überschritten habe. Weiters gebe der Bf einerseits an, dass ihm mündlich immer gesagt worden sei, er sei 1988 geboren und das Geburtsjahr 1991 sei nur wegen des Krieges im Irak in den Dokumenten eingetragen worden, andererseits behaupte er gleichzeitig, dass die mit dem Geburtsjahr 1991 ausgestellten Dokumente "richtig" seien.  Die Identität und die Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben haben bislang jedoch nicht eindeutig geklärt werden können.

In der Beschwerde sei weiters eingewendet worden, dass die belangte Behörde den in Österreich lebenden Onkel, welcher bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, bei der Bewertung der Notwendigkeit der Verhängung einer Schubhaft nicht entsprechend gewürdigt worden sei. Hiezu führt die belangte Behörde aus, dass der Bf trotz entsprechender eindeutiger Fragen, ob er Angehörige in Österreich habe, dies verneint habe. Der Bf habe bei der fremdenpolizeilichen Befragung  lediglich eine Tante in Stockholm erwähnt, wobei er zu dieser keine weiteren konkreten Angaben habe machen können. Der in Österreich lebende Onkel sei erstmals im Asylverfahren erwähnt worden, wobei auch hier bemerkenswert sei, dass dieser Onkel während der gesamten Schubhaftdauer noch nie Zeit gefunden habe, den Bf zu besuchen oder diesen anderwärtig zu unterstützen. Die vom Bf im Asylverfahren gemachte Behauptung, er sei nicht nach Angehörigen in Österreich gefragt worden, entspreche nicht den Tatsachen.

Aus Sicht der belangten Behörde lägen daher nach wie vor gewichtige Gründe vor, welche die  Schubhaft und deren weitere Anhaltung rechtfertigen würden:

-               die Identität habe bislang nicht zweifelsfrei geklärt werden können

-               der Bf habe sowohl bei der fremdenpolizeilichen Befragung wie auch im Asylverfahren teilweise widersprüchliche und unvollständige Angaben gemacht, woraus zu schließen sei, dass er nicht bereit sei, behördliche Entscheidungen zu akzeptieren. So habe zB. der Bf im Rahmen der fremdenpolizeilichen Befragung als Zielland Schweden angegeben, wo angeblich eine Tante des Bf lebe, im Asylverfahren dies jedoch mit keinen Wort erwähnt. Dies belege, dass der Bf trotz Belehrung bewusst hinsichtlich seiner Person, seiner persönlichen Beziehungen und seiner Absichten unwahre Angaben mache,

-               Es läge lt. BAA bereits eine Zustimmung Sloweniens zur Übernahme vor, lediglich der Zeitpunkt sei noch nicht festgesetzt.

Der Bf habe bislang in allen Verfahren intensiv versucht, Tatsachen hinsichtlich seiner Person, seines familiären Hintergrundes und seiner Ziele zu verschleiern und damit offenbart, dass er trotz eindeutiger Hinweise und Belehrungen nicht bereit sei und sein werde, behördliche Entscheidungen hinsichtlich seines zukünftigen Aufenthaltes zu akzeptieren. Im Falle einer Aufhebung der Schubhaft stelle der Bf daher ohne Zweifel eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. In Anbetracht dieser Umstände und der bevorstehenden Überstellung nach Slowenien erscheine auch die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht geeignet, diese Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu beseitigen.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, der zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen ist (§ 83 Abs 2 FPG), hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt (siehe die diesbezüglichen Ausführungen unter den Punkten 1., 2.1. und 2.2.) hinlänglich geklärt erscheint. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach § 83 Abs 4 FPG jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

Der Bf ist Fremder und wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit 1. September 2008 in Schubhaft angehalten. Seine am 13. November 2008 eingelangte Beschwerde ist teilweise zulässig und in diesem Umfang begründet.

 

3.2. Nach § 83 Abs 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd § 67a Abs 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren. Gemäß dem § 67c Abs 1 AVG sind Beschwerden innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

 

Durch die bloße Anhaltung in Schubhaft ist der Beschwerdeführer nicht gehindert, eine Beschwerde dagegen zu erheben. Daher gilt grundsätzlich die Sechswochenfrist ab Kenntnis von den als rechtswidrig behaupteten Behördenhandlungen.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats ist eine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft für einen zurückliegenden Zeitraum von sechs Wochen ab Einbringung der Beschwerde zulässig. Die am 13. November 2008 erhobene Beschwerde war, soweit sie den Schubhaftbescheid vom 1. September 2008 und die Anhaltung vom 1. September 2008 bis zum 1. Oktober 2008 betrifft, als verfristet zurückzuweisen (vgl. die Erkenntnisse des Oö. Verwaltungssenates vom 9. September 2008, VwSen-400956/7/Fi/Wb, vom 14. November 2007, VwSen-400915/5/Wei/Ps und vom 15. Mai 2008, VwSen-400939/5/SR/Sta sowie VwGH vom 3. Mai 1993, 93/18/0018 und vom 28. April 1995, 93/18/0453). 

 

3.3. Zu prüfen ist daher ausschließlich der Anhaltezeitraum ab 2. Oktober 2008.

3.4. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf, wie sich unwidersprochen aus der Aktenlage und der Beschwerdebegründung ergibt, Asylwerber. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

Im konkreten Fall hat sich die belangte Behörde bei der Schubhaftverhängung auf § 76 Abs 2 Z 4 FPG gestützt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass eine Zurückweisung des Asylantrages des Bf aufgrund des Dublin-Abkommens beabsichtigt ist. In diesem Zusammenhang wurde dem Bf gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 nachweislich zur Kenntnis gebracht, dass aufgrund seiner Angaben Konsultationen mit Slowenien geführt werden. Damit lag entsprechend § 76 Abs 2 Z 4 FPG die Voraussetzung der behördlichen Annahme der Zurückweisung des Antrags mangels Zuständigkeit Österreichs offensichtlich vor, sodass grundsätzlich eine Schubhaftverhängung rechtlich möglich war.

3.3 Nach der neueren und nunmehr ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) sind allerdings sämtliche Schubhafttatbestände des § 76 Abs 2 FPG final determiniert. Sie rechtfertigen die Verhängung von Schubhaft nur "zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung". Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat darüber hinaus, in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (vgl: dazu das Erkenntnis des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043).

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich als rechtswidrig, wenn diese Maßnahme aus Gründen des Einzelfalls in Abwägung mit insbesondere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unverhältnismäßig ist oder an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG hätten angewendet werden können. Diesbezüglich ist das in dieser Bestimmung vom Wortlaut "kann" vorgesehene Ermessen für die Behörde eingeschränkt und muss jeweils einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden.

Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gemäß Abs 3 leg. cit. kommt als gelinderes Mittel insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Im konkreten Fall war im Ergebnis die Verhängung der Schubhaft unverhältnismäßig. Für die Erreichung des von der Behörde angestrebten Ziels wären auch die im Gesetz vorgesehenen gelinderen Mittel, etwa die Auferlegung der Verpflichtung zur Unterkunftnahme an einem bestimmten Ort und zur periodischen Meldung bei einem bestimmten Polizeikommando, denkbar gewesen. Gegenteiliges konnte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Verwaltungssenats – unter Bedachtnahme auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – von der belangten Behörde nicht ausreichend dargelegt werden.

So vermag selbst eine "bloße Ausreiseunwilligkeit" eine Schubhaftverhängung nicht zu rechtfertigen (VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0107). Selbst das kumulative Vorliegen von illegaler Einreise, das Fehlen erforderlicher Dokumente, mangelnde berufliche Integration im Inland, fehlende Krankenversicherung und Mittellosigkeit kann nach Ansicht des VwGH nicht generell zur zulässigen Verhängung der Schubhaft führen, da diese nicht zu einer "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber werden darf (VwGH vom 24. Oktober 2007, 2006/21/0239). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes könne dem Gesetzgeber auch nicht zugesonnen werden, dass er davon ausgegangen sei, alle potentiellen "Dublin-Fälle" seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Vielmehr sei eine Schubhaft nur dann gerechtfertigt, wenn weitere Umstände vorliegen, die den betreffenden "Dublin-Fall" in einem besonderen Licht erscheinen lassen, sodass in einem erhöhten Grad ein Untertauchen zu befürchten sei – so der VwGH in seinem Erkenntnis vom 20.12.2007, 2007/21/0261.

Zum Anderen lässt die belangte Behörde wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht, die im Sinn der gebotenen Einzelfallprüfung zu berücksichtigen gewesen wären. So ist bei der Prüfung des konkreten Sicherungsbedarfes das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (VwGH 27. Februar 2007, 2006/21/0311).

Der Bf ist zwar illegal in Österreich eingereist und hat versucht, sein Reisedokument zu vernichten; jedoch hat der Bf nach Ansicht des erkennenden Mitglieds im gesamten Verfahren wahrheitsgemäße Angaben über seine Identität, Herkunft, sein (richtiges) Geburtsdatum und (soweit ihm diese bekannt war) die Reiseroute erstattet.

Entsprechend der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es konkreter und stichhaltiger Gründe welche die Prognose rechtfertigen, dass sich ein Asyl­werber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde. In der Entscheidung des VwGH vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, reichten sogar das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, strafgerichtliche Verurteilungen und fehlende Ausreisewilligkeit hierfür allein nicht aus. Dem entsprechend rechtfertigen im vorliegenden Fall die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Entscheidungsgründe keine derartige Prognoseentscheidung zu Lasten des Bf.

Die von der belangten Behörde in der Gegenschrift ins Treffen geführte – jedoch nicht weiter begründete – Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, nicht jedoch für die Prüfung der Erforderlichkeit der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung relevant (vgl. VwGH vom 31. August 2006, 2006/21/0087). Es war daher nicht näher auf dieses Vorbringen einzugehen.

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds stellt auch die Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG für sich allein noch keinen besonderen Umstand dar, der in nachvollziehbarer Weise den Schluss zuließe, der Fremde werde sich dem Asylverfahren  durch Untertauchen entziehen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 28. Februar 2008, 2007/21/0391).

3.4.  Im vorliegenden Fall ist abschließend festzustellen, dass die belangte Behörde nicht ausreichend begründet, inwiefern die Verhängung der Schubhaft erforderlich gewesen sei und die Anwendung gelinderer Mittel nicht zum Tragen hätte kommen können. Die alleinige Feststellung des Vorliegens dieses Erfordernisses ohne konkretem Eingehen auf den Einzelfall ist – auch unter Berücksichtigung des § 57 AVG – als nicht ausreichend zu betrachten (vgl. u.a. Erkenntnis des VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0107).

Die Verhängung der Schubhaft war unter Bedachtnahme auf die Alternativen des § 77 FPG und die – von der belangten Behörde nicht ausreichend vorgenommene – Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erforderlich und somit rechtswidrig. Auch für eine weitere Anhaltung in Schubhaft findet sich keine rechtliche Grundlage.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde teilweise Folge zu geben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft innerhalb der noch offenen Beschwerdefrist von sechs Wochen (ab 2. Oktober 2008) für rechtswidrig zu erklären. Das Mehrbegehren (Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft vom 1. September 2008 bis 1. Oktober 2008) musste infolge Verfristung zurückgewiesen werden. 

 

5. Gemäß § 83 Abs 2 FPG iVm § 79a AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG).

Da die Beschwerde gegen den einen Verwaltungsakt der Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft nur zum Teil zum Erfolg gelangte, findet kein Kostenersatz statt, weil eine analoge Anwendung des § 50 VwGG nicht in Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 28.2.1997, Zl. 96/02/0481) und § 79a Abs 2 und 3 AVG nur bei gänzlichem Obsiegen anzuwenden sind (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 5.9.2002, Zl. 2001/02/0209). Der Kostenersatzantrag war daher abzuweisen.

6. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 42,00 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

Rechtssatz:

 

VwSen-400971/5/Fi/Wb

 

Schubhaft

 

FPG § 76 Abs. 2

 

keine Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie keine Prüfung des gelinderen Mittels durch Erstbehörde; eine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ist nur für einen zurückliegenden Zeitraum von sechs Wochen ab Einbringung der Beschwerde zulässig; ein Kostenersatz findet bei teilweisen Obsiegen nicht statt.

 

Beschlagwortung:

siehe Rechtssatz

 

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